Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.

Neben Ganga, Khata, Sandhuhn und verwandten Flughühnern beherbergt Asien noch eine
zweite Sippe der Familie, welche man unter dem Namen Steppenhuhn (Syrrhaptes) getrennt
hat. Jn der Gestalt ähneln die beiden bis jetzt bekannt gewordenen Arten dieser Sippe den Flug-
hühnern sehr; sie unterscheiden sich aber wesentlich durch ihre eigenthümlich verlängerten Schwingen
und die Kürze ihrer Füße, welche als verkümmerte bezeichnet werden können. Jm Fittig ist die erste
Schwinge die längste, ihre Eigenthümlichkeit aber beruht darin, daß sie an der Spitze lang ausgezogen
und hier sonderbar verschmälert ist, sodaß dieser Theil eher einer Borste als einer Feder ähnelt.
Ein noch wichtigeres Merkmal ist der Fußbau: die Fußwurzeln sind nicht blos am Vordertheil
befiedert, wie bei den Sandhühnern, sondern ringsum und bis zur Spitze der Zehen mit kurzen,
zerschlissenen Federn dicht bedeckt; der Fuß selbst besteht nur aus drei Zehen, da die hintere gänzlich
fehlt; die Vorderzehen sind sehr verbreitert und ihrer ganzen Länge nach durch eine Haut verbunden,
sodaß der Fuß, von unten gesehen, eine einzige Sohle bildet, welche mit stark hornigen Warzen
bekleidet ist; die Nägel sind breit und kräftig.

Das Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus) ist ohne die verlängerten Mittelschwanzfedern
(welche bei den von mir gemessenen Stücken abgestoßen waren) 15 Zoll lang und ohne die ver-
längerten Schwingenspitzen 23 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 7, die Schwanzlänge 41/2, ein-
schließlich der verlängerten Mittelfedern ungefähr 8 Zoll. Das Weibchen ist etwas kürzer und
schmäler. Der Oberkopf, ein Streifen, welcher, vom Auge beginnend, nach den Halsseiten verläuft,
dieser und die Kopfgegend sind aschgrau; letztere wird durch ein drei- oder vierfaches, aus feinen
weißen und schwarzen Streifen bestehendes Band von der graulich isabellfarbenen Unterbrust
getrennt, der Oberbauch ist braunschwarz, der Unterbauch, wie die unteren Schwanzdeckfedern,
licht aschgrau; die Kehle, Stirn und ein breiter Streifen über dem Auge sind lehmgelb; der Rücken
ist auf lehmgelbem Grunde mit dunkleren Querstreifen gebändert. Die Schwingen sind aschgrau,
die vordersten außen schwarz, die hinteren innen graulich gesäumt; die Schulterfedern bräunlich,
vorn gilblich und an der Spitze weiß gesäumt, die inneren Flügeldeckfedern sandbraun mit schwarz-
braunen Endtupfen, die Schwanzfedern auf gelbem Grunde dunkel gebändert; die Federn, welche
die Läufe bekleiden, sehen falb weißlich aus. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch
den Mangel des Brustbandes, durch die lichtere, bräunliche Färbung des Unterbauches und das
lichtere Gelb des Gesichts, sowie endlich durch das mehr gefleckte als gebänderte Gefieder der Ober-
seite, dessen Zeichnung sich auch an den Halsseiten fortsetzt.

Pallas entdeckte das Steppenhuhn in dem letzten Dritttheile des vorigen Jahrhunderts
gelegentlich seiner großen Reise durch Sibirien, berichtet uns aber höchst wenig über seine Lebens-
weise. Die Lebenskunde des Vogels blieb auch bis in die neueste Zeit unbekannt; denn eine von
Huc gegebene Mittheilung war so unverständlich, daß wir sie unmöglich auf unser Huhn beziehen
konnten, wie wir nunmehr es dürfen. Erst Radde (1861--63) und fast gleichzeitig Swinhoe
(1861) veröffentlichten über dessen Lebensweise eigene Beobachtungen. Und auffallend genug, ein
Zufall verschaffte uns seitdem Gelegenheit, das Steppenhuhn ziemlich genau kennen zu lernen.

