gehören. Ausnahmsweise siedelt sie sich auch inmitten der Dörfer oder selbst inmitten volk- reicher Städte auf einzelnen Bäumen an: ich habe sie in den Spaziergängen Leipzigs und Dresdens, sowie in den Gärten Jena's als Brutvogel gefunden.
Jm Norden ihres Verbreitungskreises ist die Ringeltaube ein Zugvogel, welcher sehr regelmäßig wegzieht und wieder erscheint, schon im südlichen Deutschland und noch mehr in Spanien und Jtalien aber ein Standvogel. Die von uns auswandernden ziehen bis Südeuropa und verbringen den Winter auch in solchen Gegenden, in denen zuweilen sehr rauhes und unfreundliches Wetter wochenlang herr- schen kann: wir haben sie und die Hohltaube in sehr zahlreichen Scharen während der Wintermonate bei Madrid und in der Sierra Nevada beobachtet, gleichzeitig aber auch erfahren, daß in dem genannten Gebirge gerade diese Art Sommer und Winter ziemlich gleich häufig sein soll. Jn Mitteldeutschland trifft die Ringeltaube bereits im März, ausnahmsweise sogar schon im Februar ein und verweilt hier, in ihrer Heimat, bis Mitte oder Ende Oktobers; nach meines Vaters Beobachtungen siedelt sie sich aber nicht alle Jahre in gleicher Anzahl in ein und demselben Gebiete an, sondern nimmt Rücksicht auf zufällige Umstände: wenn der Fichtensamen gut gerathen ist, ist sie im Schwarzwalde sehr häufig, wenn das Gegentheil stattfindet, verläßt sie die Nadelhölzer und wendet sich mehr den Laubhölzern zu.
Das Betragen ist zuerst von meinem Vater treu und ausführlich geschildert, und seine Beschreibung seitdem eigentlich weder bereichert, noch irgendwie berichtigt worden: Naumann hat sie eben auch nur umschrieben, nicht aber wesentlich vervollständigt. "Die Ringeltaube", sagt Ersterer, "ist ein äußerst rascher, flüchtiger und scheuer Vogel. Sie geht geschickt, aber nicht sehr schnell, trägt dabei den Leib bald wagrecht, bald aufgerichtet und bewegt den Hals unaufhörlich. Entweder sitzt sie auf dem Wipfel oder tief in den Zweigen verborgen. Sie hat gewisse Lieblings- bäume, auf denen man sie fast alle Morgen antrifft entweder solche, welche weit über die andern hinausragen, oder solche, welche dürre Wipfel haben. Jhr Flug ist schön, schnell, geschickt, ver- ursacht beim Auffliegen Klatschen und dann ein Pfeifen in der Luft. Schon in weiter Entfernung kann man die fliegende Ringeltaube nicht nur an der Größe, sondern auch an dem langen Schwanze und dem weißen Flecken auf den Flügeln erkennen."
"Um ein treues Bild vom Betragen dieser Taube zu geben, will ich ihre Lebensart kurz beschreiben. Die Nacht bringen beide Gatten in der Nähe des Nestes zu. Früh vor Tagesanbruch sind sie schon munter, und das Männchen begibt sich auf seinen Lieblingsbaum. Hier fängt es in der Dämmerung an zu rucksen, was der Feldtaube ähnlich, aber stärker, fast wie "Ruckkuckkuck" und "Kukuku" oder "Rukuku kuku" klingt. Es sitzt dabei fest auf einem Aste, bläst aber den Hals auf und bewegt ihn. Jedes Rucksen wird drei- bis viermal nach einander wiederholt und folgt, je hitziger der Taubert ist, desto schneller auf einander. Die in der Nähe befindlichen Tauberte werden dadurch herbeigelockt, setzen sich auf benachbarte Bäume und rucksen nun, mit einander wetteifernd. Merkwürdig ist, daß man gewöhnlich drei, seltener zwei, aber nie vier Männchen in geringer Ent- fernung von einander rucksen hört. Alle sitzen dabei auf hohen Bäumen und nicht selten auf den Wipfeln. Einmal beobachtete ich, daß ein Männchen dieser Taubenart auf der Erde vor dem Weibchen ruckste, und ein anderesmal flog eins rucksend über mich weg. Kommt das Weibchen auf das Rucksen herbei, so setzt es sich nahe bei dem Männchen nieder, und dieses ruckst nun nicht mehr, sondern schreit nur von Zeit zu Zeit "puh" oder "huh", was ein inniges Behagen ausdrückt. Es scheint dadurch den neben ihm sitzenden Tauberten seinen Sieg verkünden zu wollen. Das Rucksen ist am stärksten an windstillen, warmen Morgen; doch habe ich es auch bei Regen und spätem Schnee gehört und zwar vom April bis in den August, aber stets am häufigsten, wenn das Paar zu einer neuen Brut Anstalt macht."
