Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Wachtel.
sie, auch wenn das Wetter umgeschlagen und der Wind wiederum günstig geworden ist, noch Tage
lang auf solchem Zufluchtsorte verweilen, bevor sie sich zur Weiterreise entschließen. Dies hat man
beobachtet: -- wie viele von ihnen aber in die Wellen geschleudert und hier ertränkt werden mögen,
weiß man nicht.

Wenn man während der eigentlichen Zugzeit an irgend einem Punkte der nordafrikanischen Küste
auf die Wachteln achtet, ist man nicht selten Zeuge ihrer Ankunft. Man gewahrt eine dunkle, niedrig
über dem Wasser schwebende Wolke, welche sich rasch nähert und dabei mehr und mehr sich herabsenkt.
Unmittelbar am Rande der äußersten Fluthwelle stürzt sich die todtmüde Masse zum Boden herab.
Hier liegen die armen Geschöpfe anfangs mehrere Minuten lang wie betäubt, unfähig fast, sich zu
rühren. Aber dieser Zustand geht rasch vorüber. Es beginnt sich zu regen; eine der Angekommenen
macht den Anfang, und bald huscht und rennt es eilfertig über den nackten Sand, günstigeren Ver-
steckplätzen zu. Es währt geraume Zeit, bis eine Wachtel sich wieder entschließt, die erschöpften
Brustmuskeln von neuem anzustrengen; in der Regel sucht jede jetzt ihr Heil im Laufen; während
der ersten Tage nach ihrer Ankunft erhebt sie sich gewiß nicht ohne die dringendste Noth. Für mich
unterliegt es sogar keinem Zweifel, daß die Reise von dem Augenblicke an, wo die Schar wieder
festes Land unter sich hat, zum größten Theile laufend fortgesetzt wird.

Von nun an begegnet man den Wachteln überall in Nordostafrika, nirgends aber in Scharen,
sondern überall nur vereinzelt, wenn auch hier und da in ziemlicher Anzahl. Zu ihren Wohnsitzen
erwählen sie sich Oertlichkeiten, welche ihren Wünschen entsprechen, namentlich Stoppelfelder, die mit
Halfa bedeckten und die bebauten Gelände, vor allem jedoch die Steppe, welche ihnen ganz besonders
zuzusagen scheint. Es ist mir wahrscheinlich, daß alle Wintergäste, solange sie in Afrika verweilen,
umherwandern, sich also nicht an einem und demselben Orte zeitweilig ansiedeln. Mit Beginn des
Frühlings treten sie allgemach den Rückzug an, und im April sammeln sie sich an der Küste des
Meeres, nie aber zu so zahlreichen Scharen, wie im Herbste. Die Abziehenden scheinen
übrigens zum Rückwege nicht immer dieselbe Straße wie im Herbste zu wählen; wenigstens sah
Erhard auf den Cycladen gelegentlich des Frühlingszuges niemals eine Wachtel, während im
Herbste auch hier jede günstige Oertlichkeit von ihnen wimmelt. Dagegen versichern andere
Beobachter, daß die Wachteln auf anderen Jnseln während der Hin- und Herreise gesehen werden,
so z. B. auf Malta. Die Weiterreise scheint langsam von statten zu gehen; denn man beobachtet,
daß die Wachteln, welche in Südeuropa Ende Aprils massenhaft sich einstellen, nach und nach bis
auf diejenigen Paare, welche zum Nisten hier bleiben, sich verlieren.

Jhren Sommerstand nimmt die Wachtel am liebsten in fruchtbaren, getreidereichen Ebenen.
Hoch gelegene, gebirgige Länderstriche meidet sie, und schon im Hügellande ist sie seltener als in der
Tiefe. Das Wasser scheut sie ebenso wie die Höhe; daher fehlt sie in der Nähe von Sümpfen oder
Brüchen gänzlich. Unmittelbar nach ihrer Ankunft hält sie sich zunächst im Weizen- oder Roggen-
felde auf; später zeigt sie sich weniger wählerisch; demungeachtet darf als Regel gelten, daß sie sich da,
wo kein Weizen gebaut wird, nicht heimisch fühlt und hier höchstens in der Zugzeit angetroffen wird.
