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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer.
tung unaufhaltsam entgegen gehen; andere Arten verringern sich mehr von Jahr zu Jahr.
Jhre Aufenthaltsorte sind höchst verschieden. Noch bildet der Wald ihren bevorzugten Wohnsitz;
sie beleben aber auch baumlose Gegenden in verhältnißmäßig großer Anzahl und steigen im Gebirg
über die Grenze des Baumwuchses empor oder bis zur pflanzenlosen Küste des Meeres hinab.

Man muß annehmen, daß die Nahrung auf den Aufenthalt der Läufer großen Einfluß ausübt;
unsere Beobachtungen sind derzeit aber noch nicht vollständig genug, als daß wir feststellen könnten,
in wie weit sie Abhängigkeit bedingt. Gerade bei den Läufern hält es schwer, die hinsichtlich dieser
Abhängigkeit unzweifelhaft bestehenden Gesetze zu erkennen. Unsere Vögel sind theilweise ebensogut
Raubthiere, wie Falken und Adler oder Schwalben und Sänger, theilweise aber auch entschiedene
Pflanzenfresser, und man ist durchaus nicht im Stande, von ihrer Gestalt aus mit Sicherheit auf die
bevorzugte Nahrung zu folgern; denn scheinbar Verwandte weichen, bezüglich ihrer Nahrung, sehr
von einander ab. Doch darf man im allgemeinen behaupten, daß die Läufer sich leichter, als andere
Vögel, einer ihnen ursprünglich nicht zusagenden Ernährungsweise anbequemen und sich bei einem
Futter, welches sie bei freier Wahl wahrscheinlich verschmähen würden, verhältnißmäßig wohl
befinden.

Die übrigen Lebensverhältnisse der in Rede stehenden Vögel sind zu verschiedenartig, als daß
sie hier besprochen werden könnten. Das Fortpflanzungsgeschäft z. B. stimmt wenig überein
und verdient einer ganz besonderen Beachtung. Nicht bei allen Läufern betheiligen sich beide Eltern
an der Bebrütung der Eier und an der Erziehung der Jungen; die Sorge dafür fällt vielmehr oft der
Mutter allein zu: aber auch sie spielt nicht immer die Hauptrolle, sondern überläßt diese dem Vater,
welcher den gelegten Eiern und ausgeschlüpften Jungen die volle Hingebung der Mutter zu Theil
werden läßt. Und nicht genug: es geschieht noch weit Auffälligeres. Einzelne Läufer bekümmern
sich, nachdem das Weibchen seine Eier in einem natürlichen Brütofen untergebracht hat, gar nicht mehr
um die Nachkommenschaft, sondern überlassen es der Mutter Natur, für sie zu sorgen: diese
Eltern versuchen also, falls man so sagen darf, selbst den Kukuk noch zu überbieten. -- Jm übrigen
kann hier noch bemerkt werden, daß viele Läufer die anderen Vögeln heilige eheliche Treue nicht
kennen, vielmehr nach Art der Säugethiere in Vielweiberei -- und ebenso in Vielmännerei --
leben, daß die Vermehrung der meisten eine bedeutende ist, daß die Jungen von vielen sehr selb-
ständig in die Welt treten, einzelne, wie nach Vorstehendem erklärlich, vom ersten Tage ihres Lebens
an in jeder Hinsicht für sich sorgen, daß ihre Entwicklung dennoch eine sehr verschiedene, ihr
Wachsthum in der Regel bald beendet ist und sie sich deshalb zu Nutzthieren vorzüglich eignen.
Die Reihe der Läufer stellt allerorten beliebtes Jagdwild, aus ihr wählte sich der Mensch seine
ergiebigsten Hausvögel, und auf sie vorzugsweise sind die Blicke Derer Gerichtet, welche unseren
Wäldern und Fluren, unseren Hühnerhöfen und Ställen neue Bewohner, neue Nutzthiere zuführen
wollen. Es ist kaum zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß nur die Läufer die Bemühungen
und Kosten lohnen werden, welche die gegenwärtig so lebhaft betriebene Einbürgerung fremdländischer
Thiere bedingt.



