Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Alpenschneehuhn.

Das Alpenschneehuhn unterscheidet sich in seiner Lebensweise auffallend von seinen Ver-
wandten. Sein Wesen ist ruhiger, weil seine Fähigkeiten geringer zu sein scheinen. Jm Laufen
und im Fliegen kommt es mit ihnen so ziemlich überein, ja diese Bewegungen sind vielleicht noch
leichter als beim Morastschneehuhne. Aber nur selten fliegt das Alpenschneehuhn weit in einem
Zuge, da, wo es noch nicht verfolgt wurde, niemals. Schinz und Tschudi haben gefunden, daß
der Flug Aehnlichkeit mit dem Taubenfluge habe; ich meines Theils bin durch die von mir Beobach-
teten niemals an Tauben erinnert worden: ich habe sie eben nur mit dem Morastschneehuhne ver-
gleichen können. Jn einer Fertigkeit scheint unser Huhn seine Verwandten entschieden zu über-
treffen: es ist ein recht guter Schwimmer. "Jch habe mehrmals bemerkt", sagt Holboell, "daß
das Schneehuhn nicht allein im Nothfall schwimmen kann, sondern zuweilen selbst ohne solchen
Grund schwimmt. Jm September 1825 lag ich mit einer Galeasse auf der sogenannten Süd-
ostbucht bei Grönland; wir hatten einige Tage Nebel, und mehrere Schneehühner kamen auf das
Schiff. Eines von ihnen flog so gegen das Segel, daß es ins Wasser fiel. Jch ließ, da es fast
stilles Wetter war, ein Boot aussetzen, in der Meinung, es werde mir zur Beute werden; aber es
erhob sich mit größter Leichtigkeit vom Wasser und flog davon. Jm nächsten Winter sah ich bei zehn
Grad Kälte zwei Schneehühner von den Udkigsfelsen bei Godhavn herabfliegen und sich ohne
Bedenken auf das Wasser setzen. Gleichfalls habe ich Schneehühner in einem kleinen Gebirgswasser
sich baden und auf selbigem herumschwimmen sehen."

Die Stimme ist von der des Morasthuhnes auffallend verschieden und höchst eigenthümlich.
Es scheint aber, als ob die nordischen Arten ganz andere Laute hören lassen wie die südlichen.
"Bei starkem Nebelwetter", sagt Schinz, "oder wenn Schnee oder Regen fallen will, schreien die
Alpenschneehühner unaufhörlich "Krögögögöögrö", oder auch "Oenö- göö, önö, göö". Dagegen
wenn sie ihre Jungen locken oder einen Raubvogel erblicken, so schreien die Alten mehr "Gä-gä,
gagää", und die Jungen "Zip, zip, zip." Solche Laute habe ich nie vernommen, vielmehr, ebenso
wie andere Beobachter, nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes
"Aah", mit dem sich übrigens noch ein Schnarren verbindet, welches sich mit Buchstaben wohl kaum
ausdrücken läßt. Faber, Holboell und Krüper übersetzen diesen Laut durch "Arrr" oder
"Orrr"; ich meine aber, daß man den R-Laut nicht so deutlich vernimmt, wie dadurch angedeutet
werden soll. Den Lockruf des Weibchens ahmte mein norwegischer Jäger durch einen Laut nach,
welcher an das Miauen junger Katzen erinnert, und ungefähr "Min", aber so eigenthümlich klingt,
daß auch mir Buchstaben mangeln, um ihn treu wiederzugeben.

