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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Lebensweise der Hokkos.
der Reisenden nicht ganz begründet ist; wohl aber dürfte sie dazu beitragen, die Hoffnungen, welche
einige Thierzüchter auf die Hokkos gesetzt haben, auf das rechte Maß zurückzuführen.

Ueber die leichte Zähmbarkeit dieser Vögel sind alle Naturbeobachter und ebenso alle Thierzüchter
einig. Schon Azara erzählt, daß die Hokkos in den Niederlassungen nicht blos wie Haushühner
leben, sondern förmlich zu Stubenthieren werden. Sonnini sah in Guayana Scharen gezähmter
Hokkos in den Straßen umherlaufen und sich ohne Furcht vor den Menschen frei bewegen. Sie
besuchten die Häuser, in welchen man ihnen Nahrung gegeben hatte, regelmäßig wieder und lernten
ihren Pfleger genau kennen. Zum Schlafen erwählten sie sich erhabene Orte, in den Ortschaften also,
wie die Pfauen, die Dächer der hohen Häuser. Bates berichtet von einem Gefangenen, welcher sehr
vertraut mit seinem Gebieter war, sich selbst als ein Glied der Familie anzusehen schien, bei jeder
Mahlzeit sich einfand, rund um den Tisch lief, von dem Einen zum Andern ging, um sich füttern
zu lassen und zuweilen den Kopf an Wange oder Schulter seiner Freunde rieb. Nachts
erwählte er seinen Schlafplatz neben der Hängematte eines kleinen Mädchens, welchem er ganz
besonders zugethan war und dem er bei allen seinen Ausflügen folgte. Solche liebenswürdige
Anhänglichkeit sollte, so möchte man glauben, die Hokkos zu allgemeinen Lieblingen machen; gleichwohl
werden sie nicht von Jedermann gern in der Gefangenschaft gehalten. Auch sie haben, abgesehen von
ihrer Langweiligkeit, Unarten und namentlich die eine, daß sie alles Glänzende, Goldknöpfe u. s. w.
verschlucken und in Folge der starken Muskeln ihres Magens verderben.

Jch finde es sehr erklärlich, daß sich die Aufmerksamkeit der europäischen Thierzüchter schon seit
Jahren auf die Hokkos richtete, und daß man glaubte, in ihnen sehr werthvolle Hausthiere erwerben
zu können. Temminck bemerkt, daß man in Holland zu Ende des vorigen Jahrhunderts Hokkos
gezüchtet habe, diese Zucht aber wieder verloren gegangen sei; er erinnerte sich dieser Angelegenheit
jedoch nur aus seiner Jugendzeit her und kann sich recht wohl geirrt haben. Für Letzteres sprechen die
Erfahrungen, welche wir neuerdings gelegentlich der mit großer Sorgfalt angestellten Versuche
gewannen. Die Hokkos eignen sich, soviel wir bis jetzt erfuhren, in keiner Hinsicht zur Vermehrung
im gezähmten Zustande. Schon die Haltung hat ihre Schwierigkeiten. Alle gewöhnen sich zwar
leicht an ein Ersatzfutter und machen in dieser Hinsicht wenig Ansprüche; aber sie verlangen im Winter
einen warmen Stall, weil sie sich sonst mindestens die Zehen erfrieren oder zu Grunde gehen, zeigen
sich auch keineswegs so verträglich, wie man behauptet hat, sondern streiten sich sehr heftig mit andern
ihrer Art oder mit Hühnern, dürfen also kaum unter gewöhnlichem Hausgeflügel gehalten werden.
Zudem sind sie nur, wenn man ihnen einen größern Spielraum gewährt, einigermaßen anziehend, im
engern Raume jedoch höchst langweilig. Stundenlang sitzen sie auf ein und derselben Stelle, fast ohne
sich zu rühren, obgleich sie, wenn man sie jagt, eine große Beweglichkeit an den Tag legen. Jhre Stimme
vernimmt man glücklicherweise nur in der Paarungszeit: wäre Dies nicht der Fall, so würden sie
vollends unerträglich sein; denn weder ihr Brummen, noch das gellende Pfeifen, welches sie hören
lassen, ist besonders angenehm. Wenn sie pfeifen oder brummen, sitzen sie lange Zeit auf ein und
derselben Stelle, pumpen mit scheinbar großer Anstrengung eine Menge Luft in die Lunge, und lassen
dieselbe nur stoßweise wieder ausströmen, wobei eben der sonderbare Laut erzeugt wird. Man bleibt
im Unklaren, ob man das Brummen als Liebesruf zu deuten habe oder nicht; denn von einer Balze
ist bei ihnen keine Rede, und der seinen Gesang hervorwürgende Hahn scheint sich nicht im Geringsten
um die Henne und diese sich nicht um ihn zu bekümmern. Die Vögel thun also Nichts, um sich die
Zuneigung ihres Pflegers zu erwerben.

