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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Flaming.
Hinterrand ausgebuchtet; unter den acht Rippenpaaren sind die vordersten und das hinterste falsche.
Die Gabel ist stark ausgeschweift und gespreizt, erinnert überhaupt an die der Enten, und unter-
scheidet sich von der aller Sumpfvögel; das Schienbein übertrifft an bezüglicher Länge das aller
bekannten Vögel. Die große Zunge füllt den Schnabel ganz aus und ahmt die Form des Ober-
schnabels nach; ihre Vorderhälfte ist abschüssig nach vorn gerichtet, die hintere Hälfte sehr dick und
inwendig fettig, das knorpelige Zungenbein vorn spatelartig erweitert, seine Hörner sind stark und
seine Muskeln sehr kräftig. Der Schlund, welcher anfänglich ungemein eng erscheint, erweitert sich
im letzten Drittel seiner Länge zu einem wahren Kropfe, hinter welchem die Speiseröhre sich wieder
verengert; der Drüsenmagen ist klein, länglich, aber dickwandig, der Muskelmagen groß, sehr platt
und ausnehmend muskelkräftig, wie bei den Enten, der Dünndarm lang und eng, der Dickdarm
etwas weiter etc. Wagner schließt mit der Bemerkung, daß nicht blos die Bezahnung des Schnabels
und die Schwimmhäute, sondern auch der Bau der Zunge, des Magens, Darmschlauches, der Stimm-
werkzeuge, des Herzens, selbst mehrere Theile des Knochengerüstes, namentlich des Brustbeines und
der Gabel der Stelzschwäne mit den entsprechenden Theilen der Entenvögel sehr übereinkommen.

Man hat gegenwärtig ungefähr ein halbes Dutzend Arten unserer Familie unterschieden. Jhre
Lebensweise konnte noch keineswegs genügend erforscht werden; soviel aber hat man erfahren, daß
sich die einzelnen Arten in ihren Sitten und Gewohnheiten nicht oder doch nur höchst wenig unter-
scheiden. Es genügt also vollkommen, wenn wir die uns zunächst angehende Art ins Auge fassen.

Der Flaming, Pflug-, Scharf- oder Schartenschnäbler (Phoenicopterus roseus) ist
weiß, äußerst zart und schön rosenroth überhaucht, sein Oberflügel karminroth; die Schwingen sind
schwarz. Das Auge ist gelb, der Augenring karminroth, der Schnabel an der Wurzel rosenroth, an
der Spitze schwarz, der Fuß karminroth. Die Länge beträgt 48 bis 50, die Breite 64 Zoll. Das
Weibchen ist bedeutend kleiner, höchstens 42 Zoll lang und 60 Zoll breit. Bei den Jungen ist das
ganze Gefieder weiß, am Halse grau, auf dem Oberflügel gesprenkelt. Erst mit dem dritten Jahre
geht dieses Kleid in das des alten Vogels über.

Die Länder um das mittelländische und schwarze Meer sind die Heimat des Flamings. Von-
hieraus verbreitet er sich südlich über den Norden des rothen Meeres und andererseits bis gegen die
Jnseln des grünen Vorgebirges hin. Ebenso kommt er in Mittelasien an den großen Seen ziemlich
regelmäßig und an den Meeresküsten Südasiens in großen Mengen vor, scheint dagegen in China zu
fehlen. Auffallend ist seine Beschränkung auf gewisse Oertlichkeiten. Nach den Berichten der älteren
und neueren Forscher erscheint er alljährlich massenhaft in den größeren Seen Sardiniens und Sici-
liens, ebenso in der Albufera bei Valencia und anderen spanischen Seen, ist häufig in allen Strand-
seen von Egypten, Tripolis, Tunis, Algier und Marrokko, nicht selten bei Smyrna, an der Wolga etc.;
aber er kommt nur höchst selten in Griechenland vor. Vom Mittelmeere aus hat er sich schon einige
Male nach Deutschland verflogen. Jm März 1795 wurde ein Flaming am Neuburgersee erlegt,
1728 einer am Altrhein bei Alzey geschossen; im Juni 1811 erschienen siebenundzwanzig Stück bei
Kehl, von welchen sechs Stück erlegt wurden; am 25. Juni desselben Jahres sah man eine Anzahl
dieser Vögel über Bamberg fliegen; vom 14. bis 16. Juli hielten sich zwei bei Schierstein an einer
Rheinaue auf dem Sande auf. Aber alle diese Jrrlinge waren junge Vögel, welche durch irgend
einen Zufall verschlagen worden sein mußten. Streng genommen bildet das südliche Europa die
nördliche Grenze seines Verbreitungskreises und Nordafrika und Mittelasien das eigentliche Wohn-
gebiet. Auch auf der Westhälfte der Erde kommen die Flamings nicht unter höheren Breiten vor
als der unsere.

