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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läuser. Kurzflügler. Schnepfenstrauße.
über die Art und Weise, wie der Schnepfenstrauß sein Ei ausbrütet. Für die Richtigkeit der
Erzählung kann ich allerdings nicht einstehen; sie scheint mir aber jedenfalls der Erwähnung werth.
Jener Eingeborne sagte mir, daß der Kiwi nicht wie andere Vögel auf dem Eie, sondern unter ihm
sitze. Er soll zunächst das Ei ziemlich tief in den Boden eingraben, sodann einen Gang unter ihm
aushöhlen und so etwa ein Drittel des Eies freilegen, welches nunmehr, wenn er in der Höhle sitzt,
in Berührung mit seinem Körper kommt. Das Aussehen eines Eies, welches ich zu übersenden
gedenke, scheint diese Angabe zu bestätigen; denn zwei Drittel seiner Länge und zwar des spitzigen
Endes sind vollkommen rein und weiß, während ungefähr ein Drittel, also das stumpfe Ende entfärbt
und beschmuzt war, unzweifelhaft in Folge der Berührung mit dem Körper des Vogels. Die Ver-
schiedenheit der Färbung der beiden Enden war durch eine ringsumlaufende Linie abgegrenzt. Jetzt
bedaure ich, daß ich das Ei gewaschen habe; ich hatte aber die Erzählung des Eingebornen vergessen."

Ein Herr Webster, welcher ebenfalls in Hokianga wohnt, schrieb dem Naturforscher Layard
Folgendes über das Brutgeschäft des Schnepfenstraußes: "Vor ungefähr vierzehn Jahren fand ein
Eingeborner ein Kiwiei in einer kleinen Höhle unter dem Gewurzel eines kleinen Kauribaumes und
zog, nachdem er das Ei weggenommen, aus der Tiefe der Höhle auch den alten Vogel heraus. Der
Neuseeländer, welcher den Kiwi zu kennen scheint, versichert, daß er stets nur ein Ei legt und daß das
Nest immer eine von ihm ausgegrabene Höhle ist, welche in der Regel in trocknem Grunde unter
Baumwurzeln ausgegraben wird. Das Ei selbst soll mit Blättern und Mos bedeckt werden, und
die Gährung dieser Stoffe eine genügende Wärme hervorbringen, um es zu zeitigen, der Hergang aber
sechs Wochen währen. Wenn das Junge ausgekrochen, soll die Mutter zu seiner Hilfe herbeikommen."

"Glücklicherweise", sagt Sclater, "sind wir im Stande, diese Angaben bis zu einem gewissen
Grade durch die Beobachtungen, welche wir an einem weiblichen Kiwi des londoner Thiergartens
gesammelt haben, zu bestätigen; denn dieser hat, obgleich ungepaart, mehrere Jahre nach einander Eier
gelegt, das erste am 9. Juni 1859, seitdem bis zum Jahre 1863 neun andere, eins gewöhnlich im
Frühjahre, das zweite ungefähr drei Monate nach dem ersten. Mehr als einmal hat dieser Vogel
versucht, die Eier auszubrüten; wenigstens hat man ihn nach dem Legen des Eies auf demselben
sitzend gefunden und Mühe gehabt, ihn zu vertreiben. Es scheint also wahrscheinlich, daß der
Schnepfenstrauß nur ein Ei legt, aber zweimal im Jahre brütet, daß er dasselbe in einer Höhle
unterbringt, wie Webster es beschrieb und daß das Weibchen die Bebrütung besorgt." Das Ei ist
auffallend groß im Verhältniß zum Vogel; denn sein Gewicht beträgt fast den vierten Theil von dem
der Mutter, nämlich 141/2 Unze.

