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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Säbler. Brachvögel.
Wunsch. Aber die Ernährung mit Ameiseneiern allein schien mir auf die Dauer doch nicht recht
ersprießlich, auch etwas zu kostspielig. Jch versuchte daher, die Vögel an andere thierische Kost zu
gewöhnen und wählte feingehacktes, rohes Fleisch und ganz klein geschnittene zarte Fische, welche mit
Ameiseneiern vermischt ins Wasser geworfen wurden. Sie verzehrten auch diese Stoffe, und so sah ich
denn der Zukunft vertrauensvoll entgegen. Leider wurden mir in einer Nacht drei meiner Säbel-
schnäbler von Natten getödtet und später noch einer, sodaß mir von sechs Stück noch zwei verblieben.
Sie aber leben nun auch bereits seit drei Jahren im Garten."

"Gegen den Herbst hin hatten die Vögel ihr Jugendkleid so ziemlich abgelegt; gleichwohl war
das prächtige Sammtschwarz der alten noch nicht vorhanden und ebensowenig das Wachsthum
vollendet. Meine Vermuthung, daß die etwas derbe Fleischkost auf die Dauer doch nicht gut thun
möchte, fand ich im Verlaufe der Zeit bestätigt, indem die Säbelschnäbler beim Gehen eine gewisse
Schwäche in den Füßen zeigten. Es ist Dies ein untrügliches Zeichen, daß junge Vögel bei Mangel
an Bewegung zu schweres Futter erhalten. Bei meinen Säbelschnäblern bemerkte ich noch außerdem
Anschwellung an Zehen und Gelenken: Nahrungsveränderung war also geboten. Ohne Weiteres
entzog ich nach und nach Fleisch und Fische und ließ dafür in entsprechender Menge mäßig geweichtes
Weißbrot reichen, ohne jedoch Fische, Fleisch oder Ameiseneier gänzlich wegzulassen. Jch hatte mich
nicht getäuscht. Die Vögel gewöhnten sich ohne Beschwerde auch an diese Nahrung, und Lähmung
wie Fußanschwellung verloren sich. Jhr Befinden war das vorzüglichste, und ihre Munterkeit, ihre
gefälligen Bewegungen fesselten jetzt die Aufmerksamkeit aller Besucher, welche durch ihre Schönheit
bisher noch nicht gefesselt worden waren."

"Den flötenartigen Ruf, welchen der Säbelschnäbler in der Freiheit häufig ausstößt, habe ich bei
meinen Gesangenen nicht gehört. Dagegen hatte ich Gelegenheit, genau zu sehen, wie der Vogel seine
Nahrung erbeutet. Man meint gewöhnlich, daß derselbe solche in ganz ungewöhnlicher Weise fängt,
und ist durch die auffallende Bildung des Schnabels und die mit demselben ausgeführten seitlichen
Bewegungen dazu veranlaßt worden. Diese seitlichen Bewegungen sollen, so nimmt man an, vom
Säbelschnäbler bei geöffnetem Schnabel ausgeführt, und die zwischen die Schnabelhälfte gerathenen
Seethierchen festgehalten und verschluckt werden. Nach meinen Beobachtungen, welche jeden Zweifel
ausschließen, führt der Vogel diese Seitwärtsbewegungen aber nicht mit geöffnetem, sondern mit voll-
ständig geschlossenem Schnabel aus, und Das nicht allein im Wasser, sondern auch auf dem Lande.
Jch möchte glauben, daß er säbele, um die zur Nahrung dienenden Thierchen aufzuschenchen, ähnlich,
wie es Möven oder Flammings thun, wenn sie mit ihren Füßen schnell auf einer und derselben Stelle
auf- und niedertreten. Der Schlamm geräth dadurch in Bewegung, der Grund wird aufgelockert,
die in ihm verborgenen Thiere kommen zum Vorschein und können nun ergriffen und verspeist werden.