Während der Reise fällt sie zuweilen in niedriges Gebüsch ein; im Laufe des Sommers aber verläßt
sie das Feld nicht.

Man kann die Wachtel weder einen schönen noch einen begabten Vogel nennen; gleichwohl ist
sie beliebt bei Jung und Alt. Dies dankt sie ihrem hellen, weitschallenden Paarungsrufe, dem
bekannten "Bückwerwück", welcher von Jedem gern vernommen wird und zur Belebung der Gegend
entschieden mit beiträgt. Jn ihren Eigenschaften und Sitten, in ihrer Lebensweise und im Betragen
unterscheidet sie sich in vieler Hinsicht von dem Rebhuhne. Sie geht rasch und behend, aber mit
schlechter Haltung, weil sie den Kopf einzieht und den Schwanz gerade herabhängen läßt, also kugelig
erscheint, nickt bei jedem Schritte mit dem Kopfe und nimmt nur selten eine edlere Haltung an;
sie fliegt schnell, schnurrend und ruckweise fortschießend, viel rascher und gewandter als das Rebhuhn,
schwenkt sich zuweilen auch sehr zierlich, durchmißt aber nur ungern fliegend größere Strecken, erhebt

Wachtel.
ſie, auch wenn das Wetter umgeſchlagen und der Wind wiederum günſtig geworden iſt, noch Tage
lang auf ſolchem Zufluchtsorte verweilen, bevor ſie ſich zur Weiterreiſe entſchließen. Dies hat man
beobachtet: — wie viele von ihnen aber in die Wellen geſchleudert und hier ertränkt werden mögen,
weiß man nicht.

Wenn man während der eigentlichen Zugzeit an irgend einem Punkte der nordafrikaniſchen Küſte
auf die Wachteln achtet, iſt man nicht ſelten Zeuge ihrer Ankunft. Man gewahrt eine dunkle, niedrig
über dem Waſſer ſchwebende Wolke, welche ſich raſch nähert und dabei mehr und mehr ſich herabſenkt.
Unmittelbar am Rande der äußerſten Fluthwelle ſtürzt ſich die todtmüde Maſſe zum Boden herab.
Hier liegen die armen Geſchöpfe anfangs mehrere Minuten lang wie betäubt, unfähig faſt, ſich zu
rühren. Aber dieſer Zuſtand geht raſch vorüber. Es beginnt ſich zu regen; eine der Angekommenen
macht den Anfang, und bald huſcht und rennt es eilfertig über den nackten Sand, günſtigeren Ver-
ſteckplätzen zu. Es währt geraume Zeit, bis eine Wachtel ſich wieder entſchließt, die erſchöpften
Bruſtmuskeln von neuem anzuſtrengen; in der Regel ſucht jede jetzt ihr Heil im Laufen; während
der erſten Tage nach ihrer Ankunft erhebt ſie ſich gewiß nicht ohne die dringendſte Noth. Für mich
unterliegt es ſogar keinem Zweifel, daß die Reiſe von dem Augenblicke an, wo die Schar wieder
feſtes Land unter ſich hat, zum größten Theile laufend fortgeſetzt wird.

Von nun an begegnet man den Wachteln überall in Nordoſtafrika, nirgends aber in Scharen,
ſondern überall nur vereinzelt, wenn auch hier und da in ziemlicher Anzahl. Zu ihren Wohnſitzen
erwählen ſie ſich Oertlichkeiten, welche ihren Wünſchen entſprechen, namentlich Stoppelfelder, die mit
Halfa bedeckten und die bebauten Gelände, vor allem jedoch die Steppe, welche ihnen ganz beſonders
zuzuſagen ſcheint. Es iſt mir wahrſcheinlich, daß alle Wintergäſte, ſolange ſie in Afrika verweilen,
umherwandern, ſich alſo nicht an einem und demſelben Orte zeitweilig anſiedeln. Mit Beginn des
Frühlings treten ſie allgemach den Rückzug an, und im April ſammeln ſie ſich an der Küſte des
Meeres, nie aber zu ſo zahlreichen Scharen, wie im Herbſte. Die Abziehenden ſcheinen
übrigens zum Rückwege nicht immer dieſelbe Straße wie im Herbſte zu wählen; wenigſtens ſah
Erhard auf den Cycladen gelegentlich des Frühlingszuges niemals eine Wachtel, während im
Herbſte auch hier jede günſtige Oertlichkeit von ihnen wimmelt. Dagegen verſichern andere
Beobachter, daß die Wachteln auf anderen Jnſeln während der Hin- und Herreiſe geſehen werden,
ſo z. B. auf Malta. Die Weiterreiſe ſcheint langſam von ſtatten zu gehen; denn man beobachtet,
daß die Wachteln, welche in Südeuropa Ende Aprils maſſenhaft ſich einſtellen, nach und nach bis
auf diejenigen Paare, welche zum Niſten hier bleiben, ſich verlieren.