"Um sieben, acht oder neun Uhr morgens (die Zeit ist verschieden) verstummt der Taubert und fliegt mit dem Weibchen, wenn dieses weder Eier noch kleine Junge hat, nach Futter aus, geht auch auf die Salzlecke. Um zehn Uhr beginnt das Rucksen wieder, aber schwächer und weniger anhaltend,
Die Läufer. Girrvögel. Tauben.
gehören. Ausnahmsweiſe ſiedelt ſie ſich auch inmitten der Dörfer oder ſelbſt inmitten volk- reicher Städte auf einzelnen Bäumen an: ich habe ſie in den Spaziergängen Leipzigs und Dresdens, ſowie in den Gärten Jena’s als Brutvogel gefunden.
Jm Norden ihres Verbreitungskreiſes iſt die Ringeltaube ein Zugvogel, welcher ſehr regelmäßig wegzieht und wieder erſcheint, ſchon im ſüdlichen Deutſchland und noch mehr in Spanien und Jtalien aber ein Standvogel. Die von uns auswandernden ziehen bis Südeuropa und verbringen den Winter auch in ſolchen Gegenden, in denen zuweilen ſehr rauhes und unfreundliches Wetter wochenlang herr- ſchen kann: wir haben ſie und die Hohltaube in ſehr zahlreichen Scharen während der Wintermonate bei Madrid und in der Sierra Nevada beobachtet, gleichzeitig aber auch erfahren, daß in dem genannten Gebirge gerade dieſe Art Sommer und Winter ziemlich gleich häufig ſein ſoll. Jn Mitteldeutſchland trifft die Ringeltaube bereits im März, ausnahmsweiſe ſogar ſchon im Februar ein und verweilt hier, in ihrer Heimat, bis Mitte oder Ende Oktobers; nach meines Vaters Beobachtungen ſiedelt ſie ſich aber nicht alle Jahre in gleicher Anzahl in ein und demſelben Gebiete an, ſondern nimmt Rückſicht auf zufällige Umſtände: wenn der Fichtenſamen gut gerathen iſt, iſt ſie im Schwarzwalde ſehr häufig, wenn das Gegentheil ſtattfindet, verläßt ſie die Nadelhölzer und wendet ſich mehr den Laubhölzern zu.
Das Betragen iſt zuerſt von meinem Vater treu und ausführlich geſchildert, und ſeine Beſchreibung ſeitdem eigentlich weder bereichert, noch irgendwie berichtigt worden: Naumann hat ſie eben auch nur umſchrieben, nicht aber weſentlich vervollſtändigt. „Die Ringeltaube“, ſagt Erſterer, „iſt ein äußerſt raſcher, flüchtiger und ſcheuer Vogel. Sie geht geſchickt, aber nicht ſehr ſchnell, trägt dabei den Leib bald wagrecht, bald aufgerichtet und bewegt den Hals unaufhörlich. Entweder ſitzt ſie auf dem Wipfel oder tief in den Zweigen verborgen. Sie hat gewiſſe Lieblings- bäume, auf denen man ſie faſt alle Morgen antrifft entweder ſolche, welche weit über die andern hinausragen, oder ſolche, welche dürre Wipfel haben. Jhr Flug iſt ſchön, ſchnell, geſchickt, ver- urſacht beim Auffliegen Klatſchen und dann ein Pfeifen in der Luft. Schon in weiter Entfernung kann man die fliegende Ringeltaube nicht nur an der Größe, ſondern auch an dem langen Schwanze und dem weißen Flecken auf den Flügeln erkennen.“