Dasselbe bezweckt der Säbler durch seine seitlichen Schnabelbewegungen. Niemals habe ich gesehen,
daß einer meiner Gefangenen die ihm dargereichte Nahrung durch eine Bewegung nach der Seite hin
aufgenommen hätte; mit aller Bestimmtheit aber habe ich beobachtet und behaupte es demnach, daß er
seine Nahrung ebenso wie ein Regenpfeifer oder Schlammläufer mit der Schnabelspitze erfaßt und
dann verschlingt. Daß er nicht im Stande ist, dieselbe zu zerstückeln, zeigt der erste Blick auf die
eigenthümliche Form des zarten Werkzeuges. Mit diesem vermag er in keiner Weise zu schädigen;
daher kommen denn auch niemals Kämpfe unter den Säblern vor. Jhr Wesen ist ein durchaus
friedliches und harmloses. Sie behelligen andere Vögel nie, können sich aber auch gegen andere
nicht vertheidigen und müssen deshalb mit solchen zusammengebracht werden, welche den Sinn für
Frieden und dieselbe Nahrung mit ihnen gemein haben. Es sind durchaus empfehlenswerthe Ge-
fangene, die auf Grund vorstehender Mittheilungen jeder Liebhaber zu erwerben suchen sollte, wenn
ihm die Beschaffung nur irgend möglich scheint."



Die Läufer. Stelzvögel. Säbler. Brachvögel.
Wunſch. Aber die Ernährung mit Ameiſeneiern allein ſchien mir auf die Dauer doch nicht recht
erſprießlich, auch etwas zu koſtſpielig. Jch verſuchte daher, die Vögel an andere thieriſche Koſt zu
gewöhnen und wählte feingehacktes, rohes Fleiſch und ganz klein geſchnittene zarte Fiſche, welche mit
Ameiſeneiern vermiſcht ins Waſſer geworfen wurden. Sie verzehrten auch dieſe Stoffe, und ſo ſah ich
denn der Zukunft vertrauensvoll entgegen. Leider wurden mir in einer Nacht drei meiner Säbel-
ſchnäbler von Natten getödtet und ſpäter noch einer, ſodaß mir von ſechs Stück noch zwei verblieben.
Sie aber leben nun auch bereits ſeit drei Jahren im Garten.“

„Gegen den Herbſt hin hatten die Vögel ihr Jugendkleid ſo ziemlich abgelegt; gleichwohl war
das prächtige Sammtſchwarz der alten noch nicht vorhanden und ebenſowenig das Wachsthum
vollendet. Meine Vermuthung, daß die etwas derbe Fleiſchkoſt auf die Dauer doch nicht gut thun
möchte, fand ich im Verlaufe der Zeit beſtätigt, indem die Säbelſchnäbler beim Gehen eine gewiſſe
Schwäche in den Füßen zeigten. Es iſt Dies ein untrügliches Zeichen, daß junge Vögel bei Mangel
an Bewegung zu ſchweres Futter erhalten. Bei meinen Säbelſchnäblern bemerkte ich noch außerdem
Anſchwellung an Zehen und Gelenken: Nahrungsveränderung war alſo geboten. Ohne Weiteres
entzog ich nach und nach Fleiſch und Fiſche und ließ dafür in entſprechender Menge mäßig geweichtes
Weißbrot reichen, ohne jedoch Fiſche, Fleiſch oder Ameiſeneier gänzlich wegzulaſſen. Jch hatte mich
nicht getäuſcht. Die Vögel gewöhnten ſich ohne Beſchwerde auch an dieſe Nahrung, und Lähmung
wie Fußanſchwellung verloren ſich. Jhr Befinden war das vorzüglichſte, und ihre Munterkeit, ihre
gefälligen Bewegungen feſſelten jetzt die Aufmerkſamkeit aller Beſucher, welche durch ihre Schönheit
bisher noch nicht gefeſſelt worden waren.“

„Den flötenartigen Ruf, welchen der Säbelſchnäbler in der Freiheit häufig ausſtößt, habe ich bei
meinen Geſangenen nicht gehört. Dagegen hatte ich Gelegenheit, genau zu ſehen, wie der Vogel ſeine
Nahrung erbeutet. Man meint gewöhnlich, daß derſelbe ſolche in ganz ungewöhnlicher Weiſe fängt,
und iſt durch die auffallende Bildung des Schnabels und die mit demſelben ausgeführten ſeitlichen
Bewegungen dazu veranlaßt worden. Dieſe ſeitlichen Bewegungen ſollen, ſo nimmt man an, vom
Säbelſchnäbler bei geöffnetem Schnabel ausgeführt, und die zwiſchen die Schnabelhälfte gerathenen
Seethierchen feſtgehalten und verſchluckt werden. Nach meinen Beobachtungen, welche jeden Zweifel
ausſchließen, führt der Vogel dieſe Seitwärtsbewegungen aber nicht mit geöffnetem, ſondern mit voll-
ſtändig geſchloſſenem Schnabel aus, und Das nicht allein im Waſſer, ſondern auch auf dem Lande.