Hokkos, welche ich längere Zeit beobachten konnte, haben zwar Wochen lang gebrummt, geknurrt
und gepfiffen, niemals aber einen Versuch zur Fortpflanzung gemacht. Es liegen uns hierüber Berichte
vor, und ich muß sie wohl oder übel benutzen, obgleich ich einzelne von ihnen keineswegs für ver-
läßlich halte. So ist es für mich unzweifelhaft, daß Barthelemy-Lapommeraye, der Vorstand
des naturhistorischen Museums zu Marseille, welcher einen langen Bericht über die Fortpflanzung der
Hokkos geliefert hat, die wissenschaftliche Welt einfach belog. Man setzte, wie er erzählt, einige

Lebensweiſe der Hokkos.
der Reiſenden nicht ganz begründet iſt; wohl aber dürfte ſie dazu beitragen, die Hoffnungen, welche
einige Thierzüchter auf die Hokkos geſetzt haben, auf das rechte Maß zurückzuführen.

Ueber die leichte Zähmbarkeit dieſer Vögel ſind alle Naturbeobachter und ebenſo alle Thierzüchter
einig. Schon Azara erzählt, daß die Hokkos in den Niederlaſſungen nicht blos wie Haushühner
leben, ſondern förmlich zu Stubenthieren werden. Sonnini ſah in Guayana Scharen gezähmter
Hokkos in den Straßen umherlaufen und ſich ohne Furcht vor den Menſchen frei bewegen. Sie
beſuchten die Häuſer, in welchen man ihnen Nahrung gegeben hatte, regelmäßig wieder und lernten
ihren Pfleger genau kennen. Zum Schlafen erwählten ſie ſich erhabene Orte, in den Ortſchaften alſo,
wie die Pfauen, die Dächer der hohen Häuſer. Bates berichtet von einem Gefangenen, welcher ſehr
vertraut mit ſeinem Gebieter war, ſich ſelbſt als ein Glied der Familie anzuſehen ſchien, bei jeder
Mahlzeit ſich einfand, rund um den Tiſch lief, von dem Einen zum Andern ging, um ſich füttern
zu laſſen und zuweilen den Kopf an Wange oder Schulter ſeiner Freunde rieb. Nachts
erwählte er ſeinen Schlafplatz neben der Hängematte eines kleinen Mädchens, welchem er ganz
beſonders zugethan war und dem er bei allen ſeinen Ausflügen folgte. Solche liebenswürdige
Anhänglichkeit ſollte, ſo möchte man glauben, die Hokkos zu allgemeinen Lieblingen machen; gleichwohl
werden ſie nicht von Jedermann gern in der Gefangenſchaft gehalten. Auch ſie haben, abgeſehen von
ihrer Langweiligkeit, Unarten und namentlich die eine, daß ſie alles Glänzende, Goldknöpfe u. ſ. w.
verſchlucken und in Folge der ſtarken Muskeln ihres Magens verderben.

