Büffel bestimmtes Bad befindet, darf man mit Sicherheit darauf rechnen, einen Trupp Strandreiter in dieser Lache umherlaufen zu sehen, hat also Gelegenheit, die sonst vorsichtigen Vögel in größter Nähe zu betrachten, da sie den Menschen ohne Bedenken bis auf wenige Schritte an sich herankommen lassen. Es überraschte mich, wahrzunehmen, daß diejenigen Stelzenläufer, welche ich im Jnneren Afrikas antraf, ungewöhnlich scheu waren, da ich Dies nicht einmal an denen beobachtet hatte, welche im Winter in Egypten einwandern, die Seen beziehen und sich hier oft in Scharen von zwei- bis drei- hundert Stücken zusammenschlagen. Diese Wintergäste verweilen während der kalten Jahreszeit an den einmal erwählten Plätzen und scheinen nicht im Lande umherzustreifen, finden freilich hier auch Alles, was sie bedürfen, in reichlichster Auswahl, werden wenigstens im Winter so fett, wie sonst nie. Anfangs April verschwinden viele von den Seen, aber sehr viele bleiben auch an ihnen wohnen und schreiten zur Fortpflanzung. Aus den Beobachtungen, welche man in Deutschland sammelte, geht hervor, daß der Mai und der August die Zugmonate der Stelzenläufer sind; es mag aber sein, daß die Vögel in Ungarn früher eintreffen und dort länger verweilen, da sie von Egypten aus früher auf- brechen und dahin später zurückkehren.
Der Stelzenläufer liebt salzige Gewässer, ohne sich jedoch an sie zu binden. Einen Seevogel kann man ihn nicht nennen. Allerdings kommt auch er zuweilen an der Meeresküste vor und treibt sich dann unter Wasserläufern und Säbelschnäblern umher; gewöhnlich aber trifft man ihn in den erwähnten kleinen Teichen oder Lachen und während der Brutzeit in den größeren Brüchen an, deren Wasser süß oder höchstens brackig ist. An Geselligkeit scheint er alle übrigen Wasserläufer zu über- treffen: paarweise sieht man ihn blos während der Fortpflanzungszeit, im Laufe des übrigen Jahres stets in Gesellschaft von mindestens sechs bis zwölf Stücken, und im Winter in den zahlreichen Scharen wie angegeben. Einzelne Stelzenläufer habe ich nur im Sudahn gesehen, dann aber immer unter anderem Strand- und Wassergeflügel. Die kleineren Gesellschaften scheinen sich wenig um Verwandte zu kümmern; die großen Züge hingegen treiben sich oft unter solchen und insbesondere unter den Säbelschnäblern umher: es mag jedoch sein, daß die beiden Vögel in gleicher Weise ergibige Oertlich- keiten mehr zu diesen Vereinigungen beiträgt, als der Hang zur Geselligkeit.
Jn seinem Wesen und Betragen bekundet der Stelzenläufer seine Familienverwandtschaft. Er bewohnt dieselben Oertlichkeiten wie andere Wasserläufer, sucht sich aber, seinen hohen Beinen ent- sprechend, in größerer Tiefe seine Nahrung. Am Rande der Gewässer sieht man ihn selten, regel- mäßig vielmehr in einer gewissen Tiefe des Wassers und hier entweder umherwatend oder auch, und keineswegs selten, schwimmend. Seine Stellung ist die eines Wasserläufers, der Gang durchaus nicht wackelnd und ungeschickt, wie man annehmen möchte, sondern ein leichtes, zierliches, gemessenes Schreiten, welches der großen Schritte halber immerhin fördert, der Flug ungemein leicht und schön, gewandt und anmuthig. Beim Auffliegen schlägt er die Schwingen schnell zusammen, wenn er aber erst eine gewisse Höhe erreicht hat, fliegt er langsamer und gemächlicher dahin; vor dem Niedersetzen beschreibt er schwebend einen oder mehrere Bogen. Die langen Beine werden im Fluge gerade nach hinten ausgestreckt und verleihen der Gestalt des fliegenden Stelzenläufers etwas so Bezeichnendes, daß man ihn nie verkennen kann. Die Stimme erinnert an die anderer Wasserläufer, ohne ihr jedoch zu gleichen: Baldamus hat sie sehr treffend durch die Silben "Huitt, huett, huitt, huett, huitt, huitt, witt, witt, wett, wett" wiedergegeben. Während der Paarungszeit vernimmt man sie besonders oft, aber regelmäßig nur im Fluge oder höchstens unmittelbar vor dem Aufstehen.
