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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Purpur- und Graufischer.
auf ein oder zwei schwarze Brustbänder und einige dunkle Seitenflecke reinweiß; der Oberkopf ist
fast schwarz, ein Zügelstreifen reinschwarz, ein Augenbrauenstreifen schwarz und weiß gescheckt; die
weißen Schwanzfedern sind vor der Spitze mit einem schwarzen Band durchzogen. Das Auge ist
dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß braun. Die Länge beträgt 10, die Breite 18, die Fittig-
länge 5, die Schwanzlänge 3 Zoll. Das Weibchen unterscheidet sich dadurch untrüglich vom
Männchen, daß es nur ein schwarzes Brustband besitzt, während jenes deren zwei zeigt. Diese Ver-
schiedenheit hat Swainson veranlaßt, die beiden Geschlechter als zwei verschiedene Arten zu
beschreiben; Reichenbach ist in denselben Jrrthum verfallen; Hartlaub hingegen hat die
Wahrheit erkannt.

Der Graufischer ist weit verbreitet. Er findet sich in fast allen Ländern Afrikas, in Syrien,
Palästina, Persien und wahrscheinlich auch in Jndien; denn es ist sehr fraglich, ob der dort wohnende
Stoßfischer wirklich von dem Graufischer getrennt werden darf, wie einzelne Forscher es gethan haben.
Jn Europa ist er, wie bemerkt, wiederholt beobachtet worden, so viel ich weiß, aber nur in Griechen-
land und in Dalmatien. Wahrscheinlich kommt er viel öfter hier vor, als man bis jetzt angenommen
hat. Jn den Nilländern ist er gemein und deshalb mir durch eigene Anschauung bekannt geworden.

Jch erinnere mich noch recht wohl der Ueberraschung, welche mir dieser Vogel bereitete, als ich
kaum den Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt hatte. Schon auf dem Mahmuhdiekanal, welcher
Alexandrien mit dem Nil verbindet, hatte ich wiederholt einen großen Vogel, nach Art des Thurm-
falken rüttelnd, in der Luft schweben oder auf den Stangen der Schöpfeimer sitzen sehen, ohne mir
erklären zu können, welcher Art derselbe angehören möge. Ein glücklicher Schuß belehrte mich hier-
über, und mit wahrem Frohlocken betrachtete ich den erbeuteten Graufischer, welcher damals in meinen
Augen eine große Seltenheit war. Diese Ansicht änderte sich sehr bald; denn die nächstfolgenden
Tage schon überzeugten mich, daß der Graufischer, wenn auch nicht zu den häufigsten Vögeln des
Landes, so doch zu denen gehört, welche man überall und zu jeder Zeit zu sehen bekommt und ohne
Mühe in beliebiger Anzahl erlegen kann.

Gewöhnlich sieht man diesen Eisvogel auf den erwähnten Stangen der Schöpfeimer sitzen, seine
weiße Brust dem Strome zugekehrt. Steht eine Palme oder Mimose unmittelbar am Nilufer und
ist einer ihrer Zweige zum Aufsitzen geeignet, so nimmt er auch hier feinen Stand, und ebenso gern
läßt er sich auf dem Holzwerk der Schöpfräder nieder, welche durch Ochsen bewegt werden und die
allen Reisenden wohlbekannte, verwünschte "Nilmusik" hervorbringen. Der Graufischer theilt die
Scheu seines zierlichen Vetters nicht. Er fühlt sich sicher in seiner Heimat: er weiß, daß er dem
Egypter trauen darf und von ihm Nichts zu fürchten hat. Der Vogel hat Manches in seinem Wesen,
welches den Neuling überrascht; das Ueberraschendste aber ist doch seine Vertrautheit mit dem Wesen
des Menschen. Unmittelbar über dem Knaben, welcher die das Schöpfrad bewegenden Rinder mit der
Peitsche antreibt, und buchstäblich im Bereiche der Geifel, sitzt er so ruhig, als ob er von dem gedachten
Knaben gezähmt und abgerichtet wäre und in ihm seinen Gebieter und Beschützer zu erblicken habe;
neben und über den wasserschöpfenden Weibern fliegt er so dicht vorbei, daß es aussieht, als wolle
er diese vom Strome vertreiben. Gegen die Gewohnheit unseres Eisvogels ist er ein umgänglicher,
verträglicher Vogel, d. h. wenig futterneidisch, vielmehr sehr gesellig. Das Pärchen hält treuinnig
zusammen, und wo der eine sitzt, pflegt auch der andere zu rasten. Gewöhnlich sieht man die beiden
Gatten dicht neben einander, auf einem und demselben Aste, auf einem und demselben Baumstamme
lauernd: -- hätte Swainsou Egypten bereist, er würde zu seiner Ueberraschung erfahren haben,
daß seine Ceryle bicincta der Ceryle rudis alle die Liebesdienste erweist, welche ein rechtschaffner Gatte
seiner rechtmäßigen Gattin überhaupt erweisen kann; denn er hätte ohne Schwierigkeit so nahe an die
Vögel herangehen können, daß ihm die Merkmale beider unterscheidbar gewesen wären.

