nirgends häufig zu sein. Jch habe ihn in den von mir bereisten Ländern mehrfach, jedoch immer nur einzeln oder paarweise beobachtet. Er ist eine auffallende Erscheinung. Jm Sitzen fehlt ihm die schmucke Haltung der Reiher; der Hals wird sehr eingezogen, die Holle gewöhnlich dicht auf den Rücken gelegt, sodaß der Kopf auf den Schultern zu ruhen scheint. Hartmann meint, das Aus- sehen erinnere beinah an das eines Rabenvogels, und wären nicht der Schopf und die dünnen Stelz- beine, die Täuschung könnte kaum größer sein. Jch möchte eine noch größere Aehnlichkeit zwischen ihm und gewissen Jbissen finden. Wenn er sich ungestört weiß, spielt er mit seiner Haube, indem er sie bald aufrichtet und bald niederlegt; oft aber steht er minutenlang ohne jegliche Bewegung auf einer und derselben Stelle. Der Gang ist leicht und zierlich, aber gemessen, nicht rennend; der Flug erinnert am meisten an den eines Storches: der Schattenvogel fliegt gern geradeaus, schwebt viel und steigt oft in bedeutende Höhen empor, wenn er sich von einer Stelle des Wassers zur anderen begeben will. Eine Stimme habe ich nie vernommen.
Jn der Regel bemerkt man den Vogel nur an Waldbächen oder doch an den Ufern des Stromes da, wo der Wald bis an dieselben heranreicht. Hier treibt er sich still und gemächlich umher, bald wie ein Sumpfvogel im Wasser watend, bald nach Art der kleinen Reiher von dem Uferrande Nahrung wegnehmend. Nach meinen Beobachtungen bilden Fische den Haupttheil seiner Mahlzeiten; durch andere Beobachter wissen wir, daß er auch Muscheln, Lurche, insbesondere Frösche, kleine Schlangen und Krebsthiere oder Würmer und Kerbthierlarven verzehrt. Das Paar hält sich nicht besonders nah zusammen; jeder Gatte scheint vielmehr seinen eigenen Weg zu gehen und sich nur zeitweilig mit dem anderen zu vereinigen. Am lebhaftesten zeigen sich beide in der Morgen- und Abenddämmerung; vielleicht zählen sie sogar zu den halbnächtlichen Vögeln. Sie sind nicht besonders scheu, aber doch nach Art aller Reihervögel vorsichtig, unterscheiden sich jedoch von ihren klügeren Zunftverwandten dadurch, daß sie, wenn sie sich verfolgt sehen, nicht sogleich ihr Heil in einer Flucht suchen, sondern blos ein paar hundert Schritt weit fortfliegen, dort den Verfolger wieder erwarten und von neuem weitergehen.
Das riefengroße, durch den runden Eingang ausgezeichnete Nest habe ich mehrmals gesehen, ohne es zu erkennen. Seine Beschreibung verdanken wir Delegorgue und Jules Verreaur. Diejenigen, welche ich sah, standen meist in den untersten Stamm- oder Astgabeln der Mimosen, nicht eben hoch über dem Boden; nach Jules Verreaur werden die Nester aber auch auf Baum- ästen oder auf hohen Büschen angelegt. Alle sind aus Reisern und Lehm kunstvoll zusammen- gemauert. Aeußerlich hat der Bau fünf bis sechs Fuß im Durchmesser und beinahe ebensoviel an Höhe, da er domförmig überwölbt ist. Das Jnnere enthält drei vollkommen getrennte Räume: ein Vorzimmer, einen Gesellschaftsraum und das Schlafgemach. Diese Zimmer sind ebenso schön gemauert wie das Aeußere, ihr Eingaug eben nur so groß, daß der Vogel durchkriechen kann. Der hintere Raum liegt höher als die beiden vorderen, sodaß im Falle der Roth eingedrungenes Wasser abfließen kann; das Ganze ist aber so trefflich gearbeitet, daß selbst starke Regengüsse keinen Schaden thun; und wenn Dies dennoch der Fall sein sollte, sind die Bewohner rasch bei der Hand, um