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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Teichhühnchen.
Hügelchen im Schilfe. Holzstückchen, Bretter, Entenhäuschen und dergleichen werden gern benutzt,
vorausgesetzt, daß sie im Wasser schwimmen. Beide Gatten bauen gemeinschaftlich, zuweilen sorg-
fältig, gewöhnlich aber liederlich. Schilfblätter, trockene wie frische, werden über einander geschichtet
und oben korbartig in einander geflochten. Die Mulde ist tief napfförmig. Sobald der Bau
vollendet, beginnt das Weibchen zu legen, und etwa vierzehn Tage später ist das aus sieben bis elf
Eiern bestehende Gelege vollständig. Die Eier sind verhältnißmäßig groß, festschalig, feinkörnig,
glatt, glanzlos und auf blaßrostgelbem Grunde mit vielen violetgrauen und aschblauen Punkten und
zimmt- und rothbraunen Pünktchen, Kleren und kleinen Flecken bestreut. Beide Geschlechter brüten
zwanzig bis einundzwanzig Tage lang, das Männchen aber nur solange, als das Weibchen nach Nahrung
sucht. Sind die Eier erst angebrütet, so lassen sich die treuen Eltern durch keine Störung vertreiben.
Naumann ließ den Teich neben seinem Garten ausfüllen, als die Teichhühnchen bereits zwei
Wochen gebrütet hatten. Der mit Wasser gesüllte Kreis verringerte sich mehr und mehr; endlich
schüttete ein ungeschickter Arbeiter auch Erde auf das Nest selbst. Trotzdem brütete die Mutter
weiter, und unser Naumann ließ nun selbstverständlich die Arbeit einstellen, bis die Küchlein
entschlüpft und einem benachbarten Teiche zugeführt worden waren. Mein Vater erhielt ein Nest
mit elf gepickten Eiern, in denen man die Jungen schon piepen hörte, ließ aus Mitleid das
Nest wieder an den Ort setzen, wo es gestanden hatte, und das alte Weibchen nahm die Eier, obgleich
sie drei Stunden lang ihm entzogen worden waren, doch sofort wieder an und brütete sie wirklich aus.
Die ausgekrochenen Jungen bleiben ungefähr vierundzwanzig Stunden im Neste, werden dann auf
das Wasser geführt und vom Männchen freudig begrüßt. "Eine Familie dieser Vögel", sagt mein
Vater, "gewährt eine angenehme Unterhaltung. Die Jungen schwimmen neben und hinter den Alten
her und geben genau Achtung, wenn diese ein Kerbthier oder einen Wurm für sie aufgefunden haben.
Sie eilen dann herbei, um die Speise möglichst schnell in Empfang zu nehmen. Nach wenigen Tagen
lernen sie ihre Nahrung selbst suchen und werden von den Eltern blos noch geführt, gewarnt und
geschützt. Auf den ersten Warnungsruf hin verbergen sie sich augenblicklich. Nach ein Paar Wochen
sind sie im Stande, sich selbst zu ernähren. Dann beginnen die Alten Anstalt zur zweiten Brut zu
machen." Jst auch diese glücklich entschlüpft, so wird das Schauspiel noch anziehender. "Wenn die
Jungen der zweiten Brut auf dem Wasserspiegel erscheinen", sagt Naumann, "kommen die nun
mehr als halbwüchsigen der ersten Brut herbei, zeigen sich freundlich und zuvorkommend gegen ihre
jüngeren Geschwister und helfen ihnen, dieselben führen. Groß und Klein, Alt und Jung ist, sozu-
sagen, ein Herz und eine Seele. Die großen Jungen theilen mit ihren Eltern die Erziehung der
jüngeren Geschwister, nehmen sich dieser Kleinen mit Liebe und Sorgfalt an, suchen ihnen Nahrungs-
mittel und bringen sie ihnen im Schnabel oder legen sie ihnen vor, ganz so, wie es die Alten ihnen
früher thaten und jetzt wieder den Neugeborenen thun. Ein unvergleichlich anmuthiges Bild gibt
eine solche Doppelfamilie, wenn sie sich furchtlos auf einem kleinen Wasserspiegel ausgebreitet hat
und in voller Thätigkeit ist. Jedes der erwachsenen Jungen ist eifrig bemüht, einem seiner kleinen
Geschwister Das, was es für dasselbe als Nahrungsmittel aufgefunden, darzureichen; weshalb diese
Kleinen bald einem von jenen, bald einem der Eltern nachschwimmen und mit verlangendem Piepen
ihre Eßlust andeuten, gleich zufrieden, wer sie zuerst stillt. Da gewöhnlich die Anzahl der Jungen
zweiter Brut kleiner ist als die von der ersten, auch noch die Eltern bei der Pflege der Kinder keines-
wegs müßig sind, so kommen nicht selten zwei von den Jungen erster Brut auf eins von der zweiten,
dessen Führer sie nun machen. Dieses schwimmt dann gewöhnlich in ihrer Mitte und wird wechsel-
seitig von Beiden geliebkost und gefüttert. Auch bei vorkommenden Gefahren warnen die großen
recht altkluger Weise die kleinen Jungen, wie es ihnen sonst die Alten thaten."

