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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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ärgsten Winter aus einem gewissen Gürtel der Höhe nicht vertreiben lassen; andere hingegen halten
sich nur im Tieflande auf. Sie sind Standvögel, welche das einmal gewählte Gebiet nicht verlassen,
bei der Wahl aber bedachtsam zu Werke gehen. Ein solches Wohngebiet beschränkt sich übrigens nicht
auf einen sehr kleinen Kreis; denn alle Fasanen haben das Bestreben, nach der Brutzeit einigermaßen
im Lande umherzuschweifen und dabei Oertlichkeiten zu besuchen, auf welchen man sie sonst nicht
findet. Diese Ausflüge kann man kaum Streichen nennen, weil sie sich höchstens auf den Umkreis
einiger Meilen erstrecken. Eigentliches Reisen verbietet ihnen die Mangelhaftigkeit ihrer Bewe-
gungswerkzeuge. Sie gehen gut und können, wenn sie wollen, im schnellen Laufe fast mit jedem
andern Huhne wetteifern; sie fliegen aber sehr schlecht und erheben sich deshalb auch nur im äußersten
Nothfalle. Leibliche Anstrengung scheint sie überhaupt nicht zu vergnügen; selbst während der
Paarungszeit benehmen sie sich ruhiger als andere Hühner. Gewöhnlich gehen sie gemächlich und
bedachtsam einher, den Hals eingezogen oder geneigt, den schönen Schwanz, ihre hauptsächlichste
Zierde, soweit erhoben, daß die Mittelfedern eben nicht auf die Erde schleifen; bei rascherem Laufe
beugen sie den Kopf zum Boden herab und heben den Schwanz ein wenig mehr empor, nehmen auch
im Nothfalle die Flügel mit zu Hilfe. Erregt, bekunden sie eine Behendigkeit und Gewandtheit,
welche mit ihrem übrigen Wesen sehr im Widerspruche steht; die Erregung pflegt aber selten lange
zu dauern. Der Flug erfordert schwere Flügelschläge und bringt deshalb, namentlich beim Auf-
stehen, ein ziemliches Rauschen hervor; hat jedoch der Fasan erst eine gewisse Höhe erreicht, so flattert
er wenig, sondern schießt mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz in einer schiefen Ebene abwärts
sehr rasch dahin. Gebäumt pflegt er sich aufrecht zu stellen und das lange Spiel fast senkrecht herab-
hängen zu lassen. Die Sinne sind wohl entwickelt, die übrigen Geistesfähigkeiten durchschnittlich
gering. Unser sogenannter Edelfasan scheint keineswegs der edelste oder klügste, sondern vielmehr
eines der ungeschicktesten und dümmsten Mitglieder der Familie zu sein; andere Arten, namentlich der
Silberfasan, übertreffen ihn in jeder Hinsicht. Unter sich leben die Fasanen in Frieden, doch nur
solange die Liebe nicht ins Spiel kommt; denn diese erregt den männlichen Theil der Gesellschaften
ebenso wie andere Hähne auch und verursacht Kämpfe der allerernstesten Art.

Bis gegen die Paarungszeit hin verbergen sich unsere Vögel soviel als möglich. Sie bäumen,
ungestört, nur kurz vor dem Schlafengehen und halten sich während des ganzen übrigen Tages am
Boden auf, zwischen Gebüsch und Gras ihre Nahrung suchend, offene Stellen fast ängstlich meidend,
von einem Verstecke zum andern schleichend. Ein Hahn pflegt eine Anzahl von Hennen zu führen;
nicht selten aber trifft man auch sehr gemischte Völker, d. h. solche, welche aus mehreren Hähnen und
vielen Hennen bestehen. Größere Gesellschaften bilden sich nicht, und wenn wirklich einmal solche
zusammenkommen, so bleiben sie in der Regel nur kurze Zeit bei einander. Außer der Brutzeit ist
das Aufsuchen der Nahrung ihre größte Sorge. Sie fressen vom Morgen bis zum Abend und ruhen
höchstens während der Mittagsstunden von ihrem Tagewerke aus; bei dieser Gelegenheit pflegen sie
ihre Staubbäder zu nehmen. Am frühen Morgen und gegen Abend sind sie besonders rege und zum
Umherschweifen geneigt; mit Sonnenuntergang begeben sie sich zur Ruhe. Jhre Aeßung besteht in
Pflanzenstoffen der verschiedensten Art, von Kern bis zur Beere und von der Knospe bis zum ent-
falteten Blatte; nebenbei verzehren sie Kerbthiere in allen Lebenszuständen, Schnecken, Weichthiere,
auch wohl kleine Wirbelthiere u. dergl.; insbesondere stellen sie jungen Fröschen, Echsen und
Schlangen nach.

