hinauf verirrt er sich zuweilen weit über die Grenzen seines eigentlichen Verbreitungsgebiets: so kommt er, wie ich aus eigener Erfahrung verbürgen kann, einzeln noch auf den Loffoden vor. Jn Deutschland ist er Zugvogel, welcher in den letzten Tagen des März einzeln oder paarweise ankommt und Ende Augusts und Anfangs September familienweise langsam wieder nach Süden reist; schon in Nordostafrika aber wandert er nicht mehr, sondern streicht höchstens im Lande auf und nieder. Doch trifft man ihn noch überall in Ost-Sudahn an, und ebenso gehört er unter die regelmäßigen Winter- gäste Jndiens.
Bei uns bevorzugt er Ebenen, welche mehr oder weniger dicht mit Bäumen bestanden sind. Gegenden, in denen Felder und Wiesen mit kleinen Wäldchen abwechseln, oder solche, wo alte Bäume einzeln inmitten der Feldmarken stehen, sagen ihm besonders zu. Jn Südeuropa treibt er sich vorzugsweise in den Weinbergen herum; in Afrika ist er in jedem Dorfe, ja selbst inmitten der Städte zu finden: Nordostafrika ist, wie ich schon früher gesagt habe, ein überaus gün- stiges Gebiet für den Wiedehopf. Er findet so recht eigentlich Alles, was sein Herz sich wünscht. Nicht das Vieh ist es, welches hier für die Nahrung des schmuzigen Gesellen sorgt, sondern der Mensch. So fleißig auch die Geier sind -- allen Unrath können sie doch nicht abräumen und genug bleibt übrig für diejenigen Vögel, welche wie der allbekannte, durch mancherlei Sagen verherr- lichte "Hudhud" Kothhaufen als höchst erquickliche Gegenstände betrachten. Jn Egypten ist der Wiedehopf überall gemein; denn allerorten gibt es für ihn reichliche Beschäftigung. Die schamlose Ungezwungenheit der Araber richtet ihm jeden Winkel zu einem vielversprechenden Nahrungsfelde her, und die Gutmüthigkeit oder wohl richtiger die Gleichgiltigkeit der Leute erlaubt ihm, sein Geschäft durchaus ungestört zu betreiben. Unbekümmert um den Menschen, welcher sich gerade anschickt, den Mistkäfern und Aasfliegen auch Etwas verdienen zu lassen, treibt sich der Vogel auf der ihm wohl bekannten Unrathstätte umher; ja, er kennt das Wesen seines hauptsächlichsten Ernährers so genau, daß er geradezu in dessen Wohnung sich ansiedelt und in irgend einem Mauerloche seine stinkende Kinderschar heranzieht. Man braucht blos aus dem-Fenster seines Hauses hinab in den Hof oder in den Garten zu sehen, wenn man den Wiedehopf beobachten will; man braucht blos durch das Dorf zu gehen: das "Hudhud" tönt Einem überall entgegen, von den Häusern herab, aus den Baumkronen, von der halb zerrissenen Lehmmauer oder von einem widerlich duftenden Erdhügel, hinter einer nicht allen Blicken ausgesetzten Mauer. Es scheint fast, als legten die Araber eine besondere Hochachtung gegen den Wiedehopf an den Tag, als wären sie sich es bewußt, daß er bei all seiner Unreinlichkeit doch noch immer nicht so schmuzig ist, wie sie.