Durch Pallas wußten wir, daß die kirgisischen und bulgarischen Steppen bis China die Heimat
unseres Huhns sind und dasselbe den Kirgisen unter dem Namen Büldrück, den Russen unter dem
Namen Sadscha bekannt ist. Von Eversmann wurde uns der Wohnkreis etwas genauer bestimmt.
"Das Steppenhuhn", sagt er, "bewohnt nur die Steppe östlich vom kaspischen Meere bis nach der
Songarei. Jm Westen geht es selten weiter nach Norden als bis zum 46. Breitengrade, im Osten
dagegen viel weiter; denn man trifft es dort z. B. noch auf den Hochsteppen des südlichen Altai,
am oberen Laufe der Tschuja, in der Gegend des dortigen chinesischen Vorpostens. Die Mongolen
daselbst nennen es "Nukturu", die dortigen Dwojedanzen "Altin".

Bevor ich Radde's Beobachtungen hier wiedergebe, mag erst die erwähnte Huc'sche Mit-
theilung eine Stelle finden. "Wir haben", sagt der gute Mann, "in der Tartarei eine Vogelart

Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.

Neben Ganga, Khata, Sandhuhn und verwandten Flughühnern beherbergt Aſien noch eine
zweite Sippe der Familie, welche man unter dem Namen Steppenhuhn (Syrrhaptes) getrennt
hat. Jn der Geſtalt ähneln die beiden bis jetzt bekannt gewordenen Arten dieſer Sippe den Flug-
hühnern ſehr; ſie unterſcheiden ſich aber weſentlich durch ihre eigenthümlich verlängerten Schwingen
und die Kürze ihrer Füße, welche als verkümmerte bezeichnet werden können. Jm Fittig iſt die erſte
Schwinge die längſte, ihre Eigenthümlichkeit aber beruht darin, daß ſie an der Spitze lang ausgezogen
und hier ſonderbar verſchmälert iſt, ſodaß dieſer Theil eher einer Borſte als einer Feder ähnelt.
Ein noch wichtigeres Merkmal iſt der Fußbau: die Fußwurzeln ſind nicht blos am Vordertheil
befiedert, wie bei den Sandhühnern, ſondern ringsum und bis zur Spitze der Zehen mit kurzen,
zerſchliſſenen Federn dicht bedeckt; der Fuß ſelbſt beſteht nur aus drei Zehen, da die hintere gänzlich
fehlt; die Vorderzehen ſind ſehr verbreitert und ihrer ganzen Länge nach durch eine Haut verbunden,
ſodaß der Fuß, von unten geſehen, eine einzige Sohle bildet, welche mit ſtark hornigen Warzen
bekleidet iſt; die Nägel ſind breit und kräftig.

Das Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus) iſt ohne die verlängerten Mittelſchwanzfedern
(welche bei den von mir gemeſſenen Stücken abgeſtoßen waren) 15 Zoll lang und ohne die ver-
längerten Schwingenſpitzen 23 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 7, die Schwanzlänge 4½, ein-
ſchließlich der verlängerten Mittelfedern ungefähr 8 Zoll. Das Weibchen iſt etwas kürzer und
ſchmäler. Der Oberkopf, ein Streifen, welcher, vom Auge beginnend, nach den Halsſeiten verläuft,
dieſer und die Kopfgegend ſind aſchgrau; letztere wird durch ein drei- oder vierfaches, aus feinen
weißen und ſchwarzen Streifen beſtehendes Band von der graulich iſabellfarbenen Unterbruſt
getrennt, der Oberbauch iſt braunſchwarz, der Unterbauch, wie die unteren Schwanzdeckfedern,
licht aſchgrau; die Kehle, Stirn und ein breiter Streifen über dem Auge ſind lehmgelb; der Rücken
iſt auf lehmgelbem Grunde mit dunkleren Querſtreifen gebändert. Die Schwingen ſind aſchgrau,
die vorderſten außen ſchwarz, die hinteren innen graulich geſäumt; die Schulterfedern bräunlich,
vorn gilblich und an der Spitze weiß geſäumt, die inneren Flügeldeckfedern ſandbraun mit ſchwarz-
braunen Endtupfen, die Schwanzfedern auf gelbem Grunde dunkel gebändert; die Federn, welche
die Läufe bekleiden, ſehen falb weißlich aus. Das Weibchen unterſcheidet ſich vom Männchen durch
den Mangel des Bruſtbandes, durch die lichtere, bräunliche Färbung des Unterbauches und das
lichtere Gelb des Geſichts, ſowie endlich durch das mehr gefleckte als gebänderte Gefieder der Ober-
ſeite, deſſen Zeichnung ſich auch an den Halsſeiten fortſetzt.

