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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Säbelschnäbler.

Der innere Bau weicht wenig von dem anderer Schnepfenvögel ab. Die Wirbelsäule besteht
aus vierzehn Hals-, neun Rücken- und acht bis neun Schwanzwirbeln; das Brustbein zeigt äußere
und innere Buchten, welche letztere die größten sind; die Hirnschale ist klein, das Hinterhauptsloch
groß und rundlich; dem Schnabel fehlt der knochenzellige Tastapparat. Die Zunge ist kurz und
stumpf, der Magen schwachmuskelig.

Man kennt gegenwärtig nur wenige Arten von Säblern; dieselben verbreiten sich aber über
viele Länder der Erde und namentlich der Heimatskreis der europäischen Art ist sehr ausgedehnt.
Eine Schilderung dieser wird uns hinlänglich mit der Lebensweise vertraut machen.

Der Säbelschnäbler, Krumm- oder Verkehrtschnabel, Wasserschnabel, Schuster-
vogel
u. s. w. (Recurvirostra Avocetta) ist einfach, aber sehr ansprechend gezeichnet. Oberkopf,
Nacken und Oberhinterhals, die Schultern und der größte Theil der Flügel sind schwarz, zwei weiße
Felder auf den Flügeln und das übrige Gefieder weiß. Das Auge ist röthlichbraun, der Schnabel
schwarz, der Fuß aschblau. Das Weibchen unterscheidet sich nur durch minder lebhafte Färbung.
Bei den Jungen spielt das Schwarz ins Bräunliche und wird der Flügel durch rostgraue Feder-
kanten gezeichnet.

Man hat den Säbelschnäbler von Mitteleuropa an fast überall in der alten Welt gefunden.
Er bewohnt die Küsten der Nord- und Ostsee, die Salzseen Ungarns und Mittelasiens, besucht
vonhieraus Südeuropa und Nordafrika, vondortaus Südchina und Jndien, soll selbst am Vorgebirge
der guten Hoffnung zuweilen bemerkt werden. Wo er vorkommt, tritt er stets in großer Anzahl auf.
Jn unseren Gegenden erscheint er im April; seinen Rückzug beginnt er im September.

Er ist ein echter Seevogel; denn er verläßt die Küste des Meeres selten und falls es wirklich
einmal freiwillig geschieht, nur dann, wenn er einen falzigen oder doch brackigen See aufsuchen will.
Jm Binnenlande gehört er zu den größten Seltenheiten. Seichte Meeresküsten oder Seeufer, deren
Boden schlammig ist, bilden seinen Aufenthaltsort; daher kommt es, daß ihn in einzelnen Gegenden
Jedermann kennt, während er wenige Meilen davon als fremdartig erscheint. Jm Meere wechselt er,
laut Naumann, seinen Aufenthalt mit der Ebbe und Flut. Wenn erstere die Watten trocken
gelegt hat, sieht man ihn oft eine halbe Meile weit von der eigentlichen Küste, während er vor der
Flut zurückweichend, nur am Strande sich aufhält. Er gehört zu denjenigen Seevögeln, welche Jeder-
mann auffallen müssen, weil sie eine wahre Zierde des Strandes bilden. Bei ruhigem Gehen oder
im Stehen hält er den Leib meist wagerecht und den dünnen Hals Sförmig eingezogen. Sein Gang
ist leicht und verhältnißmäßig behend, obgleich er selten längere Strecken in einem Zuge durchläuft,
sein Flug zwar nicht so schnell, wie der der Strandläufer, aber immer doch rasch genug und so
eigenthümlich, daß man den Vogel in jeder Entfernung erkennen kann, da die hohen, herabgebogenen
Flügel, welche mit weit ausholenden Schlägen bewegt werden, der eingezogene Hals und die langen,
geradeaus gestreckten Beine, sehr bezeichnend sind. Den sehr ausgebildeten Schwimmhäuten ent-
sprechend, bewegt sich der Säbelschnäbler auch in größerer Tiefe der Gewässer; er schwimmt sehr
leicht und gewandt und macht von dieser Fertigkeit oft Gebrauch. Die pfeifende Stimme klingt
etwas schwermüthig, keineswegs aber unangenehm, der Lockton ungefähr wie "Qui" oder "Dütt",
der Paarungsruf klagend, oft und rasch wiederholt "Kliu", sodaß er zu einem förmlichen Jodeln wird.

