Jn Deutschland kommen drei Arten dieser Sippe vor, am häufigsten die Ringel-, Bronk-, Kloster-, Bernikel- oder Rottgans(Bernicla torquata), ein Vogel von 24 Zoll Länge, 48 Zoll Breite, bei 14 Zoll Fittig- und 4 Zoll Schwanzlänge. Der Vorderkopf, der Hals, die Schwingen und Steuerfedern sind schwarz, die des Rückens, der Brust und des Oberbauches dunkel- grau, etwas lichter gerandet, die Bauchseiten, die Steißgegend und die Oberschwanzdeckfedern weiß. An jeder Seite des Halses steht ein halbmondförmiger, weißer Querflecken, und die Federn sind hier seicht gereift. Die jungen Vögel sehen dunkeler aus und tragen den Halsschmuck noch nicht.
Der hohe Norden der alten und neuen Welt ist die Heimat der Ringelgans; denn die in Amerika lebenden, für verschieden gehaltenen ähnlichen Meergänse lassen sich von den im Osten wohnenden nicht unterscheiden, vorausgesetzt, daß man eine größere Anzahl vergleicht. Als Heimats- gebiet müssen die Küsten und Jnseln gelten, welche zwischen dem 80. und 60. Grade der Breite
[Abbildung]
Die Ringelgans(Bernicla torquata). 1/6 der nat. Größe.
liegen. Auf Jsland brüten nur wenige, auf Spitzbergen sehr viele Ringelgänse; mehr nach Osten hin begegnet man ihnen im hohen Sommer an allen Küsten des Eismeeres in großer Anzahl, ebenso in der Hudsonsbay und in den benachbarten Gewässern. Von dieser unfreundlichen Heimat aus treten sie alljährlich Wanderungen an, welche sie an unsere Küsten, zuweilen auch in südlichere Gegenden führen. Ende Oktobers oder spätestens im Anfange des November bevölkern sie alle flachen Gestade der Ost- und Nordsee zu Tausenden und Millionen, ihren Namen Rottgans dann buch- stäblich bethätigend. Soweit das Auge reicht, sieht man die Watten oder die Sandbänke, welche von der Ebbe bloß gelegt werden, bedeckt von diesen Gänsen; ihr Geschrei übertönt das Rollen der Brandung; ihre Massen gleichen, von fern gesehen, wenn sie auffliegen, einem dichten, weit ver- breiteten Rauche und lassen jede Schätzung als unzulässig erscheinen.
Einzelne Ringelgänse sind auch im Binnenlande, an Seen und anderen größeren Gewässern beobachtet worden, müssen aber als Verschlagene gelten; denn alle Meergänse verdienen ihren Namen:
Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Gänſe.
Jn Deutſchland kommen drei Arten dieſer Sippe vor, am häufigſten die Ringel-, Bronk-, Kloſter-, Bernikel- oder Rottgans(Bernicla torquata), ein Vogel von 24 Zoll Länge, 48 Zoll Breite, bei 14 Zoll Fittig- und 4 Zoll Schwanzlänge. Der Vorderkopf, der Hals, die Schwingen und Steuerfedern ſind ſchwarz, die des Rückens, der Bruſt und des Oberbauches dunkel- grau, etwas lichter gerandet, die Bauchſeiten, die Steißgegend und die Oberſchwanzdeckfedern weiß. An jeder Seite des Halſes ſteht ein halbmondförmiger, weißer Querflecken, und die Federn ſind hier ſeicht gereift. Die jungen Vögel ſehen dunkeler aus und tragen den Halsſchmuck noch nicht.
Der hohe Norden der alten und neuen Welt iſt die Heimat der Ringelgans; denn die in Amerika lebenden, für verſchieden gehaltenen ähnlichen Meergänſe laſſen ſich von den im Oſten wohnenden nicht unterſcheiden, vorausgeſetzt, daß man eine größere Anzahl vergleicht. Als Heimats- gebiet müſſen die Küſten und Jnſeln gelten, welche zwiſchen dem 80. und 60. Grade der Breite
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Die Ringelgans(Bernicla torquata). ⅙ der nat. Größe.