Längere Beobachtung des Stelzenläufers lehrt, daß er zu den klügsten Sumpfvögeln gehört. Sein Vertrauen dem Egypter gegenüber ist vollkommen begründet; denn kein Araber wird den ihm wohlbekannten Vogel verfolgen oder auch nur stören, betrachtet ihn vielmehr mit Theilnahme und Vergnügen, läßt ihn mindestens gewähren. Daher kommt es denn auch, daß dieser in jedem Menschen ein ihm befreundetes Wesen sieht und bei Annäherung desselben eben nur soviel ausweicht, als es ihm nöthig erscheint; ein einziger Schuß aber, welcher einer so harmlos sich umhertreibenden Gesellschaft galt, macht diese sofort vorsichtig und längere Verfolgung alle Mitglieder sehr scheu. Jch habe
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Stelzenläufer.
Büffel beſtimmtes Bad befindet, darf man mit Sicherheit darauf rechnen, einen Trupp Strandreiter in dieſer Lache umherlaufen zu ſehen, hat alſo Gelegenheit, die ſonſt vorſichtigen Vögel in größter Nähe zu betrachten, da ſie den Menſchen ohne Bedenken bis auf wenige Schritte an ſich herankommen laſſen. Es überraſchte mich, wahrzunehmen, daß diejenigen Stelzenläufer, welche ich im Jnneren Afrikas antraf, ungewöhnlich ſcheu waren, da ich Dies nicht einmal an denen beobachtet hatte, welche im Winter in Egypten einwandern, die Seen beziehen und ſich hier oft in Scharen von zwei- bis drei- hundert Stücken zuſammenſchlagen. Dieſe Wintergäſte verweilen während der kalten Jahreszeit an den einmal erwählten Plätzen und ſcheinen nicht im Lande umherzuſtreifen, finden freilich hier auch Alles, was ſie bedürfen, in reichlichſter Auswahl, werden wenigſtens im Winter ſo fett, wie ſonſt nie. Anfangs April verſchwinden viele von den Seen, aber ſehr viele bleiben auch an ihnen wohnen und ſchreiten zur Fortpflanzung. Aus den Beobachtungen, welche man in Deutſchland ſammelte, geht hervor, daß der Mai und der Auguſt die Zugmonate der Stelzenläufer ſind; es mag aber ſein, daß die Vögel in Ungarn früher eintreffen und dort länger verweilen, da ſie von Egypten aus früher auf- brechen und dahin ſpäter zurückkehren.
Der Stelzenläufer liebt ſalzige Gewäſſer, ohne ſich jedoch an ſie zu binden. Einen Seevogel kann man ihn nicht nennen. Allerdings kommt auch er zuweilen an der Meeresküſte vor und treibt ſich dann unter Waſſerläufern und Säbelſchnäblern umher; gewöhnlich aber trifft man ihn in den erwähnten kleinen Teichen oder Lachen und während der Brutzeit in den größeren Brüchen an, deren Waſſer ſüß oder höchſtens brackig iſt. An Geſelligkeit ſcheint er alle übrigen Waſſerläufer zu über- treffen: paarweiſe ſieht man ihn blos während der Fortpflanzungszeit, im Laufe des übrigen Jahres ſtets in Geſellſchaft von mindeſtens ſechs bis zwölf Stücken, und im Winter in den zahlreichen Scharen wie angegeben. Einzelne Stelzenläufer habe ich nur im Sudahn geſehen, dann aber immer unter anderem Strand- und Waſſergeflügel. Die kleineren Geſellſchaften ſcheinen ſich wenig um Verwandte zu kümmern; die großen Züge hingegen treiben ſich oft unter ſolchen und insbeſondere unter den Säbelſchnäblern umher: es mag jedoch ſein, daß die beiden Vögel in gleicher Weiſe ergibige Oertlich- keiten mehr zu dieſen Vereinigungen beiträgt, als der Hang zur Geſelligkeit.
