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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
Nach Lindermayer's Beobachtungen legt das Steinhuhn in Griechenland schon Mitte Februars,
nach den Angaben der schweizer Forscher in den Alpen erst Ende Mais, Anfangs Juni und selbst im
Juli seine Eier. Das Nest ist eine einfache Vertiefung, welche unter niedrigen Zwergtannen oder
Gesträuch, unter vorragenden Steinen und an andern geschützten und verborgenen Orten ausgescharrt,
und mit etwas Mos, Heidekraut, Gras und dergleichen ausgekleidet wird. Die Ausfütterung
geschieht im Hochgebirge mit viel größerer Sorgfalt als in tieferen Gegenden und zumal im Süden,
wo die Henne zuweilen eine einfache Mulde im Sande schon für hinreichend hält. Zwölf bis funf-
zehn, auf blaßgelblichweißem Grunde, mit sehr feinen, blaßbräunlichen Strichen gezeichnete Eier
bilden das Gelege. Die Henne brütet ungefähr achtzehn Tage lang sehr eifrig und führt dann die
Küchlein in Gesellschaft ihres Gatten auf die ersten Weideplätze. "Die Jungen", sagt Tschudi,
"haben, wie die Alten, eine außerordentliche Fertigkeit im Verstecken und sind verschwunden, ehe man
sie recht gewahrt. Stört man eine Familie auf, so stürzt sie nach verschiedener Richtung, fast ohne
Flügelschlag mit dem ängstlichen Ruf "Pitschii, pitschii", seitwärts oder abwärts, meist blos vierzig
Schritte weit, und doch ist man nicht im Stande, in den Steinen oder Sträuchern auch nur eines
wieder zu entdecken. Hat aber der Jäger etwas Geduld, und versteht er es, mit einem Lockpfeifchen
den Ruf der Henne nachzuahmen, so sammelt sich bald das ganze Volk der geselligen Thiere wieder."
Jn Griechenland, wo das Steinhuhn, wie überall, ein sehr geschätztes und gesuchtes Wildpret ist, zieht
man schon im Monat Juni zur Jagd desselben aus; diese aber hat, laut Powys, insofern besondere
Schwierigkeit, als das aufgescheuchte Volk sich nach allen Richtungen hin zerstreut, ohne daß eins sich
um das andere zu bekümmern, vielmehr jedes darauf bedacht scheint, sich möglichst schnell und sicher
zu verstecken. Gelingt es dem verfolgten Steinhuhne, einen guten Versteckplatz, eine dichte Hecke z. B.,
aufzufinden, so läßt es sich so leicht nicht wieder auftreiben, und der Jäger hat dann gewöhnlich das
Nachsehen. Da, wo die Hühner häufig sind, gewährt die Jagd aber trotzdem reiche Ausbeute und
großes Vergnügen.

Die leichte Zähmbarkeit des Steinhuhnes ist den Griechen wie den Schweizern, den Jndiern wie
den Persern wohl bekannt; daher findet man gerade diesen Vogel sehr häufig im Käfige. "Es ist
merkwürdig", sagt Schinz, "daß diese wilden Vögel so leicht gezähmt werden können. Sie fressen
oft schon nach wenigen Tagen aus den Händen, lassen sich auch wohl berühren, beißen aber tapfer
und schmerzhaft, wenn man sie fassen will. Gezähmt sind es muntere und schöne Thiere; allein frei
darf man sie nicht laufen lassen, sie fliegen gleich davon, und wenn sie auch den Menschen
nicht mehr scheuen, so fliehen sie doch die Nähe desselben, solange sie können. Andern Vögeln
gegenüber sind sie sehr zänkisch, und mit Hühnern beißen sie sich weidlich herum." Aber die
Männchen kämpfen nicht blos mit fremdartigen Hühnern, sondern auch mit Jhresgleichen, und zwar
auf Leben und Tod. Ein Pärchen verträgt sich, zwei Männchen liegen in beständigem Streit mit
einander, und gar nicht selten beißt eins das andere todt. Diese Unverträglichkeit und Kampflust
war schon den Alten wohl bekannt; denn man hielt die gefangenen Steinhühner hauptsächlich deshalb,
weil man sie zur Belustigung der Zuschauer mit einander kämpfen ließ. Dasselbe geschieht heutigen
Tages noch in Jndien und China: hier werden sehr oft Kämpfe zwischen zwei Steinhühnern
veranstaltet.

