10 Zoll. Beim jüngeren Vogel sind alle dunkelen Theile des Gefieders bräunlichgrau, die weißen Federn schmuziggraugelb und die Klunkern noch nicht entwickelt. Das Auge sieht braun und der Schnabel dunkelroth, fast schwärzlich aus.
Man muß einen Sattelstorch im Freien gesehen haben, lebend, sich bewegen, fliegen, über dem dunkelen Walde seine Kreise ziehen, um den Eindruck, welchen der gewaltige Vogel auf den Forscher oder den Sammler macht, zu verstehen, um seine volle Schönheit zu würdigen. Jm Gehen hält sich dieser Riese sehr stolz und aufrecht, erscheint aber wegen der langen Beine noch größer, als er wirklich ist. Jm Fluge nimmt er sich prachtvoll aus; denn die weißen Schwingen stechen von den schwarzen Deckfedern der Flügel herrlich ab. Leider ist der Sattelstorch unter allen Umständen so scheu, und dabei in den von mir bereisten Gebieten so selten, daß ich nicht viel über das Freileben zu sagen weiß. Er lebt paarweise am weißen und blauen Nile vom 14. Grade nördlicher Breite an nach Süden hin, findet sich auch im Westen und Südosten des Erdtheiles, bewohnt das Ufer der Ströme, die Sand- inseln und die nahe am Ufer gelegenen Seen, Regenteiche und Sümpfe und entfernt sich nur während der Regenzeit zuweilen von der Flußniederung; doch sah man ihn ausnahmsweise auch in seichten Meerbusen. Unter andere Sumpfvögel mischt er sich gar nicht selten; das Paar bleibt aber stets beisammen.
Jn dem Betragen spricht sich Selbstbewußtsein und Würde aus. Der Marabu ist mindestens ebenso groß und steht auch an Klugheit hinter ihm nicht zurück, läßt sich aber doch mit ihm nicht ver- gleichen. Jede Bewegung des Sattelstorches, jede Stellung ist zierlich und anmuthig, der Schönheit des Gefieders vollkommen entsprechend. Hinsichtlich der Nahrung wird sich der Sattelstorch wohl wenig von seinen deutschen Verwandten unterscheiden. Jn dem Magen der von uns Getödteten fanden wir Fische, Lurche und Käfer; andere Beobachter lernten den Vogel als Vertilger der Heu- schrecken kennen, und Rüppell's Jäger erlegten einen am Aase; doch bleibt es fraglich, ob er von diesem gefressen oder nur den dabei sich einfindenden Kerbthieren nachgestellt hat.
Ueber die Fortpflanzung habe ich keine Beobachtungen machen können, und auch nichts Sicheres darüber erfahren. Es bleibt also fraglich, ob der Sattelstorch hierin seinem amerikanischen Verwandten, über dessen Brutgeschäft uns Schomburgk Mittheilung gemacht hat, ähnelt oder nicht. Das Letztere scheint mir das Wahrscheinliche zu sein, da sich die beiden Vögel in vieler Hinsicht wesentlich unterscheiden, insbesondere schon dadurch, daß der amerikanische Riesenstorch oder Jabiru sich zuweilen zu größeren Schwärmen vereinigt. Doch dürfen wir annehmen, daß auch der Sattelstorch auf Bäumen brütet, ein dem des Storches ähnliches Nest errichtet und wenige Eier legt. Gurney sagt, daß das Paar stets treu zusammenhält, und sich durch sonderbare Tänze gegenseitig unterhält. Wird einer der Gatten getödtet, so wird der Verlust schwer ersetzt, und man sieht dann den Vereinsamten lange Zeit unter anderen hochbeinigen Sumpfvögeln leben.
Neuerdings haben wir Gelegenheit gehabt, gefangene Riesenstörche zu beobachten, und wenigstens den Sattelstorch mit seinem australischen Verwandten zu vergleichen. Beide leben zur Zeit im Thier- garten zu London, Sattelstörche in dem zu Köln. Zwischen dem Benehmen des Sattelstorches und seines australischen Verwandten konnte weder von mir, noch von anderen ein Unterschied wahr- genommen werden, und demgemäß darf ich hier ohne Bedenken die von Bennett herrührende Schilderung des Gefangenlebens der australischen Art beifügen.
