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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Kraniche.
Brote einen Leckerbissen, nimmt aber auch gern gekochte Kartoffeln oder kleingeschnittene Rüben, Kohl,
Obst und dergleichen zu sich, verschmäht ein Stückchen frisches Fleisch keineswegs, läßt auch keine
Gelegenheit vorübergehen, Mäuse und Kerbthiere zu fangen.

Sofort nach ihrer Ankunft in der Heimat nimmt das Kranichpaar Besitz von dem Sumpfe, in
welchem es zu brüten gedenkt, und duldet innerhalb eines gewissen Umkreises kein zweites Paar. Die
weiter nach Norden reisenden läßt es ruhig über sich hinwegziehen, ohne sich viel um sie zu kümmern,
obwohl es jeden vorübergehenden Zug mit lautem Rufen begrüßt. Erst wenn die Sümpfe grüner
werden und das Laub der Gebüsche ausschlägt, beginnt es mit dem Nestbaue, trägt auf einer kleinen
Jnsel oder Seggenkufe, einem niedergetretenen Busche oder einem anderen erhabenen Orte dürre
Reiser zusammen und schichtet auf ihnen bald mehr, bald weniger trockene Halme und Rohrblätter,
Schilf, Binsen und Gras zusammen, ohne sich dabei sonderliche Mühe zu geben. Auf die seichtvertiefte
Mitte dieses Baues legt das Weibchen seine zwei großen, gestreckten, starkschaligen, grobkörnigen
und fast glanzlosen Eier, deren Grundfarbe bald graugrün, bald bräunlich, bald hellgrün ist und
deren Zeichnung aus grauen und rothgrauen Unterflecken, rothbraunen und dunkelbraunen Oberflecken,
Tüpfeln und Schnörkeln besteht, aber vielfach abändert. Beide Geschlechter brüten abwechselnd und
beide vertheidigen gemeinschaftlich die Brut gegen einen sich etwa nahenden Feind, falls derjenige,
welcher gerade nicht brütet, aber die Wache hält, allein nicht fertig werden sollte. An den Gefangenen,
welche brüten, kann man beobachten, daß der Wächter sich mit Wuth auf jedes Thier stürzt, welches
sich dem Neste nähert und, da er an den Anblick des Menschen gewöhnt ist, diesen ebenfalls rücksichtslos
angreift; die Freilebenden hingegen fliehen diesen, ihren schlimmsten Feind, auch während sie brüten,
ängstlich. Jhr Nest verrathen sie nie, besitzen im Gegentheile eine bewunderungswürdige Geschick-
lichkeit, sich während der Brutzeit zu verbergen oder doch im Brüten dem Auge des Beobachters zu
entziehen. "Der auffallende, große Vogel", sagt Naumann, "läßt den Beobachter nur ahnen,
in dem Sumpfe müsse er irgendwo sein Nest haben; aber die Stelle selbst weiß er jenem dadurch stets
zu verbergen, daß er sich von Weitem her jederzeit nur zu Fuße in gebückter Stellung und unter dem
Schutze hoher Pflanzen und des Gebüsches nähert, daß der auf dem Neste Sitzende bei annähernder
Störung sich von demselben ebenso versteckt davonschleicht und weit vom Neste aus dem freien Sumpfe
erst auffliegt und sichtbar wird, oder auch wohl, wenn ihm der Lärm nicht gar zu nahe kommt, gar
nicht herausfliegt. Es läßt sich daher das Plätzchen so schwer ausmitteln, als es, wenn Dies durch
besonderen Zufall geglückt wäre, mühsam ist, sich ihm, des tiefen Morastes wegen, zu nähern." Gleich-
zeitig gebraucht der Kranich noch ein anderes Mittel, um sich unkenntlich zu machen; wenigstens trage
ich kein Bedenken, das letztere anzunehmen. Man hat nämlich beobachtet, daß das Sommergefieder
des Vogels durch eine roströthliche Färbung von dem Frühjahrskleide und noch mehr von dem frisch
vermauserten sich wesentlich unterscheidet, von der Sommermauser aber Nichts bemerkt und lange Zeit
den Schlüssel des Räthsels nicht finden können. Eine Beobachtung E. von Homeyer's hat letzteres
gelöst. "Eines Tages", sagt dieser treffliche Beobachter, "lag ich in sicherem Versteck neben einem
Moore, in welchem ein Kranichpaar seinen Stand hatte, und beobachtete die beiden klugen Vögel und
ihre anmuthigen Bewegungen, als das Weibchen, sich ganz unbeachtet wähnend, die doppelte Schen des
Vogels und des Weibes beseitigend, begann, seine Toilettenkünste zu entwickeln. Es nahm von der
Moorerde in den Schnabel und salbte damit den Rücken und die Flügeldecken, sodaß diese Theile das
schöne Aschgraublau verloren und ein düsteres erdgraubraunes Ansehen erhielten. Der Wissenschaft
zu Liebe erlegte ich das schöne Thier und fand das Gefieder des Oberkörpers gänzlich von dem Farb-
stoffe durchdrungen, sodaß ich außer Stande war, bei der sorgfältigsten Waschung denselben wieder zu
entfernen, so fest, vielleicht durch den Einfluß des Speichels, hatte derselbe sich mit dem Gefieder
vereinigt. Hiermit", fügt er später hinzu, "war in einem Augenblicke erklärt, wonach ich jahrelang
getrachtet, die eigenthümliche Färbung des Kranichs während der Brutzeit. Nur während dieser
macht der Vogel diese Umfärbung; denn späterhin ausfallende und nachwachsende Federn behalten
ihre natürliche Färbung, woher es kommt, daß wir unter all den nordischen Kranichen, welche durch

Die Läufer. Stelzvögel. Kraniche.
