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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Regen- und Eidechsenkukuk.
eins, welches schon ein Junges enthielt, und ein anderes, welches noch frisch war, also erst kürzlich
gelegt sein konnte. Als wir alle die jungen Kukuke neben einander betrachteten, entdeckten wir zu
unserer größten Verwunderung, daß auch nicht zwei von ihnen dieselbe Größe hatten. Sie mußten
zu verschiedenen Zeiten ausgeschlüpft, und die größten drei volle Wochen älter sein, als die übrigen.
Rhett versicherte mir, daß er Dasselbe bei einem zweiten Neste beobachtet habe und erzählte, daß in
demselben von einem Paare während einer Brutzeit nach und nach elf junge Kukuke ausgebrütet
und groß gezogen worden wären." Audubon's Entdeckung wurde später durch Brewer's
Beobachtungen bestätigt. "Das Weibchen", schreibt dieser seinem Freunde, "beginnt offenbar zu
brüten, sobald es das erste Ei gelegt hat. Jch habe in dem Neste ein Ei noch frisch gefunden,
während in einem zweiten das Junge soeben die Schale durchbrechen wollte, und ebenso habe ich Eier
ausgehoben, welche zum Ausschlüpfen reif waren, während nicht blos kleinere, sondern zum Aus-
fliegen fertige Junge in demselben Neste saßen." Diese Thatsachen sind höchst beachtenswerth; denn
sie stehen, so viel bis jetzt bekannt, durchaus vereinzelt da.

Jn Amerika wird der Regenkukuk selten verfolgt, und seine geringe Scheu, welche er an den
Tag legt, hat also seinen Grund. Uebrigens merkt er bald, ob man ihm wohl will oder nicht:
Erfahrung witzigt auch ihn. Nach Audubon soll er den Edelfalken oft zur Beute werden.



Auf Jamaika tritt zu dem Regenkukuk ein Verwandter, welcher dort Regenvogel, wissen-
schaftlich aber Eidechsenkukuk (Saurothera vetula) genannt wird und seiner auffallenden
Schnabelbildung wegen erwähnt zu werden verdient. Der Schnabel ist länger als der Kopf, fast
vollkommen gerade, dünn, seitlich zusammengedrückt, an der Spitze hakig übergebogen. Die Läufe
sind kurz und schlank, die Zehen lang und schmächtig, die Flügel mittellang, in ihnen die vierte,
fünfte und sechste Schwinge die längsten. Der mehr als mittellange, seitlich stark abgestufte
Schwanz wird aus zehn gerundeten Federn gebildet. Das Gefieder der Oberseite ist dunkelgrau,
das der Unterseite fahlgelb, welche Farbe auf der Brust in Lichtaschgrau und auf dem Bauche in
Gelblichgrau übergeht; die zehn ersten Schwingen sind hellbraunroth, an der Spitze grünlichbraun,
die beiden mittleren Steuerfedern grau, grünlich schimmernd, die seitlichen schwärzlichbraun, an der
Spitze weiß. Das Auge ist nußbraun, der Augenring scharlachroth, der Schnabel schwärzlich, der
Fuß bläulichschwarz. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht durch die Färbung. Die
Länge beträgt 151/2, die Breite 14, die Fittiglänge 41/2, die Schwanzlänge 63/4 Zoll.

"Ein oder zwei Tage nach meiner Ankunft auf Jamaika", erzählt Gosse, "unternahm ich in
Gesellschaft eines kleinen Knaben einen Ausflug nach einem Hügel, welcher theilweise mit einem fast
undurchdringlichen Dickicht bestanden war. Als wir doch eindrangen, bemerkte ich einen sonder-
baren Vogel wenige Fuß vor uns, welcher uns scheinbar mit der größten Theilnahme beobachtete.
Mein kleiner Freund belehrte mich, daß es der Regenvogel sei, welcher jedoch auch, seiner albernen
Neugier halber, "Närrischer Thomas" genannt werde. Ohne weitere Worte zu verlieren, ergriff
der Bube einen Stein und schleuderte denselben mit so großer Sicherheit nach dem wißbegierigen
Vogel, daß dieser zu Boden stürzte und ich somit die erste Frucht meines Sammeleifers erlangte."