Pallas entdeckte das Steppenhuhn in dem letzten Dritttheile des vorigen Jahrhunderts
gelegentlich ſeiner großen Reiſe durch Sibirien, berichtet uns aber höchſt wenig über ſeine Lebens-
weiſe. Die Lebenskunde des Vogels blieb auch bis in die neueſte Zeit unbekannt; denn eine von
Huc gegebene Mittheilung war ſo unverſtändlich, daß wir ſie unmöglich auf unſer Huhn beziehen
konnten, wie wir nunmehr es dürfen. Erſt Radde (1861—63) und faſt gleichzeitig Swinhoe
(1861) veröffentlichten über deſſen Lebensweiſe eigene Beobachtungen. Und auffallend genug, ein
Zufall verſchaffte uns ſeitdem Gelegenheit, das Steppenhuhn ziemlich genau kennen zu lernen.

Durch Pallas wußten wir, daß die kirgiſiſchen und bulgariſchen Steppen bis China die Heimat
unſeres Huhns ſind und daſſelbe den Kirgiſen unter dem Namen Büldrück, den Ruſſen unter dem
Namen Sadſcha bekannt iſt. Von Eversmann wurde uns der Wohnkreis etwas genauer beſtimmt.
„Das Steppenhuhn“, ſagt er, „bewohnt nur die Steppe öſtlich vom kaspiſchen Meere bis nach der
Songarei. Jm Weſten geht es ſelten weiter nach Norden als bis zum 46. Breitengrade, im Oſten
dagegen viel weiter; denn man trifft es dort z. B. noch auf den Hochſteppen des ſüdlichen Altai,
am oberen Laufe der Tſchuja, in der Gegend des dortigen chineſiſchen Vorpoſtens. Die Mongolen
daſelbſt nennen es „Nukturu“, die dortigen Dwojedanzen „Altin“.

Bevor ich Radde’s Beobachtungen hier wiedergebe, mag erſt die erwähnte Huc’ſche Mit-
theilung eine Stelle finden. „Wir haben“, ſagt der gute Mann, „in der Tartarei eine Vogelart