Strandseen mit salzigem oder brakigem Wasser sind die Aufenthaltsorte, welche die Flamings
allen übrigen vorziehen. Nach wirklich süßen Gewässern verirren sie sich nur, halten sich hier auch
immer blos kurze Zeit auf und verschwinden wieder. Dagegen sieht man sie häufig im Meere selbst,
erklärlicher Weise nur auf flachen Stellen, welche ihnen gestatten, in gewohnter Weise sich zu bewegen.

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Flaming.
Hinterrand ausgebuchtet; unter den acht Rippenpaaren ſind die vorderſten und das hinterſte falſche.
Die Gabel iſt ſtark ausgeſchweift und geſpreizt, erinnert überhaupt an die der Enten, und unter-
ſcheidet ſich von der aller Sumpfvögel; das Schienbein übertrifft an bezüglicher Länge das aller
bekannten Vögel. Die große Zunge füllt den Schnabel ganz aus und ahmt die Form des Ober-
ſchnabels nach; ihre Vorderhälfte iſt abſchüſſig nach vorn gerichtet, die hintere Hälfte ſehr dick und
inwendig fettig, das knorpelige Zungenbein vorn ſpatelartig erweitert, ſeine Hörner ſind ſtark und
ſeine Muskeln ſehr kräftig. Der Schlund, welcher anfänglich ungemein eng erſcheint, erweitert ſich
im letzten Drittel ſeiner Länge zu einem wahren Kropfe, hinter welchem die Speiſeröhre ſich wieder
verengert; der Drüſenmagen iſt klein, länglich, aber dickwandig, der Muskelmagen groß, ſehr platt
und ausnehmend muskelkräftig, wie bei den Enten, der Dünndarm lang und eng, der Dickdarm
etwas weiter ꝛc. Wagner ſchließt mit der Bemerkung, daß nicht blos die Bezahnung des Schnabels
und die Schwimmhäute, ſondern auch der Bau der Zunge, des Magens, Darmſchlauches, der Stimm-
werkzeuge, des Herzens, ſelbſt mehrere Theile des Knochengerüſtes, namentlich des Bruſtbeines und
der Gabel der Stelzſchwäne mit den entſprechenden Theilen der Entenvögel ſehr übereinkommen.

Man hat gegenwärtig ungefähr ein halbes Dutzend Arten unſerer Familie unterſchieden. Jhre
Lebensweiſe konnte noch keineswegs genügend erforſcht werden; ſoviel aber hat man erfahren, daß
ſich die einzelnen Arten in ihren Sitten und Gewohnheiten nicht oder doch nur höchſt wenig unter-
ſcheiden. Es genügt alſo vollkommen, wenn wir die uns zunächſt angehende Art ins Auge faſſen.

Der Flaming, Pflug-, Scharf- oder Schartenſchnäbler (Phoenicopterus roseus) iſt
weiß, äußerſt zart und ſchön roſenroth überhaucht, ſein Oberflügel karminroth; die Schwingen ſind
ſchwarz. Das Auge iſt gelb, der Augenring karminroth, der Schnabel an der Wurzel roſenroth, an
der Spitze ſchwarz, der Fuß karminroth. Die Länge beträgt 48 bis 50, die Breite 64 Zoll. Das
Weibchen iſt bedeutend kleiner, höchſtens 42 Zoll lang und 60 Zoll breit. Bei den Jungen iſt das
ganze Gefieder weiß, am Halſe grau, auf dem Oberflügel geſprenkelt. Erſt mit dem dritten Jahre
geht dieſes Kleid in das des alten Vogels über.