"Seitdem habe ich den "närrischen Thomas" oft gesehen, aber immer in derselben Weise von
Zweig zu Zweig hüpfend oder mit Leichtigkeit an den dünnen Schößlingen emporklimmend, den sich
ihm Nähernden anstarrend und, wenn aufgescheucht, blos ein paar Schritte weiter fliegend und
wiederum vor sich hinglotzend. Man begegnet ihm überall, aber nur im Niederwalde. Jm Einklang
zu seinen kurzen, hohlen Flügeln, welche an die der Hühner erinnern, sieht man den Eidechsenkukuk
selten fliegen, außer von einem Baume zum andern. Häufiger bewegt er sich schlüpfend und kletternd
durchs Gezweige. Wenn er fliegt, gleitet er in einer fast geraden Linie ohne Flügelschlag dahin. Oft

Regen- und Eidechſenkukuk.
eins, welches ſchon ein Junges enthielt, und ein anderes, welches noch friſch war, alſo erſt kürzlich
gelegt ſein konnte. Als wir alle die jungen Kukuke neben einander betrachteten, entdeckten wir zu
unſerer größten Verwunderung, daß auch nicht zwei von ihnen dieſelbe Größe hatten. Sie mußten
zu verſchiedenen Zeiten ausgeſchlüpft, und die größten drei volle Wochen älter ſein, als die übrigen.
Rhett verſicherte mir, daß er Daſſelbe bei einem zweiten Neſte beobachtet habe und erzählte, daß in
demſelben von einem Paare während einer Brutzeit nach und nach elf junge Kukuke ausgebrütet
und groß gezogen worden wären.“ Audubon’s Entdeckung wurde ſpäter durch Brewer’s
Beobachtungen beſtätigt. „Das Weibchen“, ſchreibt dieſer ſeinem Freunde, „beginnt offenbar zu
brüten, ſobald es das erſte Ei gelegt hat. Jch habe in dem Neſte ein Ei noch friſch gefunden,
während in einem zweiten das Junge ſoeben die Schale durchbrechen wollte, und ebenſo habe ich Eier
ausgehoben, welche zum Ausſchlüpfen reif waren, während nicht blos kleinere, ſondern zum Aus-
fliegen fertige Junge in demſelben Neſte ſaßen.“ Dieſe Thatſachen ſind höchſt beachtenswerth; denn
ſie ſtehen, ſo viel bis jetzt bekannt, durchaus vereinzelt da.

Jn Amerika wird der Regenkukuk ſelten verfolgt, und ſeine geringe Scheu, welche er an den
Tag legt, hat alſo ſeinen Grund. Uebrigens merkt er bald, ob man ihm wohl will oder nicht:
Erfahrung witzigt auch ihn. Nach Audubon ſoll er den Edelfalken oft zur Beute werden.



Auf Jamaika tritt zu dem Regenkukuk ein Verwandter, welcher dort Regenvogel, wiſſen-
ſchaftlich aber Eidechſenkukuk (Saurothera vetula) genannt wird und ſeiner auffallenden
Schnabelbildung wegen erwähnt zu werden verdient. Der Schnabel iſt länger als der Kopf, faſt
vollkommen gerade, dünn, ſeitlich zuſammengedrückt, an der Spitze hakig übergebogen. Die Läufe
ſind kurz und ſchlank, die Zehen lang und ſchmächtig, die Flügel mittellang, in ihnen die vierte,
fünfte und ſechste Schwinge die längſten. Der mehr als mittellange, ſeitlich ſtark abgeſtufte
Schwanz wird aus zehn gerundeten Federn gebildet. Das Gefieder der Oberſeite iſt dunkelgrau,
das der Unterſeite fahlgelb, welche Farbe auf der Bruſt in Lichtaſchgrau und auf dem Bauche in
Gelblichgrau übergeht; die zehn erſten Schwingen ſind hellbraunroth, an der Spitze grünlichbraun,
die beiden mittleren Steuerfedern grau, grünlich ſchimmernd, die ſeitlichen ſchwärzlichbraun, an der
Spitze weiß. Das Auge iſt nußbraun, der Augenring ſcharlachroth, der Schnabel ſchwärzlich, der
Fuß bläulichſchwarz. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich nicht durch die Färbung. Die
Länge beträgt 15½, die Breite 14, die Fittiglänge 4½, die Schwanzlänge 6¾ Zoll.