liegen. Auf Jsland brüten nur wenige, auf Spitzbergen ſehr viele Ringelgänſe; mehr nach Oſten hin begegnet man ihnen im hohen Sommer an allen Küſten des Eismeeres in großer Anzahl, ebenſo in der Hudſonsbay und in den benachbarten Gewäſſern. Von dieſer unfreundlichen Heimat aus treten ſie alljährlich Wanderungen an, welche ſie an unſere Küſten, zuweilen auch in ſüdlichere Gegenden führen. Ende Oktobers oder ſpäteſtens im Anfange des November bevölkern ſie alle flachen Geſtade der Oſt- und Nordſee zu Tauſenden und Millionen, ihren Namen Rottgans dann buch- ſtäblich bethätigend. Soweit das Auge reicht, ſieht man die Watten oder die Sandbänke, welche von der Ebbe bloß gelegt werden, bedeckt von dieſen Gänſen; ihr Geſchrei übertönt das Rollen der Brandung; ihre Maſſen gleichen, von fern geſehen, wenn ſie auffliegen, einem dichten, weit ver- breiteten Rauche und laſſen jede Schätzung als unzuläſſig erſcheinen.
Einzelne Ringelgänſe ſind auch im Binnenlande, an Seen und anderen größeren Gewäſſern beobachtet worden, müſſen aber als Verſchlagene gelten; denn alle Meergänſe verdienen ihren Namen:
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Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Gänſe.
Jn Deutſchland kommen drei Arten dieſer Sippe vor, am häufigſten die Ringel-, Bronk-,
Kloſter-, Bernikel- oder Rottgans (Bernicla torquata), ein Vogel von 24 Zoll Länge,
48 Zoll Breite, bei 14 Zoll Fittig- und 4 Zoll Schwanzlänge. Der Vorderkopf, der Hals, die
Schwingen und Steuerfedern ſind ſchwarz, die des Rückens, der Bruſt und des Oberbauches dunkel-
grau, etwas lichter gerandet, die Bauchſeiten, die Steißgegend und die Oberſchwanzdeckfedern weiß.
An jeder Seite des Halſes ſteht ein halbmondförmiger, weißer Querflecken, und die Federn ſind hier
ſeicht gereift. Die jungen Vögel ſehen dunkeler aus und tragen den Halsſchmuck noch nicht.
Der hohe Norden der alten und neuen Welt iſt die Heimat der Ringelgans; denn die in
Amerika lebenden, für verſchieden gehaltenen ähnlichen Meergänſe laſſen ſich von den im Oſten
wohnenden nicht unterſcheiden, vorausgeſetzt, daß man eine größere Anzahl vergleicht. Als Heimats-
gebiet müſſen die Küſten und Jnſeln gelten, welche zwiſchen dem 80. und 60. Grade der Breite
[Abbildung Die Ringelgans (Bernicla torquata). ⅙ der nat. Größe.]
liegen. Auf Jsland brüten nur wenige, auf Spitzbergen ſehr viele Ringelgänſe; mehr nach Oſten
hin begegnet man ihnen im hohen Sommer an allen Küſten des Eismeeres in großer Anzahl,
ebenſo in der Hudſonsbay und in den benachbarten Gewäſſern. Von dieſer unfreundlichen Heimat aus
treten ſie alljährlich Wanderungen an, welche ſie an unſere Küſten, zuweilen auch in ſüdlichere
Gegenden führen. Ende Oktobers oder ſpäteſtens im Anfange des November bevölkern ſie alle flachen
Geſtade der Oſt- und Nordſee zu Tauſenden und Millionen, ihren Namen Rottgans dann buch-
ſtäblich bethätigend. Soweit das Auge reicht, ſieht man die Watten oder die Sandbänke, welche von
der Ebbe bloß gelegt werden, bedeckt von dieſen Gänſen; ihr Geſchrei übertönt das Rollen der
Brandung; ihre Maſſen gleichen, von fern geſehen, wenn ſie auffliegen, einem dichten, weit ver-
breiteten Rauche und laſſen jede Schätzung als unzuläſſig erſcheinen.
Einzelne Ringelgänſe ſind auch im Binnenlande, an Seen und anderen größeren Gewäſſern
beobachtet worden, müſſen aber als Verſchlagene gelten; denn alle Meergänſe verdienen ihren Namen:
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 802. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/850>, abgerufen am 22.11.2024.
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