Jch möchte glauben, daß er ſäbele, um die zur Nahrung dienenden Thierchen aufzuſchenchen, ähnlich,
wie es Möven oder Flammings thun, wenn ſie mit ihren Füßen ſchnell auf einer und derſelben Stelle
auf- und niedertreten. Der Schlamm geräth dadurch in Bewegung, der Grund wird aufgelockert,
die in ihm verborgenen Thiere kommen zum Vorſchein und können nun ergriffen und verſpeiſt werden.
Daſſelbe bezweckt der Säbler durch ſeine ſeitlichen Schnabelbewegungen. Niemals habe ich geſehen,
daß einer meiner Gefangenen die ihm dargereichte Nahrung durch eine Bewegung nach der Seite hin
aufgenommen hätte; mit aller Beſtimmtheit aber habe ich beobachtet und behaupte es demnach, daß er
ſeine Nahrung ebenſo wie ein Regenpfeifer oder Schlammläufer mit der Schnabelſpitze erfaßt und
dann verſchlingt. Daß er nicht im Stande iſt, dieſelbe zu zerſtückeln, zeigt der erſte Blick auf die
eigenthümliche Form des zarten Werkzeuges. Mit dieſem vermag er in keiner Weiſe zu ſchädigen;
daher kommen denn auch niemals Kämpfe unter den Säblern vor. Jhr Weſen iſt ein durchaus
friedliches und harmloſes. Sie behelligen andere Vögel nie, können ſich aber auch gegen andere
nicht vertheidigen und müſſen deshalb mit ſolchen zuſammengebracht werden, welche den Sinn für
Frieden und dieſelbe Nahrung mit ihnen gemein haben. Es ſind durchaus empfehlenswerthe Ge-
fangene, die auf Grund vorſtehender Mittheilungen jeder Liebhaber zu erwerben ſuchen ſollte, wenn
ihm die Beſchaffung nur irgend möglich ſcheint.“



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[648/0688] Die Läufer. Stelzvögel. Säbler. Brachvögel. Wunſch. Aber die Ernährung mit Ameiſeneiern allein ſchien mir auf die Dauer doch nicht recht erſprießlich, auch etwas zu koſtſpielig. Jch verſuchte daher, die Vögel an andere thieriſche Koſt zu gewöhnen und wählte feingehacktes, rohes Fleiſch und ganz klein geſchnittene zarte Fiſche, welche mit Ameiſeneiern vermiſcht ins Waſſer geworfen wurden. Sie verzehrten auch dieſe Stoffe, und ſo ſah ich denn der Zukunft vertrauensvoll entgegen. Leider wurden mir in einer Nacht drei meiner Säbel- ſchnäbler von Natten getödtet und ſpäter noch einer, ſodaß mir von ſechs Stück noch zwei verblieben. Sie aber leben nun auch bereits ſeit drei Jahren im Garten.“ „Gegen den Herbſt hin hatten die Vögel ihr Jugendkleid ſo ziemlich abgelegt; gleichwohl war das prächtige Sammtſchwarz der alten noch nicht vorhanden und ebenſowenig das Wachsthum vollendet. Meine Vermuthung, daß die etwas derbe Fleiſchkoſt auf die Dauer doch nicht gut thun möchte, fand ich im Verlaufe der Zeit beſtätigt, indem die Säbelſchnäbler beim Gehen eine gewiſſe Schwäche in den Füßen zeigten. Es iſt Dies ein untrügliches Zeichen, daß junge Vögel bei Mangel an Bewegung zu ſchweres Futter erhalten. Bei meinen Säbelſchnäblern bemerkte ich noch außerdem Anſchwellung an Zehen und Gelenken: Nahrungsveränderung war alſo geboten. Ohne Weiteres entzog ich nach und nach Fleiſch und