Gelegentlich der Schilderung seiner ersten Jagd auf Alpenschneehühner bemerkt Boje: "Sie
erwarteten auf dem mit Alpenpflanzen sparsam bewachsenen Felsen wie versteinert die Herankunft
des Jägers und entflohen dann ohne Geschrei mit geräuschvollem Flügelschlage"; später sagt er:
"Die unbeschreibliche Trägheit dieser Vögel sticht sonderbar gegen die Morastschneehühner ab. Die
Männchen scheinen den ganzen Tag lang in der Nähe ihrer brütenden Weibchen still zu sitzen, und
zwar stets auf den höchsten, abhängigsten Plätzen, als erfreuten sie sich neben dem Abgrunde der
fernsten Aussicht". Faber bezeichnet das isländische Alpenschneehuhn als "außerordentlich und sicher
dumm", Holboell das grönländische als "sehr einfältig". Jch habe bei Niederschrift meiner Beob-
achtungen fast dieselben Worte gebraucht, wie Boje: "Die beiden ersten Männchen, welche ich erlegte
waren merkwürdig unvorsichtig, sie zeigten nicht die geringste Scheu, sondern erwarteten den Jäger,
scheinbar mit dem höchsten Erstaunen, ohne wegzufliegen." Jn der Schweiz betragen sich unsere Hühner
nicht anders: "Bei Nebelwetter", bemerkt Schinz, "laufen sie am meisten auf dem Boden herum
und glauben sich vor allen Nachstellungen am sichersten; aber auch bei warmem Sonnenscheine sind sie
sehr zahm." "Sie lassen dann", wie Tschudi hinzufügt, "auf offenen Gipfeln den Menschen oft bis
auf zehn Schritt nahe kommen." Bei kaltem Wetter sollen sie scheuer sein, wahrscheinlich schon
deshalb mit, weil sie im Winter sich zu größeren Scharen vereinigen.

Alpenſchneehuhn.

Das Alpenſchneehuhn unterſcheidet ſich in ſeiner Lebensweiſe auffallend von ſeinen Ver-
wandten. Sein Weſen iſt ruhiger, weil ſeine Fähigkeiten geringer zu ſein ſcheinen. Jm Laufen
und im Fliegen kommt es mit ihnen ſo ziemlich überein, ja dieſe Bewegungen ſind vielleicht noch
leichter als beim Moraſtſchneehuhne. Aber nur ſelten fliegt das Alpenſchneehuhn weit in einem
Zuge, da, wo es noch nicht verfolgt wurde, niemals. Schinz und Tſchudi haben gefunden, daß
der Flug Aehnlichkeit mit dem Taubenfluge habe; ich meines Theils bin durch die von mir Beobach-
teten niemals an Tauben erinnert worden: ich habe ſie eben nur mit dem Moraſtſchneehuhne ver-
gleichen können. Jn einer Fertigkeit ſcheint unſer Huhn ſeine Verwandten entſchieden zu über-
treffen: es iſt ein recht guter Schwimmer. „Jch habe mehrmals bemerkt“, ſagt Holboell, „daß
das Schneehuhn nicht allein im Nothfall ſchwimmen kann, ſondern zuweilen ſelbſt ohne ſolchen
Grund ſchwimmt. Jm September 1825 lag ich mit einer Galeaſſe auf der ſogenannten Süd-
oſtbucht bei Grönland; wir hatten einige Tage Nebel, und mehrere Schneehühner kamen auf das
Schiff. Eines von ihnen flog ſo gegen das Segel, daß es ins Waſſer fiel. Jch ließ, da es faſt
ſtilles Wetter war, ein Boot ausſetzen, in der Meinung, es werde mir zur Beute werden; aber es
erhob ſich mit größter Leichtigkeit vom Waſſer und flog davon. Jm nächſten Winter ſah ich bei zehn
Grad Kälte zwei Schneehühner von den Udkigsfelſen bei Godhavn herabfliegen und ſich ohne
Bedenken auf das Waſſer ſetzen. Gleichfalls habe ich Schneehühner in einem kleinen Gebirgswaſſer
ſich baden und auf ſelbigem herumſchwimmen ſehen.“

Die Stimme iſt von der des Moraſthuhnes auffallend verſchieden und höchſt eigenthümlich.
Es ſcheint aber, als ob die nordiſchen Arten ganz andere Laute hören laſſen wie die ſüdlichen.
„Bei ſtarkem Nebelwetter“, ſagt Schinz, „oder wenn Schnee oder Regen fallen will, ſchreien die
Alpenſchneehühner unaufhörlich „Krögögögöögrö“, oder auch „Oenö- göö, önö, göö“. Dagegen
wenn ſie ihre Jungen locken oder einen Raubvogel erblicken, ſo ſchreien die Alten mehr „Gä-gä,
gagää“, und die Jungen „Zip, zip, zip.“ Solche Laute habe ich nie vernommen, vielmehr, ebenſo
wie andere Beobachter, nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes
„Aah“, mit dem ſich übrigens noch ein Schnarren verbindet, welches ſich mit Buchſtaben wohl kaum
ausdrücken läßt. Faber, Holboell und Krüper überſetzen dieſen Laut durch „Arrr“ oder
„Orrr“; ich meine aber, daß man den R-Laut nicht ſo deutlich vernimmt, wie dadurch angedeutet
werden ſoll. Den Lockruf des Weibchens ahmte mein norwegiſcher Jäger durch einen Laut nach,
welcher an das Miauen junger Katzen erinnert, und ungefähr „Min“, aber ſo eigenthümlich klingt,
daß auch mir Buchſtaben mangeln, um ihn treu wiederzugeben.

