Seltenheit von Raubvögeln und großen Lurchen eine ungestörte Vermehrung dieses schönen Vogels. Jch habe ihn oft auf den Waldpfaden umherlaufen sehen; denn er bringt den größten Theil des Tages auf dem Boden zu, sich hier von herabgefallenen Früchten nährend, und fliegt nur, wenn er auf- gescheucht wird, auf einen der untern Zweige des nächsten Baumes, welchen er auch zum Schlafen erwählt." "Die Kronentaube", fährt Rosenberg fort, "ist nicht schwer zu schießen. Auf der Fahrt längs des oberen Karufaflusses an der Westküste von Neuguinea wurde von unserm Boote aus ein auf dem Neste sitzendes Weibchen erlegt. Das Nest bestand aus lose zusammengefügten Zweigen und enthielt einen eben aus dem Ei gekommenen jungen Vogel."
"Zu Dora heißt die Kronentaube Mambruk, an der Südwestküste Titi. Sie wird ziemlich häufig lebendig nach Amboina, Banda, Java und von da nach Europa gebracht, was zu der falschen Annahme geführt hat, daß sie auch auf diesen Jnseln zu Hause sei. Die Fächertaube scheint seltener zu sein und bewohnt südlichere Gegenden Neuguineas."
Auch gegenwärtig noch sieht man lebende Kronentauben am häufigsten in den holländischen Thiergärten. Um Einiges über ihr Gefangenleben zu erfahren, wandte ich mich an meinen Berufsgenossen Martin in Rotterdam und wurde durch das Nachfolgende erfreut. "Die beiden Kronentauben, welche unser Thiergarten besitzt, wurden am 24. Juli 1864 von einem hier wohnen- den Liebhaber gekauft; wir wissen daher nicht, wie lange sie schon in Holland leben. Wohl aber können wir sagen, daß sie sich bei sehr einfacher Nahrung (Mais, altbackenem Brot und etwas frischem Salat) recht gut halten und auch den Winter leicht überstehen. Sie sind bei uns in einem Käfig untergebracht, welcher im Freien steht; im Winter wird derselbe an der offenen Seite mit Glas ge- schlossen und dieses in kalten Nächten noch mit Segeltuch überdeckt. Da über Tags die Sonne den Käfig bescheinen kann, wird künstliche Erwärmung nicht angewendet; auch haben wir erfahren, daß sich die Kronentauben bei einer Kälte von + 36° F. noch munter zeigen."
"Es scheint, daß sich die Kronentauben an ihre Wärter wohl gewöhnen; sie bemerken wenigstens jede Aenderung in der Kleidung ihres Pflegers, und zeigen sich dann schen, während sie sonst sehr zutraulich sind. Auch Lärm und Geräusch beunruhigt sie."
Schon durch Mitchell's Beobachtungen konnte festgestellt werden, daß es möglich ist, gefangene Kronentauben zur Fortpflanzung zu bringen. "Die Anzahl der Kronentauben des londoner Thier- gartens", so erzählt genannter Forscher, "waren bis auf ein Männchen der Kronen- und ein Weibchen der Fächertaube ausgestorben. Jch ließ deshalb beide in einen Raum des alten Vogelhauses bringen. Anfangs Juni beobachtete man, daß sie sich gepaart hatten, und zwei Monate später etwa begannen sie ihre Vorarbeiten zum Nestbau. Jn dem offenen Theile des Vogelhauses befand sich ein großer Ast, in ungefährer Höhe von sechs Fuß über dem Boden, welcher als Sitzstange diente. Auf die äußerste Spitze dieses Astes trugen sie Zweige und Reiser, welche zu diesem Zwecke ihnen gegeben waren, bemüheten sich aber vergeblich, auf der glatten und nicht genügenden Unterlage ein plattes Nest zu begründen. Der aufmerksame Wärter nahm ihre Verlegenheit wahr und unterstützte sie, indem er ein breites Stück Korbgeflecht unternagelte. Nunmehr begannen sie ernsthaft zu bauen. Am 15. August ruhten sie von ihrer Arbeit, bei welcher das Männchen den Zuträger, das Weibchen den Verarbeiter gemacht hatte; es wurde aber, wie wir vermuthen, an diesem ereignißvollen Tage das Ei gelegt, obgleich der Wärter nicht im Stande war, dasselbe jetzt zu sehen, da ein oder der andere Vogel es beständig bedeckte. Das Nest war nur wenige Fuß von der Außenwand des Vogelhauses entfernt, und während der Brutzeit gingen hier Tausende von Besuchern vorüber; die Vögel brüteten aber so eifrig und ununterbrochen, daß der Wärter nur einmal das Ei sehen konnte und zwar gerade in dem Augenblick, wo ein Vogel den andern ablöste. Die ausgesetzte Lage des Nestes, welches nur durch das dünne Gelaube einer Kletterrose einigermaßen geschützt war, machte mich wegen des Einflusses der Witterung besorgt um das Junge, welches am 13. September aus- gekrochen war. Dieses aber wurde fortwährend von einem der Eltern bedeckt und gefüttert, während es unter ihnen saß. Am Morgen des 17. wurde das Junge jedoch todt im Neste gefunden, ob in
Die Läuſer. Girrvögel. Kronentauben. Zahntauben.