Bennett rühmt seinen Gefangenen, welchen er von den schwarzen Eingebornen erhielt, als höchst anmuthigen Vogel. Seine Stellungen und seine Haltung, ebensowohl im Zustande der Ruhe oder im Gehen, sind zierlich und gefällig; dabei ist er gutartig, gewöhnt sich bald an die Gefangen- schaft und scheint sich zu freuen, wenn man ihn beobachtet und bewundert. Die großen glänzenden Augen drücken Gelehrigkeit und Verständniß aus. Der in Rede stehende Vogel war schon zahm, als er nach Sidney kam, deshalb in seinem neuen Gehege auch sehr bald eingewöhnt. Als am ersten Abend nach seiner Ankunft in der Vorhalle Licht angezündet worden war, erschien er hier, ging dann die Treppe hinauf, als ob er nach einem Schlafplatze suchen wolle, kehrte nach einem Weilchen zurück,
Die Läufer. Stelzvögel. Störche.
10 Zoll. Beim jüngeren Vogel ſind alle dunkelen Theile des Gefieders bräunlichgrau, die weißen Federn ſchmuziggraugelb und die Klunkern noch nicht entwickelt. Das Auge ſieht braun und der Schnabel dunkelroth, faſt ſchwärzlich aus.
Man muß einen Sattelſtorch im Freien geſehen haben, lebend, ſich bewegen, fliegen, über dem dunkelen Walde ſeine Kreiſe ziehen, um den Eindruck, welchen der gewaltige Vogel auf den Forſcher oder den Sammler macht, zu verſtehen, um ſeine volle Schönheit zu würdigen. Jm Gehen hält ſich dieſer Rieſe ſehr ſtolz und aufrecht, erſcheint aber wegen der langen Beine noch größer, als er wirklich iſt. Jm Fluge nimmt er ſich prachtvoll aus; denn die weißen Schwingen ſtechen von den ſchwarzen Deckfedern der Flügel herrlich ab. Leider iſt der Sattelſtorch unter allen Umſtänden ſo ſcheu, und dabei in den von mir bereiſten Gebieten ſo ſelten, daß ich nicht viel über das Freileben zu ſagen weiß. Er lebt paarweiſe am weißen und blauen Nile vom 14. Grade nördlicher Breite an nach Süden hin, findet ſich auch im Weſten und Südoſten des Erdtheiles, bewohnt das Ufer der Ströme, die Sand- inſeln und die nahe am Ufer gelegenen Seen, Regenteiche und Sümpfe und entfernt ſich nur während der Regenzeit zuweilen von der Flußniederung; doch ſah man ihn ausnahmsweiſe auch in ſeichten Meerbuſen. Unter andere Sumpfvögel miſcht er ſich gar nicht ſelten; das Paar bleibt aber ſtets beiſammen.
Jn dem Betragen ſpricht ſich Selbſtbewußtſein und Würde aus. Der Marabu iſt mindeſtens ebenſo groß und ſteht auch an Klugheit hinter ihm nicht zurück, läßt ſich aber doch mit ihm nicht ver- gleichen. Jede Bewegung des Sattelſtorches, jede Stellung iſt zierlich und anmuthig, der Schönheit des Gefieders vollkommen entſprechend. Hinſichtlich der Nahrung wird ſich der Sattelſtorch wohl wenig von ſeinen deutſchen Verwandten unterſcheiden. Jn dem Magen der von uns Getödteten fanden wir Fiſche, Lurche und Käfer; andere Beobachter lernten den Vogel als Vertilger der Heu- ſchrecken kennen, und Rüppell’s Jäger erlegten einen am Aaſe; doch bleibt es fraglich, ob er von dieſem gefreſſen oder nur den dabei ſich einfindenden Kerbthieren nachgeſtellt hat.