Gewöhnlich sieht man den Säbelschnäbler im Wasser, stehend oder langsam umhergehend, mit
beständig nickender und seitlicher Bewegung des Kopfes Nahrung suchend, nicht selten auch gründelnd,
wobei er nach Entenart mehr oder weniger auf dem Kopfe steht. Der sonderbare Schnabel wird
anders gebraucht, als von den übrigen Sumpfvögeln, wie Naumann sagt, "säbelnd, indem ihn der
Vogel ziemlich rasch nach einander seitwärts rechts und links hin- und herbewegt und dabei die im
Wasser schwimmende Nahrung, welche durch die Leisten an der inneren Schnabelfläche festgehalten
wurde, aufnimmt. Der Schustervogel durchsäbelt auf diese Weise, langsam fortschreitend, die kleinen
Pfützen, welche sich während der Ebbe auf den schlammigen Watten erhalten und von kleinen lebenden

Säbelſchnäbler.

Der innere Bau weicht wenig von dem anderer Schnepfenvögel ab. Die Wirbelſäule beſteht
aus vierzehn Hals-, neun Rücken- und acht bis neun Schwanzwirbeln; das Bruſtbein zeigt äußere
und innere Buchten, welche letztere die größten ſind; die Hirnſchale iſt klein, das Hinterhauptsloch
groß und rundlich; dem Schnabel fehlt der knochenzellige Taſtapparat. Die Zunge iſt kurz und
ſtumpf, der Magen ſchwachmuskelig.

Man kennt gegenwärtig nur wenige Arten von Säblern; dieſelben verbreiten ſich aber über
viele Länder der Erde und namentlich der Heimatskreis der europäiſchen Art iſt ſehr ausgedehnt.
Eine Schilderung dieſer wird uns hinlänglich mit der Lebensweiſe vertraut machen.

Der Säbelſchnäbler, Krumm- oder Verkehrtſchnabel, Waſſerſchnabel, Schuſter-
vogel
u. ſ. w. (Recurvirostra Avocetta) iſt einfach, aber ſehr anſprechend gezeichnet. Oberkopf,
Nacken und Oberhinterhals, die Schultern und der größte Theil der Flügel ſind ſchwarz, zwei weiße
Felder auf den Flügeln und das übrige Gefieder weiß. Das Auge iſt röthlichbraun, der Schnabel
ſchwarz, der Fuß aſchblau. Das Weibchen unterſcheidet ſich nur durch minder lebhafte Färbung.
Bei den Jungen ſpielt das Schwarz ins Bräunliche und wird der Flügel durch roſtgraue Feder-
kanten gezeichnet.

Man hat den Säbelſchnäbler von Mitteleuropa an faſt überall in der alten Welt gefunden.
Er bewohnt die Küſten der Nord- und Oſtſee, die Salzſeen Ungarns und Mittelaſiens, beſucht
vonhieraus Südeuropa und Nordafrika, vondortaus Südchina und Jndien, ſoll ſelbſt am Vorgebirge
der guten Hoffnung zuweilen bemerkt werden. Wo er vorkommt, tritt er ſtets in großer Anzahl auf.
Jn unſeren Gegenden erſcheint er im April; ſeinen Rückzug beginnt er im September.

