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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Zahnschnäbler. Enten.
Bergente am deutlichsten durch ihre Anhänglichkeit an den Menschen. Auch sie ist scheu und vorsichtig,
lernt aber bald erkennen, ob der Mensch ihr freundlich zugethan ist oder nicht, und zeigt sich, wenn sie
sich seines Schutzes versichert hat, so zuthunlich, daß sie ihm eben nur aus dem Wege geht, nimmt
auch die für sie hergerichteten Nisthöhlen ohne Bedenken in Besitz, während sie da, wo sie Gefahr zu
befürchten hat, den Schützen stets mit größter Umsicht ausweicht. Mit anderen ihrer Art lebt sie
höchst gesellig, bis zu einem gewissen Grade selbst während der Brutzeit; um fremdartige Verwandte
dagegen kümmert auch sie sich wenig.

Die Nahrung besteht vorzugsweise ebenfalls aus Pflanzenstoffen, insbesondere aus den zarten
Theilen der Seegewächse oder anderer Kräuter, welche im salzigen Wasser überhaupt wachsen, aus
Sämereien, verschiedenen Gras- und Binsenarten, Getreidekörnern und dergleichen; thierische Stoffe
sind jedoch zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendige Bedingung, wie die Gefangenen

[Abbildung] Die Brandente (Vulpanser tadorna). 1/4 der nat. Größe.
beweisen. Während ihres Freilebens stellt sie kleinen Fischen, Weich- und Kerbthieren eifrig nach;
in der Gefangenschaft stürzt sie sich gierig auf die ihr vorgeworfenen Fische, Krabben und dergleichen,
frißt auch sehr gern rohes Fleisch. Sie sucht sich ihre Nahrung weniger schwimmend als laufend
zusammen, erscheint mit zurücktretender Ebbe auf den Watten, läuft wie ein Strandvogel an deren
Rande umher und fischt die Wassertümpel sorgfältig aus. Jn den Morgenstunden besucht sie das
benachbarte Festland und liest hier Regenwürmer und Kerbthiere auf, durchstöbert auch wohl sumpfige
Stellen oder fliegt selbst auf die Felder hinaus, um hier thierische und pflanzliche Nahrung auf-
zustöbern.

Sie brütet ebenso wie die Fuchsente nur in Höhlen. "Wer Veranlassung hat, in der Nähe der
Meeresküste zu reisen", sagt Bodinus, "wird sich nicht wenig wundern, wenn er oft eine halbe
Meile und weiter entfernt, diesen schönen Vogel in Begleitung seines Weibes, oft auch mehrere
Pärchen auf einem freien Hügel oder einem freien Platze im Walde und dann plötzlich verschwinden

Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Enten.
Bergente am deutlichſten durch ihre Anhänglichkeit an den Menſchen. Auch ſie iſt ſcheu und vorſichtig,
lernt aber bald erkennen, ob der Menſch ihr freundlich zugethan iſt oder nicht, und zeigt ſich, wenn ſie
ſich ſeines Schutzes verſichert hat, ſo zuthunlich, daß ſie ihm eben nur aus dem Wege geht, nimmt
auch die für ſie hergerichteten Niſthöhlen ohne Bedenken in Beſitz, während ſie da, wo ſie Gefahr zu
befürchten hat, den Schützen ſtets mit größter Umſicht ausweicht. Mit anderen ihrer Art lebt ſie
höchſt geſellig, bis zu einem gewiſſen Grade ſelbſt während der Brutzeit; um fremdartige Verwandte
dagegen kümmert auch ſie ſich wenig.

Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe ebenfalls aus Pflanzenſtoffen, insbeſondere aus den zarten
Theilen der Seegewächſe oder anderer Kräuter, welche im ſalzigen Waſſer überhaupt wachſen, aus
Sämereien, verſchiedenen Gras- und Binſenarten, Getreidekörnern und dergleichen; thieriſche Stoffe
ſind jedoch zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendige Bedingung, wie die Gefangenen