„Um ein treues Bild vom Betragen dieſer Taube zu geben, will ich ihre Lebensart kurz beſchreiben. Die Nacht bringen beide Gatten in der Nähe des Neſtes zu. Früh vor Tagesanbruch ſind ſie ſchon munter, und das Männchen begibt ſich auf ſeinen Lieblingsbaum. Hier fängt es in der Dämmerung an zu ruckſen, was der Feldtaube ähnlich, aber ſtärker, faſt wie „Ruckkuckkuck“ und „Kukuku“ oder „Rukuku kuku“ klingt. Es ſitzt dabei feſt auf einem Aſte, bläſt aber den Hals auf und bewegt ihn. Jedes Ruckſen wird drei- bis viermal nach einander wiederholt und folgt, je hitziger der Taubert iſt, deſto ſchneller auf einander. Die in der Nähe befindlichen Tauberte werden dadurch herbeigelockt, ſetzen ſich auf benachbarte Bäume und ruckſen nun, mit einander wetteifernd. Merkwürdig iſt, daß man gewöhnlich drei, ſeltener zwei, aber nie vier Männchen in geringer Ent- fernung von einander ruckſen hört. Alle ſitzen dabei auf hohen Bäumen und nicht ſelten auf den Wipfeln. Einmal beobachtete ich, daß ein Männchen dieſer Taubenart auf der Erde vor dem Weibchen ruckſte, und ein anderesmal flog eins ruckſend über mich weg. Kommt das Weibchen auf das Ruckſen herbei, ſo ſetzt es ſich nahe bei dem Männchen nieder, und dieſes ruckſt nun nicht mehr, ſondern ſchreit nur von Zeit zu Zeit „puh“ oder „huh“, was ein inniges Behagen ausdrückt. Es ſcheint dadurch den neben ihm ſitzenden Tauberten ſeinen Sieg verkünden zu wollen. Das Ruckſen iſt am ſtärkſten an windſtillen, warmen Morgen; doch habe ich es auch bei Regen und ſpätem Schnee gehört und zwar vom April bis in den Auguſt, aber ſtets am häufigſten, wenn das Paar zu einer neuen Brut Anſtalt macht.“
„Um ſieben, acht oder neun Uhr morgens (die Zeit iſt verſchieden) verſtummt der Taubert und fliegt mit dem Weibchen, wenn dieſes weder Eier noch kleine Junge hat, nach Futter aus, geht auch auf die Salzlecke. Um zehn Uhr beginnt das Ruckſen wieder, aber ſchwächer und weniger anhaltend,
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[264/0286]
Die Läufer. Girrvögel. Tauben.
gehören. Ausnahmsweiſe ſiedelt ſie ſich auch inmitten der Dörfer oder ſelbſt inmitten volk-
reicher Städte auf einzelnen Bäumen an: ich habe ſie in den Spaziergängen Leipzigs und
Dresdens, ſowie in den Gärten Jena’s als Brutvogel gefunden.
Jm Norden ihres Verbreitungskreiſes iſt die Ringeltaube ein Zugvogel, welcher ſehr regelmäßig
wegzieht und wieder erſcheint, ſchon im ſüdlichen Deutſchland und noch mehr in Spanien und Jtalien
aber ein Standvogel. Die von uns auswandernden ziehen bis Südeuropa und verbringen den Winter
auch in ſolchen Gegenden, in denen zuweilen ſehr rauhes und unfreundliches Wetter wochenlang herr-
ſchen kann: wir haben ſie und die Hohltaube in ſehr zahlreichen Scharen während der Wintermonate
bei Madrid und in der Sierra Nevada beobachtet, gleichzeitig aber auch erfahren, daß in dem
genannten Gebirge gerade dieſe Art Sommer und Winter ziemlich gleich häufig ſein ſoll. Jn
Mitteldeutſchland trifft die Ringeltaube bereits im März, ausnahmsweiſe ſogar ſchon im Februar
ein und verweilt hier, in ihrer Heimat, bis Mitte oder Ende Oktobers; nach meines Vaters
Beobachtungen ſiedelt ſie ſich aber nicht alle Jahre in gleicher Anzahl in ein und demſelben Gebiete
an, ſondern nimmt Rückſicht auf zufällige Umſtände: wenn der Fichtenſamen gut gerathen iſt, iſt
ſie im Schwarzwalde ſehr häufig, wenn das Gegentheil ſtattfindet, verläßt ſie die Nadelhölzer und
wendet ſich mehr den Laubhölzern zu.