Gelegentlich der Schilderung ſeiner erſten Jagd auf Alpenſchneehühner bemerkt Boje: „Sie
erwarteten auf dem mit Alpenpflanzen ſparſam bewachſenen Felſen wie verſteinert die Herankunft
des Jägers und entflohen dann ohne Geſchrei mit geräuſchvollem Flügelſchlage“; ſpäter ſagt er:
„Die unbeſchreibliche Trägheit dieſer Vögel ſticht ſonderbar gegen die Moraſtſchneehühner ab. Die
Männchen ſcheinen den ganzen Tag lang in der Nähe ihrer brütenden Weibchen ſtill zu ſitzen, und
zwar ſtets auf den höchſten, abhängigſten Plätzen, als erfreuten ſie ſich neben dem Abgrunde der
fernſten Ausſicht“. Faber bezeichnet das isländiſche Alpenſchneehuhn als „außerordentlich und ſicher
dumm“, Holboell das grönländiſche als „ſehr einfältig“. Jch habe bei Niederſchrift meiner Beob-
achtungen faſt dieſelben Worte gebraucht, wie Boje: „Die beiden erſten Männchen, welche ich erlegte
waren merkwürdig unvorſichtig, ſie zeigten nicht die geringſte Scheu, ſondern erwarteten den Jäger,
ſcheinbar mit dem höchſten Erſtaunen, ohne wegzufliegen.“ Jn der Schweiz betragen ſich unſere Hühner
nicht anders: „Bei Nebelwetter“, bemerkt Schinz, „laufen ſie am meiſten auf dem Boden herum
und glauben ſich vor allen Nachſtellungen am ſicherſten; aber auch bei warmem Sonnenſcheine ſind ſie
ſehr zahm.“ „Sie laſſen dann“, wie Tſchudi hinzufügt, „auf offenen Gipfeln den Menſchen oft bis
auf zehn Schritt nahe kommen.“ Bei kaltem Wetter ſollen ſie ſcheuer ſein, wahrſcheinlich ſchon
deshalb mit, weil ſie im Winter ſich zu größeren Scharen vereinigen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0407" n="379"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Alpen&#x017F;chneehuhn.</hi> </fw><lb/>
          <p>Das Alpen&#x017F;chneehuhn unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich in &#x017F;einer Lebenswei&#x017F;e auffallend von &#x017F;einen Ver-<lb/>
wandten. Sein We&#x017F;en i&#x017F;t ruhiger, weil &#x017F;eine Fähigkeiten geringer zu &#x017F;ein &#x017F;cheinen. Jm Laufen<lb/>
und im Fliegen kommt es mit ihnen &#x017F;o ziemlich überein, ja die&#x017F;e Bewegungen &#x017F;ind vielleicht noch<lb/>
leichter als beim Mora&#x017F;t&#x017F;chneehuhne. Aber nur &#x017F;elten fliegt das Alpen&#x017F;chneehuhn weit in einem<lb/>
Zuge, da, wo es noch nicht verfolgt wurde, niemals. <hi rendition="#g">Schinz</hi> und <hi rendition="#g">T&#x017F;chudi</hi> haben gefunden, daß<lb/>
der Flug Aehnlichkeit mit dem Taubenfluge habe; ich meines Theils bin durch die von mir Beobach-<lb/>
teten niemals an Tauben erinnert worden: ich habe &#x017F;ie eben nur mit dem Mora&#x017F;t&#x017F;chneehuhne ver-<lb/>
gleichen können. Jn einer Fertigkeit &#x017F;cheint un&#x017F;er Huhn &#x017F;eine Verwandten ent&#x017F;chieden zu über-<lb/>
treffen: es i&#x017F;t ein recht guter Schwimmer. &#x201E;Jch habe mehrmals bemerkt&#x201C;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Holboell,</hi> &#x201E;daß<lb/>
das Schneehuhn nicht allein im Nothfall &#x017F;chwimmen kann, &#x017F;ondern zuweilen &#x017F;elb&#x017F;t ohne &#x017F;olchen<lb/>
Grund &#x017F;chwimmt. Jm September 1825 lag ich mit einer Galea&#x017F;&#x017F;e auf der &#x017F;ogenannten Süd-<lb/>