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0346" n="322"/>
          <fw place="top" type="header">Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.</fw><lb/>
          <p>Neben Ganga, Khata, Sandhuhn und verwandten Flughühnern beherbergt A&#x017F;ien noch eine<lb/>
zweite Sippe der Familie, welche man unter dem Namen <hi rendition="#g">Steppenhuhn</hi> <hi rendition="#aq">(Syrrhaptes)</hi> getrennt<lb/>
hat. Jn der Ge&#x017F;talt ähneln die beiden bis jetzt bekannt gewordenen Arten die&#x017F;er Sippe den Flug-<lb/>
hühnern &#x017F;ehr; &#x017F;ie unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich aber we&#x017F;entlich durch ihre eigenthümlich verlängerten Schwingen<lb/>
und die Kürze ihrer Füße, welche als verkümmerte bezeichnet werden können. Jm Fittig i&#x017F;t die er&#x017F;te<lb/>
Schwinge die läng&#x017F;te, ihre Eigenthümlichkeit aber beruht darin, daß &#x017F;ie an der Spitze lang ausgezogen<lb/>
und hier &#x017F;onderbar ver&#x017F;chmälert i&#x017F;t, &#x017F;odaß die&#x017F;er Theil eher einer Bor&#x017F;te als einer Feder ähnelt.<lb/>
Ein noch wichtigeres Merkmal i&#x017F;t der Fußbau: die Fußwurzeln &#x017F;ind nicht blos am Vordertheil<lb/>
befiedert, wie bei den Sandhühnern, &#x017F;ondern ringsum und bis zur Spitze der Zehen mit kurzen,<lb/>
zer&#x017F;chli&#x017F;&#x017F;enen Federn dicht bedeckt; der Fuß &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;teht nur aus drei Zehen, da die hintere gänzlich<lb/>
fehlt; die Vorderzehen &#x017F;ind &#x017F;ehr verbreitert und ihrer ganzen Länge nach durch eine Haut verbunden,<lb/>
&#x017F;odaß der Fuß, von unten ge&#x017F;ehen, eine einzige Sohle bildet, welche mit &#x017F;tark hornigen Warzen<lb/>
bekleidet i&#x017F;t; die Nägel &#x017F;ind breit und kräftig.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Steppenhuhn</hi> <hi rendition="#aq">(Syrrhaptes paradoxus)</hi> i&#x017F;t ohne die verlängerten Mittel&#x017F;chwanzfedern<lb/>
(welche bei den von mir geme&#x017F;&#x017F;enen Stücken abge&#x017F;toßen waren) 15 Zoll lang und ohne die ver-<lb/>
längerten Schwingen&#x017F;pitzen 23 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 7, die Schwanzlänge 4½, ein-<lb/>
&#x017F;chließlich der verlängerten Mittelfedern ungefähr 8 Zoll. Das Weibchen i&#x017F;t etwas kürzer und<lb/>
&#x017F;chmäler. Der Oberkopf, ein Streifen, welcher, vom Auge beginnend, nach den Hals&#x017F;eiten verläuft,<lb/>
die&#x017F;er und die Kopfgegend &#x017F;ind a&#x017F;chgrau; letztere wird durch ein drei- oder vierfaches, aus feinen<lb/>
weißen und &#x017F;chwarzen Streifen be&#x017F;tehendes Band von der graulich i&#x017F;abellfarbenen Unterbru&#x017F;t<lb/>
getrennt, der Oberbauch i&#x017F;t braun&#x017F;chwarz, der Unterbauch, wie die unteren Schwanzdeckfedern,<lb/>
licht a&#x017F;chgrau; die Kehle, Stirn und ein breiter Streifen über dem Auge &#x017F;ind lehmgelb; der Rücken<lb/>
i&#x017F;t auf lehmgelbem Grunde mit dunkleren Quer&#x017F;treifen gebändert. Die Schwingen &#x017F;ind a&#x017F;chgrau,<lb/>
die vorder&#x017F;ten außen &#x017F;chwarz, die hinteren innen graulich ge&#x017F;äumt; die Schulterfedern bräunlich,<lb/>
vorn gilblich und an der Spitze weiß ge&#x017F;äumt, die inneren Flügeldeckfedern &#x017F;andbraun mit &#x017F;chwarz-<lb/>
braunen Endtupfen, die Schwanzfedern auf gelbem Grunde dunkel gebändert; die Federn, welche<lb/>
die Läufe bekleiden, &#x017F;ehen falb weißlich aus. Das Weibchen unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich vom Männchen durch<lb/>
den Mangel des Bru&#x017F;tbandes, durch die lichtere, bräunliche Färbung des Unterbauches und das<lb/>