„Ein oder zwei Tage nach meiner Ankunft auf Jamaika“, erzählt Goſſe, „unternahm ich in
Geſellſchaft eines kleinen Knaben einen Ausflug nach einem Hügel, welcher theilweiſe mit einem faſt
undurchdringlichen Dickicht beſtanden war. Als wir doch eindrangen, bemerkte ich einen ſonder-
baren Vogel wenige Fuß vor uns, welcher uns ſcheinbar mit der größten Theilnahme beobachtete.
Mein kleiner Freund belehrte mich, daß es der Regenvogel ſei, welcher jedoch auch, ſeiner albernen
Neugier halber, „Närriſcher Thomas“ genannt werde. Ohne weitere Worte zu verlieren, ergriff
der Bube einen Stein und ſchleuderte denſelben mit ſo großer Sicherheit nach dem wißbegierigen
Vogel, daß dieſer zu Boden ſtürzte und ich ſomit die erſte Frucht meines Sammeleifers erlangte.“

„Seitdem habe ich den „närriſchen Thomas“ oft geſehen, aber immer in derſelben Weiſe von
Zweig zu Zweig hüpfend oder mit Leichtigkeit an den dünnen Schößlingen emporklimmend, den ſich
ihm Nähernden anſtarrend und, wenn aufgeſcheucht, blos ein paar Schritte weiter fliegend und
wiederum vor ſich hinglotzend. Man begegnet ihm überall, aber nur im Niederwalde. Jm Einklang
zu ſeinen kurzen, hohlen Flügeln, welche an die der Hühner erinnern, ſieht man den Eidechſenkukuk
ſelten fliegen, außer von einem Baume zum andern. Häufiger bewegt er ſich ſchlüpfend und kletternd
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[213/0235] Regen- und Eidechſenkukuk. eins, welches ſchon ein Junges enthielt, und ein anderes, welches noch friſch war, alſo erſt kürzlich gelegt ſein konnte. Als wir alle die jungen Kukuke neben einander betrachteten, entdeckten wir zu unſerer größten Verwunderung, daß auch nicht zwei von ihnen dieſelbe Größe hatten. Sie mußten zu verſchiedenen Zeiten ausgeſchlüpft, und die größten drei volle Wochen älter ſein, als die übrigen. Rhett verſicherte mir, daß er Daſſelbe bei einem zweiten Neſte beobachtet habe und erzählte, daß in demſelben von einem Paare während einer Brutzeit nach und nach elf junge Kukuke ausgebrütet und groß gezogen worden wären.“ Audubon’s Entdeckung wurde ſpäter durch Brewer’s Beobachtungen beſtätigt. „Das Weibchen“, ſchreibt dieſer ſeinem Freunde, „beginnt offenbar zu brüten, ſobald es das erſte Ei gelegt hat. Jch habe in dem Neſte ein Ei noch friſch gefunden, während in einem zweiten das Junge ſoeben die Schale durchbrechen wollte, und ebenſo habe ich Eier ausgehoben, welche zum Ausſchlüpfen reif waren, während nicht blos kleinere, ſondern zum Aus- fliegen fertige Junge in demſelben Neſte ſaßen.