Ueber die Fortpflanzung habe ich keine Beobachtungen machen können, und auch nichts Sicheres darüber erfahren. Es bleibt alſo fraglich, ob der Sattelſtorch hierin ſeinem amerikaniſchen Verwandten, über deſſen Brutgeſchäft uns Schomburgk Mittheilung gemacht hat, ähnelt oder nicht. Das Letztere ſcheint mir das Wahrſcheinliche zu ſein, da ſich die beiden Vögel in vieler Hinſicht weſentlich unterſcheiden, insbeſondere ſchon dadurch, daß der amerikaniſche Rieſenſtorch oder Jabiru ſich zuweilen zu größeren Schwärmen vereinigt. Doch dürfen wir annehmen, daß auch der Sattelſtorch auf Bäumen brütet, ein dem des Storches ähnliches Neſt errichtet und wenige Eier legt. Gurney ſagt, daß das Paar ſtets treu zuſammenhält, und ſich durch ſonderbare Tänze gegenſeitig unterhält. Wird einer der Gatten getödtet, ſo wird der Verluſt ſchwer erſetzt, und man ſieht dann den Vereinſamten lange Zeit unter anderen hochbeinigen Sumpfvögeln leben.
Neuerdings haben wir Gelegenheit gehabt, gefangene Rieſenſtörche zu beobachten, und wenigſtens den Sattelſtorch mit ſeinem auſtraliſchen Verwandten zu vergleichen. Beide leben zur Zeit im Thier- garten zu London, Sattelſtörche in dem zu Köln. Zwiſchen dem Benehmen des Sattelſtorches und ſeines auſtraliſchen Verwandten konnte weder von mir, noch von anderen ein Unterſchied wahr- genommen werden, und demgemäß darf ich hier ohne Bedenken die von Bennett herrührende Schilderung des Gefangenlebens der auſtraliſchen Art beifügen.
Bennett rühmt ſeinen Gefangenen, welchen er von den ſchwarzen Eingebornen erhielt, als höchſt anmuthigen Vogel. Seine Stellungen und ſeine Haltung, ebenſowohl im Zuſtande der Ruhe oder im Gehen, ſind zierlich und gefällig; dabei iſt er gutartig, gewöhnt ſich bald an die Gefangen- ſchaft und ſcheint ſich zu freuen, wenn man ihn beobachtet und bewundert. Die großen glänzenden Augen drücken Gelehrigkeit und Verſtändniß aus. Der in Rede ſtehende Vogel war ſchon zahm, als er nach Sidney kam, deshalb in ſeinem neuen Gehege auch ſehr bald eingewöhnt. Als am erſten Abend nach ſeiner Ankunft in der Vorhalle Licht angezündet worden war, erſchien er hier, ging dann die Treppe hinauf, als ob er nach einem Schlafplatze ſuchen wolle, kehrte nach einem Weilchen zurück,
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[686/0728]
Die Läufer. Stelzvögel. Störche.
10 Zoll. Beim jüngeren Vogel ſind alle dunkelen Theile des Gefieders bräunlichgrau, die weißen
Federn ſchmuziggraugelb und die Klunkern noch nicht entwickelt. Das Auge ſieht braun und der
Schnabel dunkelroth, faſt ſchwärzlich aus.
Man muß einen Sattelſtorch im Freien geſehen haben, lebend, ſich bewegen, fliegen, über dem
dunkelen Walde ſeine Kreiſe ziehen, um den Eindruck, welchen der gewaltige Vogel auf den Forſcher
oder den Sammler macht, zu verſtehen, um ſeine volle Schönheit zu würdigen. Jm Gehen hält ſich
dieſer Rieſe ſehr ſtolz und aufrecht, erſcheint aber wegen der langen Beine noch größer, als er wirklich
iſt. Jm Fluge nimmt er ſich prachtvoll aus; denn die weißen Schwingen ſtechen von den ſchwarzen
Deckfedern der Flügel herrlich ab. Leider iſt der Sattelſtorch unter allen Umſtänden ſo ſcheu, und
dabei in den von mir bereiſten Gebieten ſo ſelten, daß ich nicht viel über das Freileben zu ſagen weiß.
Er lebt paarweiſe am weißen und blauen Nile vom 14. Grade nördlicher Breite an nach Süden hin,
findet ſich auch im Weſten und Südoſten des Erdtheiles, bewohnt das Ufer der Ströme, die Sand-
inſeln und die nahe am Ufer gelegenen Seen, Regenteiche und Sümpfe und entfernt ſich nur
während der Regenzeit zuweilen von der Flußniederung; doch ſah man ihn ausnahmsweiſe auch in
ſeichten Meerbuſen. Unter andere Sumpfvögel miſcht er ſich gar nicht ſelten; das Paar bleibt
aber ſtets beiſammen.
