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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Höckerschwan. Zwergschwan. Singschwan.
kommt er selten, jedoch mindestens ebenso häufig vor wie seine Verwandten. Nach Osten hin tritt er
in größerer Anzahl auf: so findet er sich im mittleren Rußland auf allen geeigneten Seen in nam-
hafter und während des Winters um die Mündungen der südrussischen Ströme oder an den salzigen
Seen Südosteuropas oder Mittelsibiriens in großer Menge. Von Jsland aus wandern nur einige
der dort brütenden Schwäne weg, aus dem einfachen Grunde, weil der Golfstrom die Meeresbuchten
und die vielen heißen Quellen auch manche Binnengewässer eisfrei erhalten; aus Rußland hingegen
verschwinden alle, noch ehe die Eisdecke sie an ihrem Nahrungserwerbe hindert. Die von hier
stammenden erscheinen sodann in großer Anzahl auf der Ost- und Nordsee und ebenso auf dem
schwarzen Meere oder reisen flugweise noch weiter nach Südwesten hinab. An der pommerschen
Ostseeküste treffen sie schon im Oktober scharenweise ein; das mittlere Deutschland durchreisen sie im
[Abbildung] Der Singschwan (Cygnus musicus). 1/2 der nat. Größe.
November und Dezember auf dem Hinzuge und im Februar oder März auf dem Rückzuge. Viele
werden wahrscheinlich dem Meeresgestade folgen.

Jn seinen Bewegungen hat der Singschwan Aehnlichkeit mit dem Höckerschwane; doch steht
er diesem an Zierlichkeit etwas nach. Er trägt nämlich seinen Hals selten in so gefällige Win-
dungen gebogen wie letzterer, sondern mehr gerade empor gestreckt, gewährt jedoch schwimmend
immerhin ein sehr schönes Bild. Dagegen unterscheidet er sich sehr zu seinem Vortheile durch die
lauttönende und verhältnißmäßig wohlklingende Stimme, welche man übrigens von fern her vernehmen
muß, wenn man sie, wie die Jsländer, mit Posaunentönen und Geigenlauten vergleichen will.
Naumann übersetzt den gewöhnlichen Schrei sehr richtig durch die Silben "Killklii" oder den sanften
Laut durch "Ang". Diese beiden Töne haben in der Nähe wenig Angenehmes, klingen vielmehr
rauh und etwas gellend ins Ohr; es mag aber sein, daß sie wohlklingender werden, wenn man
sie von fern her vernimmt und eine größere Gesellschaft von Singschwänen gleichzeitig sich hören läßt.

Höckerſchwan. Zwergſchwan. Singſchwan.
kommt er ſelten, jedoch mindeſtens ebenſo häufig vor wie ſeine Verwandten. Nach Oſten hin tritt er
in größerer Anzahl auf: ſo findet er ſich im mittleren Rußland auf allen geeigneten Seen in nam-
hafter und während des Winters um die Mündungen der ſüdruſſiſchen Ströme oder an den ſalzigen
Seen Südoſteuropas oder Mittelſibiriens in großer Menge. Von Jsland aus wandern nur einige
der dort brütenden Schwäne weg, aus dem einfachen Grunde, weil der Golfſtrom die Meeresbuchten
und die vielen heißen Quellen auch manche Binnengewäſſer eisfrei erhalten; aus Rußland hingegen
verſchwinden alle, noch ehe die Eisdecke ſie an ihrem Nahrungserwerbe hindert. Die von hier
ſtammenden erſcheinen ſodann in großer Anzahl auf der Oſt- und Nordſee und ebenſo auf dem
ſchwarzen Meere oder reiſen flugweiſe noch weiter nach Südweſten hinab. An der pommerſchen
Oſtſeeküſte treffen ſie ſchon im Oktober ſcharenweiſe ein; das mittlere Deutſchland durchreiſen ſie im
[Abbildung] Der Singſchwan (Cygnus musicus). ½ der nat. Größe.
November und Dezember auf dem Hinzuge und im Februar oder März auf dem Rückzuge. Viele
werden wahrſcheinlich dem Meeresgeſtade folgen.