[Abbildung] Die Brandente (Vulpanser tadorna). ¼ der nat. Größe.
beweiſen. Während ihres Freilebens ſtellt ſie kleinen Fiſchen, Weich- und Kerbthieren eifrig nach;
in der Gefangenſchaft ſtürzt ſie ſich gierig auf die ihr vorgeworfenen Fiſche, Krabben und dergleichen,
frißt auch ſehr gern rohes Fleiſch. Sie ſucht ſich ihre Nahrung weniger ſchwimmend als laufend
zuſammen, erſcheint mit zurücktretender Ebbe auf den Watten, läuft wie ein Strandvogel an deren
Rande umher und fiſcht die Waſſertümpel ſorgfältig aus. Jn den Morgenſtunden beſucht ſie das
benachbarte Feſtland und lieſt hier Regenwürmer und Kerbthiere auf, durchſtöbert auch wohl ſumpfige
Stellen oder fliegt ſelbſt auf die Felder hinaus, um hier thieriſche und pflanzliche Nahrung auf-
zuſtöbern.

Sie brütet ebenſo wie die Fuchsente nur in Höhlen. „Wer Veranlaſſung hat, in der Nähe der
Meeresküſte zu reiſen“, ſagt Bodinus, „wird ſich nicht wenig wundern, wenn er oft eine halbe
Meile und weiter entfernt, dieſen ſchönen Vogel in Begleitung ſeines Weibes, oft auch mehrere
Pärchen auf einem freien Hügel oder einem freien Platze im Walde und dann plötzlich verſchwinden

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[816/0866] Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Enten. Bergente am deutlichſten durch ihre Anhänglichkeit an den Menſchen. Auch ſie iſt ſcheu und vorſichtig, lernt aber bald erkennen, ob der Menſch ihr freundlich zugethan iſt oder nicht, und zeigt ſich, wenn ſie ſich ſeines Schutzes verſichert hat, ſo zuthunlich, daß ſie ihm eben nur aus dem Wege geht, nimmt auch die für ſie hergerichteten Niſthöhlen ohne Bedenken in Beſitz, während ſie da, wo ſie Gefahr zu befürchten hat, den Schützen ſtets mit größter Umſicht ausweicht. Mit anderen ihrer Art lebt ſie höchſt geſellig, bis zu einem gewiſſen Grade ſelbſt während der Brutzeit; um fremdartige Verwandte dagegen kümmert auch ſie ſich wenig. Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe ebenfalls aus Pflanzenſtoffen, insbeſondere aus den zarten Theilen der Seegewächſe oder anderer Kräuter, welche im ſalzigen Waſſer überhaupt wachſen, aus Sämereien, verſchiedenen Gras- und Binſenarten, Getreidekörnern und dergleichen; thieriſche Stoffe ſind jedoch zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendige Bedingung, wie die Gefangenen [Abbildung Die Brandente (Vulpanser tadorna). ¼ der nat. Größe.] beweiſen. Während ihres Freilebens ſtellt ſie kleinen Fiſchen, Weich- und Kerbthieren eifrig nach; in der Gefangenſchaft ſtürzt ſie ſich gierig auf die ihr vorgeworfenen Fiſche, Krabben und dergleichen, frißt auch ſehr gern rohes Fleiſch. Sie ſucht ſich ihre Nahrung weniger ſchwimmend als laufend zuſammen, erſcheint mit zurücktretender Ebbe auf den Watten, läuft wie ein Strandvogel an deren Rande umher und fiſcht die Waſſertümpel ſorgfältig aus. Jn den Morgenſtunden beſucht ſie das benachbarte Feſtland und lieſt hier Regenwürmer und Kerbthiere auf, durchſtöbert auch wohl ſumpfige Stellen oder fliegt ſelbſt auf die Felder hinaus, um hier thieriſche und pflanzliche Nahrung auf- zuſtöbern. Sie brütet ebenſo wie die Fuchsente nur in Höhlen. „Wer Veranlaſſung hat, in der Nähe der Meeresküſte zu reiſen“, ſagt Bodinus, „wird ſich nicht wenig wundern, wenn er oft eine halbe Meile und weiter entfernt, dieſen ſchönen Vogel in Begleitung ſeines Weibes, oft auch mehrere Pärchen auf einem freien Hügel oder einem freien Platze im Walde und dann plötzlich verſchwinden

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 816. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/866>, abgerufen am 06.06.2024.