Durch die Gefangenen des londoner Thiergartens ist zur Genüge bewiesen worden, daß es nicht
schwer hält, Schnepfenstrauße an den Käfig und an ein einfaches Ersatzfutter zu gewöhnen. Das
erwähnte Weibchen wurde im Jahre 1852 durch den Statthalter Eyre der londoner zoologischen
Gesellschaft geschenkt und durch Kapitän Erskine nach England gebracht. Es lebt heute noch.
Sein Käfig ist ein dunkler Stall, in dessen Ecken man einige Garben zusammengestellt hat. Zwischen
ihnen verbirgt sich der Vogel während des Tages; denn der ist ein echtes Nachtthier und läßt sich
freiwillig niemals sehen, solange die Sonne am Himmel steht. Nimmt ihn der Wärter aus seinem
Versteck heraus, so rennt er sobald als möglich dem letzteren wieder zu und verkriecht sich mit großem
Geschick zwischen dem Stroh. Nach Sonnenuntergang aber wird er munter, rennt lebhaft hin und
her, durchsucht jeden Winkel, jede Ecke und sticht mit seinem langen Schnabel nach Art der Schnepfen
in den weichen Boden. Man ernährt ihn mit feingeschnittenem Hammelfleisch und mit Würmern.
Von ersteren verzehrt er täglich ungefähr ein halbes Pfund.

Neuerdings hat die Gesellschaft noch zwei Schnepfenstrauße erhalten, und so dürfen wir uns der
Hoffnung hingeben, auch über das Fortpflanzungsgeschäft dieses Kurzflüglers demnächst etwas
Sicheres zu vernehmen.



Die Läuſer. Kurzflügler. Schnepfenſtrauße.
über die Art und Weiſe, wie der Schnepfenſtrauß ſein Ei ausbrütet. Für die Richtigkeit der
Erzählung kann ich allerdings nicht einſtehen; ſie ſcheint mir aber jedenfalls der Erwähnung werth.
Jener Eingeborne ſagte mir, daß der Kiwi nicht wie andere Vögel auf dem Eie, ſondern unter ihm
ſitze. Er ſoll zunächſt das Ei ziemlich tief in den Boden eingraben, ſodann einen Gang unter ihm
aushöhlen und ſo etwa ein Drittel des Eies freilegen, welches nunmehr, wenn er in der Höhle ſitzt,
in Berührung mit ſeinem Körper kommt. Das Ausſehen eines Eies, welches ich zu überſenden
gedenke, ſcheint dieſe Angabe zu beſtätigen; denn zwei Drittel ſeiner Länge und zwar des ſpitzigen
Endes ſind vollkommen rein und weiß, während ungefähr ein Drittel, alſo das ſtumpfe Ende entfärbt
und beſchmuzt war, unzweifelhaft in Folge der Berührung mit dem Körper des Vogels. Die Ver-
ſchiedenheit der Färbung der beiden Enden war durch eine ringsumlaufende Linie abgegrenzt. Jetzt
bedaure ich, daß ich das Ei gewaſchen habe; ich hatte aber die Erzählung des Eingebornen vergeſſen.“

Ein Herr Webſter, welcher ebenfalls in Hokianga wohnt, ſchrieb dem Naturforſcher Layard
Folgendes über das Brutgeſchäft des Schnepfenſtraußes: „Vor ungefähr vierzehn Jahren fand ein
Eingeborner ein Kiwiei in einer kleinen Höhle unter dem Gewurzel eines kleinen Kauribaumes und
zog, nachdem er das Ei weggenommen, aus der Tiefe der Höhle auch den alten Vogel heraus. Der
Neuſeeländer, welcher den Kiwi zu kennen ſcheint, verſichert, daß er ſtets nur ein Ei legt und daß das
Neſt immer eine von ihm ausgegrabene Höhle iſt, welche in der Regel in trocknem Grunde unter
Baumwurzeln ausgegraben wird. Das Ei ſelbſt ſoll mit Blättern und Mos bedeckt werden, und
die Gährung dieſer Stoffe eine genügende Wärme hervorbringen, um es zu zeitigen, der Hergang aber
ſechs Wochen währen. Wenn das Junge ausgekrochen, ſoll die Mutter zu ſeiner Hilfe herbeikommen.“