Seltenheit von Raubvögeln und großen Lurchen eine ungeſtörte Vermehrung dieſes ſchönen Vogels. Jch habe ihn oft auf den Waldpfaden umherlaufen ſehen; denn er bringt den größten Theil des Tages auf dem Boden zu, ſich hier von herabgefallenen Früchten nährend, und fliegt nur, wenn er auf- geſcheucht wird, auf einen der untern Zweige des nächſten Baumes, welchen er auch zum Schlafen erwählt.“ „Die Kronentaube“, fährt Roſenberg fort, „iſt nicht ſchwer zu ſchießen. Auf der Fahrt längs des oberen Karufafluſſes an der Weſtküſte von Neuguinea wurde von unſerm Boote aus ein auf dem Neſte ſitzendes Weibchen erlegt. Das Neſt beſtand aus loſe zuſammengefügten Zweigen und enthielt einen eben aus dem Ei gekommenen jungen Vogel.“
„Zu Dora heißt die Kronentaube Mambruk, an der Südweſtküſte Titi. Sie wird ziemlich häufig lebendig nach Amboina, Banda, Java und von da nach Europa gebracht, was zu der falſchen Annahme geführt hat, daß ſie auch auf dieſen Jnſeln zu Hauſe ſei. Die Fächertaube ſcheint ſeltener zu ſein und bewohnt ſüdlichere Gegenden Neuguineas.“
Auch gegenwärtig noch ſieht man lebende Kronentauben am häufigſten in den holländiſchen Thiergärten. Um Einiges über ihr Gefangenleben zu erfahren, wandte ich mich an meinen Berufsgenoſſen Martin in Rotterdam und wurde durch das Nachfolgende erfreut. „Die beiden Kronentauben, welche unſer Thiergarten beſitzt, wurden am 24. Juli 1864 von einem hier wohnen- den Liebhaber gekauft; wir wiſſen daher nicht, wie lange ſie ſchon in Holland leben. Wohl aber können wir ſagen, daß ſie ſich bei ſehr einfacher Nahrung (Mais, altbackenem Brot und etwas friſchem Salat) recht gut halten und auch den Winter leicht überſtehen. Sie ſind bei uns in einem Käfig untergebracht, welcher im Freien ſteht; im Winter wird derſelbe an der offenen Seite mit Glas ge- ſchloſſen und dieſes in kalten Nächten noch mit Segeltuch überdeckt. Da über Tags die Sonne den Käfig beſcheinen kann, wird künſtliche Erwärmung nicht angewendet; auch haben wir erfahren, daß ſich die Kronentauben bei einer Kälte von + 36° F. noch munter zeigen.“
„Es ſcheint, daß ſich die Kronentauben an ihre Wärter wohl gewöhnen; ſie bemerken wenigſtens jede Aenderung in der Kleidung ihres Pflegers, und zeigen ſich dann ſchen, während ſie ſonſt ſehr zutraulich ſind. Auch Lärm und Geräuſch beunruhigt ſie.“
Schon durch Mitchell’s Beobachtungen konnte feſtgeſtellt werden, daß es möglich iſt, gefangene Kronentauben zur Fortpflanzung zu bringen. „Die Anzahl der Kronentauben des londoner Thier- gartens“, ſo erzählt genannter Forſcher, „waren bis auf ein Männchen der Kronen- und ein Weibchen der Fächertaube ausgeſtorben. Jch ließ deshalb beide in einen Raum des alten Vogelhauſes bringen. Anfangs Juni beobachtete man, daß ſie ſich gepaart hatten, und zwei Monate ſpäter etwa begannen ſie ihre Vorarbeiten zum Neſtbau. Jn dem offenen Theile des Vogelhauſes befand ſich ein großer Aſt, in ungefährer Höhe von ſechs Fuß über dem Boden, welcher als Sitzſtange diente. Auf die äußerſte Spitze dieſes Aſtes