Jhren Sommerſtand nimmt die Wachtel am liebſten in fruchtbaren, getreidereichen Ebenen.
Hoch gelegene, gebirgige Länderſtriche meidet ſie, und ſchon im Hügellande iſt ſie ſeltener als in der
Tiefe. Das Waſſer ſcheut ſie ebenſo wie die Höhe; daher fehlt ſie in der Nähe von Sümpfen oder
Brüchen gänzlich. Unmittelbar nach ihrer Ankunft hält ſie ſich zunächſt im Weizen- oder Roggen-
felde auf; ſpäter zeigt ſie ſich weniger wähleriſch; demungeachtet darf als Regel gelten, daß ſie ſich da,
wo kein Weizen gebaut wird, nicht heimiſch fühlt und hier höchſtens in der Zugzeit angetroffen wird.
Während der Reiſe fällt ſie zuweilen in niedriges Gebüſch ein; im Laufe des Sommers aber verläßt
ſie das Feld nicht.

Man kann die Wachtel weder einen ſchönen noch einen begabten Vogel nennen; gleichwohl iſt
ſie beliebt bei Jung und Alt. Dies dankt ſie ihrem hellen, weitſchallenden Paarungsrufe, dem
bekannten „Bückwerwück“, welcher von Jedem gern vernommen wird und zur Belebung der Gegend
entſchieden mit beiträgt. Jn ihren Eigenſchaften und Sitten, in ihrer Lebensweiſe und im Betragen
unterſcheidet ſie ſich in vieler Hinſicht von dem Rebhuhne. Sie geht raſch und behend, aber mit
ſchlechter Haltung, weil ſie den Kopf einzieht und den Schwanz gerade herabhängen läßt, alſo kugelig
erſcheint, nickt bei jedem Schritte mit dem Kopfe und nimmt nur ſelten eine edlere Haltung an;
ſie fliegt ſchnell, ſchnurrend und ruckweiſe fortſchießend, viel raſcher und gewandter als das Rebhuhn,
ſchwenkt ſich zuweilen auch ſehr zierlich, durchmißt aber nur ungern fliegend größere Strecken, erhebt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0453" n="425"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wachtel.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ie, auch wenn das Wetter umge&#x017F;chlagen und der Wind wiederum gün&#x017F;tig geworden i&#x017F;t, noch Tage<lb/>
lang auf &#x017F;olchem Zufluchtsorte verweilen, bevor &#x017F;ie &#x017F;ich zur Weiterrei&#x017F;e ent&#x017F;chließen. Dies hat man<lb/>
beobachtet: &#x2014; wie viele von ihnen aber in die Wellen ge&#x017F;chleudert und hier ertränkt werden mögen,<lb/>
weiß man nicht.</p><lb/>
          <p>Wenn man während der eigentlichen Zugzeit an irgend einem Punkte der nordafrikani&#x017F;chen Kü&#x017F;te<lb/>
auf die Wachteln achtet, i&#x017F;t man nicht &#x017F;elten Zeuge ihrer Ankunft. Man gewahrt eine dunkle, niedrig<lb/>
über dem Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chwebende Wolke, welche &#x017F;ich ra&#x017F;ch nähert und dabei mehr und mehr &#x017F;ich herab&#x017F;enkt.<lb/>
Unmittelbar am Rande der äußer&#x017F;ten Fluthwelle &#x017F;türzt &#x017F;ich die todtmüde Ma&#x017F;&#x017F;e zum Boden herab.<lb/>
Hier liegen die armen Ge&#x017F;chöpfe anfangs mehrere Minuten lang wie betäubt, unfähig fa&#x017F;t, &#x017F;ich zu<lb/>
rühren. Aber die&#x017F;er Zu&#x017F;tand geht ra&#x017F;ch vorüber. Es beginnt &#x017F;ich zu regen; eine der Angekommenen<lb/>
macht den Anfang, und bald hu&#x017F;cht und rennt es eilfertig über den nackten Sand, gün&#x017F;tigeren Ver-<lb/>