o&#x017F;tbucht bei Grönland; wir hatten einige Tage Nebel, und mehrere Schneehühner kamen auf das<lb/>
Schiff. Eines von ihnen flog &#x017F;o gegen das Segel, daß es ins Wa&#x017F;&#x017F;er fiel. Jch ließ, da es fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;tilles Wetter war, ein Boot aus&#x017F;etzen, in der Meinung, es werde mir zur Beute werden; aber es<lb/>
erhob &#x017F;ich mit größter Leichtigkeit vom Wa&#x017F;&#x017F;er und flog davon. Jm näch&#x017F;ten Winter &#x017F;ah ich bei zehn<lb/>
Grad Kälte zwei Schneehühner von den Udkigsfel&#x017F;en bei Godhavn herabfliegen und &#x017F;ich ohne<lb/>
Bedenken auf das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;etzen. Gleichfalls habe ich Schneehühner in einem kleinen Gebirgswa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ich baden und auf &#x017F;elbigem herum&#x017F;chwimmen &#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Stimme i&#x017F;t von der des Mora&#x017F;thuhnes auffallend ver&#x017F;chieden und höch&#x017F;t eigenthümlich.<lb/>
Es &#x017F;cheint aber, als ob die nordi&#x017F;chen Arten ganz andere Laute hören la&#x017F;&#x017F;en wie die &#x017F;üdlichen.<lb/>
&#x201E;Bei &#x017F;tarkem Nebelwetter&#x201C;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Schinz,</hi> &#x201E;oder wenn Schnee oder Regen fallen will, &#x017F;chreien die<lb/>
Alpen&#x017F;chneehühner unaufhörlich &#x201E;Krögögögöögrö&#x201C;, oder auch &#x201E;Oenö- göö, önö, göö&#x201C;. Dagegen<lb/>
wenn &#x017F;ie ihre Jungen locken oder einen Raubvogel erblicken, &#x017F;o &#x017F;chreien die Alten mehr &#x201E;Gä-gä,<lb/>
gagää&#x201C;, und die Jungen &#x201E;Zip, zip, zip.&#x201C; Solche Laute habe ich nie vernommen, vielmehr, eben&#x017F;o<lb/>
wie andere Beobachter, nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes<lb/>
&#x201E;Aah&#x201C;, mit dem &#x017F;ich übrigens noch ein Schnarren verbindet, welches &#x017F;ich mit Buch&#x017F;taben wohl kaum<lb/>
ausdrücken läßt. <hi rendition="#g">Faber, Holboell</hi> und <hi rendition="#g">Krüper</hi> über&#x017F;etzen die&#x017F;en Laut durch &#x201E;Arrr&#x201C; oder<lb/>
&#x201E;Orrr&#x201C;; ich meine aber, daß man den R-Laut nicht &#x017F;o deutlich vernimmt, wie dadurch angedeutet<lb/>
werden &#x017F;oll. Den Lockruf des Weibchens ahmte mein norwegi&#x017F;cher Jäger durch einen Laut nach,<lb/>
welcher an das Miauen junger Katzen erinnert, und ungefähr &#x201E;Min&#x201C;, aber &#x017F;o eigenthümlich klingt,<lb/>
daß auch mir Buch&#x017F;taben mangeln, um ihn treu wiederzugeben.</p><lb/>
          <p>Gelegentlich der Schilderung &#x017F;einer er&#x017F;ten Jagd auf Alpen&#x017F;chneehühner bemerkt <hi rendition="#g">Boje:</hi> &#x201E;Sie<lb/>
erwarteten auf dem mit Alpenpflanzen &#x017F;par&#x017F;am bewach&#x017F;enen Fel&#x017F;en wie ver&#x017F;teinert die Herankunft<lb/>
des Jägers und entflohen dann ohne Ge&#x017F;chrei mit geräu&#x017F;chvollem Flügel&#x017F;chlage&#x201C;; &#x017F;päter &#x017F;agt er:<lb/>
&#x201E;Die unbe&#x017F;chreibliche Trägheit die&#x017F;er Vögel &#x017F;ticht &#x017F;onderbar gegen die Mora&#x017F;t&#x017F;chneehühner ab. Die<lb/>