Der Wiedehopf ist ein sehr unterhaltender Vogel. Sein Betragen hat etwas durchaus Eigen- thümliches, aber Angenehmes. Bei uns zu Lande ist er vorsichtig und scheu, weicht dem Menschen oft weit aus und vertraut eigentlich nur dem Kuhhirten, dessen Herde für seinen Unter- halt sorgt; im Süden hat er sich auf das innigste mit dem Menschen befreundet und treibt seine tausend Possen unmittelbar vor dessen Augen. Aber auch hier wird vorkommenden Falls der Grund- zug seines Wesens, eine grenzenlose Furcht, bemerklich. Der Vogel ist klug genug, um sich voll- kommen sicher zu fühlen, wenn er einen Menschen oder ein Hausthier gewöhnlichen Schlages gewahr wird; aber schon ein Hund macht ihn bedenklich, eine Katze fordert seine Vorsicht heraus, und eine vorüberfliegende Krähe erregt Besorgniß, einer der überall gegenwärtigen Schmarotzermilane aber oder ein harmloser Schmuzgeier ruft einen namenlosen Schrecken hervor. Er stürzt sich dann augen- blicklich auf den Boden nieder, breitet den Schwanz und die Flügel kreisförmig aus, biegt den Kopf zurück, streckt den Schnabel in die Höhe und verharrt in dieser Stellung, welche Täuschung des Räubers bezweckt, bis alle Gefahr vorüber scheint. Naumann behauptet, daß ihn jede nahe und schnell über ihn hinwegfliegende Schwalbe erschrecke, daß er zusammenfahre und schnell den Federbusch entfalte: in Egypten habe ich so große Aengstlichkeit nie von ihm beobachtet; im übrigen aber beträgt er sich auch hier ganz wie in Deutschland. "Es belustigt ungemein", schildert Naumann, "diesen ängstlichen Vogel ungesehen aus der Nähe beobachten zu können. Alle Augenblicke wird er erschreckt,
Die Späher. Klettervögel. Hopfe.
hinauf verirrt er ſich zuweilen weit über die Grenzen ſeines eigentlichen Verbreitungsgebiets: ſo kommt er, wie ich aus eigener Erfahrung verbürgen kann, einzeln noch auf den Loffoden vor. Jn Deutſchland iſt er Zugvogel, welcher in den letzten Tagen des März einzeln oder paarweiſe ankommt und Ende Auguſts und Anfangs September familienweiſe langſam wieder nach Süden reiſt; ſchon in Nordoſtafrika aber wandert er nicht mehr, ſondern ſtreicht höchſtens im Lande auf und nieder. Doch trifft man ihn noch überall in Oſt-Sudahn an, und ebenſo gehört er unter die regelmäßigen Winter- gäſte Jndiens.
Bei uns bevorzugt er Ebenen, welche mehr oder weniger dicht mit Bäumen beſtanden ſind. Gegenden, in denen Felder und Wieſen mit kleinen Wäldchen abwechſeln, oder ſolche, wo alte Bäume einzeln inmitten der Feldmarken ſtehen, ſagen ihm beſonders zu. Jn Südeuropa treibt er ſich vorzugsweiſe in den Weinbergen herum; in Afrika iſt er in jedem Dorfe, ja ſelbſt inmitten der Städte zu finden: Nordoſtafrika iſt, wie ich ſchon früher geſagt habe, ein überaus gün- ſtiges Gebiet für den Wiedehopf. Er findet ſo recht eigentlich Alles, was ſein Herz ſich wünſcht. Nicht das Vieh iſt es, welches hier für die Nahrung des ſchmuzigen Geſellen ſorgt, ſondern der Menſch. So fleißig auch die Geier ſind — allen Unrath können ſie doch nicht abräumen und genug bleibt übrig für diejenigen Vögel, welche wie der allbekannte, durch mancherlei Sagen verherr- lichte „Hudhud“ Kothhaufen als höchſt erquickliche Gegenſtände betrachten. Jn Egypten iſt der Wiedehopf überall gemein; denn allerorten gibt es für ihn reichliche Beſchäftigung. Die ſchamloſe Ungezwungenheit der Araber richtet ihm jeden Winkel zu einem vielverſprechenden Nahrungsfelde her, und die Gutmüthigkeit oder wohl richtiger die Gleichgiltigkeit der Leute erlaubt ihm, ſein Geſchäft durchaus ungeſtört zu betreiben. Unbekümmert um den Menſchen, welcher ſich gerade anſchickt, den Miſtkäfern und Aasfliegen auch Etwas verdienen zu laſſen, treibt ſich der Vogel auf der ihm wohl bekannten Unrathſtätte umher; ja, er kennt das Weſen ſeines hauptſächlichſten Ernährers ſo genau, daß er geradezu in deſſen Wohnung ſich anſiedelt und in irgend einem Mauerloche ſeine ſtinkende Kinderſchar heranzieht. Man braucht blos aus dem-Fenſter ſeines Hauſes hinab in den Hof oder in den Garten zu ſehen, wenn man den Wiedehopf beobachten will; man braucht blos durch das Dorf zu gehen: das „Hudhud“ tönt Einem überall entgegen, von den Häuſern herab, aus den Baumkronen, von der halb zerriſſenen Lehmmauer oder von einem widerlich duftenden Erdhügel, hinter einer nicht allen Blicken ausgeſetzten Mauer. Es ſcheint faſt, als legten die Araber eine beſondere Hochachtung gegen den Wiedehopf an den Tag, als wären ſie ſich es bewußt, daß er bei all ſeiner Unreinlichkeit doch noch immer nicht ſo ſchmuzig iſt, wie ſie.