Jn dem Betragen ſpricht ſich Selbſtbewußtſein und Würde aus. Der Marabu iſt mindeſtens
ebenſo groß und ſteht auch an Klugheit hinter ihm nicht zurück, läßt ſich aber doch mit ihm nicht ver-
gleichen. Jede Bewegung des Sattelſtorches, jede Stellung iſt zierlich und anmuthig, der Schönheit
des Gefieders vollkommen entſprechend. Hinſichtlich der Nahrung wird ſich der Sattelſtorch wohl
wenig von ſeinen deutſchen Verwandten unterſcheiden. Jn dem Magen der von uns Getödteten
fanden wir Fiſche, Lurche und Käfer; andere Beobachter lernten den Vogel als Vertilger der Heu-
ſchrecken kennen, und Rüppell’s Jäger erlegten einen am Aaſe; doch bleibt es fraglich, ob er von
dieſem gefreſſen oder nur den dabei ſich einfindenden Kerbthieren nachgeſtellt hat.
Ueber die Fortpflanzung habe ich keine Beobachtungen machen können, und auch nichts Sicheres
darüber erfahren. Es bleibt alſo fraglich, ob der Sattelſtorch hierin ſeinem amerikaniſchen Verwandten,
über deſſen Brutgeſchäft uns Schomburgk Mittheilung gemacht hat, ähnelt oder nicht. Das Letztere
ſcheint mir das Wahrſcheinliche zu ſein, da ſich die beiden Vögel in vieler Hinſicht weſentlich unterſcheiden,
insbeſondere ſchon dadurch, daß der amerikaniſche Rieſenſtorch oder Jabiru ſich zuweilen zu größeren
Schwärmen vereinigt. Doch dürfen wir annehmen, daß auch der Sattelſtorch auf Bäumen brütet,
ein dem des Storches ähnliches Neſt errichtet und wenige Eier legt. Gurney ſagt, daß das Paar
ſtets treu zuſammenhält, und ſich durch ſonderbare Tänze gegenſeitig unterhält. Wird einer der
Gatten getödtet, ſo wird der Verluſt ſchwer erſetzt, und man ſieht dann den Vereinſamten lange Zeit
unter anderen hochbeinigen Sumpfvögeln leben.
Neuerdings haben wir Gelegenheit gehabt, gefangene Rieſenſtörche zu beobachten, und wenigſtens
den Sattelſtorch mit ſeinem auſtraliſchen Verwandten zu vergleichen. Beide leben zur Zeit im Thier-
garten zu London, Sattelſtörche in dem zu Köln. Zwiſchen dem Benehmen des Sattelſtorches und
ſeines auſtraliſchen Verwandten konnte weder von mir, noch von anderen ein Unterſchied wahr-
genommen werden, und demgemäß darf ich hier ohne Bedenken die von Bennett herrührende
Schilderung des Gefangenlebens der auſtraliſchen Art beifügen.
Bennett rühmt ſeinen Gefangenen, welchen er von den ſchwarzen Eingebornen erhielt, als
höchſt anmuthigen Vogel. Seine Stellungen und ſeine Haltung, ebenſowohl im Zuſtande der Ruhe
oder im Gehen, ſind zierlich und gefällig; dabei iſt er gutartig, gewöhnt ſich bald an die Gefangen-
ſchaft und ſcheint ſich zu freuen, wenn man ihn beobachtet und bewundert. Die großen glänzenden
Augen drücken Gelehrigkeit und Verſtändniß aus. Der in Rede ſtehende Vogel war ſchon zahm, als er
nach Sidney kam, deshalb in ſeinem neuen Gehege auch ſehr bald eingewöhnt. Als am erſten Abend
nach ſeiner Ankunft in der Vorhalle Licht angezündet worden war, erſchien er hier, ging dann die
Treppe hinauf, als ob er nach einem Schlafplatze ſuchen wolle, kehrte nach einem Weilchen zurück,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/728>, abgerufen am 23.11.2024.
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