&#x017F;teckplätzen zu. Es währt geraume Zeit, bis eine Wachtel &#x017F;ich wieder ent&#x017F;chließt, die er&#x017F;chöpften<lb/>
Bru&#x017F;tmuskeln von neuem anzu&#x017F;trengen; in der Regel &#x017F;ucht jede jetzt ihr Heil im Laufen; während<lb/>
der er&#x017F;ten Tage nach ihrer Ankunft erhebt &#x017F;ie &#x017F;ich gewiß nicht ohne die dringend&#x017F;te Noth. Für mich<lb/>
unterliegt es &#x017F;ogar keinem Zweifel, daß die Rei&#x017F;e von dem Augenblicke an, wo die Schar wieder<lb/>
fe&#x017F;tes Land unter &#x017F;ich hat, zum größten Theile laufend fortge&#x017F;etzt wird.</p><lb/>
          <p>Von nun an begegnet man den Wachteln überall in Nordo&#x017F;tafrika, nirgends aber in Scharen,<lb/>
&#x017F;ondern überall nur vereinzelt, wenn auch hier und da in ziemlicher Anzahl. Zu ihren Wohn&#x017F;itzen<lb/>
erwählen &#x017F;ie &#x017F;ich Oertlichkeiten, welche ihren Wün&#x017F;chen ent&#x017F;prechen, namentlich Stoppelfelder, die mit<lb/>
Halfa bedeckten und die bebauten Gelände, vor allem jedoch die Steppe, welche ihnen ganz be&#x017F;onders<lb/>
zuzu&#x017F;agen &#x017F;cheint. Es i&#x017F;t mir wahr&#x017F;cheinlich, daß alle Wintergä&#x017F;te, &#x017F;olange &#x017F;ie in Afrika verweilen,<lb/>
umherwandern, &#x017F;ich al&#x017F;o nicht an einem und dem&#x017F;elben Orte zeitweilig an&#x017F;iedeln. Mit Beginn des<lb/>
Frühlings treten &#x017F;ie allgemach den Rückzug an, und im April &#x017F;ammeln &#x017F;ie &#x017F;ich an der Kü&#x017F;te des<lb/>
Meeres, nie aber zu &#x017F;o zahlreichen Scharen, wie im Herb&#x017F;te. Die Abziehenden &#x017F;cheinen<lb/>
übrigens zum Rückwege nicht immer die&#x017F;elbe Straße wie im Herb&#x017F;te zu wählen; wenig&#x017F;tens &#x017F;ah<lb/><hi rendition="#g">Erhard</hi> auf den Cycladen gelegentlich des Frühlingszuges niemals eine Wachtel, während im<lb/>
Herb&#x017F;te auch hier jede gün&#x017F;tige Oertlichkeit von ihnen wimmelt. Dagegen ver&#x017F;ichern andere<lb/>
Beobachter, daß die Wachteln auf anderen Jn&#x017F;eln während der Hin- und Herrei&#x017F;e ge&#x017F;ehen werden,<lb/>
&#x017F;o z. B. auf Malta. Die Weiterrei&#x017F;e &#x017F;cheint lang&#x017F;am von &#x017F;tatten zu gehen; denn man beobachtet,<lb/>
daß die Wachteln, welche in Südeuropa Ende Aprils ma&#x017F;&#x017F;enhaft &#x017F;ich ein&#x017F;tellen, nach und nach bis<lb/>
auf diejenigen Paare, welche zum Ni&#x017F;ten hier bleiben, &#x017F;ich verlieren.</p><lb/>
          <p>Jhren Sommer&#x017F;tand nimmt die Wachtel am lieb&#x017F;ten in fruchtbaren, getreidereichen Ebenen.<lb/>
Hoch gelegene, gebirgige Länder&#x017F;triche meidet &#x017F;ie, und &#x017F;chon im Hügellande i&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;eltener als in der<lb/>
Tiefe. Das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;cheut &#x017F;ie eben&#x017F;o wie die Höhe; daher fehlt &#x017F;ie in der Nähe von Sümpfen oder<lb/>
Brüchen gänzlich. Unmittelbar nach ihrer Ankunft hält &#x017F;ie &#x017F;ich zunäch&#x017F;t im Weizen- oder Roggen-<lb/>
