Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Rebhuhn.
einen Gegner zum Kampfe aufzufordern. Geängstigte Hühner lassen ein gellendes "Ripripriprip"
oder ein scharrendes "Tärt" vernehmen; junge piepen wie zahme Küchlein und rufen später ein von
der Stimme der Alten wohl zu unterscheidendes "Tüpegirr tüp." Der Ausdruck der Behaglichkeit ist
ein dumpfes "Kurruck", der Warnungsruf ein sanftes "Kurr".

An Sinnesschärfe und geistigen Fähigkeiten steht das Rebhuhn hinter den Verwandten schwer-
lich zurück. Es ist klug und verständig, vorsichtig und scheu, unterscheidet seine Feinde und Freunde
wohl, wird durch Erfahrung gewitzigt und zeigt viel Geschick, sich in verschiedene Lagen des
Lebens zu fügen. Es ist gesellig, friedliebend, treu und aufopferungsfähig, äußerst zärtlich gegen
den Gatten oder gegen die Kinder, bekundet aber alle diese guten Eigenschaften mehr innerhalb der
Familie im strengsten Sinne des Worts als anderen Thieren und selbst anderen der gleichen Art
gegenüber. Wenn es gilt, den Besitz zu vertheidigen, kämpft ein Hahn gar wacker mit dem andern,
und wenn sich zwei Familien verbinden wollen, geht es ohne Beißereien nicht ab; dagegen nimmt sich
eine Familie verwaister Jungen sehr oft an und die Eltern erzeigen den Fremdlingen dieselbe Zärt-
lichkeit wie den eigenen Kindern.

Mit dem Schmelzen des Schnees regt sich der Paarungstrieb. Schon im Februar sprengen
sich die Völker, welche während des Winters treu zusammenhielten, in Paare, und jedes von diesen
erwählt sich einen ihm passenden Standort. Tritt nochmals winterliches Wetter ein, so vereinigen
sich die Paare wohl auch wieder auf kurze Zeit; jedenfalls aber trifft sie der kommende Frühling
vereinzelt. Jetzt vernimmt man in den Morgen- und Abendstunden das herausfordernde Rufen der
Hähne, sieht auch wohl zwei von ihnen in ernstem Streite um ein Weibchen begriffen. Dabei
springen beide wie kämpfende Haushähne gegen einander und versuchen sich mit Krallen und Schnabel
gegenseitig zu schädigen. Der Schwächere muß weichen, und der Sieger kehrt frohlockend zur Gattin
zurück. Es wird behauptet, daß die einmal geschlossene Ehe eines Paares unauflöslich sei; doch läßt
sich schwerlich bestimmen, ob der aus solchen Kämpfen hervorgehende Sieger wirklich immer der recht-
mäßige Gatte ist, wie man gern annimmt. Das Eine ist freilich richtig, daß sich die wirklich
gepaarten Hühner einigermaßen aus dem Lärm der Welt zurückziehen, d. h. daß sich die Hähne mit
andern möglichst wenig in Kampf und Streit einlassen. Aber nicht die Beweibten sind die Stören-
friede, sondern diejenigen, welche auf Freiers Füßen gehen; sie kümmern sich wenig um die Rechte
Anderer und sind jederzeit geneigt, ihren Muth und ihre Kampflust zu erproben. Zuweilen werden
die Zänkereien so arg, daß der Waidmann eingreifen muß, um den Frieden herzustellen.