Brote einen Leckerbiſſen, nimmt aber auch gern gekochte Kartoffeln oder kleingeſchnittene Rüben, Kohl,
Obſt und dergleichen zu ſich, verſchmäht ein Stückchen friſches Fleiſch keineswegs, läßt auch keine
Gelegenheit vorübergehen, Mäuſe und Kerbthiere zu fangen.

Sofort nach ihrer Ankunft in der Heimat nimmt das Kranichpaar Beſitz von dem Sumpfe, in
welchem es zu brüten gedenkt, und duldet innerhalb eines gewiſſen Umkreiſes kein zweites Paar. Die
weiter nach Norden reiſenden läßt es ruhig über ſich hinwegziehen, ohne ſich viel um ſie zu kümmern,
obwohl es jeden vorübergehenden Zug mit lautem Rufen begrüßt. Erſt wenn die Sümpfe grüner
werden und das Laub der Gebüſche ausſchlägt, beginnt es mit dem Neſtbaue, trägt auf einer kleinen
Jnſel oder Seggenkufe, einem niedergetretenen Buſche oder einem anderen erhabenen Orte dürre
Reiſer zuſammen und ſchichtet auf ihnen bald mehr, bald weniger trockene Halme und Rohrblätter,
Schilf, Binſen und Gras zuſammen, ohne ſich dabei ſonderliche Mühe zu geben. Auf die ſeichtvertiefte
Mitte dieſes Baues legt das Weibchen ſeine zwei großen, geſtreckten, ſtarkſchaligen, grobkörnigen
und faſt glanzloſen Eier, deren Grundfarbe bald graugrün, bald bräunlich, bald hellgrün iſt und
deren Zeichnung aus grauen und rothgrauen Unterflecken, rothbraunen und dunkelbraunen Oberflecken,
Tüpfeln und Schnörkeln beſteht, aber vielfach abändert. Beide Geſchlechter brüten abwechſelnd und
beide vertheidigen gemeinſchaftlich die Brut gegen einen ſich etwa nahenden Feind, falls derjenige,
welcher gerade nicht brütet, aber die Wache hält, allein nicht fertig werden ſollte. An den Gefangenen,
welche brüten, kann man beobachten, daß der Wächter ſich mit Wuth auf jedes Thier ſtürzt, welches
ſich dem Neſte nähert und, da er an den Anblick des Menſchen gewöhnt iſt, dieſen ebenfalls rückſichtslos
angreift; die Freilebenden hingegen fliehen dieſen, ihren ſchlimmſten Feind, auch während ſie brüten,
ängſtlich. Jhr Neſt verrathen ſie nie, beſitzen im Gegentheile eine bewunderungswürdige Geſchick-
lichkeit, ſich während der Brutzeit zu verbergen oder doch im Brüten dem Auge des Beobachters zu
entziehen. „Der auffallende, große Vogel“, ſagt Naumann, „läßt den Beobachter nur ahnen,
in dem Sumpfe müſſe er irgendwo ſein Neſt haben; aber die Stelle ſelbſt weiß er jenem dadurch ſtets
zu verbergen, daß er ſich von Weitem her jederzeit nur zu Fuße in gebückter Stellung und unter dem
Schutze hoher Pflanzen und des Gebüſches nähert, daß der auf dem Neſte Sitzende bei annähernder
Störung ſich von demſelben ebenſo verſteckt davonſchleicht und weit vom Neſte aus dem freien Sumpfe
erſt auffliegt und ſichtbar wird, oder auch wohl, wenn ihm der Lärm nicht gar zu nahe kommt, gar
nicht herausfliegt. Es läßt ſich daher das Plätzchen ſo ſchwer ausmitteln, als es, wenn Dies durch
beſonderen Zufall geglückt wäre, mühſam iſt, ſich ihm, des tiefen Moraſtes wegen, zu nähern.“ Gleich-
zeitig gebraucht der Kranich noch ein anderes Mittel, um ſich unkenntlich zu machen; wenigſtens trage
ich kein Bedenken, das letztere anzunehmen. Man hat nämlich beobachtet, daß das Sommergefieder
des Vogels durch eine roſtröthliche Färbung von dem Frühjahrskleide und noch mehr von dem friſch