lichtere Gelb des Ge&#x017F;ichts, &#x017F;owie endlich durch das mehr gefleckte als gebänderte Gefieder der Ober-<lb/>
&#x017F;eite, de&#x017F;&#x017F;en Zeichnung &#x017F;ich auch an den Hals&#x017F;eiten fort&#x017F;etzt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Pallas</hi> entdeckte das Steppenhuhn in dem letzten Dritttheile des vorigen Jahrhunderts<lb/>
gelegentlich &#x017F;einer großen Rei&#x017F;e durch Sibirien, berichtet uns aber höch&#x017F;t wenig über &#x017F;eine Lebens-<lb/>
wei&#x017F;e. Die Lebenskunde des Vogels blieb auch bis in die neue&#x017F;te Zeit unbekannt; denn eine von<lb/><hi rendition="#g">Huc</hi> gegebene Mittheilung war &#x017F;o unver&#x017F;tändlich, daß wir &#x017F;ie unmöglich auf un&#x017F;er Huhn beziehen<lb/>
konnten, wie wir nunmehr es dürfen. Er&#x017F;t <hi rendition="#g">Radde</hi> (1861&#x2014;63) und fa&#x017F;t gleichzeitig <hi rendition="#g">Swinhoe</hi><lb/>
(1861) veröffentlichten über de&#x017F;&#x017F;en Lebenswei&#x017F;e eigene Beobachtungen. Und auffallend genug, ein<lb/>
Zufall ver&#x017F;chaffte uns &#x017F;eitdem Gelegenheit, das Steppenhuhn ziemlich genau kennen zu lernen.</p><lb/>
          <p>Durch <hi rendition="#g">Pallas</hi> wußten wir, daß die kirgi&#x017F;i&#x017F;chen und bulgari&#x017F;chen Steppen bis China die Heimat<lb/>
un&#x017F;eres Huhns &#x017F;ind und da&#x017F;&#x017F;elbe den Kirgi&#x017F;en unter dem Namen <hi rendition="#g">Büldrück,</hi> den Ru&#x017F;&#x017F;en unter dem<lb/>
Namen <hi rendition="#g">Sad&#x017F;cha</hi> bekannt i&#x017F;t. Von <hi rendition="#g">Eversmann</hi> wurde uns der Wohnkreis etwas genauer be&#x017F;timmt.<lb/>
&#x201E;Das Steppenhuhn&#x201C;, &#x017F;agt er, &#x201E;bewohnt nur die Steppe ö&#x017F;tlich vom kaspi&#x017F;chen Meere bis nach der<lb/>
Songarei. Jm We&#x017F;ten geht es &#x017F;elten weiter nach Norden als bis zum 46. Breitengrade, im O&#x017F;ten<lb/>
dagegen viel weiter; denn man trifft es dort z. B. noch auf den Hoch&#x017F;teppen des &#x017F;üdlichen Altai,<lb/>
am oberen Laufe der T&#x017F;chuja, in der Gegend des dortigen chine&#x017F;i&#x017F;chen Vorpo&#x017F;tens. Die Mongolen<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t nennen es <hi rendition="#g">&#x201E;Nukturu&#x201C;,</hi> die dortigen Dwojedanzen <hi rendition="#g">&#x201E;Altin&#x201C;.</hi></p><lb/>
          <p>Bevor ich <hi rendition="#g">Radde&#x2019;s</hi> Beobachtungen hier wiedergebe, mag er&#x017F;t die erwähnte <hi rendition="#g">Huc&#x2019;&#x017F;</hi>che Mit-<lb/>
theilung eine Stelle finden. &#x201E;Wir haben&#x201C;, &#x017F;agt der gute Mann, &#x201E;in der Tartarei eine Vogelart<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0346] Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner. Neben Ganga, Khata, Sandhuhn und verwandten Flughühnern beherbergt Aſien noch eine zweite Sippe der Familie, welche man unter dem Namen Steppenhuhn (Syrrhaptes) getrennt hat. Jn der Geſtalt ähneln die beiden bis jetzt bekannt gewordenen Arten dieſer Sippe den Flug- hühnern ſehr; ſie unterſcheiden ſich aber weſentlich durch ihre eigenthümlich verlängerten Schwingen und die Kürze ihrer Füße, welche als verkümmerte bezeichnet werden können. Jm Fittig iſt die erſte Schwinge die längſte, ihre Eigenthümlichkeit aber beruht darin, daß ſie an der Spitze lang ausgezogen und hier ſonderbar verſchmälert iſt, ſodaß dieſer Theil eher einer Borſte als einer Feder ähnelt. Ein noch wichtigeres Merkmal iſt der Fußbau: die Fußwurzeln ſind nicht blos am Vordertheil befiedert, wie bei den Sandhühnern, ſondern ringsum und bis zur Spitze der Zehen mit kurzen, zerſchliſſenen