Der Wiedehopf iſt ein ſehr unterhaltender Vogel. Sein Betragen hat etwas durchaus Eigen- thümliches, aber Angenehmes. Bei uns zu Lande iſt er vorſichtig und ſcheu, weicht dem Menſchen oft weit aus und vertraut eigentlich nur dem Kuhhirten, deſſen Herde für ſeinen Unter- halt ſorgt; im Süden hat er ſich auf das innigſte mit dem Menſchen befreundet und treibt ſeine tauſend Poſſen unmittelbar vor deſſen Augen. Aber auch hier wird vorkommenden Falls der Grund- zug ſeines Weſens, eine grenzenloſe Furcht, bemerklich. Der Vogel iſt klug genug, um ſich voll- kommen ſicher zu fühlen, wenn er einen Menſchen oder ein Hausthier gewöhnlichen Schlages gewahr wird; aber ſchon ein Hund macht ihn bedenklich, eine Katze fordert ſeine Vorſicht heraus, und eine vorüberfliegende Krähe erregt Beſorgniß, einer der überall gegenwärtigen Schmarotzermilane aber oder ein harmloſer Schmuzgeier ruft einen namenloſen Schrecken hervor. Er ſtürzt ſich dann augen- blicklich auf den Boden nieder, breitet den Schwanz und die Flügel kreisförmig aus, biegt den Kopf zurück, ſtreckt den Schnabel in die Höhe und verharrt in dieſer Stellung, welche Täuſchung des Räubers bezweckt, bis alle Gefahr vorüber ſcheint. Naumann behauptet, daß ihn jede nahe und ſchnell über ihn hinwegfliegende Schwalbe erſchrecke, daß er zuſammenfahre und ſchnell den Federbuſch entfalte: in Egypten habe ich ſo große Aengſtlichkeit nie von ihm beobachtet; im übrigen aber beträgt er ſich auch hier ganz wie in Deutſchland. „Es beluſtigt ungemein“, ſchildert Naumann, „dieſen ängſtlichen Vogel ungeſehen aus der Nähe beobachten zu können. Alle Augenblicke wird er erſchreckt,
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Die Späher. Klettervögel. Hopfe.
hinauf verirrt er ſich zuweilen weit über die Grenzen ſeines eigentlichen Verbreitungsgebiets: ſo
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Deutſchland iſt er Zugvogel, welcher in den letzten Tagen des März einzeln oder paarweiſe ankommt
und Ende Auguſts und Anfangs September familienweiſe langſam wieder nach Süden reiſt; ſchon in
Nordoſtafrika aber wandert er nicht mehr, ſondern ſtreicht höchſtens im Lande auf und nieder. Doch
trifft man ihn noch überall in Oſt-Sudahn an, und ebenſo gehört er unter die regelmäßigen Winter-
gäſte Jndiens.
Bei uns bevorzugt er Ebenen, welche mehr oder weniger dicht mit Bäumen beſtanden
ſind. Gegenden, in denen Felder und Wieſen mit kleinen Wäldchen abwechſeln, oder ſolche, wo
alte Bäume einzeln inmitten der Feldmarken ſtehen, ſagen ihm beſonders zu. Jn Südeuropa
treibt er ſich vorzugsweiſe in den Weinbergen herum; in Afrika iſt er in jedem Dorfe, ja ſelbſt
inmitten der Städte zu finden: Nordoſtafrika iſt, wie ich ſchon früher geſagt habe, ein überaus gün-
ſtiges Gebiet für den Wiedehopf. Er findet ſo recht eigentlich Alles, was ſein Herz ſich wünſcht.