Jch finde es ſehr erklärlich, daß ſich die Aufmerkſamkeit der europäiſchen Thierzüchter ſchon ſeit
Jahren auf die Hokkos richtete, und daß man glaubte, in ihnen ſehr werthvolle Hausthiere erwerben
zu können. Temminck bemerkt, daß man in Holland zu Ende des vorigen Jahrhunderts Hokkos
gezüchtet habe, dieſe Zucht aber wieder verloren gegangen ſei; er erinnerte ſich dieſer Angelegenheit
jedoch nur aus ſeiner Jugendzeit her und kann ſich recht wohl geirrt haben. Für Letzteres ſprechen die
Erfahrungen, welche wir neuerdings gelegentlich der mit großer Sorgfalt angeſtellten Verſuche
gewannen. Die Hokkos eignen ſich, ſoviel wir bis jetzt erfuhren, in keiner Hinſicht zur Vermehrung
im gezähmten Zuſtande. Schon die Haltung hat ihre Schwierigkeiten. Alle gewöhnen ſich zwar
leicht an ein Erſatzfutter und machen in dieſer Hinſicht wenig Anſprüche; aber ſie verlangen im Winter
einen warmen Stall, weil ſie ſich ſonſt mindeſtens die Zehen erfrieren oder zu Grunde gehen, zeigen
ſich auch keineswegs ſo verträglich, wie man behauptet hat, ſondern ſtreiten ſich ſehr heftig mit andern
ihrer Art oder mit Hühnern, dürfen alſo kaum unter gewöhnlichem Hausgeflügel gehalten werden.
Zudem ſind ſie nur, wenn man ihnen einen größern Spielraum gewährt, einigermaßen anziehend, im
engern Raume jedoch höchſt langweilig. Stundenlang ſitzen ſie auf ein und derſelben Stelle, faſt ohne
ſich zu rühren, obgleich ſie, wenn man ſie jagt, eine große Beweglichkeit an den Tag legen. Jhre Stimme
vernimmt man glücklicherweiſe nur in der Paarungszeit: wäre Dies nicht der Fall, ſo würden ſie
vollends unerträglich ſein; denn weder ihr Brummen, noch das gellende Pfeifen, welches ſie hören
laſſen, iſt beſonders angenehm. Wenn ſie pfeifen oder brummen, ſitzen ſie lange Zeit auf ein und
derſelben Stelle, pumpen mit ſcheinbar großer Anſtrengung eine Menge Luft in die Lunge, und laſſen
dieſelbe nur ſtoßweiſe wieder ausſtrömen, wobei eben der ſonderbare Laut erzeugt wird. Man bleibt
im Unklaren, ob man das Brummen als Liebesruf zu deuten habe oder nicht; denn von einer Balze
iſt bei ihnen keine Rede, und der ſeinen Geſang hervorwürgende Hahn ſcheint ſich nicht im Geringſten
um die Henne und dieſe ſich nicht um ihn zu bekümmern. Die Vögel thun alſo Nichts, um ſich die
Zuneigung ihres Pflegers zu erwerben.

Hokkos, welche ich längere Zeit beobachten konnte, haben zwar Wochen lang gebrummt, geknurrt
und gepfiffen, niemals aber einen Verſuch zur Fortpflanzung gemacht. Es liegen uns hierüber Berichte
vor, und ich muß ſie wohl oder übel benutzen, obgleich ich einzelne von ihnen keineswegs für ver-
läßlich halte. So iſt es für mich unzweifelhaft, daß Barthélemy-Lapommeraye, der Vorſtand
des naturhiſtoriſchen Muſeums zu Marſeille, welcher einen langen Bericht über die Fortpflanzung der
Hokkos geliefert hat, die wiſſenſchaftliche Welt einfach belog. Man ſetzte, wie er erzählt, einige