Ende Aprils, gewöhnlich erst Anfangs Mai, beginnt die Henne zu legen. Jhr Nest ist eine
einfache Vertiefung auf dem flachen Boden, welche mit einigen weichen Halmen ausgefüttert und oft
an recht unpassenden Plätzen angelegt wird. Bisweilen deckt es ein Busch; in den meisten Fällen
aber steht es mitten im frühaufschießenden Getreide, namentlich in Weizen, Erbsen und Rübsen, im
Klee oder im hohen Grase der Wiese, auch wohl auf jungen Schlägen am Rande kleiner Feld-
hölzer u. s. w. Das Gelege zählt neun bis siebzehn Eier; wenigstens nimmt man an, daß diejenigen
Nester, in denen man mehr fand, nicht von einer einzigen Henne allein benutzt wurden. Hat eine
Henne weniger als neun Eier, so läßt sich hieraus, laut Diezel, mit Wahrscheinlichkeit folgern, daß
das erste Gelege durch irgend einen Zufall verunglückte. Die Eier sind birnförmig, glattschalig,
wenig glänzend und blaßgrünlich braungrau von Farbe. Die Henne brütet ungefähr drei Wochen
lang mit unglaublicher Hingebung, so anhaltend, daß ihr nach und nach fast alle Bauchfedern aus-
fallen, und verläßt das Nest nur solange als unbedingt erforderlich, um die nothwendige Nahrung
aufzusuchen. Während sie brütet, weicht das Männchen nicht aus der Nähe, hält vielmehr gute
Wacht, warnt die Gattin vor jeder Gefahr, gibt sich auch gewöhnlich dieser preis und kehrt, so wie
es verscheucht wurde, wieder zur alten Stelle zurück. Diese Wachsamkeit bewahrt die Henne vor den
meisten Gefahren, welche ihr drohen, soweit der Hahn sie zu sichern vermag. Wird dieser getödtet, so
steht auch ihr ziemlich sicher der Untergang bevor. Fortgesetzte Nachstellung kann ein Rebhuhnpaar
übrigens, so sehr es die Brut auch liebt, doch vom Neste verscheuchen.

Rebhuhn.
einen Gegner zum Kampfe aufzufordern. Geängſtigte Hühner laſſen ein gellendes „Ripripriprip“
oder ein ſcharrendes „Tärt“ vernehmen; junge piepen wie zahme Küchlein und rufen ſpäter ein von
der Stimme der Alten wohl zu unterſcheidendes „Tüpegirr tüp.“ Der Ausdruck der Behaglichkeit iſt
ein dumpfes „Kurruck“, der Warnungsruf ein ſanftes „Kurr“.

An Sinnesſchärfe und geiſtigen Fähigkeiten ſteht das Rebhuhn hinter den Verwandten ſchwer-
lich zurück. Es iſt klug und verſtändig, vorſichtig und ſcheu, unterſcheidet ſeine Feinde und Freunde
wohl, wird durch Erfahrung gewitzigt und zeigt viel Geſchick, ſich in verſchiedene Lagen des
Lebens zu fügen. Es iſt geſellig, friedliebend, treu und aufopferungsfähig, äußerſt zärtlich gegen
den Gatten oder gegen die Kinder, bekundet aber alle dieſe guten Eigenſchaften mehr innerhalb der
Familie im ſtrengſten Sinne des Worts als anderen Thieren und ſelbſt anderen der gleichen Art
gegenüber. Wenn es gilt, den Beſitz zu vertheidigen, kämpft ein Hahn gar wacker mit dem andern,
und wenn ſich zwei Familien verbinden wollen, geht es ohne Beißereien nicht ab; dagegen nimmt ſich
eine Familie verwaiſter Jungen ſehr oft an und die Eltern erzeigen den Fremdlingen dieſelbe Zärt-
lichkeit wie den eigenen Kindern.

Mit dem Schmelzen des Schnees regt ſich der Paarungstrieb. Schon im Februar ſprengen
ſich die Völker, welche während des Winters treu zuſammenhielten, in Paare, und jedes von dieſen
erwählt ſich einen ihm paſſenden Standort. Tritt nochmals winterliches Wetter ein, ſo vereinigen
ſich die Paare wohl auch wieder auf kurze Zeit; jedenfalls aber trifft ſie der kommende Frühling
vereinzelt. Jetzt vernimmt man in den Morgen- und Abendſtunden das herausfordernde Rufen der
Hähne, ſieht auch wohl zwei von ihnen in ernſtem Streite um ein Weibchen begriffen. Dabei
ſpringen beide wie kämpfende Haushähne gegen einander und verſuchen ſich mit Krallen und Schnabel
gegenſeitig zu ſchädigen. Der Schwächere muß weichen, und der Sieger kehrt frohlockend zur Gattin
zurück. Es wird behauptet, daß die einmal geſchloſſene Ehe eines Paares unauflöslich ſei; doch läßt
ſich ſchwerlich beſtimmen, ob der aus ſolchen Kämpfen hervorgehende Sieger wirklich immer der recht-
mäßige Gatte iſt, wie man gern annimmt. Das Eine iſt freilich richtig, daß ſich die wirklich
gepaarten Hühner einigermaßen aus dem Lärm der Welt zurückziehen, d. h. daß ſich die Hähne mit
andern möglichſt wenig in Kampf und Streit einlaſſen. Aber nicht die Beweibten ſind die Stören-
friede, ſondern diejenigen, welche auf Freiers Füßen gehen; ſie kümmern ſich wenig um die Rechte
Anderer und ſind jederzeit geneigt, ihren Muth und ihre Kampfluſt zu erproben. Zuweilen werden
die Zänkereien ſo arg, daß der Waidmann eingreifen muß, um den Frieden herzuſtellen.