vermauſerten ſich weſentlich unterſcheidet, von der Sommermauſer aber Nichts bemerkt und lange Zeit
den Schlüſſel des Räthſels nicht finden können. Eine Beobachtung E. von Homeyer’s hat letzteres
gelöſt. „Eines Tages“, ſagt dieſer treffliche Beobachter, „lag ich in ſicherem Verſteck neben einem
Moore, in welchem ein Kranichpaar ſeinen Stand hatte, und beobachtete die beiden klugen Vögel und
ihre anmuthigen Bewegungen, als das Weibchen, ſich ganz unbeachtet wähnend, die doppelte Schen des
Vogels und des Weibes beſeitigend, begann, ſeine Toilettenkünſte zu entwickeln. Es nahm von der
Moorerde in den Schnabel und ſalbte damit den Rücken und die Flügeldecken, ſodaß dieſe Theile das
ſchöne Aſchgraublau verloren und ein düſteres erdgraubraunes Anſehen erhielten. Der Wiſſenſchaft
zu Liebe erlegte ich das ſchöne Thier und fand das Gefieder des Oberkörpers gänzlich von dem Farb-
ſtoffe durchdrungen, ſodaß ich außer Stande war, bei der ſorgfältigſten Waſchung denſelben wieder zu
entfernen, ſo feſt, vielleicht durch den Einfluß des Speichels, hatte derſelbe ſich mit dem Gefieder
vereinigt. Hiermit“, fügt er ſpäter hinzu, „war in einem Augenblicke erklärt, wonach ich jahrelang
getrachtet, die eigenthümliche Färbung des Kranichs während der Brutzeit. Nur während dieſer
macht der Vogel dieſe Umfärbung; denn ſpäterhin ausfallende und nachwachſende Federn behalten
ihre natürliche Färbung, woher es kommt, daß wir unter all den nordiſchen Kranichen, welche durch

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[726/0770] Die Läufer. Stelzvögel. Kraniche. Brote einen Leckerbiſſen, nimmt aber auch gern gekochte Kartoffeln oder kleingeſchnittene Rüben, Kohl, Obſt und dergleichen zu ſich, verſchmäht ein Stückchen friſches Fleiſch keineswegs, läßt auch keine Gelegenheit vorübergehen, Mäuſe und Kerbthiere zu fangen. Sofort nach ihrer Ankunft in der Heimat nimmt das Kranichpaar Beſitz von dem Sumpfe, in welchem es zu brüten gedenkt, und duldet innerhalb eines gewiſſen Umkreiſes kein zweites Paar. Die weiter nach Norden reiſenden läßt es ruhig über ſich hinwegziehen, ohne ſich viel um ſie zu kümmern, obwohl es jeden vorübergehenden Zug mit lautem Rufen begrüßt. Erſt wenn die Sümpfe grüner werden und das Laub der Gebüſche ausſchlägt, beginnt es mit dem Neſtbaue, trägt auf einer kleinen Jnſel oder Seggenkufe, einem niedergetretenen Buſche oder einem anderen erhabenen Orte dürre Reiſer zuſammen und ſchichtet auf ihnen bald mehr, bald weniger trockene Halme und Rohrblätter, Schilf, Binſen und Gras zuſammen, ohne ſich dabei ſonderliche Mühe zu geben. Auf die ſeichtvertiefte Mitte dieſes Baues legt das Weibchen ſeine zwei großen, geſtreckten, ſtarkſchaligen, grobkörnigen und faſt glanzloſen Eier, deren Grundfarbe bald graugrün, bald bräunlich, bald hellgrün iſt und deren Zeichnung aus grauen und rothgrauen Unterflecken, rothbraunen und dunkelbraunen Oberflecken, Tüpfeln und Schnörkeln beſteht, aber vielfach abändert. Beide Geſchlechter brüten abwechſelnd und beide vertheidigen gemeinſchaftlich die Brut gegen einen ſich etwa nahenden Feind, falls derjenige, welcher gerade nicht brütet, aber die Wache hält, allein