kam es von seinem Aufenthaltsorte quer durch das Zimmer gestürzt, lief sehr schnell und ersichtlich höchst besorgt um jenen herum, flog ihm auf den Arm, schaute ihm unter hastigen Bewegungen des Kopfes ins Gesicht und stieß ein sanftes "Tak" aus, unverkennbar in der Absicht, den Knaben zu beruhigen." Diese Zuneigung hatte sich ohne alles Zuthun seitens des Knaben herausgebildet. Ein anderes Reb- huhn, welches Jer aufgezogen hatte, wurde sehr bald zutraulich und gewöhnte sich an seine Pfleger, sodaß es in Aufregung gerieth, wenn es Niemanden von der Familie um sich hatte. "Eines Tages", sagt unser Gewährsmann, "als ich mit meiner Familie die Wohnung verlassen hatte, um einen Spazier- gang zu machen, rief mich mein Hauswirth mit dem Bemerken zurück, daß das eingeschlossene Rebhuhn sich im Zimmer wie rasend geberde. Jch ging hierauf in meine Wohnung zurück, und sobald ich die Thüre des Zimmers geöffnet hatte, worin der Vogel eingesperrt war, sprang derselbe hoch an mich heran unter steten Freudenbezeigungen. Jch nahm ihn nun mit ins Freie. Dort blieb er stets an meiner Seite, und nur erst, als ein Hund in unserer Nähe erschien, wurde er ängstlich und unruhig und drohte davonfliegen zu wollen. Nachdem ich jedoch den Hund entfernt hatte, kehrte die Ruhe bei dem Vogel wieder zurück, und er vollendete mit uns den kurzen Spaziergang. Späterhin habe ich ihn nicht wieder mit ins Freie genommen, fürchtend, daß er möglicherweise durch einen Hund oder sonstwie zu Schaden kommen könnte. Es mußte jedoch von dieser Zeit an, der Beruhigung des Vogels halber, stets ein Mitglied meiner Familie zu Hause bleiben."
"Sein größtes Vergnügen bestand, zum Verdruß meines weiblichen Personals, darin, sich des Morgens in sandigem Kehricht zu tummeln, und eine besondere Eigenthümlichkeit wohnte ihm insofern noch bei, als er, sobald mittags und abends die Speisen aufgetragen waren, auf den Tisch geflogen kam und nachsah, ob dort wohl irgend ein Leckerbissen für ihn vorhanden sei. War eine Schüssel mit Nudeln, eines seiner Lieblingsgerichte, aufgesetzt, so holte er sich einige heraus. Fand er, daß solche zu heiß waren, so legte er sie behutsam auf den Rand der Schüssel und ließ sie dort bis zur Erkaltung liegen, worauf sie dann verzehrt wurden."
"Um nun aber auch dem Vogel in geschlechtlicher Beziehung gerecht zu werden, fahndete ich in seinem zweiten Lebensjahre nach einem Weibchen und war so glücklich, recht bald eine, wenn auch nicht ganz zahme, so doch völlig gesunde und kräftige Henne zu erlangen. Die erste Begegnung beider war in der That belustigend. Sobald nämlich der Hahn die Henne bemerkt hatte, näherte er sich ihr langsam mit langgestrecktem Halse, gesträubten Federn und unter dem fortwährenden Lockrufe "Kack! kack! kierreck!" Als sodann eine beiderseitige Zuneigung und Verständigung erzielt zu sein schien, tanzte der Hahn vor lauter Lust und Freude förmlich um die Henne herum, während letztere sich dabei setzte und ein leises "Krrr" hören ließ. Nach Verlauf von ungefähr vierzehn Tagen -- es war gegen Ende Mai's -- und nachdem die Henne inzwischen etwas zahmer geworden war, fand eines Nach- mittags mitten in unserm Wohnzimmer die Begattung statt. Einige Zeit darauf wurde die Henne ungewöhnlich unruhig und lief hastig aus einem Zimmer in das andere, indem sie dabei fortwährend den Lockton "Kack" ausstieß. Dieser aufgeregte Zustand dauerte ununterbrochen einige Tage lang an. Plötzlich flog sie, obgleich ihr die Flügel etwas verschnitten waren, auf das Dach des Nachbarhauses und verschwand von dort aus spurlos. Wie ich vermuthe, lag die Ursache ihrer Unruhe und spätern Entweichung darin, daß sie befruchtet war und einen passenden Brüteort suchte, solchen aber in unserer Wohnung nicht aufzufinden vermochte und deshalb anderwärts suchte. Sehnsucht nach seinem ver- schwundenen Weibchen habe ich übrigens beim Hahne nicht wahrgenommen; er schmiegte sich vielmehr seitdem noch weit inniger als früher an mich und die Meinigen an, und ich fand deshalb auch keine Veranlassung zur Beschaffung eines zweiten Weibchens."