Die meisten, jedoch keineswegs alle Fasanen, leben in Vielehigkeit. Ein Fasanenhahn sammelt,
wenn andere es ihm gestatten, fünf bis zehn Hennen um sich. An Eifersucht steht er hinter andern Häh-
nen durchaus nicht zurück, kämpft auch mit Nebenbuhlern äußerst muthig und wacker, gibt sich aber
ebensowenig wie der Haushahn besondere Mühe, um die Gunst der Henne sich zu erwerben. Wohl tritt
auch er auf die Balze und bewegt sich während derselben weit lebhafter als gewöhnlich; niemals aber
geräth er in jene verliebte Raserei, welche die männlichen Waldhühner so anziehend macht. Er umgeht
die Hennen in verschiedenen Stellungen, breitet die Flügel, richtet die Federholle, Federohren und

Brehm, Thierleben. IV. 29

Allgemeines.
ärgſten Winter aus einem gewiſſen Gürtel der Höhe nicht vertreiben laſſen; andere hingegen halten
ſich nur im Tieflande auf. Sie ſind Standvögel, welche das einmal gewählte Gebiet nicht verlaſſen,
bei der Wahl aber bedachtſam zu Werke gehen. Ein ſolches Wohngebiet beſchränkt ſich übrigens nicht
auf einen ſehr kleinen Kreis; denn alle Faſanen haben das Beſtreben, nach der Brutzeit einigermaßen
im Lande umherzuſchweifen und dabei Oertlichkeiten zu beſuchen, auf welchen man ſie ſonſt nicht
findet. Dieſe Ausflüge kann man kaum Streichen nennen, weil ſie ſich höchſtens auf den Umkreis
einiger Meilen erſtrecken. Eigentliches Reiſen verbietet ihnen die Mangelhaftigkeit ihrer Bewe-
gungswerkzeuge. Sie gehen gut und können, wenn ſie wollen, im ſchnellen Laufe faſt mit jedem
andern Huhne wetteifern; ſie fliegen aber ſehr ſchlecht und erheben ſich deshalb auch nur im äußerſten
Nothfalle. Leibliche Anſtrengung ſcheint ſie überhaupt nicht zu vergnügen; ſelbſt während der
Paarungszeit benehmen ſie ſich ruhiger als andere Hühner. Gewöhnlich gehen ſie gemächlich und
bedachtſam einher, den Hals eingezogen oder geneigt, den ſchönen Schwanz, ihre hauptſächlichſte
Zierde, ſoweit erhoben, daß die Mittelfedern eben nicht auf die Erde ſchleifen; bei raſcherem Laufe
beugen ſie den Kopf zum Boden herab und heben den Schwanz ein wenig mehr empor, nehmen auch
im Nothfalle die Flügel mit zu Hilfe. Erregt, bekunden ſie eine Behendigkeit und Gewandtheit,
welche mit ihrem übrigen Weſen ſehr im Widerſpruche ſteht; die Erregung pflegt aber ſelten lange
zu dauern. Der Flug erfordert ſchwere Flügelſchläge und bringt deshalb, namentlich beim Auf-
ſtehen, ein ziemliches Rauſchen hervor; hat jedoch der Faſan erſt eine gewiſſe Höhe erreicht, ſo flattert
er wenig, ſondern ſchießt mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz in einer ſchiefen Ebene abwärts
ſehr raſch dahin. Gebäumt pflegt er ſich aufrecht zu ſtellen und das lange Spiel faſt ſenkrecht herab-
hängen zu laſſen. Die Sinne ſind wohl entwickelt, die übrigen Geiſtesfähigkeiten durchſchnittlich
gering. Unſer ſogenannter Edelfaſan ſcheint keineswegs der edelſte oder klügſte, ſondern vielmehr
eines der ungeſchickteſten und dümmſten Mitglieder der Familie zu ſein; andere Arten, namentlich der
Silberfaſan, übertreffen ihn in jeder Hinſicht. Unter ſich leben die Faſanen in Frieden, doch nur
ſolange die Liebe nicht ins Spiel kommt; denn dieſe erregt den männlichen Theil der Geſellſchaften
ebenſo wie andere Hähne auch und verurſacht Kämpfe der allerernſteſten Art.