Ende Aprils, gewöhnlich erſt Anfangs Mai, beginnt die Henne zu legen. Jhr Neſt iſt eine
einfache Vertiefung auf dem flachen Boden, welche mit einigen weichen Halmen ausgefüttert und oft
an recht unpaſſenden Plätzen angelegt wird. Bisweilen deckt es ein Buſch; in den meiſten Fällen
aber ſteht es mitten im frühaufſchießenden Getreide, namentlich in Weizen, Erbſen und Rübſen, im
Klee oder im hohen Graſe der Wieſe, auch wohl auf jungen Schlägen am Rande kleiner Feld-
hölzer u. ſ. w. Das Gelege zählt neun bis ſiebzehn Eier; wenigſtens nimmt man an, daß diejenigen
Neſter, in denen man mehr fand, nicht von einer einzigen Henne allein benutzt wurden. Hat eine
Henne weniger als neun Eier, ſo läßt ſich hieraus, laut Diezel, mit Wahrſcheinlichkeit folgern, daß
das erſte Gelege durch irgend einen Zufall verunglückte. Die Eier ſind birnförmig, glattſchalig,
wenig glänzend und blaßgrünlich braungrau von Farbe. Die Henne brütet ungefähr drei Wochen
lang mit unglaublicher Hingebung, ſo anhaltend, daß ihr nach und nach faſt alle Bauchfedern aus-
fallen, und verläßt das Neſt nur ſolange als unbedingt erforderlich, um die nothwendige Nahrung
aufzuſuchen. Während ſie brütet, weicht das Männchen nicht aus der Nähe, hält vielmehr gute
Wacht, warnt die Gattin vor jeder Gefahr, gibt ſich auch gewöhnlich dieſer preis und kehrt, ſo wie
es verſcheucht wurde, wieder zur alten Stelle zurück. Dieſe Wachſamkeit bewahrt die Henne vor den
meiſten Gefahren, welche ihr drohen, ſoweit der Hahn ſie zu ſichern vermag. Wird dieſer getödtet, ſo
ſteht auch ihr ziemlich ſicher der Untergang bevor. Fortgeſetzte Nachſtellung kann ein Rebhuhnpaar
übrigens, ſo ſehr es die Brut auch liebt, doch vom Neſte verſcheuchen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0427" n="399"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rebhuhn.</hi></fw><lb/>
einen Gegner zum Kampfe aufzufordern. Geäng&#x017F;tigte Hühner la&#x017F;&#x017F;en ein gellendes &#x201E;Ripripriprip&#x201C;<lb/>
oder ein &#x017F;charrendes &#x201E;Tärt&#x201C; vernehmen; junge piepen wie zahme Küchlein und rufen &#x017F;päter ein von<lb/>
der Stimme der Alten wohl zu unter&#x017F;cheidendes &#x201E;Tüpegirr tüp.&#x201C; Der Ausdruck der Behaglichkeit i&#x017F;t<lb/>
ein dumpfes &#x201E;Kurruck&#x201C;, der Warnungsruf ein &#x017F;anftes &#x201E;Kurr&#x201C;.</p><lb/>
          <p>An Sinnes&#x017F;chärfe und gei&#x017F;tigen Fähigkeiten &#x017F;teht das Rebhuhn hinter den Verwandten &#x017F;chwer-<lb/>
lich zurück. Es i&#x017F;t klug und ver&#x017F;tändig, vor&#x017F;ichtig und &#x017F;cheu, unter&#x017F;cheidet &#x017F;eine Feinde und Freunde<lb/>
wohl, wird durch Erfahrung gewitzigt und zeigt viel Ge&#x017F;chick, &#x017F;ich in ver&#x017F;chiedene Lagen des<lb/>
Lebens zu fügen. Es i&#x017F;t ge&#x017F;ellig, friedliebend, treu und aufopferungsfähig, äußer&#x017F;t zärtlich gegen<lb/>
den Gatten oder gegen die Kinder, bekundet aber alle die&#x017F;e guten Eigen&#x017F;chaften mehr innerhalb der<lb/>
Familie im &#x017F;treng&#x017F;ten Sinne des Worts als anderen Thieren und &#x017F;elb&#x017F;t anderen der gleichen Art<lb/>