"Nachdem wir uns an diesem beispiellos zahmen Vogel drei Jahre lang wahrhaft erfreut hatten, besuchte mich eines Tages ein Bekannter. Dieser sieht das liebe Thierchen auf dem Sopha liegen, wo es seine Mittagsruhe hält, nimmt es von dort weg, um es zu liebkosen und setzt es sodann wieder auf sein Ruheplätzchen zurück. Kurze Zeit darauf schlägt es krampfhaft mit den Flügeln um sich, dann
Die Läufer Scharrvögel. Feldhühner.
kam es von ſeinem Aufenthaltsorte quer durch das Zimmer geſtürzt, lief ſehr ſchnell und erſichtlich höchſt beſorgt um jenen herum, flog ihm auf den Arm, ſchaute ihm unter haſtigen Bewegungen des Kopfes ins Geſicht und ſtieß ein ſanftes „Tak“ aus, unverkennbar in der Abſicht, den Knaben zu beruhigen.“ Dieſe Zuneigung hatte ſich ohne alles Zuthun ſeitens des Knaben herausgebildet. Ein anderes Reb- huhn, welches Jer aufgezogen hatte, wurde ſehr bald zutraulich und gewöhnte ſich an ſeine Pfleger, ſodaß es in Aufregung gerieth, wenn es Niemanden von der Familie um ſich hatte. „Eines Tages“, ſagt unſer Gewährsmann, „als ich mit meiner Familie die Wohnung verlaſſen hatte, um einen Spazier- gang zu machen, rief mich mein Hauswirth mit dem Bemerken zurück, daß das eingeſchloſſene Rebhuhn ſich im Zimmer wie raſend geberde. Jch ging hierauf in meine Wohnung zurück, und ſobald ich die Thüre des Zimmers geöffnet hatte, worin der Vogel eingeſperrt war, ſprang derſelbe hoch an mich heran unter ſteten Freudenbezeigungen. Jch nahm ihn nun mit ins Freie. Dort blieb er ſtets an meiner Seite, und nur erſt, als ein Hund in unſerer Nähe erſchien, wurde er ängſtlich und unruhig und drohte davonfliegen zu wollen. Nachdem ich jedoch den Hund entfernt hatte, kehrte die Ruhe bei dem Vogel wieder zurück, und er vollendete mit uns den kurzen Spaziergang. Späterhin habe ich ihn nicht wieder mit ins Freie genommen, fürchtend, daß er möglicherweiſe durch einen Hund oder ſonſtwie zu Schaden kommen könnte. Es mußte jedoch von dieſer Zeit an, der Beruhigung des Vogels halber, ſtets ein Mitglied meiner Familie zu Hauſe bleiben.“
„Sein größtes Vergnügen beſtand, zum Verdruß meines weiblichen Perſonals, darin, ſich des Morgens in ſandigem Kehricht zu tummeln, und eine beſondere Eigenthümlichkeit wohnte ihm inſofern noch bei, als er, ſobald mittags und abends die Speiſen aufgetragen waren, auf den Tiſch geflogen kam und nachſah, ob dort wohl irgend ein Leckerbiſſen für ihn vorhanden ſei. War eine Schüſſel mit Nudeln, eines ſeiner Lieblingsgerichte, aufgeſetzt, ſo holte er ſich einige heraus. Fand er, daß ſolche zu heiß waren, ſo legte er ſie behutſam auf den Rand der Schüſſel und ließ ſie dort bis zur Erkaltung liegen, worauf ſie dann verzehrt wurden.“
„Um nun aber auch dem Vogel in geſchlechtlicher Beziehung gerecht zu werden, fahndete ich in ſeinem zweiten Lebensjahre nach einem Weibchen und war ſo glücklich, recht bald eine, wenn auch nicht ganz zahme, ſo doch völlig geſunde und kräftige Henne zu erlangen. Die erſte Begegnung beider war in der That beluſtigend. Sobald nämlich der Hahn die Henne bemerkt hatte, näherte er ſich ihr langſam mit langgeſtrecktem Halſe, geſträubten Federn und unter dem fortwährenden Lockrufe „Kack! kack! kierreck!