„Glücklicherweiſe“, ſagt Sclater, „ſind wir im Stande, dieſe Angaben bis zu einem gewiſſen
Grade durch die Beobachtungen, welche wir an einem weiblichen Kiwi des londoner Thiergartens
geſammelt haben, zu beſtätigen; denn dieſer hat, obgleich ungepaart, mehrere Jahre nach einander Eier
gelegt, das erſte am 9. Juni 1859, ſeitdem bis zum Jahre 1863 neun andere, eins gewöhnlich im
Frühjahre, das zweite ungefähr drei Monate nach dem erſten. Mehr als einmal hat dieſer Vogel
verſucht, die Eier auszubrüten; wenigſtens hat man ihn nach dem Legen des Eies auf demſelben
ſitzend gefunden und Mühe gehabt, ihn zu vertreiben. Es ſcheint alſo wahrſcheinlich, daß der
Schnepfenſtrauß nur ein Ei legt, aber zweimal im Jahre brütet, daß er daſſelbe in einer Höhle
unterbringt, wie Webſter es beſchrieb und daß das Weibchen die Bebrütung beſorgt.“ Das Ei iſt
auffallend groß im Verhältniß zum Vogel; denn ſein Gewicht beträgt faſt den vierten Theil von dem
der Mutter, nämlich 14½ Unze.

Durch die Gefangenen des londoner Thiergartens iſt zur Genüge bewieſen worden, daß es nicht
ſchwer hält, Schnepfenſtrauße an den Käfig und an ein einfaches Erſatzfutter zu gewöhnen. Das
erwähnte Weibchen wurde im Jahre 1852 durch den Statthalter Eyre der londoner zoologiſchen
Geſellſchaft geſchenkt und durch Kapitän Erskine nach England gebracht. Es lebt heute noch.
Sein Käfig iſt ein dunkler Stall, in deſſen Ecken man einige Garben zuſammengeſtellt hat. Zwiſchen
ihnen verbirgt ſich der Vogel während des Tages; denn der iſt ein echtes Nachtthier und läßt ſich
freiwillig niemals ſehen, ſolange die Sonne am Himmel ſteht. Nimmt ihn der Wärter aus ſeinem
Verſteck heraus, ſo rennt er ſobald als möglich dem letzteren wieder zu und verkriecht ſich mit großem
Geſchick zwiſchen dem Stroh. Nach Sonnenuntergang aber wird er munter, rennt lebhaft hin und
her, durchſucht jeden Winkel, jede Ecke und ſticht mit ſeinem langen Schnabel nach Art der Schnepfen
in den weichen Boden. Man ernährt ihn mit feingeſchnittenem Hammelfleiſch und mit Würmern.
Von erſteren verzehrt er täglich ungefähr ein halbes Pfund.

Neuerdings hat die Geſellſchaft noch zwei Schnepfenſtrauße erhalten, und ſo dürfen wir uns der
Hoffnung hingeben, auch über das Fortpflanzungsgeſchäft dieſes Kurzflüglers demnächſt etwas
Sicheres zu vernehmen.