Jn ſeinem Weſen und Betragen bekundet der Stelzenläufer ſeine Familienverwandtſchaft. Er bewohnt dieſelben Oertlichkeiten wie andere Waſſerläufer, ſucht ſich aber, ſeinen hohen Beinen ent- ſprechend, in größerer Tiefe ſeine Nahrung. Am Rande der Gewäſſer ſieht man ihn ſelten, regel- mäßig vielmehr in einer gewiſſen Tiefe des Waſſers und hier entweder umherwatend oder auch, und keineswegs ſelten, ſchwimmend. Seine Stellung iſt die eines Waſſerläufers, der Gang durchaus nicht wackelnd und ungeſchickt, wie man annehmen möchte, ſondern ein leichtes, zierliches, gemeſſenes Schreiten, welches der großen Schritte halber immerhin fördert, der Flug ungemein leicht und ſchön, gewandt und anmuthig. Beim Auffliegen ſchlägt er die Schwingen ſchnell zuſammen, wenn er aber erſt eine gewiſſe Höhe erreicht hat, fliegt er langſamer und gemächlicher dahin; vor dem Niederſetzen beſchreibt er ſchwebend einen oder mehrere Bogen. Die langen Beine werden im Fluge gerade nach hinten ausgeſtreckt und verleihen der Geſtalt des fliegenden Stelzenläufers etwas ſo Bezeichnendes, daß man ihn nie verkennen kann. Die Stimme erinnert an die anderer Waſſerläufer, ohne ihr jedoch zu gleichen: Baldamus hat ſie ſehr treffend durch die Silben „Huitt, huett, huitt, huett, huitt, huitt, witt, witt, wett, wett“ wiedergegeben. Während der Paarungszeit vernimmt man ſie beſonders oft, aber regelmäßig nur im Fluge oder höchſtens unmittelbar vor dem Aufſtehen.
Längere Beobachtung des Stelzenläufers lehrt, daß er zu den klügſten Sumpfvögeln gehört. Sein Vertrauen dem Egypter gegenüber iſt vollkommen begründet; denn kein Araber wird den ihm wohlbekannten Vogel verfolgen oder auch nur ſtören, betrachtet ihn vielmehr mit Theilnahme und Vergnügen, läßt ihn mindeſtens gewähren. Daher kommt es denn auch, daß dieſer in jedem Menſchen ein ihm befreundetes Weſen ſieht und bei Annäherung deſſelben eben nur ſoviel ausweicht, als es ihm nöthig erſcheint; ein einziger Schuß aber, welcher einer ſo harmlos ſich umhertreibenden Geſellſchaft galt, macht dieſe ſofort vorſichtig und längere Verfolgung alle Mitglieder ſehr ſcheu. Jch habe
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Stelzenläufer.
Büffel beſtimmtes Bad befindet, darf man mit Sicherheit darauf rechnen, einen Trupp Strandreiter
in dieſer Lache umherlaufen zu ſehen, hat alſo Gelegenheit, die ſonſt vorſichtigen Vögel in größter
Nähe zu betrachten, da ſie den Menſchen ohne Bedenken bis auf wenige Schritte an ſich herankommen
laſſen. Es überraſchte mich, wahrzunehmen, daß diejenigen Stelzenläufer, welche ich im Jnneren
Afrikas antraf, ungewöhnlich ſcheu waren, da ich Dies nicht einmal an denen beobachtet hatte, welche
im Winter in Egypten einwandern, die Seen beziehen und ſich hier oft in Scharen von zwei- bis drei-
hundert Stücken zuſammenſchlagen. Dieſe Wintergäſte verweilen während der kalten Jahreszeit an
den einmal erwählten Plätzen und ſcheinen nicht im Lande umherzuſtreifen, finden freilich hier auch
Alles, was ſie bedürfen, in reichlichſter Auswahl, werden wenigſtens im Winter ſo fett, wie ſonſt nie.
Anfangs April verſchwinden viele von den Seen, aber ſehr viele bleiben auch an ihnen wohnen und
ſchreiten zur Fortpflanzung. Aus den Beobachtungen, welche man in Deutſchland ſammelte, geht
hervor, daß der Mai und der Auguſt die Zugmonate der Stelzenläufer ſind; es mag aber ſein, daß die
Vögel in Ungarn früher eintreffen und dort länger verweilen, da ſie von Egypten aus früher auf-
brechen und dahin ſpäter zurückkehren.