Jn ſeinen Bewegungen hat der Singſchwan Aehnlichkeit mit dem Höckerſchwane; doch ſteht
er dieſem an Zierlichkeit etwas nach. Er trägt nämlich ſeinen Hals ſelten in ſo gefällige Win-
dungen gebogen wie letzterer, ſondern mehr gerade empor geſtreckt, gewährt jedoch ſchwimmend
immerhin ein ſehr ſchönes Bild. Dagegen unterſcheidet er ſich ſehr zu ſeinem Vortheile durch die
lauttönende und verhältnißmäßig wohlklingende Stimme, welche man übrigens von fern her vernehmen
muß, wenn man ſie, wie die Jsländer, mit Poſaunentönen und Geigenlauten vergleichen will.
Naumann überſetzt den gewöhnlichen Schrei ſehr richtig durch die Silben „Killklii“ oder den ſanften
Laut durch „Ang“. Dieſe beiden Töne haben in der Nähe wenig Angenehmes, klingen vielmehr
rauh und etwas gellend ins Ohr; es mag aber ſein, daß ſie wohlklingender werden, wenn man
ſie von fern her vernimmt und eine größere Geſellſchaft von Singſchwänen gleichzeitig ſich hören läßt.

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[781/0827] Höckerſchwan. Zwergſchwan. Singſchwan. kommt er ſelten, jedoch mindeſtens ebenſo häufig vor wie ſeine Verwandten. Nach Oſten hin tritt er in größerer Anzahl auf: ſo findet er ſich im mittleren Rußland auf allen geeigneten Seen in nam- hafter und während des Winters um die Mündungen der ſüdruſſiſchen Ströme oder an den ſalzigen Seen Südoſteuropas oder Mittelſibiriens in großer Menge. Von Jsland aus wandern nur einige der dort brütenden Schwäne weg, aus dem einfachen Grunde, weil der Golfſtrom die Meeresbuchten und die vielen heißen Quellen auch manche Binnengewäſſer eisfrei erhalten; aus Rußland hingegen verſchwinden alle, noch ehe die Eisdecke ſie an ihrem Nahrungserwerbe hindert. Die von hier ſtammenden erſcheinen ſodann in großer Anzahl auf der Oſt- und Nordſee und ebenſo auf dem ſchwarzen Meere oder reiſen flugweiſe noch weiter nach Südweſten hinab. An der pommerſchen Oſtſeeküſte treffen ſie ſchon im Oktober ſcharenweiſe ein; das mittlere Deutſchland durchreiſen ſie im [Abbildung Der Singſchwan (Cygnus musicus). ½ der nat. Größe.] November und Dezember auf dem Hinzuge und im Februar oder März auf dem Rückzuge. Viele werden wahrſcheinlich dem Meeresgeſtade folgen. Jn ſeinen Bewegungen hat der Singſchwan Aehnlichkeit mit dem Höckerſchwane; doch ſteht er dieſem an Zierlichkeit etwas nach. Er trägt nämlich ſeinen Hals ſelten in ſo gefällige Win- dungen gebogen wie letzterer, ſondern mehr gerade empor geſtreckt, gewährt jedoch ſchwimmend immerhin ein ſehr ſchönes Bild. Dagegen unterſcheidet er ſich ſehr zu ſeinem Vortheile durch die lauttönende und verhältnißmäßig wohlklingende Stimme, welche man übrigens von fern her vernehmen muß, wenn man ſie, wie die Jsländer, mit Poſaunentönen und Geigenlauten vergleichen will. Naumann überſetzt den gewöhnlichen Schrei ſehr richtig durch die Silben „Killklii“ oder den ſanften Laut durch „Ang“. Dieſe beiden Töne haben in der Nähe wenig Angenehmes, klingen vielmehr rauh und etwas gellend ins Ohr; es mag aber ſein, daß ſie wohlklingender werden, wenn man ſie von fern her vernimmt und eine größere Geſellſchaft von Singſchwänen gleichzeitig ſich hören läßt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 781. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/827>, abgerufen am 22.11.2024.