Er iſt ein echter Seevogel; denn er verläßt die Küſte des Meeres ſelten und falls es wirklich
einmal freiwillig geſchieht, nur dann, wenn er einen falzigen oder doch brackigen See aufſuchen will.
Jm Binnenlande gehört er zu den größten Seltenheiten. Seichte Meeresküſten oder Seeufer, deren
Boden ſchlammig iſt, bilden ſeinen Aufenthaltsort; daher kommt es, daß ihn in einzelnen Gegenden
Jedermann kennt, während er wenige Meilen davon als fremdartig erſcheint. Jm Meere wechſelt er,
laut Naumann, ſeinen Aufenthalt mit der Ebbe und Flut. Wenn erſtere die Watten trocken
gelegt hat, ſieht man ihn oft eine halbe Meile weit von der eigentlichen Küſte, während er vor der
Flut zurückweichend, nur am Strande ſich aufhält. Er gehört zu denjenigen Seevögeln, welche Jeder-
mann auffallen müſſen, weil ſie eine wahre Zierde des Strandes bilden. Bei ruhigem Gehen oder
im Stehen hält er den Leib meiſt wagerecht und den dünnen Hals Sförmig eingezogen. Sein Gang
iſt leicht und verhältnißmäßig behend, obgleich er ſelten längere Strecken in einem Zuge durchläuft,
ſein Flug zwar nicht ſo ſchnell, wie der der Strandläufer, aber immer doch raſch genug und ſo
eigenthümlich, daß man den Vogel in jeder Entfernung erkennen kann, da die hohen, herabgebogenen
Flügel, welche mit weit ausholenden Schlägen bewegt werden, der eingezogene Hals und die langen,
geradeaus geſtreckten Beine, ſehr bezeichnend ſind. Den ſehr ausgebildeten Schwimmhäuten ent-
ſprechend, bewegt ſich der Säbelſchnäbler auch in größerer Tiefe der Gewäſſer; er ſchwimmt ſehr
leicht und gewandt und macht von dieſer Fertigkeit oft Gebrauch. Die pfeifende Stimme klingt
etwas ſchwermüthig, keineswegs aber unangenehm, der Lockton ungefähr wie „Qui“ oder „Dütt“,
der Paarungsruf klagend, oft und raſch wiederholt „Kliu“, ſodaß er zu einem förmlichen Jodeln wird.

Gewöhnlich ſieht man den Säbelſchnäbler im Waſſer, ſtehend oder langſam umhergehend, mit
beſtändig nickender und ſeitlicher Bewegung des Kopfes Nahrung ſuchend, nicht ſelten auch gründelnd,
wobei er nach Entenart mehr oder weniger auf dem Kopfe ſteht. Der ſonderbare Schnabel wird
anders gebraucht, als von den übrigen Sumpfvögeln, wie Naumann ſagt, „ſäbelnd, indem ihn der
Vogel ziemlich raſch nach einander ſeitwärts rechts und links hin- und herbewegt und dabei die im
Waſſer ſchwimmende Nahrung, welche durch die Leiſten an der inneren Schnabelfläche feſtgehalten
wurde, aufnimmt. Der Schuſtervogel durchſäbelt auf dieſe Weiſe, langſam fortſchreitend, die kleinen
Pfützen, welche ſich während der Ebbe auf den ſchlammigen Watten erhalten und von kleinen lebenden