Männchen &#x017F;cheinen den ganzen Tag lang in der Nähe ihrer brütenden Weibchen &#x017F;till zu &#x017F;itzen, und<lb/>
zwar &#x017F;tets auf den höch&#x017F;ten, abhängig&#x017F;ten Plätzen, als erfreuten &#x017F;ie &#x017F;ich neben dem Abgrunde der<lb/>
fern&#x017F;ten Aus&#x017F;icht&#x201C;. <hi rendition="#g">Faber</hi> bezeichnet das isländi&#x017F;che Alpen&#x017F;chneehuhn als &#x201E;außerordentlich und &#x017F;icher<lb/>
dumm&#x201C;, <hi rendition="#g">Holboell</hi> das grönländi&#x017F;che als &#x201E;&#x017F;ehr einfältig&#x201C;. Jch habe bei Nieder&#x017F;chrift meiner Beob-<lb/>
achtungen fa&#x017F;t die&#x017F;elben Worte gebraucht, wie <hi rendition="#g">Boje:</hi> &#x201E;Die beiden er&#x017F;ten Männchen, welche ich erlegte<lb/>
waren merkwürdig unvor&#x017F;ichtig, &#x017F;ie zeigten nicht die gering&#x017F;te Scheu, &#x017F;ondern erwarteten den Jäger,<lb/>
&#x017F;cheinbar mit dem höch&#x017F;ten Er&#x017F;taunen, ohne wegzufliegen.&#x201C; Jn der Schweiz betragen &#x017F;ich un&#x017F;ere Hühner<lb/>
nicht anders: &#x201E;Bei Nebelwetter&#x201C;, bemerkt <hi rendition="#g">Schinz,</hi> &#x201E;laufen &#x017F;ie am mei&#x017F;ten auf dem Boden herum<lb/>
und glauben &#x017F;ich vor allen Nach&#x017F;tellungen am &#x017F;icher&#x017F;ten; aber auch bei warmem Sonnen&#x017F;cheine &#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ehr zahm.&#x201C; &#x201E;Sie la&#x017F;&#x017F;en dann&#x201C;, wie <hi rendition="#g">T&#x017F;chudi</hi> hinzufügt, &#x201E;auf offenen Gipfeln den Men&#x017F;chen oft bis<lb/>
auf zehn Schritt nahe kommen.&#x201C; Bei kaltem Wetter &#x017F;ollen &#x017F;ie &#x017F;cheuer &#x017F;ein, wahr&#x017F;cheinlich &#x017F;chon<lb/>
deshalb mit, weil &#x017F;ie im Winter &#x017F;ich zu größeren Scharen vereinigen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0407] Alpenſchneehuhn. Das Alpenſchneehuhn unterſcheidet ſich in ſeiner Lebensweiſe auffallend von ſeinen Ver- wandten. Sein Weſen iſt ruhiger, weil ſeine Fähigkeiten geringer zu ſein ſcheinen. Jm Laufen und im Fliegen kommt es mit ihnen ſo ziemlich überein, ja dieſe Bewegungen ſind vielleicht noch leichter als beim Moraſtſchneehuhne. Aber nur ſelten fliegt das Alpenſchneehuhn weit in einem Zuge, da, wo es noch nicht verfolgt wurde, niemals. Schinz und Tſchudi haben gefunden, daß der Flug Aehnlichkeit mit dem Taubenfluge habe; ich meines Theils bin durch die von mir Beobach- teten niemals an Tauben erinnert worden: ich habe ſie eben nur mit dem Moraſtſchneehuhne ver- gleichen können. Jn einer Fertigkeit ſcheint unſer Huhn ſeine Verwandten entſchieden zu über- treffen: es iſt ein recht guter Schwimmer. „Jch habe mehrmals bemerkt“, ſagt Holboell, „daß das Schneehuhn nicht allein im Nothfall ſchwimmen kann, ſondern zuweilen ſelbſt ohne ſolchen Grund ſchwimmt. Jm September 1825 lag ich mit einer Galeaſſe auf der ſogenannten Süd- oſtbucht bei Grönland; wir hatten einige Tage Nebel, und mehrere Schneehühner kamen auf das Schiff. Eines von ihnen flog ſo gegen das Segel, daß es ins Waſſer fiel. Jch ließ, da es faſt ſtilles Wetter war, ein Boot ausſetzen, in der Meinung, es werde mir zur Beute werden; aber es erhob ſich mit größter Leichtigkeit vom Waſſer und flog davon. Jm nächſten Winter ſah ich bei zehn Grad Kälte zwei Schneehühner von den Udkigsfelſen bei Godhavn herabfliegen und ſich ohne Bedenken auf das Waſſer ſetzen. Gleichfalls habe ich Schneehühner in einem kleinen Gebirgswaſſer ſich baden und auf ſelbigem herumſchwimmen ſehen.