Die Länder um das mittelländiſche und ſchwarze Meer ſind die Heimat des Flamings. Von-
hieraus verbreitet er ſich ſüdlich über den Norden des rothen Meeres und andererſeits bis gegen die
Jnſeln des grünen Vorgebirges hin. Ebenſo kommt er in Mittelaſien an den großen Seen ziemlich
regelmäßig und an den Meeresküſten Südaſiens in großen Mengen vor, ſcheint dagegen in China zu
fehlen. Auffallend iſt ſeine Beſchränkung auf gewiſſe Oertlichkeiten. Nach den Berichten der älteren
und neueren Forſcher erſcheint er alljährlich maſſenhaft in den größeren Seen Sardiniens und Sici-
liens, ebenſo in der Albufera bei Valencia und anderen ſpaniſchen Seen, iſt häufig in allen Strand-
ſeen von Egypten, Tripolis, Tunis, Algier und Marrokko, nicht ſelten bei Smyrna, an der Wolga ꝛc.;
aber er kommt nur höchſt ſelten in Griechenland vor. Vom Mittelmeere aus hat er ſich ſchon einige
Male nach Deutſchland verflogen. Jm März 1795 wurde ein Flaming am Neuburgerſee erlegt,
1728 einer am Altrhein bei Alzey geſchoſſen; im Juni 1811 erſchienen ſiebenundzwanzig Stück bei
Kehl, von welchen ſechs Stück erlegt wurden; am 25. Juni deſſelben Jahres ſah man eine Anzahl
dieſer Vögel über Bamberg fliegen; vom 14. bis 16. Juli hielten ſich zwei bei Schierſtein an einer
Rheinaue auf dem Sande auf. Aber alle dieſe Jrrlinge waren junge Vögel, welche durch irgend
einen Zufall verſchlagen worden ſein mußten. Streng genommen bildet das ſüdliche Europa die
nördliche Grenze ſeines Verbreitungskreiſes und Nordafrika und Mittelaſien das eigentliche Wohn-
gebiet. Auch auf der Weſthälfte der Erde kommen die Flamings nicht unter höheren Breiten vor
als der unſere.

Strandſeen mit ſalzigem oder brakigem Waſſer ſind die Aufenthaltsorte, welche die Flamings
allen übrigen vorziehen. Nach wirklich ſüßen Gewäſſern verirren ſie ſich nur, halten ſich hier auch
immer blos kurze Zeit auf und verſchwinden wieder. Dagegen ſieht man ſie häufig im Meere ſelbſt,
erklärlicher Weiſe nur auf flachen Stellen, welche ihnen geſtatten, in gewohnter Weiſe ſich zu bewegen.