Federn dicht bedeckt; der Fuß ſelbſt beſteht nur aus drei Zehen, da die hintere gänzlich fehlt; die Vorderzehen ſind ſehr verbreitert und ihrer ganzen Länge nach durch eine Haut verbunden, ſodaß der Fuß, von unten geſehen, eine einzige Sohle bildet, welche mit ſtark hornigen Warzen bekleidet iſt; die Nägel ſind breit und kräftig. Das Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus) iſt ohne die verlängerten Mittelſchwanzfedern (welche bei den von mir gemeſſenen Stücken abgeſtoßen waren) 15 Zoll lang und ohne die ver- längerten Schwingenſpitzen 23 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 7, die Schwanzlänge 4½, ein- ſchließlich der verlängerten Mittelfedern ungefähr 8 Zoll. Das Weibchen iſt etwas kürzer und ſchmäler. Der Oberkopf, ein Streifen, welcher, vom Auge beginnend, nach den Halsſeiten verläuft, dieſer und die Kopfgegend ſind aſchgrau; letztere wird durch ein drei- oder vierfaches, aus feinen weißen und ſchwarzen Streifen beſtehendes Band von der graulich iſabellfarbenen Unterbruſt getrennt, der Oberbauch iſt braunſchwarz, der Unterbauch, wie die unteren Schwanzdeckfedern, licht aſchgrau; die Kehle, Stirn und ein breiter Streifen über dem Auge ſind lehmgelb; der Rücken iſt auf lehmgelbem Grunde mit dunkleren Querſtreifen gebändert. Die Schwingen ſind aſchgrau, die vorderſten außen ſchwarz, die hinteren innen graulich geſäumt; die Schulterfedern bräunlich, vorn gilblich und an der Spitze weiß geſäumt, die inneren Flügeldeckfedern ſandbraun mit ſchwarz- braunen Endtupfen, die Schwanzfedern auf gelbem Grunde dunkel gebändert; die Federn, welche die Läufe bekleiden, ſehen falb weißlich aus. Das Weibchen unterſcheidet ſich vom Männchen durch den Mangel des Bruſtbandes, durch die lichtere, bräunliche Färbung des Unterbauches und das lichtere Gelb des Geſichts, ſowie endlich durch das mehr gefleckte als gebänderte Gefieder der Ober- ſeite, deſſen Zeichnung ſich auch an den Halsſeiten fortſetzt. Pallas entdeckte das Steppenhuhn in dem letzten Dritttheile des vorigen Jahrhunderts gelegentlich ſeiner großen Reiſe durch Sibirien, berichtet uns aber höchſt wenig über ſeine Lebens- weiſe. Die Lebenskunde des Vogels blieb auch bis in die neueſte Zeit unbekannt; denn eine von Huc gegebene Mittheilung war ſo unverſtändlich, daß wir ſie unmöglich auf unſer Huhn beziehen konnten, wie wir nunmehr es dürfen. Erſt Radde (1861—63) und faſt gleichzeitig Swinhoe (1861) veröffentlichten über deſſen Lebensweiſe eigene Beobachtungen. Und auffallend genug, ein Zufall verſchaffte uns ſeitdem Gelegenheit, das Steppenhuhn ziemlich genau kennen zu lernen. Durch Pallas wußten wir, daß die kirgiſiſchen und bulgariſchen Steppen bis China die Heimat unſeres Huhns ſind und daſſelbe den Kirgiſen unter dem Namen Büldrück, den Ruſſen unter dem Namen Sadſcha bekannt iſt. Von Eversmann wurde uns der Wohnkreis etwas genauer beſtimmt. „Das Steppenhuhn“, ſagt er, „bewohnt nur die Steppe öſtlich vom kaspiſchen Meere bis nach der Songarei. Jm Weſten geht es ſelten weiter nach Norden als bis zum 46. Breitengrade, im Oſten dagegen viel weiter; denn man trifft es dort z. B. noch auf den Hochſteppen des ſüdlichen Altai, am oberen Laufe der Tſchuja, in der Gegend des dortigen chineſiſchen Vorpoſtens. Die Mongolen daſelbſt nennen es „Nukturu“, die dortigen Dwojedanzen „Altin“. Bevor ich Radde’s Beobachtungen hier wiedergebe, mag erſt die erwähnte Huc’ſche Mit- theilung eine Stelle finden. „Wir haben“, ſagt der gute Mann, „in der Tartarei eine Vogelart

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/346
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/346>, abgerufen am 18.05.2024.