Seinen Fischfang betreibt unser Vogel regelmäßig so, wie der Königsfischer, wenn dessen gewöhn-
liche Künste nicht mehr ausreichen wollen, mit andern Worten, nicht vom hohen Sitze aus, sondern,
indem er sich rüttelnd über dem Wasser erhält und aus solcher Höhe sich in dasselbe hinabstürzt. Der

Purpur- und Graufiſcher.
auf ein oder zwei ſchwarze Bruſtbänder und einige dunkle Seitenflecke reinweiß; der Oberkopf iſt
faſt ſchwarz, ein Zügelſtreifen reinſchwarz, ein Augenbrauenſtreifen ſchwarz und weiß geſcheckt; die
weißen Schwanzfedern ſind vor der Spitze mit einem ſchwarzen Band durchzogen. Das Auge iſt
dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß braun. Die Länge beträgt 10, die Breite 18, die Fittig-
länge 5, die Schwanzlänge 3 Zoll. Das Weibchen unterſcheidet ſich dadurch untrüglich vom
Männchen, daß es nur ein ſchwarzes Bruſtband beſitzt, während jenes deren zwei zeigt. Dieſe Ver-
ſchiedenheit hat Swainſon veranlaßt, die beiden Geſchlechter als zwei verſchiedene Arten zu
beſchreiben; Reichenbach iſt in denſelben Jrrthum verfallen; Hartlaub hingegen hat die
Wahrheit erkannt.

Der Graufiſcher iſt weit verbreitet. Er findet ſich in faſt allen Ländern Afrikas, in Syrien,
Paläſtina, Perſien und wahrſcheinlich auch in Jndien; denn es iſt ſehr fraglich, ob der dort wohnende
Stoßfiſcher wirklich von dem Graufiſcher getrennt werden darf, wie einzelne Forſcher es gethan haben.
Jn Europa iſt er, wie bemerkt, wiederholt beobachtet worden, ſo viel ich weiß, aber nur in Griechen-
land und in Dalmatien. Wahrſcheinlich kommt er viel öfter hier vor, als man bis jetzt angenommen
hat. Jn den Nilländern iſt er gemein und deshalb mir durch eigene Anſchauung bekannt geworden.

Jch erinnere mich noch recht wohl der Ueberraſchung, welche mir dieſer Vogel bereitete, als ich
kaum den Fuß auf afrikaniſchen Boden geſetzt hatte. Schon auf dem Mahmuhdiekanal, welcher
Alexandrien mit dem Nil verbindet, hatte ich wiederholt einen großen Vogel, nach Art des Thurm-
falken rüttelnd, in der Luft ſchweben oder auf den Stangen der Schöpfeimer ſitzen ſehen, ohne mir
erklären zu können, welcher Art derſelbe angehören möge. Ein glücklicher Schuß belehrte mich hier-
über, und mit wahrem Frohlocken betrachtete ich den erbeuteten Graufiſcher, welcher damals in meinen
Augen eine große Seltenheit war. Dieſe Anſicht änderte ſich ſehr bald; denn die nächſtfolgenden
Tage ſchon überzeugten mich, daß der Graufiſcher, wenn auch nicht zu den häufigſten Vögeln des
Landes, ſo doch zu denen gehört, welche man überall und zu jeder Zeit zu ſehen bekommt und ohne
Mühe in beliebiger Anzahl erlegen kann.