Fiſche und ließ dafür in entſprechender Menge mäßig geweichtes Weißbrot reichen, ohne jedoch Fiſche, Fleiſch oder Ameiſeneier gänzlich wegzulaſſen. Jch hatte mich nicht getäuſcht. Die Vögel gewöhnten ſich ohne Beſchwerde auch an dieſe Nahrung, und Lähmung wie Fußanſchwellung verloren ſich. Jhr Befinden war das vorzüglichſte, und ihre Munterkeit, ihre gefälligen Bewegungen feſſelten jetzt die Aufmerkſamkeit aller Beſucher, welche durch ihre Schönheit bisher noch nicht gefeſſelt worden waren.“ „Den flötenartigen Ruf, welchen der Säbelſchnäbler in der Freiheit häufig ausſtößt, habe ich bei meinen Geſangenen nicht gehört. Dagegen hatte ich Gelegenheit, genau zu ſehen, wie der Vogel ſeine Nahrung erbeutet. Man meint gewöhnlich, daß derſelbe ſolche in ganz ungewöhnlicher Weiſe fängt, und iſt durch die auffallende Bildung des Schnabels und die mit demſelben ausgeführten ſeitlichen Bewegungen dazu veranlaßt worden. Dieſe ſeitlichen Bewegungen ſollen, ſo nimmt man an, vom Säbelſchnäbler bei geöffnetem Schnabel ausgeführt, und die zwiſchen die Schnabelhälfte gerathenen Seethierchen feſtgehalten und verſchluckt werden. Nach meinen Beobachtungen, welche jeden Zweifel ausſchließen, führt der Vogel dieſe Seitwärtsbewegungen aber nicht mit geöffnetem, ſondern mit voll- ſtändig geſchloſſenem Schnabel aus, und Das nicht allein im Waſſer, ſondern auch auf dem Lande. Jch möchte glauben, daß er ſäbele, um die zur Nahrung dienenden Thierchen aufzuſchenchen, ähnlich, wie es Möven oder Flammings thun, wenn ſie mit ihren Füßen ſchnell auf einer und derſelben Stelle auf- und niedertreten. Der Schlamm geräth dadurch in Bewegung, der Grund wird aufgelockert, die in ihm verborgenen Thiere kommen zum Vorſchein und können nun ergriffen und verſpeiſt werden. Daſſelbe bezweckt der Säbler durch ſeine ſeitlichen Schnabelbewegungen. Niemals habe ich geſehen, daß einer meiner Gefangenen die ihm dargereichte Nahrung durch eine Bewegung nach der Seite hin aufgenommen hätte; mit aller Beſtimmtheit aber habe ich beobachtet und behaupte es demnach, daß er ſeine Nahrung ebenſo wie ein Regenpfeifer oder Schlammläufer mit der Schnabelſpitze erfaßt und dann verſchlingt. Daß er nicht im Stande iſt, dieſelbe zu zerſtückeln, zeigt der erſte Blick auf die eigenthümliche Form des zarten Werkzeuges. Mit dieſem vermag er in keiner Weiſe zu ſchädigen; daher kommen denn auch niemals Kämpfe unter den Säblern vor. Jhr Weſen iſt ein durchaus friedliches und harmloſes. Sie behelligen andere Vögel nie, können ſich aber auch gegen andere nicht vertheidigen und müſſen deshalb mit ſolchen zuſammengebracht werden, welche den Sinn für Frieden und dieſelbe Nahrung mit ihnen gemein haben. Es ſind durchaus empfehlenswerthe Ge- fangene, die auf Grund vorſtehender Mittheilungen jeder Liebhaber zu erwerben ſuchen ſollte, wenn ihm die Beſchaffung nur irgend möglich ſcheint.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/688>, abgerufen am 22.11.2024.