“ Dieſe Thatſachen ſind höchſt beachtenswerth; denn ſie ſtehen, ſo viel bis jetzt bekannt, durchaus vereinzelt da. Jn Amerika wird der Regenkukuk ſelten verfolgt, und ſeine geringe Scheu, welche er an den Tag legt, hat alſo ſeinen Grund. Uebrigens merkt er bald, ob man ihm wohl will oder nicht: Erfahrung witzigt auch ihn. Nach Audubon ſoll er den Edelfalken oft zur Beute werden. Auf Jamaika tritt zu dem Regenkukuk ein Verwandter, welcher dort Regenvogel, wiſſen- ſchaftlich aber Eidechſenkukuk (Saurothera vetula) genannt wird und ſeiner auffallenden Schnabelbildung wegen erwähnt zu werden verdient. Der Schnabel iſt länger als der Kopf, faſt vollkommen gerade, dünn, ſeitlich zuſammengedrückt, an der Spitze hakig übergebogen. Die Läufe ſind kurz und ſchlank, die Zehen lang und ſchmächtig, die Flügel mittellang, in ihnen die vierte, fünfte und ſechste Schwinge die längſten. Der mehr als mittellange, ſeitlich ſtark abgeſtufte Schwanz wird aus zehn gerundeten Federn gebildet. Das Gefieder der Oberſeite iſt dunkelgrau, das der Unterſeite fahlgelb, welche Farbe auf der Bruſt in Lichtaſchgrau und auf dem Bauche in Gelblichgrau übergeht; die zehn erſten Schwingen ſind hellbraunroth, an der Spitze grünlichbraun, die beiden mittleren Steuerfedern grau, grünlich ſchimmernd, die ſeitlichen ſchwärzlichbraun, an der Spitze weiß. Das Auge iſt nußbraun, der Augenring ſcharlachroth, der Schnabel ſchwärzlich, der Fuß bläulichſchwarz. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich nicht durch die Färbung. Die Länge beträgt 15½, die Breite 14, die Fittiglänge 4½, die Schwanzlänge 6¾ Zoll. „Ein oder zwei Tage nach meiner Ankunft auf Jamaika“, erzählt Goſſe, „unternahm ich in Geſellſchaft eines kleinen Knaben einen Ausflug nach einem Hügel, welcher theilweiſe mit einem faſt undurchdringlichen Dickicht beſtanden war. Als wir doch eindrangen, bemerkte ich einen ſonder- baren Vogel wenige Fuß vor uns, welcher uns ſcheinbar mit der größten Theilnahme beobachtete. Mein kleiner Freund belehrte mich, daß es der Regenvogel ſei, welcher jedoch auch, ſeiner albernen Neugier halber, „Närriſcher Thomas“ genannt werde. Ohne weitere Worte zu verlieren, ergriff der Bube einen Stein und ſchleuderte denſelben mit ſo großer Sicherheit nach dem wißbegierigen Vogel, daß dieſer zu Boden ſtürzte und ich ſomit die erſte Frucht meines Sammeleifers erlangte.“ „Seitdem habe ich den „närriſchen Thomas“ oft geſehen, aber immer in derſelben Weiſe von Zweig zu Zweig hüpfend oder mit Leichtigkeit an den dünnen Schößlingen emporklimmend, den ſich ihm Nähernden anſtarrend und, wenn aufgeſcheucht, blos ein paar Schritte weiter fliegend und wiederum vor ſich hinglotzend. Man begegnet ihm überall, aber nur im Niederwalde. Jm Einklang zu ſeinen kurzen, hohlen Flügeln, welche an die der Hühner erinnern, ſieht man den Eidechſenkukuk ſelten fliegen, außer von einem Baume zum andern. Häufiger bewegt er ſich ſchlüpfend und kletternd durchs Gezweige. Wenn er fliegt, gleitet er in einer faſt geraden Linie ohne Flügelſchlag dahin. Oft

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/235>, abgerufen am 05.05.2024.