“ Als ſodann eine beiderſeitige Zuneigung und Verſtändigung erzielt zu ſein ſchien, tanzte der Hahn vor lauter Luſt und Freude förmlich um die Henne herum, während letztere ſich dabei ſetzte und ein leiſes „Krrr“ hören ließ. Nach Verlauf von ungefähr vierzehn Tagen — es war gegen Ende Mai’s — und nachdem die Henne inzwiſchen etwas zahmer geworden war, fand eines Nach- mittags mitten in unſerm Wohnzimmer die Begattung ſtatt. Einige Zeit darauf wurde die Henne ungewöhnlich unruhig und lief haſtig aus einem Zimmer in das andere, indem ſie dabei fortwährend den Lockton „Kack“ ausſtieß. Dieſer aufgeregte Zuſtand dauerte ununterbrochen einige Tage lang an. Plötzlich flog ſie, obgleich ihr die Flügel etwas verſchnitten waren, auf das Dach des Nachbarhauſes und verſchwand von dort aus ſpurlos. Wie ich vermuthe, lag die Urſache ihrer Unruhe und ſpätern Entweichung darin, daß ſie befruchtet war und einen paſſenden Brüteort ſuchte, ſolchen aber in unſerer Wohnung nicht aufzufinden vermochte und deshalb anderwärts ſuchte. Sehnſucht nach ſeinem ver- ſchwundenen Weibchen habe ich übrigens beim Hahne nicht wahrgenommen; er ſchmiegte ſich vielmehr ſeitdem noch weit inniger als früher an mich und die Meinigen an, und ich fand deshalb auch keine Veranlaſſung zur Beſchaffung eines zweiten Weibchens.“
„Nachdem wir uns an dieſem beiſpiellos zahmen Vogel drei Jahre lang wahrhaft erfreut hatten, beſuchte mich eines Tages ein Bekannter. Dieſer ſieht das liebe Thierchen auf dem Sopha liegen, wo es ſeine Mittagsruhe hält, nimmt es von dort weg, um es zu liebkoſen und ſetzt es ſodann wieder auf ſein Ruheplätzchen zurück. Kurze Zeit darauf ſchlägt es krampfhaft mit den Flügeln um ſich, dann
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[402/0430]
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kam es von ſeinem Aufenthaltsorte quer durch das Zimmer geſtürzt, lief ſehr ſchnell und erſichtlich höchſt
beſorgt um jenen herum, flog ihm auf den Arm, ſchaute ihm unter haſtigen Bewegungen des Kopfes
ins Geſicht und ſtieß ein ſanftes „Tak“ aus, unverkennbar in der Abſicht, den Knaben zu beruhigen.“
Dieſe Zuneigung hatte ſich ohne alles Zuthun ſeitens des Knaben herausgebildet. Ein anderes Reb-
huhn, welches Jer aufgezogen hatte, wurde ſehr bald zutraulich und gewöhnte ſich an ſeine Pfleger,
ſodaß es in Aufregung gerieth, wenn es Niemanden von der Familie um ſich hatte. „Eines Tages“,
ſagt unſer Gewährsmann, „als ich mit meiner Familie die Wohnung verlaſſen hatte, um einen Spazier-
gang zu machen, rief mich mein Hauswirth mit dem Bemerken zurück, daß das eingeſchloſſene Rebhuhn
ſich im Zimmer wie raſend geberde. Jch ging hierauf in meine Wohnung zurück, und ſobald ich die
Thüre des Zimmers geöffnet hatte, worin der Vogel eingeſperrt war, ſprang derſelbe hoch an mich heran
unter ſteten Freudenbezeigungen. Jch nahm ihn nun mit ins Freie. Dort blieb er ſtets an meiner
Seite, und nur erſt, als ein Hund in unſerer Nähe erſchien, wurde er ängſtlich und unruhig und drohte
davonfliegen zu wollen. Nachdem ich jedoch den Hund entfernt hatte, kehrte die Ruhe bei dem Vogel
wieder zurück, und er vollendete mit uns den kurzen Spaziergang. Späterhin habe ich ihn nicht wieder