Bis gegen die Paarungszeit hin verbergen ſich unſere Vögel ſoviel als möglich. Sie bäumen,
ungeſtört, nur kurz vor dem Schlafengehen und halten ſich während des ganzen übrigen Tages am
Boden auf, zwiſchen Gebüſch und Gras ihre Nahrung ſuchend, offene Stellen faſt ängſtlich meidend,
von einem Verſtecke zum andern ſchleichend. Ein Hahn pflegt eine Anzahl von Hennen zu führen;
nicht ſelten aber trifft man auch ſehr gemiſchte Völker, d. h. ſolche, welche aus mehreren Hähnen und
vielen Hennen beſtehen. Größere Geſellſchaften bilden ſich nicht, und wenn wirklich einmal ſolche
zuſammenkommen, ſo bleiben ſie in der Regel nur kurze Zeit bei einander. Außer der Brutzeit iſt
das Aufſuchen der Nahrung ihre größte Sorge. Sie freſſen vom Morgen bis zum Abend und ruhen
höchſtens während der Mittagsſtunden von ihrem Tagewerke aus; bei dieſer Gelegenheit pflegen ſie
ihre Staubbäder zu nehmen. Am frühen Morgen und gegen Abend ſind ſie beſonders rege und zum
Umherſchweifen geneigt; mit Sonnenuntergang begeben ſie ſich zur Ruhe. Jhre Aeßung beſteht in
Pflanzenſtoffen der verſchiedenſten Art, von Kern bis zur Beere und von der Knospe bis zum ent-
falteten Blatte; nebenbei verzehren ſie Kerbthiere in allen Lebenszuſtänden, Schnecken, Weichthiere,
auch wohl kleine Wirbelthiere u. dergl.; insbeſondere ſtellen ſie jungen Fröſchen, Echſen und
Schlangen nach.

Die meiſten, jedoch keineswegs alle Faſanen, leben in Vielehigkeit. Ein Faſanenhahn ſammelt,
wenn andere es ihm geſtatten, fünf bis zehn Hennen um ſich. An Eiferſucht ſteht er hinter andern Häh-
nen durchaus nicht zurück, kämpft auch mit Nebenbuhlern äußerſt muthig und wacker, gibt ſich aber
ebenſowenig wie der Haushahn beſondere Mühe, um die Gunſt der Henne ſich zu erwerben. Wohl tritt
auch er auf die Balze und bewegt ſich während derſelben weit lebhafter als gewöhnlich; niemals aber
geräth er in jene verliebte Raſerei, welche die männlichen Waldhühner ſo anziehend macht. Er umgeht
die Hennen in verſchiedenen Stellungen, breitet die Flügel, richtet die Federholle, Federohren und