“ Die Stimme iſt von der des Moraſthuhnes auffallend verſchieden und höchſt eigenthümlich. Es ſcheint aber, als ob die nordiſchen Arten ganz andere Laute hören laſſen wie die ſüdlichen. „Bei ſtarkem Nebelwetter“, ſagt Schinz, „oder wenn Schnee oder Regen fallen will, ſchreien die Alpenſchneehühner unaufhörlich „Krögögögöögrö“, oder auch „Oenö- göö, önö, göö“. Dagegen wenn ſie ihre Jungen locken oder einen Raubvogel erblicken, ſo ſchreien die Alten mehr „Gä-gä, gagää“, und die Jungen „Zip, zip, zip.“ Solche Laute habe ich nie vernommen, vielmehr, ebenſo wie andere Beobachter, nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes „Aah“, mit dem ſich übrigens noch ein Schnarren verbindet, welches ſich mit Buchſtaben wohl kaum ausdrücken läßt. Faber, Holboell und Krüper überſetzen dieſen Laut durch „Arrr“ oder „Orrr“; ich meine aber, daß man den R-Laut nicht ſo deutlich vernimmt, wie dadurch angedeutet werden ſoll. Den Lockruf des Weibchens ahmte mein norwegiſcher Jäger durch einen Laut nach, welcher an das Miauen junger Katzen erinnert, und ungefähr „Min“, aber ſo eigenthümlich klingt, daß auch mir Buchſtaben mangeln, um ihn treu wiederzugeben. Gelegentlich der Schilderung ſeiner erſten Jagd auf Alpenſchneehühner bemerkt Boje: „Sie erwarteten auf dem mit Alpenpflanzen ſparſam bewachſenen Felſen wie verſteinert die Herankunft des Jägers und entflohen dann ohne Geſchrei mit geräuſchvollem Flügelſchlage“; ſpäter ſagt er: „Die unbeſchreibliche Trägheit dieſer Vögel ſticht ſonderbar gegen die Moraſtſchneehühner ab. Die Männchen ſcheinen den ganzen Tag lang in der Nähe ihrer brütenden Weibchen ſtill zu ſitzen, und zwar ſtets auf den höchſten, abhängigſten Plätzen, als erfreuten ſie ſich neben dem Abgrunde der fernſten Ausſicht“. Faber bezeichnet das isländiſche Alpenſchneehuhn als „außerordentlich und ſicher dumm“, Holboell das grönländiſche als „ſehr einfältig“. Jch habe bei Niederſchrift meiner Beob- achtungen faſt dieſelben Worte gebraucht, wie Boje: „Die beiden erſten Männchen, welche ich erlegte waren merkwürdig unvorſichtig, ſie zeigten nicht die geringſte Scheu, ſondern erwarteten den Jäger, ſcheinbar mit dem höchſten Erſtaunen, ohne wegzufliegen.“ Jn der Schweiz betragen ſich unſere Hühner nicht anders: „Bei Nebelwetter“, bemerkt Schinz, „laufen ſie am meiſten auf dem Boden herum und glauben ſich vor allen Nachſtellungen am ſicherſten; aber auch bei warmem Sonnenſcheine ſind ſie ſehr zahm.“ „Sie laſſen dann“, wie Tſchudi hinzufügt, „auf offenen Gipfeln den Menſchen oft bis auf zehn Schritt nahe kommen.“ Bei kaltem Wetter ſollen ſie ſcheuer ſein, wahrſcheinlich ſchon deshalb mit, weil ſie im Winter ſich zu größeren Scharen vereinigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/407
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/407>, abgerufen am 22.11.2024.