nicht fertig werden ſollte. An den Gefangenen, welche brüten, kann man beobachten, daß der Wächter ſich mit Wuth auf jedes Thier ſtürzt, welches ſich dem Neſte nähert und, da er an den Anblick des Menſchen gewöhnt iſt, dieſen ebenfalls rückſichtslos angreift; die Freilebenden hingegen fliehen dieſen, ihren ſchlimmſten Feind, auch während ſie brüten, ängſtlich. Jhr Neſt verrathen ſie nie, beſitzen im Gegentheile eine bewunderungswürdige Geſchick- lichkeit, ſich während der Brutzeit zu verbergen oder doch im Brüten dem Auge des Beobachters zu entziehen. „Der auffallende, große Vogel“, ſagt Naumann, „läßt den Beobachter nur ahnen, in dem Sumpfe müſſe er irgendwo ſein Neſt haben; aber die Stelle ſelbſt weiß er jenem dadurch ſtets zu verbergen, daß er ſich von Weitem her jederzeit nur zu Fuße in gebückter Stellung und unter dem Schutze hoher Pflanzen und des Gebüſches nähert, daß der auf dem Neſte Sitzende bei annähernder Störung ſich von demſelben ebenſo verſteckt davonſchleicht und weit vom Neſte aus dem freien Sumpfe erſt auffliegt und ſichtbar wird, oder auch wohl, wenn ihm der Lärm nicht gar zu nahe kommt, gar nicht herausfliegt. Es läßt ſich daher das Plätzchen ſo ſchwer ausmitteln, als es, wenn Dies durch beſonderen Zufall geglückt wäre, mühſam iſt, ſich ihm, des tiefen Moraſtes wegen, zu nähern.“ Gleich- zeitig gebraucht der Kranich noch ein anderes Mittel, um ſich unkenntlich zu machen; wenigſtens trage ich kein Bedenken, das letztere anzunehmen. Man hat nämlich beobachtet, daß das Sommergefieder des Vogels durch eine roſtröthliche Färbung von dem Frühjahrskleide und noch mehr von dem friſch vermauſerten ſich weſentlich unterſcheidet, von der Sommermauſer aber Nichts bemerkt und lange Zeit den Schlüſſel des Räthſels nicht finden können. Eine Beobachtung E. von Homeyer’s hat letzteres gelöſt. „Eines Tages“, ſagt dieſer treffliche Beobachter, „lag ich in ſicherem Verſteck neben einem Moore, in welchem ein Kranichpaar ſeinen Stand hatte, und beobachtete die beiden klugen Vögel und ihre anmuthigen Bewegungen, als das Weibchen, ſich ganz unbeachtet wähnend, die doppelte Schen des Vogels und des Weibes beſeitigend, begann, ſeine Toilettenkünſte zu entwickeln. Es nahm von der Moorerde in den Schnabel und ſalbte damit den Rücken und die Flügeldecken, ſodaß dieſe Theile das ſchöne Aſchgraublau verloren und ein düſteres erdgraubraunes Anſehen erhielten. Der Wiſſenſchaft zu Liebe erlegte ich das ſchöne Thier und fand das Gefieder des Oberkörpers gänzlich von dem Farb- ſtoffe durchdrungen, ſodaß ich außer Stande war, bei der ſorgfältigſten Waſchung denſelben wieder zu entfernen, ſo feſt, vielleicht durch den Einfluß des Speichels, hatte derſelbe ſich mit dem Gefieder vereinigt. Hiermit“, fügt er ſpäter hinzu, „war in einem Augenblicke erklärt, wonach ich jahrelang getrachtet, die eigenthümliche Färbung des Kranichs während der Brutzeit. Nur während dieſer macht der Vogel dieſe Umfärbung; denn ſpäterhin ausfallende und nachwachſende Federn behalten ihre natürliche Färbung, woher es kommt, daß wir unter all den nordiſchen Kranichen, welche durch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/770>, abgerufen am 22.11.2024.