den- selben geschickt wieder auszubessern. Das Schlafzimmer ist das geräumigste, liegt zu hinterst, und hier ist es, wo beide Geschlechter abwechselnd brüten. Auf weichem Polster von Schilf und verschie- denen anderen Pflanzentheilen liegen daselbst die beiden Eier, aus denen das Gelege besteht; der mittlere Raum des Nestes dient zur Niederlage der Jagdbeute: man kann hier zu allen Zeiten Knochen eingetrockneter oder verwester Thiere sehen, als Beweis überreichlicher Vorräthe. Jm Vor- zimmer, dem kleinsten von allen dreien, hält sich der Wachtposten auf, welcher, stets auf der Lauer stehend, durch sein heiseres Geschrei den Gefährten warnt und zur Flucht antreibt. Verreaur bemerkte, daß die Schildwache immer auf dem Bauche lag und den Kopf aussteckte, um eine heran- nahende Gefahr sogleich zu bemerken. Wie bei den Reihern dauert es sehr lange, bis die jungen Schattenvögel das Nest verlassen. Bis dahin sind beide Alte unermüdlich beschäftigt, ihnen Nahrung zuzuschleppen und zwar zumeist kurz nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang. Die Jungen
Die Läufer. Stelzvögel. Schattenvogel.
nirgends häufig zu ſein. Jch habe ihn in den von mir bereiſten Ländern mehrfach, jedoch immer nur einzeln oder paarweiſe beobachtet. Er iſt eine auffallende Erſcheinung. Jm Sitzen fehlt ihm die ſchmucke Haltung der Reiher; der Hals wird ſehr eingezogen, die Holle gewöhnlich dicht auf den Rücken gelegt, ſodaß der Kopf auf den Schultern zu ruhen ſcheint. Hartmann meint, das Aus- ſehen erinnere beinah an das eines Rabenvogels, und wären nicht der Schopf und die dünnen Stelz- beine, die Täuſchung könnte kaum größer ſein. Jch möchte eine noch größere Aehnlichkeit zwiſchen ihm und gewiſſen Jbiſſen finden. Wenn er ſich ungeſtört weiß, ſpielt er mit ſeiner Haube, indem er ſie bald aufrichtet und bald niederlegt; oft aber ſteht er minutenlang ohne jegliche Bewegung auf einer und derſelben Stelle. Der Gang iſt leicht und zierlich, aber gemeſſen, nicht rennend; der Flug erinnert am meiſten an den eines Storches: der Schattenvogel fliegt gern geradeaus, ſchwebt viel und ſteigt oft in bedeutende Höhen empor, wenn er ſich von einer Stelle des Waſſers zur anderen begeben will. Eine Stimme habe ich nie vernommen.
Jn der Regel bemerkt man den Vogel nur an Waldbächen oder doch an den Ufern des Stromes da, wo der Wald bis an dieſelben heranreicht. Hier treibt er ſich ſtill und gemächlich umher, bald wie ein Sumpfvogel im Waſſer watend, bald nach Art der kleinen Reiher von dem Uferrande Nahrung wegnehmend. Nach meinen Beobachtungen bilden Fiſche den Haupttheil ſeiner Mahlzeiten; durch andere Beobachter wiſſen wir, daß er auch Muſcheln, Lurche, insbeſondere Fröſche, kleine Schlangen und Krebsthiere oder Würmer und Kerbthierlarven verzehrt. Das Paar hält ſich nicht beſonders nah zuſammen; jeder Gatte ſcheint vielmehr ſeinen eigenen Weg zu gehen und ſich nur zeitweilig mit dem anderen zu vereinigen. Am lebhafteſten zeigen ſich beide in der Morgen- und Abenddämmerung; vielleicht zählen ſie ſogar zu den halbnächtlichen Vögeln. Sie ſind nicht beſonders ſcheu, aber doch nach Art aller Reihervögel vorſichtig, unterſcheiden ſich jedoch von ihren klügeren Zunftverwandten dadurch, daß ſie, wenn ſie ſich verfolgt ſehen, nicht ſogleich ihr Heil in einer Flucht ſuchen, ſondern blos ein paar hundert Schritt weit fortfliegen, dort den Verfolger wieder erwarten und von neuem weitergehen.