Die Läufer.
tung unaufhaltſam entgegen gehen; andere Arten verringern ſich mehr von Jahr zu Jahr.
Jhre Aufenthaltsorte ſind höchſt verſchieden. Noch bildet der Wald ihren bevorzugten Wohnſitz;
ſie beleben aber auch baumloſe Gegenden in verhältnißmäßig großer Anzahl und ſteigen im Gebirg
über die Grenze des Baumwuchſes empor oder bis zur pflanzenloſen Küſte des Meeres hinab.

Man muß annehmen, daß die Nahrung auf den Aufenthalt der Läufer großen Einfluß ausübt;
unſere Beobachtungen ſind derzeit aber noch nicht vollſtändig genug, als daß wir feſtſtellen könnten,
in wie weit ſie Abhängigkeit bedingt. Gerade bei den Läufern hält es ſchwer, die hinſichtlich dieſer
Abhängigkeit unzweifelhaft beſtehenden Geſetze zu erkennen. Unſere Vögel ſind theilweiſe ebenſogut
Raubthiere, wie Falken und Adler oder Schwalben und Sänger, theilweiſe aber auch entſchiedene
Pflanzenfreſſer, und man iſt durchaus nicht im Stande, von ihrer Geſtalt aus mit Sicherheit auf die
bevorzugte Nahrung zu folgern; denn ſcheinbar Verwandte weichen, bezüglich ihrer Nahrung, ſehr
von einander ab. Doch darf man im allgemeinen behaupten, daß die Läufer ſich leichter, als andere
Vögel, einer ihnen urſprünglich nicht zuſagenden Ernährungsweiſe anbequemen und ſich bei einem
Futter, welches ſie bei freier Wahl wahrſcheinlich verſchmähen würden, verhältnißmäßig wohl
befinden.

Die übrigen Lebensverhältniſſe der in Rede ſtehenden Vögel ſind zu verſchiedenartig, als daß
ſie hier beſprochen werden könnten. Das Fortpflanzungsgeſchäft z. B. ſtimmt wenig überein
und verdient einer ganz beſonderen Beachtung. Nicht bei allen Läufern betheiligen ſich beide Eltern
an der Bebrütung der Eier und an der Erziehung der Jungen; die Sorge dafür fällt vielmehr oft der
Mutter allein zu: aber auch ſie ſpielt nicht immer die Hauptrolle, ſondern überläßt dieſe dem Vater,
welcher den gelegten Eiern und ausgeſchlüpften Jungen die volle Hingebung der Mutter zu Theil
werden läßt. Und nicht genug: es geſchieht noch weit Auffälligeres. Einzelne Läufer bekümmern
ſich, nachdem das Weibchen ſeine Eier in einem natürlichen Brütofen untergebracht hat, gar nicht mehr
um die Nachkommenſchaft, ſondern überlaſſen es der Mutter Natur, für ſie zu ſorgen: dieſe
Eltern verſuchen alſo, falls man ſo ſagen darf, ſelbſt den Kukuk noch zu überbieten. — Jm übrigen
kann hier noch bemerkt werden, daß viele Läufer die anderen Vögeln heilige eheliche Treue nicht
kennen, vielmehr nach Art der Säugethiere in Vielweiberei — und ebenſo in Vielmännerei —
leben, daß die Vermehrung der meiſten eine bedeutende iſt, daß die Jungen von vielen ſehr ſelb-
ſtändig in die Welt treten, einzelne, wie nach Vorſtehendem erklärlich, vom erſten Tage ihres Lebens
an in jeder Hinſicht für ſich ſorgen, daß ihre Entwicklung dennoch eine ſehr verſchiedene, ihr
Wachsthum in der Regel bald beendet iſt und ſie ſich deshalb zu Nutzthieren vorzüglich eignen.
Die Reihe der Läufer ſtellt allerorten beliebtes Jagdwild, aus ihr wählte ſich der Menſch ſeine
ergiebigſten Hausvögel, und auf ſie vorzugsweiſe ſind die Blicke Derer Gerichtet, welche unſeren
Wäldern und Fluren, unſeren Hühnerhöfen und Ställen neue Bewohner, neue Nutzthiere zuführen
wollen. Es iſt kaum zu viel geſagt, wenn man behauptet, daß nur die Läufer die Bemühungen
und Koſten lohnen werden, welche die gegenwärtig ſo lebhaft betriebene Einbürgerung fremdländiſcher
Thiere bedingt.