Der Stelzenläufer liebt ſalzige Gewäſſer, ohne ſich jedoch an ſie zu binden. Einen Seevogel
kann man ihn nicht nennen. Allerdings kommt auch er zuweilen an der Meeresküſte vor und treibt ſich
dann unter Waſſerläufern und Säbelſchnäblern umher; gewöhnlich aber trifft man ihn in den
erwähnten kleinen Teichen oder Lachen und während der Brutzeit in den größeren Brüchen an, deren
Waſſer ſüß oder höchſtens brackig iſt. An Geſelligkeit ſcheint er alle übrigen Waſſerläufer zu über-
treffen: paarweiſe ſieht man ihn blos während der Fortpflanzungszeit, im Laufe des übrigen Jahres
ſtets in Geſellſchaft von mindeſtens ſechs bis zwölf Stücken, und im Winter in den zahlreichen Scharen
wie angegeben. Einzelne Stelzenläufer habe ich nur im Sudahn geſehen, dann aber immer unter
anderem Strand- und Waſſergeflügel. Die kleineren Geſellſchaften ſcheinen ſich wenig um Verwandte
zu kümmern; die großen Züge hingegen treiben ſich oft unter ſolchen und insbeſondere unter den
Säbelſchnäblern umher: es mag jedoch ſein, daß die beiden Vögel in gleicher Weiſe ergibige Oertlich-
keiten mehr zu dieſen Vereinigungen beiträgt, als der Hang zur Geſelligkeit.
Jn ſeinem Weſen und Betragen bekundet der Stelzenläufer ſeine Familienverwandtſchaft. Er
bewohnt dieſelben Oertlichkeiten wie andere Waſſerläufer, ſucht ſich aber, ſeinen hohen Beinen ent-
ſprechend, in größerer Tiefe ſeine Nahrung. Am Rande der Gewäſſer ſieht man ihn ſelten, regel-
mäßig vielmehr in einer gewiſſen Tiefe des Waſſers und hier entweder umherwatend oder auch, und
keineswegs ſelten, ſchwimmend. Seine Stellung iſt die eines Waſſerläufers, der Gang durchaus nicht
wackelnd und ungeſchickt, wie man annehmen möchte, ſondern ein leichtes, zierliches, gemeſſenes
Schreiten, welches der großen Schritte halber immerhin fördert, der Flug ungemein leicht und ſchön,
gewandt und anmuthig. Beim Auffliegen ſchlägt er die Schwingen ſchnell zuſammen, wenn er aber
erſt eine gewiſſe Höhe erreicht hat, fliegt er langſamer und gemächlicher dahin; vor dem Niederſetzen
beſchreibt er ſchwebend einen oder mehrere Bogen. Die langen Beine werden im Fluge gerade nach
hinten ausgeſtreckt und verleihen der Geſtalt des fliegenden Stelzenläufers etwas ſo Bezeichnendes,
daß man ihn nie verkennen kann. Die Stimme erinnert an die anderer Waſſerläufer, ohne ihr jedoch
zu gleichen: Baldamus hat ſie ſehr treffend durch die Silben „Huitt, huett, huitt, huett, huitt,
huitt, witt, witt, wett, wett“ wiedergegeben. Während der Paarungszeit vernimmt man ſie beſonders
oft, aber regelmäßig nur im Fluge oder höchſtens unmittelbar vor dem Aufſtehen.
Längere Beobachtung des Stelzenläufers lehrt, daß er zu den klügſten Sumpfvögeln gehört.
Sein Vertrauen dem Egypter gegenüber iſt vollkommen begründet; denn kein Araber wird den ihm
wohlbekannten Vogel verfolgen oder auch nur ſtören, betrachtet ihn vielmehr mit Theilnahme und
Vergnügen, läßt ihn mindeſtens gewähren. Daher kommt es denn auch, daß dieſer in jedem Menſchen
ein ihm befreundetes Weſen ſieht und bei Annäherung deſſelben eben nur ſoviel ausweicht, als es ihm
nöthig erſcheint; ein einziger Schuß aber, welcher einer ſo harmlos ſich umhertreibenden Geſellſchaft
galt, macht dieſe ſofort vorſichtig und längere Verfolgung alle Mitglieder ſehr ſcheu. Jch habe
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/683>, abgerufen am 22.11.2024.
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