Brehm, Thierleben. IV. 29
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[449/0477] Allgemeines. ärgſten Winter aus einem gewiſſen Gürtel der Höhe nicht vertreiben laſſen; andere hingegen halten ſich nur im Tieflande auf. Sie ſind Standvögel, welche das einmal gewählte Gebiet nicht verlaſſen, bei der Wahl aber bedachtſam zu Werke gehen. Ein ſolches Wohngebiet beſchränkt ſich übrigens nicht auf einen ſehr kleinen Kreis; denn alle Faſanen haben das Beſtreben, nach der Brutzeit einigermaßen im Lande umherzuſchweifen und dabei Oertlichkeiten zu beſuchen, auf welchen man ſie ſonſt nicht findet. Dieſe Ausflüge kann man kaum Streichen nennen, weil ſie ſich höchſtens auf den Umkreis einiger Meilen erſtrecken. Eigentliches Reiſen verbietet ihnen die Mangelhaftigkeit ihrer Bewe- gungswerkzeuge. Sie gehen gut und können, wenn ſie wollen, im ſchnellen Laufe faſt mit jedem andern Huhne wetteifern; ſie fliegen aber ſehr ſchlecht und erheben ſich deshalb auch nur im äußerſten Nothfalle. Leibliche Anſtrengung ſcheint ſie überhaupt nicht zu vergnügen; ſelbſt während der Paarungszeit benehmen ſie ſich ruhiger als andere Hühner. Gewöhnlich gehen ſie gemächlich und bedachtſam einher, den Hals eingezogen oder geneigt, den ſchönen Schwanz, ihre hauptſächlichſte Zierde, ſoweit erhoben, daß die Mittelfedern eben nicht auf die Erde ſchleifen; bei raſcherem Laufe beugen ſie den Kopf zum Boden herab und heben den Schwanz ein wenig mehr empor, nehmen auch im Nothfalle die Flügel mit zu Hilfe. Erregt, bekunden ſie eine Behendigkeit und Gewandtheit, welche mit ihrem übrigen Weſen ſehr im Widerſpruche ſteht; die Erregung pflegt aber ſelten lange zu dauern. Der Flug erfordert ſchwere Flügelſchläge und bringt deshalb, namentlich beim Auf- ſtehen, ein ziemliches Rauſchen hervor; hat jedoch der Faſan erſt eine gewiſſe Höhe erreicht, ſo flattert er wenig, ſondern ſchießt mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz in einer ſchiefen Ebene abwärts ſehr raſch dahin. Gebäumt pflegt er ſich aufrecht zu ſtellen und das lange Spiel faſt ſenkrecht herab- hängen zu laſſen. Die Sinne ſind wohl entwickelt, die übrigen Geiſtesfähigkeiten durchſchnittlich gering. Unſer ſogenannter Edelfaſan ſcheint keineswegs der edelſte oder klügſte, ſondern vielmehr eines der ungeſchickteſten und dümmſten Mitglieder der Familie zu ſein; andere Arten, namentlich der Silberfaſan, übertreffen ihn in jeder Hinſicht. Unter ſich leben die Faſanen in Frieden, doch nur ſolange die Liebe nicht ins Spiel kommt; denn dieſe erregt den männlichen Theil der Geſellſchaften ebenſo wie andere Hähne auch und verurſacht Kämpfe der allerernſteſten Art. Bis gegen die Paarungszeit hin verbergen ſich unſere Vögel ſoviel als möglich. Sie bäumen, ungeſtört, nur kurz vor dem Schlafengehen und halten ſich während des ganzen übrigen Tages am Boden auf, zwiſchen Gebüſch und Gras ihre Nahrung ſuchend, offene Stellen faſt ängſtlich meidend, von einem Verſtecke zum andern ſchleichend. Ein Hahn pflegt eine Anzahl von Hennen zu führen; nicht ſelten aber trifft man auch ſehr gemiſchte Völker, d. h. ſolche, welche aus mehreren Hähnen und vielen Hennen beſtehen. Größere Geſellſchaften bilden ſich nicht, und wenn wirklich einmal ſolche zuſammenkommen, ſo bleiben ſie in der Regel nur kurze Zeit bei einander. Außer der Brutzeit iſt das Aufſuchen der Nahrung ihre größte Sorge. Sie freſſen vom Morgen bis zum Abend und ruhen höchſtens während der Mittagsſtunden von ihrem Tagewerke aus; bei dieſer Gelegenheit pflegen ſie ihre Staubbäder zu nehmen. Am frühen Morgen und gegen Abend ſind ſie beſonders rege und zum Umherſchweifen geneigt; mit Sonnenuntergang begeben ſie ſich zur Ruhe. Jhre Aeßung beſteht in Pflanzenſtoffen der verſchiedenſten Art, von Kern bis zur Beere und von der Knospe bis zum ent- falteten Blatte; nebenbei verzehren ſie Kerbthiere in allen Lebenszuſtänden, Schnecken, Weichthiere, auch wohl kleine Wirbelthiere u. dergl.; insbeſondere ſtellen ſie jungen Fröſchen, Echſen und Schlangen nach. Die meiſten, jedoch keineswegs alle Faſanen, leben in Vielehigkeit. Ein Faſanenhahn ſammelt, wenn andere es ihm geſtatten, fünf bis zehn Hennen um ſich. An Eiferſucht ſteht er hinter andern Häh- nen durchaus nicht zurück, kämpft auch mit Nebenbuhlern äußerſt muthig und wacker, gibt ſich aber ebenſowenig wie der Haushahn beſondere Mühe, um die Gunſt der Henne ſich zu erwerben. Wohl tritt auch er auf die Balze und bewegt ſich während derſelben weit lebhafter als gewöhnlich; niemals aber geräth er in jene verliebte Raſerei, welche die männlichen Waldhühner ſo anziehend macht. Er umgeht die Hennen in verſchiedenen Stellungen, breitet die Flügel, richtet die Federholle, Federohren und Brehm, Thierleben. IV. 29

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/477>, abgerufen am 22.11.2024.