gegenüber. Wenn es gilt, den Be&#x017F;itz zu vertheidigen, kämpft ein Hahn gar wacker mit dem andern,<lb/>
und wenn &#x017F;ich zwei Familien verbinden wollen, geht es ohne Beißereien nicht ab; dagegen nimmt &#x017F;ich<lb/>
eine Familie verwai&#x017F;ter Jungen &#x017F;ehr oft an und die Eltern erzeigen den Fremdlingen die&#x017F;elbe Zärt-<lb/>
lichkeit wie den eigenen Kindern.</p><lb/>
          <p>Mit dem Schmelzen des Schnees regt &#x017F;ich der Paarungstrieb. Schon im Februar &#x017F;prengen<lb/>
&#x017F;ich die Völker, welche während des Winters treu zu&#x017F;ammenhielten, in Paare, und jedes von die&#x017F;en<lb/>
erwählt &#x017F;ich einen ihm pa&#x017F;&#x017F;enden Standort. Tritt nochmals winterliches Wetter ein, &#x017F;o vereinigen<lb/>
&#x017F;ich die Paare wohl auch wieder auf kurze Zeit; jedenfalls aber trifft &#x017F;ie der kommende Frühling<lb/>
vereinzelt. Jetzt vernimmt man in den Morgen- und Abend&#x017F;tunden das herausfordernde Rufen der<lb/>
Hähne, &#x017F;ieht auch wohl zwei von ihnen in ern&#x017F;tem Streite um ein Weibchen begriffen. Dabei<lb/>
&#x017F;pringen beide wie kämpfende Haushähne gegen einander und ver&#x017F;uchen &#x017F;ich mit Krallen und Schnabel<lb/>
gegen&#x017F;eitig zu &#x017F;chädigen. Der Schwächere muß weichen, und der Sieger kehrt frohlockend zur Gattin<lb/>
zurück. Es wird behauptet, daß die einmal ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Ehe eines Paares unauflöslich &#x017F;ei; doch läßt<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chwerlich be&#x017F;timmen, ob der aus &#x017F;olchen Kämpfen hervorgehende Sieger wirklich immer der recht-<lb/>
mäßige Gatte i&#x017F;t, wie man gern annimmt. Das Eine i&#x017F;t freilich richtig, daß &#x017F;ich die wirklich<lb/>
gepaarten Hühner einigermaßen aus dem Lärm der Welt zurückziehen, d. h. daß &#x017F;ich die Hähne mit<lb/>
andern möglich&#x017F;t wenig in Kampf und Streit einla&#x017F;&#x017F;en. Aber nicht die Beweibten &#x017F;ind die Stören-<lb/>
friede, &#x017F;ondern diejenigen, welche auf Freiers Füßen gehen; &#x017F;ie kümmern &#x017F;ich wenig um die Rechte<lb/>
Anderer und &#x017F;ind jederzeit geneigt, ihren Muth und ihre Kampflu&#x017F;t zu erproben. Zuweilen werden<lb/>
die Zänkereien &#x017F;o arg, daß der Waidmann eingreifen muß, um den Frieden herzu&#x017F;tellen.</p><lb/>
          <p>Ende Aprils, gewöhnlich er&#x017F;t Anfangs Mai, beginnt die Henne zu legen. Jhr Ne&#x017F;t i&#x017F;t eine<lb/>
einfache Vertiefung auf dem flachen Boden, welche mit einigen weichen Halmen ausgefüttert und oft<lb/>
an recht unpa&#x017F;&#x017F;enden Plätzen angelegt wird. Bisweilen deckt es ein Bu&#x017F;ch; in den mei&#x017F;ten Fällen<lb/>
aber &#x017F;teht es mitten im frühauf&#x017F;chießenden Getreide, namentlich in Weizen, Erb&#x017F;en und Rüb&#x017F;en, im<lb/>
Klee oder im hohen Gra&#x017F;e der Wie&#x017F;e, auch wohl auf jungen Schlägen am Rande kleiner Feld-<lb/>
hölzer u. &#x017F;. w. Das Gelege zählt neun bis &#x017F;iebzehn Eier; wenig&#x017F;tens nimmt man an, daß diejenigen<lb/>