felde auf; &#x017F;päter zeigt &#x017F;ie &#x017F;ich weniger wähleri&#x017F;ch; demungeachtet darf als Regel gelten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich da,<lb/>
wo kein Weizen gebaut wird, nicht heimi&#x017F;ch fühlt und hier höch&#x017F;tens in der Zugzeit angetroffen wird.<lb/>
Während der Rei&#x017F;e fällt &#x017F;ie zuweilen in niedriges Gebü&#x017F;ch ein; im Laufe des Sommers aber verläßt<lb/>
&#x017F;ie das Feld nicht.</p><lb/>
          <p>Man kann die Wachtel weder einen &#x017F;chönen noch einen begabten Vogel nennen; gleichwohl i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie beliebt bei Jung und Alt. Dies dankt &#x017F;ie ihrem hellen, weit&#x017F;challenden Paarungsrufe, dem<lb/>
bekannten &#x201E;Bückwerwück&#x201C;, welcher von Jedem gern vernommen wird und zur Belebung der Gegend<lb/>
ent&#x017F;chieden mit beiträgt. Jn ihren Eigen&#x017F;chaften und Sitten, in ihrer Lebenswei&#x017F;e und im Betragen<lb/>
unter&#x017F;cheidet &#x017F;ie &#x017F;ich in vieler Hin&#x017F;icht von dem Rebhuhne. Sie geht ra&#x017F;ch und behend, aber mit<lb/>
&#x017F;chlechter Haltung, weil &#x017F;ie den Kopf einzieht und den Schwanz gerade herabhängen läßt, al&#x017F;o kugelig<lb/>
er&#x017F;cheint, nickt bei jedem Schritte mit dem Kopfe und nimmt nur &#x017F;elten eine edlere Haltung an;<lb/>
&#x017F;ie fliegt &#x017F;chnell, &#x017F;chnurrend und ruckwei&#x017F;e fort&#x017F;chießend, viel ra&#x017F;cher und gewandter als das Rebhuhn,<lb/>
&#x017F;chwenkt &#x017F;ich zuweilen auch &#x017F;ehr zierlich, durchmißt aber nur ungern fliegend größere Strecken, erhebt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0453] Wachtel. ſie, auch wenn das Wetter umgeſchlagen und der Wind wiederum günſtig geworden iſt, noch Tage lang auf ſolchem Zufluchtsorte verweilen, bevor ſie ſich zur Weiterreiſe entſchließen. Dies hat man beobachtet: — wie viele von ihnen aber in die Wellen geſchleudert und hier ertränkt werden mögen, weiß man nicht. Wenn man während der eigentlichen Zugzeit an irgend einem Punkte der nordafrikaniſchen Küſte auf die Wachteln achtet, iſt man nicht ſelten Zeuge ihrer Ankunft. Man gewahrt eine dunkle, niedrig über dem Waſſer ſchwebende Wolke, welche ſich raſch nähert und dabei mehr und mehr ſich herabſenkt. Unmittelbar am Rande der äußerſten Fluthwelle ſtürzt ſich die todtmüde Maſſe zum Boden herab. Hier liegen die armen Geſchöpfe anfangs mehrere Minuten lang wie betäubt, unfähig faſt, ſich zu rühren. Aber dieſer Zuſtand geht raſch vorüber. Es beginnt ſich zu regen; eine der Angekommenen macht den Anfang, und bald huſcht und rennt es eilfertig über den nackten Sand, günſtigeren Ver- ſteckplätzen zu. Es währt geraume Zeit, bis eine Wachtel ſich wieder entſchließt, die erſchöpften Bruſtmuskeln von neuem anzuſtrengen; in der Regel ſucht jede jetzt ihr Heil im Laufen; während der erſten Tage nach ihrer Ankunft erhebt ſie ſich gewiß nicht ohne die dringendſte Noth. Für mich unterliegt es ſogar keinem Zweifel, daß die Reiſe von dem Augenblicke an, wo die Schar wieder feſtes Land unter ſich hat, zum größten Theile laufend fortgeſetzt wird. Von nun an begegnet