Jm Widerspruch zu dem von Schinz Gesagten wird versichert, daß man in Jndien Stein-
hühner in sehr hohem Grade zähmt, ja sie zu förmlichen Hausthieren macht. Sie laufen frei im
Hause herum, gehören förmlich zu der Familie und folgen ihrem Gebieter durch Hof und Garten.
Einzelne dieser Gefangenen werden so dreist, daß sie sich allerlei Neckereien herausnehmen gegen
Fremde oder die Diener des Hauses, deren untergeordnete Stellung sie zu erkennen scheinen. An
der Küste von Vessa und Elata will sie Murhard als wirkliche Hausthiere, welche in der Gefangen-
schaft gezüchtet und von besonderen Hirten zur Weide getrieben werden, kennen gelernt haben. Jn
Griechenland gelten sie als Wesen, welche Schutz gegen Bezauberung gewähren können, und werden
deshalb häufig gefangen gehalten. Hier aber gönnt man ihnen keine Freiheit, sondern sperrt sie in

Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
Nach Lindermayer’s Beobachtungen legt das Steinhuhn in Griechenland ſchon Mitte Februars,
nach den Angaben der ſchweizer Forſcher in den Alpen erſt Ende Mais, Anfangs Juni und ſelbſt im
Juli ſeine Eier. Das Neſt iſt eine einfache Vertiefung, welche unter niedrigen Zwergtannen oder
Geſträuch, unter vorragenden Steinen und an andern geſchützten und verborgenen Orten ausgeſcharrt,
und mit etwas Mos, Heidekraut, Gras und dergleichen ausgekleidet wird. Die Ausfütterung
geſchieht im Hochgebirge mit viel größerer Sorgfalt als in tieferen Gegenden und zumal im Süden,
wo die Henne zuweilen eine einfache Mulde im Sande ſchon für hinreichend hält. Zwölf bis funf-
zehn, auf blaßgelblichweißem Grunde, mit ſehr feinen, blaßbräunlichen Strichen gezeichnete Eier
bilden das Gelege. Die Henne brütet ungefähr achtzehn Tage lang ſehr eifrig und führt dann die
Küchlein in Geſellſchaft ihres Gatten auf die erſten Weideplätze. „Die Jungen“, ſagt Tſchudi,
„haben, wie die Alten, eine außerordentliche Fertigkeit im Verſtecken und ſind verſchwunden, ehe man
ſie recht gewahrt. Stört man eine Familie auf, ſo ſtürzt ſie nach verſchiedener Richtung, faſt ohne
Flügelſchlag mit dem ängſtlichen Ruf „Pitſchii, pitſchii“, ſeitwärts oder abwärts, meiſt blos vierzig
Schritte weit, und doch iſt man nicht im Stande, in den Steinen oder Sträuchern auch nur eines
wieder zu entdecken. Hat aber der Jäger etwas Geduld, und verſteht er es, mit einem Lockpfeifchen
den Ruf der Henne nachzuahmen, ſo ſammelt ſich bald das ganze Volk der geſelligen Thiere wieder.“
Jn Griechenland, wo das Steinhuhn, wie überall, ein ſehr geſchätztes und geſuchtes Wildpret iſt, zieht
man ſchon im Monat Juni zur Jagd deſſelben aus; dieſe aber hat, laut Powys, inſofern beſondere
Schwierigkeit, als das aufgeſcheuchte Volk ſich nach allen Richtungen hin zerſtreut, ohne daß eins ſich
um das andere zu bekümmern, vielmehr jedes darauf bedacht ſcheint, ſich möglichſt ſchnell und ſicher
zu verſtecken. Gelingt es dem verfolgten Steinhuhne, einen guten Verſteckplatz, eine dichte Hecke z. B.,
aufzufinden, ſo läßt es ſich ſo leicht nicht wieder auftreiben, und der Jäger hat dann gewöhnlich das
Nachſehen. Da, wo die Hühner häufig ſind, gewährt die Jagd aber trotzdem reiche Ausbeute und
großes Vergnügen.