Ne&#x017F;ter, in denen man mehr fand, nicht von einer einzigen Henne allein benutzt wurden. Hat eine<lb/>
Henne weniger als neun Eier, &#x017F;o läßt &#x017F;ich hieraus, laut <hi rendition="#g">Diezel,</hi> mit Wahr&#x017F;cheinlichkeit folgern, daß<lb/>
das er&#x017F;te Gelege durch irgend einen Zufall verunglückte. Die Eier &#x017F;ind birnförmig, glatt&#x017F;chalig,<lb/>
wenig glänzend und blaßgrünlich braungrau von Farbe. Die Henne brütet ungefähr drei Wochen<lb/>
lang mit unglaublicher Hingebung, &#x017F;o anhaltend, daß ihr nach und nach fa&#x017F;t alle Bauchfedern aus-<lb/>
fallen, und verläßt das Ne&#x017F;t nur &#x017F;olange als unbedingt erforderlich, um die nothwendige Nahrung<lb/>
aufzu&#x017F;uchen. Während &#x017F;ie brütet, weicht das Männchen nicht aus der Nähe, hält vielmehr gute<lb/>
Wacht, warnt die Gattin vor jeder Gefahr, gibt &#x017F;ich auch gewöhnlich die&#x017F;er preis und kehrt, &#x017F;o wie<lb/>
es ver&#x017F;cheucht wurde, wieder zur alten Stelle zurück. Die&#x017F;e Wach&#x017F;amkeit bewahrt die Henne vor den<lb/>
mei&#x017F;ten Gefahren, welche ihr drohen, &#x017F;oweit der Hahn &#x017F;ie zu &#x017F;ichern vermag. Wird die&#x017F;er getödtet, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;teht auch ihr ziemlich &#x017F;icher der Untergang bevor. Fortge&#x017F;etzte Nach&#x017F;tellung kann ein Rebhuhnpaar<lb/>
übrigens, &#x017F;o &#x017F;ehr es die Brut auch liebt, doch vom Ne&#x017F;te ver&#x017F;cheuchen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0427] Rebhuhn. einen Gegner zum Kampfe aufzufordern. Geängſtigte Hühner laſſen ein gellendes „Ripripriprip“ oder ein ſcharrendes „Tärt“ vernehmen; junge piepen wie zahme Küchlein und rufen ſpäter ein von der Stimme der Alten wohl zu unterſcheidendes „Tüpegirr tüp.“ Der Ausdruck der Behaglichkeit iſt ein dumpfes „Kurruck“, der Warnungsruf ein ſanftes „Kurr“. An Sinnesſchärfe und geiſtigen Fähigkeiten ſteht das Rebhuhn hinter den Verwandten ſchwer- lich zurück. Es iſt klug und verſtändig, vorſichtig und ſcheu, unterſcheidet ſeine Feinde und Freunde wohl, wird durch Erfahrung gewitzigt und zeigt viel Geſchick, ſich in verſchiedene Lagen des Lebens zu fügen. Es iſt geſellig, friedliebend, treu und aufopferungsfähig, äußerſt zärtlich gegen den Gatten oder gegen die Kinder, bekundet aber alle dieſe guten Eigenſchaften mehr innerhalb der Familie im ſtrengſten Sinne des Worts als anderen Thieren und ſelbſt anderen der gleichen Art gegenüber. Wenn es gilt, den Beſitz zu vertheidigen, kämpft ein Hahn gar wacker mit dem andern, und wenn ſich zwei Familien verbinden wollen, geht es ohne Beißereien nicht ab; dagegen nimmt ſich eine Familie verwaiſter Jungen ſehr oft an und die Eltern erzeigen den Fremdlingen dieſelbe Zärt- lichkeit wie den eigenen Kindern. Mit dem Schmelzen des Schnees regt ſich der Paarungstrieb. Schon im Februar ſprengen ſich die Völker, welche während des Winters treu zuſammenhielten, in Paare, und jedes von dieſen erwählt ſich einen ihm paſſenden Standort. Tritt nochmals winterliches Wetter ein, ſo vereinigen