mit ins Freie genommen, fürchtend, daß er möglicherweiſe durch einen Hund oder ſonſtwie zu Schaden
kommen könnte. Es mußte jedoch von dieſer Zeit an, der Beruhigung des Vogels halber, ſtets ein
Mitglied meiner Familie zu Hauſe bleiben.“
„Sein größtes Vergnügen beſtand, zum Verdruß meines weiblichen Perſonals, darin, ſich des
Morgens in ſandigem Kehricht zu tummeln, und eine beſondere Eigenthümlichkeit wohnte ihm inſofern
noch bei, als er, ſobald mittags und abends die Speiſen aufgetragen waren, auf den Tiſch geflogen
kam und nachſah, ob dort wohl irgend ein Leckerbiſſen für ihn vorhanden ſei. War eine Schüſſel mit
Nudeln, eines ſeiner Lieblingsgerichte, aufgeſetzt, ſo holte er ſich einige heraus. Fand er, daß ſolche
zu heiß waren, ſo legte er ſie behutſam auf den Rand der Schüſſel und ließ ſie dort bis zur Erkaltung
liegen, worauf ſie dann verzehrt wurden.“
„Um nun aber auch dem Vogel in geſchlechtlicher Beziehung gerecht zu werden, fahndete ich in
ſeinem zweiten Lebensjahre nach einem Weibchen und war ſo glücklich, recht bald eine, wenn auch nicht
ganz zahme, ſo doch völlig geſunde und kräftige Henne zu erlangen. Die erſte Begegnung beider
war in der That beluſtigend. Sobald nämlich der Hahn die Henne bemerkt hatte, näherte er ſich ihr
langſam mit langgeſtrecktem Halſe, geſträubten Federn und unter dem fortwährenden Lockrufe „Kack!
kack! kierreck!“ Als ſodann eine beiderſeitige Zuneigung und Verſtändigung erzielt zu ſein ſchien,
tanzte der Hahn vor lauter Luſt und Freude förmlich um die Henne herum, während letztere ſich dabei
ſetzte und ein leiſes „Krrr“ hören ließ. Nach Verlauf von ungefähr vierzehn Tagen — es war gegen
Ende Mai’s — und nachdem die Henne inzwiſchen etwas zahmer geworden war, fand eines Nach-
mittags mitten in unſerm Wohnzimmer die Begattung ſtatt. Einige Zeit darauf wurde die Henne
ungewöhnlich unruhig und lief haſtig aus einem Zimmer in das andere, indem ſie dabei fortwährend
den Lockton „Kack“ ausſtieß. Dieſer aufgeregte Zuſtand dauerte ununterbrochen einige Tage lang an.
Plötzlich flog ſie, obgleich ihr die Flügel etwas verſchnitten waren, auf das Dach des Nachbarhauſes
und verſchwand von dort aus ſpurlos. Wie ich vermuthe, lag die Urſache ihrer Unruhe und ſpätern
Entweichung darin, daß ſie befruchtet war und einen paſſenden Brüteort ſuchte, ſolchen aber in unſerer
Wohnung nicht aufzufinden vermochte und deshalb anderwärts ſuchte. Sehnſucht nach ſeinem ver-
ſchwundenen Weibchen habe ich übrigens beim Hahne nicht wahrgenommen; er ſchmiegte ſich vielmehr
ſeitdem noch weit inniger als früher an mich und die Meinigen an, und ich fand deshalb auch keine
Veranlaſſung zur Beſchaffung eines zweiten Weibchens.“
„Nachdem wir uns an dieſem beiſpiellos zahmen Vogel drei Jahre lang wahrhaft erfreut hatten,
beſuchte mich eines Tages ein Bekannter. Dieſer ſieht das liebe Thierchen auf dem Sopha liegen, wo
es ſeine Mittagsruhe hält, nimmt es von dort weg, um es zu liebkoſen und ſetzt es ſodann wieder auf
ſein Ruheplätzchen zurück. Kurze Zeit darauf ſchlägt es krampfhaft mit den Flügeln um ſich, dann
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/430>, abgerufen am 25.11.2024.
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