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[254/0276] Die Läufer. tung unaufhaltſam entgegen gehen; andere Arten verringern ſich mehr von Jahr zu Jahr. Jhre Aufenthaltsorte ſind höchſt verſchieden. Noch bildet der Wald ihren bevorzugten Wohnſitz; ſie beleben aber auch baumloſe Gegenden in verhältnißmäßig großer Anzahl und ſteigen im Gebirg über die Grenze des Baumwuchſes empor oder bis zur pflanzenloſen Küſte des Meeres hinab. Man muß annehmen, daß die Nahrung auf den Aufenthalt der Läufer großen Einfluß ausübt; unſere Beobachtungen ſind derzeit aber noch nicht vollſtändig genug, als daß wir feſtſtellen könnten, in wie weit ſie Abhängigkeit bedingt. Gerade bei den Läufern hält es ſchwer, die hinſichtlich dieſer Abhängigkeit unzweifelhaft beſtehenden Geſetze zu erkennen. Unſere Vögel ſind theilweiſe ebenſogut Raubthiere, wie Falken und Adler oder Schwalben und Sänger, theilweiſe aber auch entſchiedene Pflanzenfreſſer, und man iſt durchaus nicht im Stande, von ihrer Geſtalt aus mit Sicherheit auf die bevorzugte Nahrung zu folgern; denn ſcheinbar Verwandte weichen, bezüglich ihrer Nahrung, ſehr von einander ab. Doch darf man im allgemeinen behaupten, daß die Läufer ſich leichter, als andere Vögel, einer ihnen urſprünglich nicht zuſagenden Ernährungsweiſe anbequemen und ſich bei einem Futter, welches ſie bei freier Wahl wahrſcheinlich verſchmähen würden, verhältnißmäßig wohl befinden. Die übrigen Lebensverhältniſſe der in Rede ſtehenden Vögel ſind zu verſchiedenartig, als daß ſie hier beſprochen werden könnten. Das Fortpflanzungsgeſchäft z. B. ſtimmt wenig überein und verdient einer ganz beſonderen Beachtung. Nicht bei allen Läufern betheiligen ſich beide Eltern an der Bebrütung der Eier und an der Erziehung der Jungen; die Sorge dafür fällt vielmehr oft der Mutter allein zu: aber auch ſie ſpielt nicht immer die Hauptrolle, ſondern überläßt dieſe dem Vater, welcher den gelegten Eiern und ausgeſchlüpften Jungen die volle Hingebung der Mutter zu Theil werden läßt. Und nicht genug: es geſchieht noch weit Auffälligeres. Einzelne Läufer bekümmern ſich, nachdem das Weibchen ſeine Eier in einem natürlichen Brütofen untergebracht hat, gar nicht mehr um die Nachkommenſchaft, ſondern überlaſſen es der Mutter Natur, für ſie zu ſorgen: dieſe Eltern verſuchen alſo, falls man ſo ſagen darf, ſelbſt den Kukuk noch zu überbieten. — Jm übrigen kann hier noch bemerkt werden, daß viele Läufer die anderen Vögeln heilige eheliche Treue nicht kennen, vielmehr nach Art der Säugethiere in Vielweiberei — und ebenſo in Vielmännerei — leben, daß die Vermehrung der meiſten eine bedeutende iſt, daß die Jungen von vielen ſehr ſelb- ſtändig in die Welt treten, einzelne, wie nach Vorſtehendem erklärlich, vom erſten Tage ihres Lebens an in jeder Hinſicht für ſich ſorgen, daß ihre Entwicklung dennoch eine ſehr verſchiedene, ihr Wachsthum in der Regel bald beendet iſt und ſie ſich deshalb zu Nutzthieren vorzüglich eignen. Die Reihe der Läufer ſtellt allerorten beliebtes Jagdwild, aus ihr wählte ſich der Menſch ſeine ergiebigſten Hausvögel, und auf ſie vorzugsweiſe ſind die Blicke Derer Gerichtet, welche unſeren Wäldern und Fluren, unſeren Hühnerhöfen und Ställen neue Bewohner, neue Nutzthiere zuführen wollen. Es iſt kaum zu viel geſagt, wenn man behauptet, daß nur die Läufer die Bemühungen und Koſten lohnen werden, welche die gegenwärtig ſo lebhaft betriebene Einbürgerung fremdländiſcher Thiere bedingt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/276>, abgerufen am 27.11.2024.