Die leichte Zähmbarkeit des Steinhuhnes iſt den Griechen wie den Schweizern, den Jndiern wie
den Perſern wohl bekannt; daher findet man gerade dieſen Vogel ſehr häufig im Käfige. „Es iſt
merkwürdig“, ſagt Schinz, „daß dieſe wilden Vögel ſo leicht gezähmt werden können. Sie freſſen
oft ſchon nach wenigen Tagen aus den Händen, laſſen ſich auch wohl berühren, beißen aber tapfer
und ſchmerzhaft, wenn man ſie faſſen will. Gezähmt ſind es muntere und ſchöne Thiere; allein frei
darf man ſie nicht laufen laſſen, ſie fliegen gleich davon, und wenn ſie auch den Menſchen
nicht mehr ſcheuen, ſo fliehen ſie doch die Nähe deſſelben, ſolange ſie können. Andern Vögeln
gegenüber ſind ſie ſehr zänkiſch, und mit Hühnern beißen ſie ſich weidlich herum.“ Aber die
Männchen kämpfen nicht blos mit fremdartigen Hühnern, ſondern auch mit Jhresgleichen, und zwar
auf Leben und Tod. Ein Pärchen verträgt ſich, zwei Männchen liegen in beſtändigem Streit mit
einander, und gar nicht ſelten beißt eins das andere todt. Dieſe Unverträglichkeit und Kampfluſt
war ſchon den Alten wohl bekannt; denn man hielt die gefangenen Steinhühner hauptſächlich deshalb,
weil man ſie zur Beluſtigung der Zuſchauer mit einander kämpfen ließ. Daſſelbe geſchieht heutigen
Tages noch in Jndien und China: hier werden ſehr oft Kämpfe zwiſchen zwei Steinhühnern
veranſtaltet.

Jm Widerſpruch zu dem von Schinz Geſagten wird verſichert, daß man in Jndien Stein-
hühner in ſehr hohem Grade zähmt, ja ſie zu förmlichen Hausthieren macht. Sie laufen frei im
Hauſe herum, gehören förmlich zu der Familie und folgen ihrem Gebieter durch Hof und Garten.
Einzelne dieſer Gefangenen werden ſo dreiſt, daß ſie ſich allerlei Neckereien herausnehmen gegen
Fremde oder die Diener des Hauſes, deren untergeordnete Stellung ſie zu erkennen ſcheinen. An
der Küſte von Veſſa und Elata will ſie Murhard als wirkliche Hausthiere, welche in der Gefangen-
ſchaft gezüchtet und von beſonderen Hirten zur Weide getrieben werden, kennen gelernt haben. Jn
Griechenland gelten ſie als Weſen, welche Schutz gegen Bezauberung gewähren können, und werden
deshalb häufig gefangen gehalten. Hier aber gönnt man ihnen keine Freiheit, ſondern ſperrt ſie in

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[390/0418] Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner. Nach Lindermayer’s Beobachtungen legt das Steinhuhn in Griechenland ſchon Mitte Februars, nach den Angaben der ſchweizer Forſcher in den Alpen erſt Ende Mais, Anfangs Juni und ſelbſt im Juli ſeine Eier. Das Neſt iſt eine einfache Vertiefung, welche unter niedrigen Zwergtannen oder Geſträuch, unter vorragenden Steinen und an andern geſchützten und verborgenen Orten ausgeſcharrt, und mit etwas Mos, Heidekraut, Gras und dergleichen ausgekleidet wird. Die Ausfütterung geſchieht im Hochgebirge mit viel größerer Sorgfalt als in tieferen Gegenden und zumal im Süden, wo die Henne zuweilen eine einfache Mulde im Sande ſchon für hinreichend hält. Zwölf bis funf- zehn, auf blaßgelblichweißem Grunde, mit ſehr feinen, blaßbräunlichen Strichen gezeichnete Eier bilden das Gelege. Die Henne brütet ungefähr achtzehn Tage lang ſehr eifrig und führt dann die Küchlein in Geſellſchaft ihres Gatten auf die erſten Weideplätze. „Die Jungen“, ſagt Tſchudi, „haben, wie die Alten, eine außerordentliche Fertigkeit im Verſtecken und ſind verſchwunden, ehe man ſie recht gewahrt. Stört man eine Familie auf, ſo ſtürzt ſie nach verſchiedener Richtung, faſt ohne Flügelſchlag mit dem ängſtlichen Ruf „Pitſchii, pitſchii“, ſeitwärts oder abwärts, meiſt blos vierzig Schritte weit, und doch iſt man nicht im Stande, in den Steinen oder Sträuchern auch nur eines wieder zu entdecken. Hat aber der Jäger etwas Geduld, und verſteht er es, mit einem Lockpfeifchen den Ruf der Henne nachzuahmen, ſo ſammelt ſich bald das ganze Volk der geſelligen Thiere wieder.