ſich die Paare wohl auch wieder auf kurze Zeit; jedenfalls aber trifft ſie der kommende Frühling vereinzelt. Jetzt vernimmt man in den Morgen- und Abendſtunden das herausfordernde Rufen der Hähne, ſieht auch wohl zwei von ihnen in ernſtem Streite um ein Weibchen begriffen. Dabei ſpringen beide wie kämpfende Haushähne gegen einander und verſuchen ſich mit Krallen und Schnabel gegenſeitig zu ſchädigen. Der Schwächere muß weichen, und der Sieger kehrt frohlockend zur Gattin zurück. Es wird behauptet, daß die einmal geſchloſſene Ehe eines Paares unauflöslich ſei; doch läßt ſich ſchwerlich beſtimmen, ob der aus ſolchen Kämpfen hervorgehende Sieger wirklich immer der recht- mäßige Gatte iſt, wie man gern annimmt. Das Eine iſt freilich richtig, daß ſich die wirklich gepaarten Hühner einigermaßen aus dem Lärm der Welt zurückziehen, d. h. daß ſich die Hähne mit andern möglichſt wenig in Kampf und Streit einlaſſen. Aber nicht die Beweibten ſind die Stören- friede, ſondern diejenigen, welche auf Freiers Füßen gehen; ſie kümmern ſich wenig um die Rechte Anderer und ſind jederzeit geneigt, ihren Muth und ihre Kampfluſt zu erproben. Zuweilen werden die Zänkereien ſo arg, daß der Waidmann eingreifen muß, um den Frieden herzuſtellen. Ende Aprils, gewöhnlich erſt Anfangs Mai, beginnt die Henne zu legen. Jhr Neſt iſt eine einfache Vertiefung auf dem flachen Boden, welche mit einigen weichen Halmen ausgefüttert und oft an recht unpaſſenden Plätzen angelegt wird. Bisweilen deckt es ein Buſch; in den meiſten Fällen aber ſteht es mitten im frühaufſchießenden Getreide, namentlich in Weizen, Erbſen und Rübſen, im Klee oder im hohen Graſe der Wieſe, auch wohl auf jungen Schlägen am Rande kleiner Feld- hölzer u. ſ. w. Das Gelege zählt neun bis ſiebzehn Eier; wenigſtens nimmt man an, daß diejenigen Neſter, in denen man mehr fand, nicht von einer einzigen Henne allein benutzt wurden. Hat eine Henne weniger als neun Eier, ſo läßt ſich hieraus, laut Diezel, mit Wahrſcheinlichkeit folgern, daß das erſte Gelege durch irgend einen Zufall verunglückte. Die Eier ſind birnförmig, glattſchalig, wenig glänzend und blaßgrünlich braungrau von Farbe. Die Henne brütet ungefähr drei Wochen lang mit unglaublicher Hingebung, ſo anhaltend, daß ihr nach und nach faſt alle Bauchfedern aus- fallen, und verläßt das Neſt nur ſolange als unbedingt erforderlich, um die nothwendige Nahrung aufzuſuchen. Während ſie brütet, weicht das Männchen nicht aus der Nähe, hält vielmehr gute Wacht, warnt die Gattin vor jeder Gefahr, gibt ſich auch gewöhnlich dieſer preis und kehrt, ſo wie es verſcheucht wurde, wieder zur alten Stelle zurück. Dieſe Wachſamkeit bewahrt die Henne vor den meiſten Gefahren, welche ihr drohen, ſoweit der Hahn ſie zu ſichern vermag. Wird dieſer getödtet, ſo ſteht auch ihr ziemlich ſicher der Untergang bevor. Fortgeſetzte Nachſtellung kann ein Rebhuhnpaar übrigens, ſo ſehr es die Brut auch liebt, doch vom Neſte verſcheuchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/427
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/427>, abgerufen am 25.11.2024.