trugen ſie Zweige und Reiſer, welche zu dieſem Zwecke ihnen gegeben waren, bemüheten ſich aber vergeblich, auf der glatten und nicht genügenden Unterlage ein plattes Neſt zu begründen. Der aufmerkſame Wärter nahm ihre Verlegenheit wahr und unterſtützte ſie, indem er ein breites Stück Korbgeflecht unternagelte. Nunmehr begannen ſie ernſthaft zu bauen. Am 15. Auguſt ruhten ſie von ihrer Arbeit, bei welcher das Männchen den Zuträger, das Weibchen den Verarbeiter gemacht hatte; es wurde aber, wie wir vermuthen, an dieſem ereignißvollen Tage das Ei gelegt, obgleich der Wärter nicht im Stande war, daſſelbe jetzt zu ſehen, da ein oder der andere Vogel es beſtändig bedeckte. Das Neſt war nur wenige Fuß von der Außenwand des Vogelhauſes entfernt, und während der Brutzeit gingen hier Tauſende von Beſuchern vorüber; die Vögel brüteten aber ſo eifrig und ununterbrochen, daß der Wärter nur einmal das Ei ſehen konnte und zwar gerade in dem Augenblick, wo ein Vogel den andern ablöſte. Die ausgeſetzte Lage des Neſtes, welches nur durch das dünne Gelaube einer Kletterroſe einigermaßen geſchützt war, machte mich wegen des Einfluſſes der Witterung beſorgt um das Junge, welches am 13. September aus- gekrochen war. Dieſes aber wurde fortwährend von einem der Eltern bedeckt und gefüttert, während es unter ihnen ſaß. Am Morgen des 17. wurde das Junge jedoch todt im Neſte gefunden, ob in
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Die Läuſer. Girrvögel. Kronentauben. Zahntauben.
Seltenheit von Raubvögeln und großen Lurchen eine ungeſtörte Vermehrung dieſes ſchönen Vogels.
Jch habe ihn oft auf den Waldpfaden umherlaufen ſehen; denn er bringt den größten Theil des Tages
auf dem Boden zu, ſich hier von herabgefallenen Früchten nährend, und fliegt nur, wenn er auf-
geſcheucht wird, auf einen der untern Zweige des nächſten Baumes, welchen er auch zum Schlafen
erwählt.“ „Die Kronentaube“, fährt Roſenberg fort, „iſt nicht ſchwer zu ſchießen. Auf der Fahrt
längs des oberen Karufafluſſes an der Weſtküſte von Neuguinea wurde von unſerm Boote aus ein auf
dem Neſte ſitzendes Weibchen erlegt. Das Neſt beſtand aus loſe zuſammengefügten Zweigen und
enthielt einen eben aus dem Ei gekommenen jungen Vogel.“
„Zu Dora heißt die Kronentaube Mambruk, an der Südweſtküſte Titi. Sie wird ziemlich
häufig lebendig nach Amboina, Banda, Java und von da nach Europa gebracht, was zu der falſchen
Annahme geführt hat, daß ſie auch auf dieſen Jnſeln zu Hauſe ſei. Die Fächertaube ſcheint ſeltener
zu ſein und bewohnt ſüdlichere Gegenden Neuguineas.“
Auch gegenwärtig noch ſieht man lebende Kronentauben am häufigſten in den holländiſchen
Thiergärten. Um Einiges über ihr Gefangenleben zu erfahren, wandte ich mich an meinen
Berufsgenoſſen Martin in Rotterdam und wurde durch das Nachfolgende erfreut. „Die beiden
Kronentauben, welche unſer Thiergarten beſitzt, wurden am 24. Juli 1864 von einem hier wohnen-
den Liebhaber gekauft; wir wiſſen daher nicht, wie lange ſie ſchon in Holland leben. Wohl aber