Obgleich das Teichhühnchen seine Nahrung mehr dem Thier- als dem Pflanzenreiche entnimmt
und hauptsächlich Käfer, Libellen, Eintagsfliegen, Wasserwanzen und andere Kerbthiere, Wasser-
schnecken und dergleichen verzehrt, läßt es sich doch leicht in Gefangenschaft halten und an ein einfaches
Ersatzfutter gewöhnen. Es ergibt sich bald in sein Schicksal, befreundet sich mit seinem Pfleger und

Teichhühnchen.
Hügelchen im Schilfe. Holzſtückchen, Bretter, Entenhäuschen und dergleichen werden gern benutzt,
vorausgeſetzt, daß ſie im Waſſer ſchwimmen. Beide Gatten bauen gemeinſchaftlich, zuweilen ſorg-
fältig, gewöhnlich aber liederlich. Schilfblätter, trockene wie friſche, werden über einander geſchichtet
und oben korbartig in einander geflochten. Die Mulde iſt tief napfförmig. Sobald der Bau
vollendet, beginnt das Weibchen zu legen, und etwa vierzehn Tage ſpäter iſt das aus ſieben bis elf
Eiern beſtehende Gelege vollſtändig. Die Eier ſind verhältnißmäßig groß, feſtſchalig, feinkörnig,
glatt, glanzlos und auf blaßroſtgelbem Grunde mit vielen violetgrauen und aſchblauen Punkten und
zimmt- und rothbraunen Pünktchen, Kleren und kleinen Flecken beſtreut. Beide Geſchlechter brüten
zwanzig bis einundzwanzig Tage lang, das Männchen aber nur ſolange, als das Weibchen nach Nahrung
ſucht. Sind die Eier erſt angebrütet, ſo laſſen ſich die treuen Eltern durch keine Störung vertreiben.
Naumann ließ den Teich neben ſeinem Garten ausfüllen, als die Teichhühnchen bereits zwei
Wochen gebrütet hatten. Der mit Waſſer geſüllte Kreis verringerte ſich mehr und mehr; endlich
ſchüttete ein ungeſchickter Arbeiter auch Erde auf das Neſt ſelbſt. Trotzdem brütete die Mutter
weiter, und unſer Naumann ließ nun ſelbſtverſtändlich die Arbeit einſtellen, bis die Küchlein
entſchlüpft und einem benachbarten Teiche zugeführt worden waren. Mein Vater erhielt ein Neſt
mit elf gepickten Eiern, in denen man die Jungen ſchon piepen hörte, ließ aus Mitleid das
Neſt wieder an den Ort ſetzen, wo es geſtanden hatte, und das alte Weibchen nahm die Eier, obgleich
ſie drei Stunden lang ihm entzogen worden waren, doch ſofort wieder an und brütete ſie wirklich aus.
Die ausgekrochenen Jungen bleiben ungefähr vierundzwanzig Stunden im Neſte, werden dann auf
das Waſſer geführt und vom Männchen freudig begrüßt. „Eine Familie dieſer Vögel“, ſagt mein
Vater, „gewährt eine angenehme Unterhaltung. Die Jungen ſchwimmen neben und hinter den Alten
her und geben genau Achtung, wenn dieſe ein Kerbthier oder einen Wurm für ſie aufgefunden haben.