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[645/0685] Säbelſchnäbler. Der innere Bau weicht wenig von dem anderer Schnepfenvögel ab. Die Wirbelſäule beſteht aus vierzehn Hals-, neun Rücken- und acht bis neun Schwanzwirbeln; das Bruſtbein zeigt äußere und innere Buchten, welche letztere die größten ſind; die Hirnſchale iſt klein, das Hinterhauptsloch groß und rundlich; dem Schnabel fehlt der knochenzellige Taſtapparat. Die Zunge iſt kurz und ſtumpf, der Magen ſchwachmuskelig. Man kennt gegenwärtig nur wenige Arten von Säblern; dieſelben verbreiten ſich aber über viele Länder der Erde und namentlich der Heimatskreis der europäiſchen Art iſt ſehr ausgedehnt. Eine Schilderung dieſer wird uns hinlänglich mit der Lebensweiſe vertraut machen. Der Säbelſchnäbler, Krumm- oder Verkehrtſchnabel, Waſſerſchnabel, Schuſter- vogel u. ſ. w. (Recurvirostra Avocetta) iſt einfach, aber ſehr anſprechend gezeichnet. Oberkopf, Nacken und Oberhinterhals, die Schultern und der größte Theil der Flügel ſind ſchwarz, zwei weiße Felder auf den Flügeln und das übrige Gefieder weiß. Das Auge iſt röthlichbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß aſchblau. Das Weibchen unterſcheidet ſich nur durch minder lebhafte Färbung. Bei den Jungen ſpielt das Schwarz ins Bräunliche und wird der Flügel durch roſtgraue Feder- kanten gezeichnet. Man hat den Säbelſchnäbler von Mitteleuropa an faſt überall in der alten Welt gefunden. Er bewohnt die Küſten der Nord- und Oſtſee, die Salzſeen Ungarns und Mittelaſiens, beſucht vonhieraus Südeuropa und Nordafrika, vondortaus Südchina und Jndien, ſoll ſelbſt am Vorgebirge der guten Hoffnung zuweilen bemerkt werden. Wo er vorkommt, tritt er ſtets in großer Anzahl auf. Jn unſeren Gegenden erſcheint er im April; ſeinen Rückzug beginnt er im September. Er iſt ein echter Seevogel; denn er verläßt die Küſte des Meeres ſelten und falls es wirklich einmal freiwillig geſchieht, nur dann, wenn er einen falzigen oder doch brackigen See aufſuchen will. Jm Binnenlande gehört er zu den größten Seltenheiten. Seichte Meeresküſten oder Seeufer, deren Boden ſchlammig iſt, bilden ſeinen Aufenthaltsort; daher kommt es, daß ihn in einzelnen Gegenden Jedermann kennt, während er wenige Meilen davon als fremdartig erſcheint. Jm Meere wechſelt er, laut Naumann, ſeinen Aufenthalt mit der Ebbe und Flut. Wenn erſtere die Watten trocken gelegt hat, ſieht man ihn oft eine halbe Meile weit von der eigentlichen Küſte, während er vor der Flut zurückweichend, nur am Strande ſich aufhält. Er gehört zu denjenigen Seevögeln, welche Jeder- mann auffallen müſſen, weil ſie eine wahre Zierde des Strandes bilden. Bei ruhigem Gehen oder im Stehen hält er den Leib meiſt wagerecht und den dünnen Hals Sförmig eingezogen. Sein Gang iſt leicht und verhältnißmäßig behend, obgleich er ſelten längere Strecken in einem Zuge durchläuft, ſein Flug zwar nicht ſo ſchnell, wie der der Strandläufer, aber immer doch raſch genug und ſo eigenthümlich, daß man den Vogel in jeder Entfernung erkennen kann, da die hohen, herabgebogenen Flügel, welche mit weit ausholenden Schlägen bewegt werden, der eingezogene Hals und die langen, geradeaus geſtreckten Beine, ſehr bezeichnend ſind. Den ſehr ausgebildeten Schwimmhäuten ent- ſprechend, bewegt ſich der Säbelſchnäbler auch in größerer Tiefe der Gewäſſer; er ſchwimmt ſehr leicht und gewandt und macht von dieſer Fertigkeit oft Gebrauch. Die pfeifende Stimme klingt etwas ſchwermüthig, keineswegs aber unangenehm, der Lockton ungefähr wie „Qui“ oder „Dütt“, der Paarungsruf klagend, oft und raſch wiederholt „Kliu“, ſodaß er zu einem förmlichen Jodeln wird. Gewöhnlich ſieht man den Säbelſchnäbler im Waſſer, ſtehend oder langſam umhergehend, mit beſtändig nickender und ſeitlicher Bewegung des Kopfes Nahrung ſuchend, nicht ſelten auch gründelnd, wobei er nach Entenart mehr oder weniger auf dem Kopfe ſteht. Der ſonderbare Schnabel wird anders gebraucht, als von den übrigen Sumpfvögeln, wie Naumann ſagt, „ſäbelnd, indem ihn der Vogel ziemlich raſch nach einander ſeitwärts rechts und links hin- und herbewegt und dabei die im Waſſer ſchwimmende Nahrung, welche durch die Leiſten an der inneren Schnabelfläche feſtgehalten wurde, aufnimmt. Der Schuſtervogel durchſäbelt auf dieſe Weiſe, langſam fortſchreitend, die kleinen Pfützen, welche ſich während der Ebbe auf den ſchlammigen Watten erhalten und von kleinen lebenden

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/685>, abgerufen am 22.11.2024.