“ Jn Griechenland, wo das Steinhuhn, wie überall, ein ſehr geſchätztes und geſuchtes Wildpret iſt, zieht man ſchon im Monat Juni zur Jagd deſſelben aus; dieſe aber hat, laut Powys, inſofern beſondere Schwierigkeit, als das aufgeſcheuchte Volk ſich nach allen Richtungen hin zerſtreut, ohne daß eins ſich um das andere zu bekümmern, vielmehr jedes darauf bedacht ſcheint, ſich möglichſt ſchnell und ſicher zu verſtecken. Gelingt es dem verfolgten Steinhuhne, einen guten Verſteckplatz, eine dichte Hecke z. B., aufzufinden, ſo läßt es ſich ſo leicht nicht wieder auftreiben, und der Jäger hat dann gewöhnlich das Nachſehen. Da, wo die Hühner häufig ſind, gewährt die Jagd aber trotzdem reiche Ausbeute und großes Vergnügen. Die leichte Zähmbarkeit des Steinhuhnes iſt den Griechen wie den Schweizern, den Jndiern wie den Perſern wohl bekannt; daher findet man gerade dieſen Vogel ſehr häufig im Käfige. „Es iſt merkwürdig“, ſagt Schinz, „daß dieſe wilden Vögel ſo leicht gezähmt werden können. Sie freſſen oft ſchon nach wenigen Tagen aus den Händen, laſſen ſich auch wohl berühren, beißen aber tapfer und ſchmerzhaft, wenn man ſie faſſen will. Gezähmt ſind es muntere und ſchöne Thiere; allein frei darf man ſie nicht laufen laſſen, ſie fliegen gleich davon, und wenn ſie auch den Menſchen nicht mehr ſcheuen, ſo fliehen ſie doch die Nähe deſſelben, ſolange ſie können. Andern Vögeln gegenüber ſind ſie ſehr zänkiſch, und mit Hühnern beißen ſie ſich weidlich herum.“ Aber die Männchen kämpfen nicht blos mit fremdartigen Hühnern, ſondern auch mit Jhresgleichen, und zwar auf Leben und Tod. Ein Pärchen verträgt ſich, zwei Männchen liegen in beſtändigem Streit mit einander, und gar nicht ſelten beißt eins das andere todt. Dieſe Unverträglichkeit und Kampfluſt war ſchon den Alten wohl bekannt; denn man hielt die gefangenen Steinhühner hauptſächlich deshalb, weil man ſie zur Beluſtigung der Zuſchauer mit einander kämpfen ließ. Daſſelbe geſchieht heutigen Tages noch in Jndien und China: hier werden ſehr oft Kämpfe zwiſchen zwei Steinhühnern veranſtaltet. Jm Widerſpruch zu dem von Schinz Geſagten wird verſichert, daß man in Jndien Stein- hühner in ſehr hohem Grade zähmt, ja ſie zu förmlichen Hausthieren macht. Sie laufen frei im Hauſe herum, gehören förmlich zu der Familie und folgen ihrem Gebieter durch Hof und Garten. Einzelne dieſer Gefangenen werden ſo dreiſt, daß ſie ſich allerlei Neckereien herausnehmen gegen Fremde oder die Diener des Hauſes, deren untergeordnete Stellung ſie zu erkennen ſcheinen. An der Küſte von Veſſa und Elata will ſie Murhard als wirkliche Hausthiere, welche in der Gefangen- ſchaft gezüchtet und von beſonderen Hirten zur Weide getrieben werden, kennen gelernt haben. Jn Griechenland gelten ſie als Weſen, welche Schutz gegen Bezauberung gewähren können, und werden deshalb häufig gefangen gehalten. Hier aber gönnt man ihnen keine Freiheit, ſondern ſperrt ſie in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/418>, abgerufen am 22.11.2024.