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[505/0535] Lebensweiſe der Hokkos. der Reiſenden nicht ganz begründet iſt; wohl aber dürfte ſie dazu beitragen, die Hoffnungen, welche einige Thierzüchter auf die Hokkos geſetzt haben, auf das rechte Maß zurückzuführen. Ueber die leichte Zähmbarkeit dieſer Vögel ſind alle Naturbeobachter und ebenſo alle Thierzüchter einig. Schon Azara erzählt, daß die Hokkos in den Niederlaſſungen nicht blos wie Haushühner leben, ſondern förmlich zu Stubenthieren werden. Sonnini ſah in Guayana Scharen gezähmter Hokkos in den Straßen umherlaufen und ſich ohne Furcht vor den Menſchen frei bewegen. Sie beſuchten die Häuſer, in welchen man ihnen Nahrung gegeben hatte, regelmäßig wieder und lernten ihren Pfleger genau kennen. Zum Schlafen erwählten ſie ſich erhabene Orte, in den Ortſchaften alſo, wie die Pfauen, die Dächer der hohen Häuſer. Bates berichtet von einem Gefangenen, welcher ſehr vertraut mit ſeinem Gebieter war, ſich ſelbſt als ein Glied der Familie anzuſehen ſchien, bei jeder Mahlzeit ſich einfand, rund um den Tiſch lief, von dem Einen zum Andern ging, um ſich füttern zu laſſen und zuweilen den Kopf an Wange oder Schulter ſeiner Freunde rieb. Nachts erwählte er ſeinen Schlafplatz neben der Hängematte eines kleinen Mädchens, welchem er ganz beſonders zugethan war und dem er bei allen ſeinen Ausflügen folgte. Solche liebenswürdige Anhänglichkeit ſollte, ſo möchte man glauben, die Hokkos zu allgemeinen Lieblingen machen; gleichwohl werden ſie nicht von Jedermann gern in der Gefangenſchaft gehalten. Auch ſie haben, abgeſehen von ihrer Langweiligkeit, Unarten und namentlich die eine, daß ſie alles Glänzende, Goldknöpfe u. ſ. w. verſchlucken und in Folge der ſtarken Muskeln ihres Magens verderben. Jch finde es ſehr erklärlich, daß ſich die Aufmerkſamkeit der europäiſchen Thierzüchter ſchon ſeit Jahren auf die Hokkos richtete, und daß man glaubte, in ihnen ſehr werthvolle Hausthiere erwerben zu können. Temminck bemerkt, daß man in Holland zu Ende des vorigen Jahrhunderts Hokkos gezüchtet habe, dieſe Zucht aber wieder verloren gegangen ſei; er erinnerte ſich dieſer Angelegenheit jedoch nur aus ſeiner Jugendzeit her und kann ſich recht wohl geirrt haben. Für Letzteres ſprechen die Erfahrungen, welche wir neuerdings gelegentlich der mit großer Sorgfalt angeſtellten Verſuche gewannen. Die Hokkos eignen ſich, ſoviel wir bis jetzt erfuhren, in keiner Hinſicht zur Vermehrung im gezähmten Zuſtande. Schon die Haltung hat ihre Schwierigkeiten. Alle gewöhnen ſich zwar leicht an ein Erſatzfutter und machen in dieſer Hinſicht wenig Anſprüche; aber ſie verlangen im Winter einen warmen Stall, weil ſie ſich ſonſt mindeſtens die Zehen erfrieren oder zu Grunde gehen, zeigen ſich auch keineswegs ſo verträglich, wie man behauptet hat, ſondern ſtreiten ſich ſehr heftig mit andern ihrer Art oder mit Hühnern, dürfen alſo kaum unter gewöhnlichem Hausgeflügel gehalten werden. Zudem ſind ſie nur, wenn man ihnen einen größern Spielraum gewährt, einigermaßen anziehend, im engern Raume jedoch höchſt langweilig. Stundenlang ſitzen ſie auf ein und derſelben Stelle, faſt ohne ſich zu rühren, obgleich ſie, wenn man ſie jagt, eine große Beweglichkeit an den Tag legen. Jhre Stimme vernimmt man glücklicherweiſe nur in der Paarungszeit: wäre Dies nicht der Fall, ſo würden ſie vollends unerträglich ſein; denn weder ihr Brummen, noch das gellende Pfeifen, welches ſie hören laſſen, iſt beſonders angenehm. Wenn ſie pfeifen oder brummen, ſitzen ſie lange Zeit auf ein und derſelben Stelle, pumpen mit ſcheinbar großer Anſtrengung eine Menge Luft in die Lunge, und laſſen dieſelbe nur ſtoßweiſe wieder ausſtrömen, wobei eben der ſonderbare Laut erzeugt wird. Man bleibt im Unklaren, ob man das Brummen als Liebesruf zu deuten habe oder nicht; denn von einer Balze iſt bei ihnen keine Rede, und der ſeinen Geſang hervorwürgende Hahn ſcheint ſich nicht im Geringſten um die Henne und dieſe ſich nicht um ihn zu bekümmern. Die Vögel thun alſo Nichts, um ſich die Zuneigung ihres Pflegers zu erwerben. Hokkos, welche ich längere Zeit beobachten konnte, haben zwar Wochen lang gebrummt, geknurrt und gepfiffen, niemals aber einen Verſuch zur Fortpflanzung gemacht. Es liegen uns hierüber Berichte vor, und ich muß ſie wohl oder übel benutzen, obgleich ich einzelne von ihnen keineswegs für ver- läßlich halte. So iſt es für mich unzweifelhaft, daß Barthélemy-Lapommeraye, der Vorſtand des naturhiſtoriſchen Muſeums zu Marſeille, welcher einen langen Bericht über die Fortpflanzung der Hokkos geliefert hat, die wiſſenſchaftliche Welt einfach belog. Man ſetzte, wie er erzählt, einige

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/535>, abgerufen am 02.06.2024.