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[552/0588] Die Läuſer. Kurzflügler. Schnepfenſtrauße. über die Art und Weiſe, wie der Schnepfenſtrauß ſein Ei ausbrütet. Für die Richtigkeit der Erzählung kann ich allerdings nicht einſtehen; ſie ſcheint mir aber jedenfalls der Erwähnung werth. Jener Eingeborne ſagte mir, daß der Kiwi nicht wie andere Vögel auf dem Eie, ſondern unter ihm ſitze. Er ſoll zunächſt das Ei ziemlich tief in den Boden eingraben, ſodann einen Gang unter ihm aushöhlen und ſo etwa ein Drittel des Eies freilegen, welches nunmehr, wenn er in der Höhle ſitzt, in Berührung mit ſeinem Körper kommt. Das Ausſehen eines Eies, welches ich zu überſenden gedenke, ſcheint dieſe Angabe zu beſtätigen; denn zwei Drittel ſeiner Länge und zwar des ſpitzigen Endes ſind vollkommen rein und weiß, während ungefähr ein Drittel, alſo das ſtumpfe Ende entfärbt und beſchmuzt war, unzweifelhaft in Folge der Berührung mit dem Körper des Vogels. Die Ver- ſchiedenheit der Färbung der beiden Enden war durch eine ringsumlaufende Linie abgegrenzt. Jetzt bedaure ich, daß ich das Ei gewaſchen habe; ich hatte aber die Erzählung des Eingebornen vergeſſen.“ Ein Herr Webſter, welcher ebenfalls in Hokianga wohnt, ſchrieb dem Naturforſcher Layard Folgendes über das Brutgeſchäft des Schnepfenſtraußes: „Vor ungefähr vierzehn Jahren fand ein Eingeborner ein Kiwiei in einer kleinen Höhle unter dem Gewurzel eines kleinen Kauribaumes und zog, nachdem er das Ei weggenommen, aus der Tiefe der Höhle auch den alten Vogel heraus. Der Neuſeeländer, welcher den Kiwi zu kennen ſcheint, verſichert, daß er ſtets nur ein Ei legt und daß das Neſt immer eine von ihm ausgegrabene Höhle iſt, welche in der Regel in trocknem Grunde unter Baumwurzeln ausgegraben wird. Das Ei ſelbſt ſoll mit Blättern und Mos bedeckt werden, und die Gährung dieſer Stoffe eine genügende Wärme hervorbringen, um es zu zeitigen, der Hergang aber ſechs Wochen währen. Wenn das Junge ausgekrochen, ſoll die Mutter zu ſeiner Hilfe herbeikommen.“ „Glücklicherweiſe“, ſagt Sclater, „ſind wir im Stande, dieſe Angaben bis zu einem gewiſſen Grade durch die Beobachtungen, welche wir an einem weiblichen Kiwi des londoner Thiergartens geſammelt haben, zu beſtätigen; denn dieſer hat, obgleich ungepaart, mehrere Jahre nach einander Eier gelegt, das erſte am 9. Juni 1859, ſeitdem bis zum Jahre 1863 neun andere, eins gewöhnlich im Frühjahre, das zweite ungefähr drei Monate nach dem erſten. Mehr als einmal hat dieſer Vogel verſucht, die Eier auszubrüten; wenigſtens hat man ihn nach dem Legen des Eies auf demſelben ſitzend gefunden und Mühe gehabt, ihn zu vertreiben. Es ſcheint alſo wahrſcheinlich, daß der Schnepfenſtrauß nur ein Ei legt, aber zweimal im Jahre brütet, daß er daſſelbe in einer Höhle unterbringt, wie Webſter es beſchrieb und daß das Weibchen die Bebrütung beſorgt.“ Das Ei iſt auffallend groß im Verhältniß zum Vogel; denn ſein Gewicht beträgt faſt den vierten Theil von dem der Mutter, nämlich 14½ Unze. Durch die Gefangenen des londoner Thiergartens iſt zur Genüge bewieſen worden, daß es nicht ſchwer hält, Schnepfenſtrauße an den Käfig und an ein einfaches Erſatzfutter zu gewöhnen. Das erwähnte Weibchen wurde im Jahre 1852 durch den Statthalter Eyre der londoner zoologiſchen Geſellſchaft geſchenkt und durch Kapitän Erskine nach England gebracht. Es lebt heute noch. Sein Käfig iſt ein dunkler Stall, in deſſen Ecken man einige Garben zuſammengeſtellt hat. Zwiſchen ihnen verbirgt ſich der Vogel während des Tages; denn der iſt ein echtes Nachtthier und läßt ſich freiwillig niemals ſehen, ſolange die Sonne am Himmel ſteht. Nimmt ihn der Wärter aus ſeinem Verſteck heraus, ſo rennt er ſobald als möglich dem letzteren wieder zu und verkriecht ſich mit großem Geſchick zwiſchen dem Stroh. Nach Sonnenuntergang aber wird er munter, rennt lebhaft hin und her, durchſucht jeden Winkel, jede Ecke und ſticht mit ſeinem langen Schnabel nach Art der Schnepfen in den weichen Boden. Man ernährt ihn mit feingeſchnittenem Hammelfleiſch und mit Würmern. Von erſteren verzehrt er täglich ungefähr ein halbes Pfund. Neuerdings hat die Geſellſchaft noch zwei Schnepfenſtrauße erhalten, und ſo dürfen wir uns der Hoffnung hingeben, auch über das Fortpflanzungsgeſchäft dieſes Kurzflüglers demnächſt etwas Sicheres zu vernehmen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/588>, abgerufen am 22.11.2024.