Sie eilen dann herbei, um die Speiſe möglichſt ſchnell in Empfang zu nehmen. Nach wenigen Tagen
lernen ſie ihre Nahrung ſelbſt ſuchen und werden von den Eltern blos noch geführt, gewarnt und
geſchützt. Auf den erſten Warnungsruf hin verbergen ſie ſich augenblicklich. Nach ein Paar Wochen
ſind ſie im Stande, ſich ſelbſt zu ernähren. Dann beginnen die Alten Anſtalt zur zweiten Brut zu
machen.“ Jſt auch dieſe glücklich entſchlüpft, ſo wird das Schauſpiel noch anziehender. „Wenn die
Jungen der zweiten Brut auf dem Waſſerſpiegel erſcheinen“, ſagt Naumann, „kommen die nun
mehr als halbwüchſigen der erſten Brut herbei, zeigen ſich freundlich und zuvorkommend gegen ihre
jüngeren Geſchwiſter und helfen ihnen, dieſelben führen. Groß und Klein, Alt und Jung iſt, ſozu-
ſagen, ein Herz und eine Seele. Die großen Jungen theilen mit ihren Eltern die Erziehung der
jüngeren Geſchwiſter, nehmen ſich dieſer Kleinen mit Liebe und Sorgfalt an, ſuchen ihnen Nahrungs-
mittel und bringen ſie ihnen im Schnabel oder legen ſie ihnen vor, ganz ſo, wie es die Alten ihnen
früher thaten und jetzt wieder den Neugeborenen thun. Ein unvergleichlich anmuthiges Bild gibt
eine ſolche Doppelfamilie, wenn ſie ſich furchtlos auf einem kleinen Waſſerſpiegel ausgebreitet hat
und in voller Thätigkeit iſt. Jedes der erwachſenen Jungen iſt eifrig bemüht, einem ſeiner kleinen
Geſchwiſter Das, was es für daſſelbe als Nahrungsmittel aufgefunden, darzureichen; weshalb dieſe
Kleinen bald einem von jenen, bald einem der Eltern nachſchwimmen und mit verlangendem Piepen
ihre Eßluſt andeuten, gleich zufrieden, wer ſie zuerſt ſtillt. Da gewöhnlich die Anzahl der Jungen
zweiter Brut kleiner iſt als die von der erſten, auch noch die Eltern bei der Pflege der Kinder keines-
wegs müßig ſind, ſo kommen nicht ſelten zwei von den Jungen erſter Brut auf eins von der zweiten,
deſſen Führer ſie nun machen. Dieſes ſchwimmt dann gewöhnlich in ihrer Mitte und wird wechſel-
ſeitig von Beiden geliebkoſt und gefüttert. Auch bei vorkommenden Gefahren warnen die großen
recht altkluger Weiſe die kleinen Jungen, wie es ihnen ſonſt die Alten thaten.“

Obgleich das Teichhühnchen ſeine Nahrung mehr dem Thier- als dem Pflanzenreiche entnimmt
und hauptſächlich Käfer, Libellen, Eintagsfliegen, Waſſerwanzen und andere Kerbthiere, Waſſer-
ſchnecken und dergleichen verzehrt, läßt es ſich doch leicht in Gefangenſchaft halten und an ein einfaches
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[761/0807] Teichhühnchen. Hügelchen im Schilfe. Holzſtückchen, Bretter, Entenhäuschen und dergleichen werden gern benutzt, vorausgeſetzt, daß ſie im Waſſer ſchwimmen. Beide Gatten bauen gemeinſchaftlich, zuweilen ſorg- fältig, gewöhnlich aber liederlich. Schilfblätter, trockene wie friſche, werden über einander geſchichtet und oben korbartig in einander geflochten. Die Mulde iſt tief napfförmig. Sobald der Bau vollendet, beginnt das Weibchen zu legen, und etwa vierzehn Tage ſpäter iſt das aus ſieben bis elf Eiern beſtehende Gelege vollſtändig. Die Eier ſind verhältnißmäßig groß, feſtſchalig, feinkörnig, glatt, glanzlos und auf blaßroſtgelbem Grunde mit vielen violetgrauen und aſchblauen Punkten und zimmt- und rothbraunen Pünktchen, Kleren und kleinen Flecken beſtreut. Beide Geſchlechter brüten zwanzig bis einundzwanzig Tage lang, das Männchen aber nur ſolange, als das Weibchen nach Nahrung ſucht. Sind die Eier erſt angebrütet, ſo laſſen ſich die treuen Eltern durch keine Störung vertreiben. Naumann ließ den Teich neben ſeinem Garten ausfüllen, als die Teichhühnchen bereits zwei Wochen gebrütet hatten. Der mit Waſſer