man den Wachteln überall in Nordoſtafrika, nirgends aber in Scharen, ſondern überall nur vereinzelt, wenn auch hier und da in ziemlicher Anzahl. Zu ihren Wohnſitzen erwählen ſie ſich Oertlichkeiten, welche ihren Wünſchen entſprechen, namentlich Stoppelfelder, die mit Halfa bedeckten und die bebauten Gelände, vor allem jedoch die Steppe, welche ihnen ganz beſonders zuzuſagen ſcheint. Es iſt mir wahrſcheinlich, daß alle Wintergäſte, ſolange ſie in Afrika verweilen, umherwandern, ſich alſo nicht an einem und demſelben Orte zeitweilig anſiedeln. Mit Beginn des Frühlings treten ſie allgemach den Rückzug an, und im April ſammeln ſie ſich an der Küſte des Meeres, nie aber zu ſo zahlreichen Scharen, wie im Herbſte. Die Abziehenden ſcheinen übrigens zum Rückwege nicht immer dieſelbe Straße wie im Herbſte zu wählen; wenigſtens ſah Erhard auf den Cycladen gelegentlich des Frühlingszuges niemals eine Wachtel, während im Herbſte auch hier jede günſtige Oertlichkeit von ihnen wimmelt. Dagegen verſichern andere Beobachter, daß die Wachteln auf anderen Jnſeln während der Hin- und Herreiſe geſehen werden, ſo z. B. auf Malta. Die Weiterreiſe ſcheint langſam von ſtatten zu gehen; denn man beobachtet, daß die Wachteln, welche in Südeuropa Ende Aprils maſſenhaft ſich einſtellen, nach und nach bis auf diejenigen Paare, welche zum Niſten hier bleiben, ſich verlieren. Jhren Sommerſtand nimmt die Wachtel am liebſten in fruchtbaren, getreidereichen Ebenen. Hoch gelegene, gebirgige Länderſtriche meidet ſie, und ſchon im Hügellande iſt ſie ſeltener als in der Tiefe. Das Waſſer ſcheut ſie ebenſo wie die Höhe; daher fehlt ſie in der Nähe von Sümpfen oder Brüchen gänzlich. Unmittelbar nach ihrer Ankunft hält ſie ſich zunächſt im Weizen- oder Roggen- felde auf; ſpäter zeigt ſie ſich weniger wähleriſch; demungeachtet darf als Regel gelten, daß ſie ſich da, wo kein Weizen gebaut wird, nicht heimiſch fühlt und hier höchſtens in der Zugzeit angetroffen wird. Während der Reiſe fällt ſie zuweilen in niedriges Gebüſch ein; im Laufe des Sommers aber verläßt ſie das Feld nicht. Man kann die Wachtel weder einen ſchönen noch einen begabten Vogel nennen; gleichwohl iſt ſie beliebt bei Jung und Alt. Dies dankt ſie ihrem hellen, weitſchallenden Paarungsrufe, dem bekannten „Bückwerwück“, welcher von Jedem gern vernommen wird und zur Belebung der Gegend entſchieden mit beiträgt. Jn ihren Eigenſchaften und Sitten, in ihrer Lebensweiſe und im Betragen unterſcheidet ſie ſich in vieler Hinſicht von dem Rebhuhne. Sie geht raſch und behend, aber mit ſchlechter Haltung, weil ſie den Kopf einzieht und den Schwanz gerade herabhängen läßt, alſo kugelig erſcheint, nickt bei jedem Schritte mit dem Kopfe und nimmt nur ſelten eine edlere Haltung an; ſie fliegt ſchnell, ſchnurrend und ruckweiſe fortſchießend, viel raſcher und gewandter als das Rebhuhn, ſchwenkt ſich zuweilen auch ſehr zierlich, durchmißt aber nur ungern fliegend größere Strecken, erhebt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/453
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/453>, abgerufen am 29.06.2024.