können wir ſagen, daß ſie ſich bei ſehr einfacher Nahrung (Mais, altbackenem Brot und etwas friſchem
Salat) recht gut halten und auch den Winter leicht überſtehen. Sie ſind bei uns in einem Käfig
untergebracht, welcher im Freien ſteht; im Winter wird derſelbe an der offenen Seite mit Glas ge-
ſchloſſen und dieſes in kalten Nächten noch mit Segeltuch überdeckt. Da über Tags die Sonne den
Käfig beſcheinen kann, wird künſtliche Erwärmung nicht angewendet; auch haben wir erfahren, daß
ſich die Kronentauben bei einer Kälte von + 36° F. noch munter zeigen.“
„Es ſcheint, daß ſich die Kronentauben an ihre Wärter wohl gewöhnen; ſie bemerken wenigſtens
jede Aenderung in der Kleidung ihres Pflegers, und zeigen ſich dann ſchen, während ſie ſonſt ſehr
zutraulich ſind. Auch Lärm und Geräuſch beunruhigt ſie.“
Schon durch Mitchell’s Beobachtungen konnte feſtgeſtellt werden, daß es möglich iſt, gefangene
Kronentauben zur Fortpflanzung zu bringen. „Die Anzahl der Kronentauben des londoner Thier-
gartens“, ſo erzählt genannter Forſcher, „waren bis auf ein Männchen der Kronen- und ein Weibchen
der Fächertaube ausgeſtorben. Jch ließ deshalb beide in einen Raum des alten Vogelhauſes
bringen. Anfangs Juni beobachtete man, daß ſie ſich gepaart hatten, und zwei Monate ſpäter etwa
begannen ſie ihre Vorarbeiten zum Neſtbau. Jn dem offenen Theile des Vogelhauſes befand ſich ein
großer Aſt, in ungefährer Höhe von ſechs Fuß über dem Boden, welcher als Sitzſtange diente. Auf
die äußerſte Spitze dieſes Aſtes trugen ſie Zweige und Reiſer, welche zu dieſem Zwecke ihnen gegeben
waren, bemüheten ſich aber vergeblich, auf der glatten und nicht genügenden Unterlage ein plattes Neſt
zu begründen. Der aufmerkſame Wärter nahm ihre Verlegenheit wahr und unterſtützte ſie, indem er
ein breites Stück Korbgeflecht unternagelte. Nunmehr begannen ſie ernſthaft zu bauen. Am
15. Auguſt ruhten ſie von ihrer Arbeit, bei welcher das Männchen den Zuträger, das Weibchen den
Verarbeiter gemacht hatte; es wurde aber, wie wir vermuthen, an dieſem ereignißvollen Tage das
Ei gelegt, obgleich der Wärter nicht im Stande war, daſſelbe jetzt zu ſehen, da ein oder
der andere Vogel es beſtändig bedeckte. Das Neſt war nur wenige Fuß von der Außenwand des
Vogelhauſes entfernt, und während der Brutzeit gingen hier Tauſende von Beſuchern vorüber; die
Vögel brüteten aber ſo eifrig und ununterbrochen, daß der Wärter nur einmal das Ei ſehen konnte
und zwar gerade in dem Augenblick, wo ein Vogel den andern ablöſte. Die ausgeſetzte Lage des
Neſtes, welches nur durch das dünne Gelaube einer Kletterroſe einigermaßen geſchützt war, machte
mich wegen des Einfluſſes der Witterung beſorgt um das Junge, welches am 13. September aus-
gekrochen war. Dieſes aber wurde fortwährend von einem der Eltern bedeckt und gefüttert, während
es unter ihnen ſaß. Am Morgen des 17. wurde das Junge jedoch todt im Neſte gefunden, ob in
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/322>, abgerufen am 29.11.2024.
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