Nicht das Vieh iſt es, welches hier für die Nahrung des ſchmuzigen Geſellen ſorgt, ſondern der
Menſch. So fleißig auch die Geier ſind — allen Unrath können ſie doch nicht abräumen und genug
bleibt übrig für diejenigen Vögel, welche wie der allbekannte, durch mancherlei Sagen verherr-
lichte „Hudhud“ Kothhaufen als höchſt erquickliche Gegenſtände betrachten. Jn Egypten iſt der
Wiedehopf überall gemein; denn allerorten gibt es für ihn reichliche Beſchäftigung. Die ſchamloſe
Ungezwungenheit der Araber richtet ihm jeden Winkel zu einem vielverſprechenden Nahrungsfelde
her, und die Gutmüthigkeit oder wohl richtiger die Gleichgiltigkeit der Leute erlaubt ihm, ſein Geſchäft
durchaus ungeſtört zu betreiben. Unbekümmert um den Menſchen, welcher ſich gerade anſchickt, den
Miſtkäfern und Aasfliegen auch Etwas verdienen zu laſſen, treibt ſich der Vogel auf der ihm wohl
bekannten Unrathſtätte umher; ja, er kennt das Weſen ſeines hauptſächlichſten Ernährers ſo genau,
daß er geradezu in deſſen Wohnung ſich anſiedelt und in irgend einem Mauerloche ſeine ſtinkende
Kinderſchar heranzieht. Man braucht blos aus dem-Fenſter ſeines Hauſes hinab in den Hof oder
in den Garten zu ſehen, wenn man den Wiedehopf beobachten will; man braucht blos durch das
Dorf zu gehen: das „Hudhud“ tönt Einem überall entgegen, von den Häuſern herab, aus den
Baumkronen, von der halb zerriſſenen Lehmmauer oder von einem widerlich duftenden Erdhügel,
hinter einer nicht allen Blicken ausgeſetzten Mauer. Es ſcheint faſt, als legten die Araber eine
beſondere Hochachtung gegen den Wiedehopf an den Tag, als wären ſie ſich es bewußt, daß er bei
all ſeiner Unreinlichkeit doch noch immer nicht ſo ſchmuzig iſt, wie ſie.
Der Wiedehopf iſt ein ſehr unterhaltender Vogel. Sein Betragen hat etwas durchaus Eigen-
thümliches, aber Angenehmes. Bei uns zu Lande iſt er vorſichtig und ſcheu, weicht dem Menſchen
oft weit aus und vertraut eigentlich nur dem Kuhhirten, deſſen Herde für ſeinen Unter-
halt ſorgt; im Süden hat er ſich auf das innigſte mit dem Menſchen befreundet und treibt ſeine
tauſend Poſſen unmittelbar vor deſſen Augen. Aber auch hier wird vorkommenden Falls der Grund-
zug ſeines Weſens, eine grenzenloſe Furcht, bemerklich. Der Vogel iſt klug genug, um ſich voll-
kommen ſicher zu fühlen, wenn er einen Menſchen oder ein Hausthier gewöhnlichen Schlages gewahr
wird; aber ſchon ein Hund macht ihn bedenklich, eine Katze fordert ſeine Vorſicht heraus, und eine
vorüberfliegende Krähe erregt Beſorgniß, einer der überall gegenwärtigen Schmarotzermilane aber
oder ein harmloſer Schmuzgeier ruft einen namenloſen Schrecken hervor. Er ſtürzt ſich dann augen-
blicklich auf den Boden nieder, breitet den Schwanz und die Flügel kreisförmig aus, biegt den Kopf
zurück, ſtreckt den Schnabel in die Höhe und verharrt in dieſer Stellung, welche Täuſchung des
Räubers bezweckt, bis alle Gefahr vorüber ſcheint. Naumann behauptet, daß ihn jede nahe und
ſchnell über ihn hinwegfliegende Schwalbe erſchrecke, daß er zuſammenfahre und ſchnell den Federbuſch
entfalte: in Egypten habe ich ſo große Aengſtlichkeit nie von ihm beobachtet; im übrigen aber beträgt
er ſich auch hier ganz wie in Deutſchland. „Es beluſtigt ungemein“, ſchildert Naumann, „dieſen
ängſtlichen Vogel ungeſehen aus der Nähe beobachten zu können. Alle Augenblicke wird er erſchreckt,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/36>, abgerufen am 24.11.2024.
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