Das Betragen iſt zuerſt von meinem Vater treu und ausführlich geſchildert, und ſeine
Beſchreibung ſeitdem eigentlich weder bereichert, noch irgendwie berichtigt worden: Naumann hat
ſie eben auch nur umſchrieben, nicht aber weſentlich vervollſtändigt. „Die Ringeltaube“, ſagt
Erſterer, „iſt ein äußerſt raſcher, flüchtiger und ſcheuer Vogel. Sie geht geſchickt, aber nicht ſehr
ſchnell, trägt dabei den Leib bald wagrecht, bald aufgerichtet und bewegt den Hals unaufhörlich.
Entweder ſitzt ſie auf dem Wipfel oder tief in den Zweigen verborgen. Sie hat gewiſſe Lieblings-
bäume, auf denen man ſie faſt alle Morgen antrifft entweder ſolche, welche weit über die andern
hinausragen, oder ſolche, welche dürre Wipfel haben. Jhr Flug iſt ſchön, ſchnell, geſchickt, ver-
urſacht beim Auffliegen Klatſchen und dann ein Pfeifen in der Luft. Schon in weiter Entfernung
kann man die fliegende Ringeltaube nicht nur an der Größe, ſondern auch an dem langen Schwanze
und dem weißen Flecken auf den Flügeln erkennen.“
„Um ein treues Bild vom Betragen dieſer Taube zu geben, will ich ihre Lebensart kurz
beſchreiben. Die Nacht bringen beide Gatten in der Nähe des Neſtes zu. Früh vor Tagesanbruch
ſind ſie ſchon munter, und das Männchen begibt ſich auf ſeinen Lieblingsbaum. Hier fängt es in
der Dämmerung an zu ruckſen, was der Feldtaube ähnlich, aber ſtärker, faſt wie „Ruckkuckkuck“ und
„Kukuku“ oder „Rukuku kuku“ klingt. Es ſitzt dabei feſt auf einem Aſte, bläſt aber den Hals auf
und bewegt ihn. Jedes Ruckſen wird drei- bis viermal nach einander wiederholt und folgt, je
hitziger der Taubert iſt, deſto ſchneller auf einander. Die in der Nähe befindlichen Tauberte werden
dadurch herbeigelockt, ſetzen ſich auf benachbarte Bäume und ruckſen nun, mit einander wetteifernd.
Merkwürdig iſt, daß man gewöhnlich drei, ſeltener zwei, aber nie vier Männchen in geringer Ent-
fernung von einander ruckſen hört. Alle ſitzen dabei auf hohen Bäumen und nicht ſelten auf den
Wipfeln. Einmal beobachtete ich, daß ein Männchen dieſer Taubenart auf der Erde vor dem Weibchen
ruckſte, und ein anderesmal flog eins ruckſend über mich weg. Kommt das Weibchen auf das Ruckſen
herbei, ſo ſetzt es ſich nahe bei dem Männchen nieder, und dieſes ruckſt nun nicht mehr, ſondern ſchreit
nur von Zeit zu Zeit „puh“ oder „huh“, was ein inniges Behagen ausdrückt. Es ſcheint dadurch
den neben ihm ſitzenden Tauberten ſeinen Sieg verkünden zu wollen. Das Ruckſen iſt am ſtärkſten
an windſtillen, warmen Morgen; doch habe ich es auch bei Regen und ſpätem Schnee gehört und
zwar vom April bis in den Auguſt, aber ſtets am häufigſten, wenn das Paar zu einer neuen Brut
Anſtalt macht.“
„Um ſieben, acht oder neun Uhr morgens (die Zeit iſt verſchieden) verſtummt der Taubert und
fliegt mit dem Weibchen, wenn dieſes weder Eier noch kleine Junge hat, nach Futter aus, geht auch
auf die Salzlecke. Um zehn Uhr beginnt das Ruckſen wieder, aber ſchwächer und weniger anhaltend,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/286>, abgerufen am 27.11.2024.
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