Das riefengroße, durch den runden Eingang ausgezeichnete Neſt habe ich mehrmals geſehen, ohne es zu erkennen. Seine Beſchreibung verdanken wir Delegorgue und Jules Verreaur. Diejenigen, welche ich ſah, ſtanden meiſt in den unterſten Stamm- oder Aſtgabeln der Mimoſen, nicht eben hoch über dem Boden; nach Jules Verreaur werden die Neſter aber auch auf Baum- äſten oder auf hohen Büſchen angelegt. Alle ſind aus Reiſern und Lehm kunſtvoll zuſammen- gemauert. Aeußerlich hat der Bau fünf bis ſechs Fuß im Durchmeſſer und beinahe ebenſoviel an Höhe, da er domförmig überwölbt iſt. Das Jnnere enthält drei vollkommen getrennte Räume: ein Vorzimmer, einen Geſellſchaftsraum und das Schlafgemach. Dieſe Zimmer ſind ebenſo ſchön gemauert wie das Aeußere, ihr Eingaug eben nur ſo groß, daß der Vogel durchkriechen kann. Der hintere Raum liegt höher als die beiden vorderen, ſodaß im Falle der Roth eingedrungenes Waſſer abfließen kann; das Ganze iſt aber ſo trefflich gearbeitet, daß ſelbſt ſtarke Regengüſſe keinen Schaden thun; und wenn Dies dennoch der Fall ſein ſollte, ſind die Bewohner raſch bei der Hand, um den- ſelben geſchickt wieder auszubeſſern. Das Schlafzimmer iſt das geräumigſte, liegt zu hinterſt, und hier iſt es, wo beide Geſchlechter abwechſelnd brüten. Auf weichem Polſter von Schilf und verſchie- denen anderen Pflanzentheilen liegen daſelbſt die beiden Eier, aus denen das Gelege beſteht; der mittlere Raum des Neſtes dient zur Niederlage der Jagdbeute: man kann hier zu allen Zeiten Knochen eingetrockneter oder verweſter Thiere ſehen, als Beweis überreichlicher Vorräthe. Jm Vor- zimmer, dem kleinſten von allen dreien, hält ſich der Wachtpoſten auf, welcher, ſtets auf der Lauer ſtehend, durch ſein heiſeres Geſchrei den Gefährten warnt und zur Flucht antreibt. Verreaur bemerkte, daß die Schildwache immer auf dem Bauche lag und den Kopf ausſteckte, um eine heran- nahende Gefahr ſogleich zu bemerken. Wie bei den Reihern dauert es ſehr lange, bis die jungen Schattenvögel das Neſt verlaſſen. Bis dahin ſind beide Alte unermüdlich beſchäftigt, ihnen Nahrung zuzuſchleppen und zwar zumeiſt kurz nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang. Die Jungen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0712"n="670"/><fwplace="top"type="header">Die Läufer. Stelzvögel. Schattenvogel.</fw><lb/>
nirgends häufig zu ſein. Jch habe ihn in den von mir bereiſten Ländern mehrfach, jedoch immer<lb/>
nur einzeln oder paarweiſe beobachtet. Er iſt eine auffallende Erſcheinung. Jm Sitzen fehlt ihm die<lb/>ſchmucke Haltung der Reiher; der Hals wird ſehr eingezogen, die Holle gewöhnlich dicht auf den<lb/>
Rücken gelegt, ſodaß der Kopf auf den Schultern zu ruhen ſcheint. <hirendition="#g">Hartmann</hi> meint, das Aus-<lb/>ſehen erinnere beinah an das eines Rabenvogels, und wären nicht der Schopf und die dünnen Stelz-<lb/>