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[771/0817] Flaming. Hinterrand ausgebuchtet; unter den acht Rippenpaaren ſind die vorderſten und das hinterſte falſche. Die Gabel iſt ſtark ausgeſchweift und geſpreizt, erinnert überhaupt an die der Enten, und unter- ſcheidet ſich von der aller Sumpfvögel; das Schienbein übertrifft an bezüglicher Länge das aller bekannten Vögel. Die große Zunge füllt den Schnabel ganz aus und ahmt die Form des Ober- ſchnabels nach; ihre Vorderhälfte iſt abſchüſſig nach vorn gerichtet, die hintere Hälfte ſehr dick und inwendig fettig, das knorpelige Zungenbein vorn ſpatelartig erweitert, ſeine Hörner ſind ſtark und ſeine Muskeln ſehr kräftig. Der Schlund, welcher anfänglich ungemein eng erſcheint, erweitert ſich im letzten Drittel ſeiner Länge zu einem wahren Kropfe, hinter welchem die Speiſeröhre ſich wieder verengert; der Drüſenmagen iſt klein, länglich, aber dickwandig, der Muskelmagen groß, ſehr platt und ausnehmend muskelkräftig, wie bei den Enten, der Dünndarm lang und eng, der Dickdarm etwas weiter ꝛc. Wagner ſchließt mit der Bemerkung, daß nicht blos die Bezahnung des Schnabels und die Schwimmhäute, ſondern auch der Bau der Zunge, des Magens, Darmſchlauches, der Stimm- werkzeuge, des Herzens, ſelbſt mehrere Theile des Knochengerüſtes, namentlich des Bruſtbeines und der Gabel der Stelzſchwäne mit den entſprechenden Theilen der Entenvögel ſehr übereinkommen. Man hat gegenwärtig ungefähr ein halbes Dutzend Arten unſerer Familie unterſchieden. Jhre Lebensweiſe konnte noch keineswegs genügend erforſcht werden; ſoviel aber hat man erfahren, daß ſich die einzelnen Arten in ihren Sitten und Gewohnheiten nicht oder doch nur höchſt wenig unter- ſcheiden. Es genügt alſo vollkommen, wenn wir die uns zunächſt angehende Art ins Auge faſſen. Der Flaming, Pflug-, Scharf- oder Schartenſchnäbler (Phoenicopterus roseus) iſt weiß, äußerſt zart und ſchön roſenroth überhaucht, ſein Oberflügel karminroth; die Schwingen ſind ſchwarz. Das Auge iſt gelb, der Augenring karminroth, der Schnabel an der Wurzel roſenroth, an der Spitze ſchwarz, der Fuß karminroth. Die Länge beträgt 48 bis 50, die Breite 64 Zoll. Das Weibchen iſt bedeutend kleiner, höchſtens 42 Zoll lang und 60 Zoll breit. Bei den Jungen iſt das ganze Gefieder weiß, am Halſe grau, auf dem Oberflügel geſprenkelt. Erſt mit dem dritten Jahre geht dieſes Kleid in das des alten Vogels über. Die Länder um das mittelländiſche und ſchwarze Meer ſind die Heimat des Flamings. Von- hieraus verbreitet er ſich ſüdlich über den Norden des rothen Meeres und andererſeits bis gegen die Jnſeln des grünen Vorgebirges hin. Ebenſo kommt er in Mittelaſien an den großen Seen ziemlich regelmäßig und an den Meeresküſten Südaſiens in großen Mengen vor, ſcheint dagegen in China zu fehlen. Auffallend iſt ſeine Beſchränkung auf gewiſſe Oertlichkeiten. Nach den Berichten der älteren und neueren Forſcher erſcheint er alljährlich maſſenhaft in den größeren Seen Sardiniens und Sici- liens, ebenſo in der Albufera bei Valencia und anderen ſpaniſchen Seen, iſt häufig in allen Strand- ſeen von Egypten, Tripolis, Tunis, Algier und Marrokko, nicht ſelten bei Smyrna, an der Wolga ꝛc.; aber er kommt nur höchſt ſelten in Griechenland vor. Vom Mittelmeere aus hat er ſich ſchon einige Male nach Deutſchland verflogen. Jm März 1795 wurde ein Flaming am Neuburgerſee erlegt, 1728 einer am Altrhein bei Alzey geſchoſſen; im Juni 1811 erſchienen ſiebenundzwanzig Stück bei Kehl, von welchen ſechs Stück erlegt wurden; am 25. Juni deſſelben Jahres ſah man eine Anzahl dieſer Vögel über Bamberg fliegen; vom 14. bis 16. Juli hielten ſich zwei bei Schierſtein an einer Rheinaue auf dem Sande auf. Aber alle dieſe Jrrlinge waren junge Vögel, welche durch irgend einen Zufall verſchlagen worden ſein mußten. Streng genommen bildet das ſüdliche Europa die nördliche Grenze ſeines Verbreitungskreiſes und Nordafrika und Mittelaſien das eigentliche Wohn- gebiet. Auch auf der Weſthälfte der Erde kommen die Flamings nicht unter höheren Breiten vor als der unſere. Strandſeen mit ſalzigem oder brakigem Waſſer ſind die Aufenthaltsorte, welche die Flamings allen übrigen vorziehen. Nach wirklich ſüßen Gewäſſern verirren ſie ſich nur, halten ſich hier auch immer blos kurze Zeit auf und verſchwinden wieder. Dagegen ſieht man ſie häufig im Meere ſelbſt, erklärlicher Weiſe nur auf flachen Stellen, welche ihnen geſtatten, in gewohnter Weiſe ſich zu bewegen. 49 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/817>, abgerufen am 22.11.2024.