geſüllte Kreis verringerte ſich mehr und mehr; endlich ſchüttete ein ungeſchickter Arbeiter auch Erde auf das Neſt ſelbſt. Trotzdem brütete die Mutter weiter, und unſer Naumann ließ nun ſelbſtverſtändlich die Arbeit einſtellen, bis die Küchlein entſchlüpft und einem benachbarten Teiche zugeführt worden waren. Mein Vater erhielt ein Neſt mit elf gepickten Eiern, in denen man die Jungen ſchon piepen hörte, ließ aus Mitleid das Neſt wieder an den Ort ſetzen, wo es geſtanden hatte, und das alte Weibchen nahm die Eier, obgleich ſie drei Stunden lang ihm entzogen worden waren, doch ſofort wieder an und brütete ſie wirklich aus. Die ausgekrochenen Jungen bleiben ungefähr vierundzwanzig Stunden im Neſte, werden dann auf das Waſſer geführt und vom Männchen freudig begrüßt. „Eine Familie dieſer Vögel“, ſagt mein Vater, „gewährt eine angenehme Unterhaltung. Die Jungen ſchwimmen neben und hinter den Alten her und geben genau Achtung, wenn dieſe ein Kerbthier oder einen Wurm für ſie aufgefunden haben. Sie eilen dann herbei, um die Speiſe möglichſt ſchnell in Empfang zu nehmen. Nach wenigen Tagen lernen ſie ihre Nahrung ſelbſt ſuchen und werden von den Eltern blos noch geführt, gewarnt und geſchützt. Auf den erſten Warnungsruf hin verbergen ſie ſich augenblicklich. Nach ein Paar Wochen ſind ſie im Stande, ſich ſelbſt zu ernähren. Dann beginnen die Alten Anſtalt zur zweiten Brut zu machen.“ Jſt auch dieſe glücklich entſchlüpft, ſo wird das Schauſpiel noch anziehender. „Wenn die Jungen der zweiten Brut auf dem Waſſerſpiegel erſcheinen“, ſagt Naumann, „kommen die nun mehr als halbwüchſigen der erſten Brut herbei, zeigen ſich freundlich und zuvorkommend gegen ihre jüngeren Geſchwiſter und helfen ihnen, dieſelben führen. Groß und Klein, Alt und Jung iſt, ſozu- ſagen, ein Herz und eine Seele. Die großen Jungen theilen mit ihren Eltern die Erziehung der jüngeren Geſchwiſter, nehmen ſich dieſer Kleinen mit Liebe und Sorgfalt an, ſuchen ihnen Nahrungs- mittel und bringen ſie ihnen im Schnabel oder legen ſie ihnen vor, ganz ſo, wie es die Alten ihnen früher thaten und jetzt wieder den Neugeborenen thun. Ein unvergleichlich anmuthiges Bild gibt eine ſolche Doppelfamilie, wenn ſie ſich furchtlos auf einem kleinen Waſſerſpiegel ausgebreitet hat und in voller Thätigkeit iſt. Jedes der erwachſenen Jungen iſt eifrig bemüht, einem ſeiner kleinen Geſchwiſter Das, was es für daſſelbe als Nahrungsmittel aufgefunden, darzureichen; weshalb dieſe Kleinen bald einem von jenen, bald einem der Eltern nachſchwimmen und mit verlangendem Piepen ihre Eßluſt andeuten, gleich zufrieden, wer ſie zuerſt ſtillt. Da gewöhnlich die Anzahl der Jungen zweiter Brut kleiner iſt als die von der erſten, auch noch die Eltern bei der Pflege der Kinder keines- wegs müßig ſind, ſo kommen nicht ſelten zwei von den Jungen erſter Brut auf eins von der zweiten, deſſen Führer ſie nun machen. Dieſes ſchwimmt dann gewöhnlich in ihrer Mitte und wird wechſel- ſeitig von Beiden geliebkoſt und gefüttert. Auch bei vorkommenden Gefahren warnen die großen recht altkluger Weiſe die kleinen Jungen, wie es ihnen ſonſt die Alten thaten.“ Obgleich das Teichhühnchen ſeine Nahrung mehr dem Thier- als dem Pflanzenreiche entnimmt und hauptſächlich Käfer, Libellen, Eintagsfliegen, Waſſerwanzen und andere Kerbthiere, Waſſer- ſchnecken und dergleichen verzehrt, läßt es ſich doch leicht in Gefangenſchaft halten und an ein einfaches Erſatzfutter gewöhnen. Es ergibt ſich bald in ſein Schickſal, befreundet ſich mit ſeinem Pfleger und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/807>, abgerufen am 22.11.2024.