beine, die Täuſchung könnte kaum größer ſein. Jch möchte eine noch größere Aehnlichkeit zwiſchen<lb/>
ihm und gewiſſen Jbiſſen finden. Wenn er ſich ungeſtört weiß, ſpielt er mit ſeiner Haube, indem er<lb/>ſie bald aufrichtet und bald niederlegt; oft aber ſteht er minutenlang ohne jegliche Bewegung auf einer<lb/>
und derſelben Stelle. Der Gang iſt leicht und zierlich, aber gemeſſen, nicht rennend; der Flug<lb/>
erinnert am meiſten an den eines Storches: der Schattenvogel fliegt gern geradeaus, ſchwebt viel und<lb/>ſteigt oft in bedeutende Höhen empor, wenn er ſich von einer Stelle des Waſſers zur anderen begeben<lb/>
will. Eine Stimme habe ich nie vernommen.</p><lb/><p>Jn der Regel bemerkt man den Vogel nur an Waldbächen oder doch an den Ufern des Stromes<lb/>
da, wo der Wald bis an dieſelben heranreicht. Hier treibt er ſich ſtill und gemächlich umher, bald<lb/>
wie ein Sumpfvogel im Waſſer watend, bald nach Art der kleinen Reiher von dem Uferrande<lb/>
Nahrung wegnehmend. Nach meinen Beobachtungen bilden Fiſche den Haupttheil ſeiner Mahlzeiten;<lb/>
durch andere Beobachter wiſſen wir, daß er auch Muſcheln, Lurche, insbeſondere Fröſche, kleine<lb/>
Schlangen und Krebsthiere oder Würmer und Kerbthierlarven verzehrt. Das Paar hält ſich nicht<lb/>
beſonders nah zuſammen; jeder Gatte ſcheint vielmehr ſeinen eigenen Weg zu gehen und ſich nur<lb/>
zeitweilig mit dem anderen zu vereinigen. Am lebhafteſten zeigen ſich beide in der Morgen- und<lb/>
Abenddämmerung; vielleicht zählen ſie ſogar zu den halbnächtlichen Vögeln. Sie ſind nicht beſonders<lb/>ſcheu, aber doch nach Art aller Reihervögel vorſichtig, unterſcheiden ſich jedoch von ihren klügeren<lb/>
Zunftverwandten dadurch, daß ſie, wenn ſie ſich verfolgt ſehen, nicht ſogleich ihr Heil in einer Flucht<lb/>ſuchen, ſondern blos ein paar hundert Schritt weit fortfliegen, dort den Verfolger wieder erwarten<lb/>
und von neuem weitergehen.</p><lb/><p>Das riefengroße, durch den runden Eingang ausgezeichnete Neſt habe ich mehrmals geſehen,<lb/>
ohne es zu erkennen. Seine Beſchreibung verdanken wir <hirendition="#g">Delegorgue</hi> und <hirendition="#g">Jules Verreaur.</hi><lb/>
Diejenigen, welche ich ſah, ſtanden meiſt in den unterſten Stamm- oder Aſtgabeln der Mimoſen,<lb/>
nicht eben hoch über dem Boden; nach <hirendition="#g">Jules Verreaur</hi> werden die Neſter aber auch auf Baum-<lb/>
äſten oder auf hohen Büſchen angelegt. Alle ſind aus Reiſern und Lehm kunſtvoll zuſammen-<lb/>
gemauert. Aeußerlich hat der Bau fünf bis ſechs Fuß im Durchmeſſer und beinahe ebenſoviel an<lb/>
Höhe, da er domförmig überwölbt iſt. Das Jnnere enthält drei vollkommen getrennte Räume: ein<lb/>
Vorzimmer, einen Geſellſchaftsraum und das Schlafgemach. Dieſe Zimmer ſind ebenſo ſchön<lb/>
gemauert wie das Aeußere, ihr Eingaug eben nur ſo groß, daß der Vogel durchkriechen kann. Der<lb/>
hintere Raum liegt höher als die beiden vorderen, ſodaß im Falle der Roth eingedrungenes Waſſer<lb/>
abfließen kann; das Ganze iſt aber ſo trefflich gearbeitet, daß ſelbſt ſtarke Regengüſſe keinen Schaden<lb/>
thun; und wenn Dies dennoch der Fall ſein ſollte, ſind die Bewohner raſch bei der Hand, um den-<lb/>ſelben geſchickt wieder auszubeſſern. Das Schlafzimmer iſt das geräumigſte, liegt zu hinterſt, und<lb/>
hier iſt es, wo beide Geſchlechter abwechſelnd brüten. Auf weichem Polſter von Schilf und verſchie-<lb/>
denen anderen Pflanzentheilen liegen daſelbſt die beiden Eier, aus denen das Gelege beſteht; der<lb/>
mittlere Raum des Neſtes dient zur Niederlage der Jagdbeute: man kann hier zu allen Zeiten<lb/>
Knochen eingetrockneter oder verweſter Thiere ſehen, als Beweis überreichlicher Vorräthe. Jm Vor-<lb/>
zimmer, dem kleinſten von allen dreien, hält ſich der Wachtpoſten auf, welcher, ſtets auf der Lauer<lb/>ſtehend, durch ſein heiſeres Geſchrei den Gefährten warnt und zur Flucht antreibt. <hirendition="#g">Verreaur</hi><lb/>
bemerkte, daß die Schildwache immer auf dem Bauche lag und den Kopf ausſteckte, um eine heran-<lb/>
nahende Gefahr ſogleich zu bemerken. Wie bei den Reihern dauert es ſehr lange, bis die jungen<lb/>
Schattenvögel das Neſt verlaſſen. Bis dahin ſind beide Alte unermüdlich beſchäftigt, ihnen Nahrung<lb/>
zuzuſchleppen und zwar zumeiſt kurz nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang. Die Jungen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[670/0712]
Die Läufer. Stelzvögel. Schattenvogel.
nirgends häufig zu ſein. Jch habe ihn in den von mir bereiſten Ländern mehrfach, jedoch immer
nur einzeln oder paarweiſe beobachtet. Er iſt eine auffallende Erſcheinung. Jm Sitzen fehlt ihm die
ſchmucke Haltung der Reiher; der Hals wird ſehr eingezogen, die Holle gewöhnlich dicht auf den
Rücken gelegt, ſodaß der Kopf auf den Schultern zu ruhen ſcheint. Hartmann meint, das Aus-
ſehen erinnere beinah an das eines Rabenvogels, und wären nicht der Schopf und die dünnen Stelz-
beine, die Täuſchung könnte kaum größer ſein. Jch möchte eine noch größere Aehnlichkeit zwiſchen
ihm und gewiſſen Jbiſſen finden. Wenn er ſich ungeſtört weiß, ſpielt er mit ſeiner Haube, indem er
ſie bald aufrichtet und bald niederlegt; oft aber ſteht er minutenlang ohne jegliche Bewegung auf einer
und derſelben Stelle. Der Gang iſt leicht und zierlich, aber gemeſſen, nicht rennend; der Flug
erinnert am meiſten an den eines Storches: der Schattenvogel fliegt gern geradeaus, ſchwebt viel und
ſteigt oft in bedeutende Höhen empor, wenn er ſich von einer Stelle des Waſſers zur anderen begeben
will. Eine Stimme habe ich nie vernommen.
Jn der Regel bemerkt man den Vogel nur an Waldbächen oder doch an den Ufern des Stromes
da, wo der Wald bis an dieſelben heranreicht. Hier treibt er ſich ſtill und gemächlich umher, bald
wie ein Sumpfvogel im Waſſer watend, bald nach Art der kleinen Reiher von dem Uferrande
Nahrung wegnehmend. Nach meinen Beobachtungen bilden Fiſche den Haupttheil ſeiner Mahlzeiten;
durch andere Beobachter wiſſen wir, daß er auch Muſcheln, Lurche, insbeſondere Fröſche, kleine
Schlangen und Krebsthiere oder Würmer und Kerbthierlarven verzehrt. Das Paar hält ſich nicht
beſonders nah zuſammen; jeder Gatte ſcheint vielmehr ſeinen eigenen Weg zu gehen und ſich nur
zeitweilig mit dem anderen zu vereinigen. Am lebhafteſten zeigen ſich beide in der Morgen- und
Abenddämmerung; vielleicht zählen ſie ſogar zu den halbnächtlichen Vögeln. Sie ſind nicht beſonders
ſcheu, aber doch nach Art aller Reihervögel vorſichtig, unterſcheiden ſich jedoch von ihren klügeren
Zunftverwandten dadurch, daß ſie, wenn ſie ſich verfolgt ſehen, nicht ſogleich ihr Heil in einer Flucht
ſuchen, ſondern blos ein paar hundert Schritt weit fortfliegen, dort den Verfolger wieder erwarten
und von neuem weitergehen.
Das riefengroße, durch den runden Eingang ausgezeichnete Neſt habe ich mehrmals geſehen,
ohne es zu erkennen. Seine Beſchreibung verdanken wir Delegorgue und Jules Verreaur.
Diejenigen, welche ich ſah, ſtanden meiſt in den unterſten Stamm- oder Aſtgabeln der Mimoſen,
nicht eben hoch über dem Boden; nach Jules Verreaur werden die Neſter aber auch auf Baum-
äſten oder auf hohen Büſchen angelegt. Alle ſind aus Reiſern und Lehm kunſtvoll zuſammen-
gemauert. Aeußerlich hat der Bau fünf bis ſechs Fuß im Durchmeſſer und beinahe ebenſoviel an
Höhe, da er domförmig überwölbt iſt. Das Jnnere enthält drei vollkommen getrennte Räume: ein
Vorzimmer, einen Geſellſchaftsraum und das Schlafgemach. Dieſe Zimmer ſind ebenſo ſchön
gemauert wie das Aeußere, ihr Eingaug eben nur ſo groß, daß der Vogel durchkriechen kann. Der
hintere Raum liegt höher als die beiden vorderen, ſodaß im Falle der Roth eingedrungenes Waſſer
abfließen kann; das Ganze iſt aber ſo trefflich gearbeitet, daß ſelbſt ſtarke Regengüſſe keinen Schaden
thun; und wenn Dies dennoch der Fall ſein ſollte, ſind die Bewohner raſch bei der Hand, um den-
ſelben geſchickt wieder auszubeſſern. Das Schlafzimmer iſt das geräumigſte, liegt zu hinterſt, und
hier iſt es, wo beide Geſchlechter abwechſelnd brüten. Auf weichem Polſter von Schilf und verſchie-
denen anderen Pflanzentheilen liegen daſelbſt die beiden Eier, aus denen das Gelege beſteht; der
mittlere Raum des Neſtes dient zur Niederlage der Jagdbeute: man kann hier zu allen Zeiten
Knochen eingetrockneter oder verweſter Thiere ſehen, als Beweis überreichlicher Vorräthe. Jm Vor-
zimmer, dem kleinſten von allen dreien, hält ſich der Wachtpoſten auf, welcher, ſtets auf der Lauer
ſtehend, durch ſein heiſeres Geſchrei den Gefährten warnt und zur Flucht antreibt. Verreaur
bemerkte, daß die Schildwache immer auf dem Bauche lag und den Kopf ausſteckte, um eine heran-
nahende Gefahr ſogleich zu bemerken. Wie bei den Reihern dauert es ſehr lange, bis die jungen
Schattenvögel das Neſt verlaſſen. Bis dahin ſind beide Alte unermüdlich beſchäftigt, ihnen Nahrung
zuzuſchleppen und zwar zumeiſt kurz nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang. Die Jungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/712>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.