Gewöhnlich ſieht man dieſen Eisvogel auf den erwähnten Stangen der Schöpfeimer ſitzen, ſeine
weiße Bruſt dem Strome zugekehrt. Steht eine Palme oder Mimoſe unmittelbar am Nilufer und
iſt einer ihrer Zweige zum Aufſitzen geeignet, ſo nimmt er auch hier feinen Stand, und ebenſo gern
läßt er ſich auf dem Holzwerk der Schöpfräder nieder, welche durch Ochſen bewegt werden und die
allen Reiſenden wohlbekannte, verwünſchte „Nilmuſik“ hervorbringen. Der Graufiſcher theilt die
Scheu ſeines zierlichen Vetters nicht. Er fühlt ſich ſicher in ſeiner Heimat: er weiß, daß er dem
Egypter trauen darf und von ihm Nichts zu fürchten hat. Der Vogel hat Manches in ſeinem Weſen,
welches den Neuling überraſcht; das Ueberraſchendſte aber iſt doch ſeine Vertrautheit mit dem Weſen
des Menſchen. Unmittelbar über dem Knaben, welcher die das Schöpfrad bewegenden Rinder mit der
Peitſche antreibt, und buchſtäblich im Bereiche der Geifel, ſitzt er ſo ruhig, als ob er von dem gedachten
Knaben gezähmt und abgerichtet wäre und in ihm ſeinen Gebieter und Beſchützer zu erblicken habe;
neben und über den waſſerſchöpfenden Weibern fliegt er ſo dicht vorbei, daß es ausſieht, als wolle
er dieſe vom Strome vertreiben. Gegen die Gewohnheit unſeres Eisvogels iſt er ein umgänglicher,
verträglicher Vogel, d. h. wenig futterneidiſch, vielmehr ſehr geſellig. Das Pärchen hält treuinnig
zuſammen, und wo der eine ſitzt, pflegt auch der andere zu raſten. Gewöhnlich ſieht man die beiden
Gatten dicht neben einander, auf einem und demſelben Aſte, auf einem und demſelben Baumſtamme
lauernd: — hätte Swainſou Egypten bereiſt, er würde zu ſeiner Ueberraſchung erfahren haben,
daß ſeine Ceryle bicincta der Ceryle rudis alle die Liebesdienſte erweiſt, welche ein rechtſchaffner Gatte
ſeiner rechtmäßigen Gattin überhaupt erweiſen kann; denn er hätte ohne Schwierigkeit ſo nahe an die
Vögel herangehen können, daß ihm die Merkmale beider unterſcheidbar geweſen wären.

Seinen Fiſchfang betreibt unſer Vogel regelmäßig ſo, wie der Königsfiſcher, wenn deſſen gewöhn-
liche Künſte nicht mehr ausreichen wollen, mit andern Worten, nicht vom hohen Sitze aus, ſondern,
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[167/0185] Purpur- und Graufiſcher. auf ein oder zwei ſchwarze Bruſtbänder und einige dunkle Seitenflecke reinweiß; der Oberkopf iſt faſt ſchwarz, ein Zügelſtreifen reinſchwarz, ein Augenbrauenſtreifen ſchwarz und weiß geſcheckt; die weißen Schwanzfedern ſind vor der Spitze mit einem ſchwarzen Band durchzogen. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß braun. Die Länge beträgt 10, die Breite 18, die Fittig- länge 5, die Schwanzlänge 3 Zoll. Das Weibchen unterſcheidet ſich dadurch untrüglich vom Männchen, daß es nur ein ſchwarzes Bruſtband beſitzt, während jenes deren zwei zeigt. Dieſe Ver- ſchiedenheit hat Swainſon veranlaßt, die beiden Geſchlechter als zwei verſchiedene Arten zu beſchreiben; Reichenbach iſt in denſelben Jrrthum verfallen; Hartlaub hingegen hat die Wahrheit erkannt. Der Graufiſcher iſt weit verbreitet. Er findet ſich in faſt allen Ländern Afrikas, in Syrien, Paläſtina, Perſien und wahrſcheinlich auch in Jndien; denn es iſt ſehr fraglich, ob der dort wohnende Stoßfiſcher wirklich von dem Graufiſcher getrennt werden darf, wie einzelne Forſcher es gethan haben. Jn Europa iſt er, wie bemerkt, wiederholt beobachtet worden, ſo viel ich weiß, aber nur in Griechen- land und in Dalmatien. Wahrſcheinlich kommt er viel öfter hier vor, als man bis jetzt angenommen hat. Jn den Nilländern iſt er gemein und deshalb mir durch eigene Anſchauung bekannt geworden. Jch erinnere mich noch recht wohl der Ueberraſchung, welche mir dieſer Vogel bereitete, als ich kaum den Fuß auf afrikaniſchen Boden geſetzt hatte. Schon auf dem Mahmuhdiekanal, welcher Alexandrien mit dem Nil verbindet, hatte ich wiederholt einen großen Vogel, nach Art des Thurm- falken rüttelnd, in der Luft ſchweben oder auf den Stangen der Schöpfeimer ſitzen ſehen, ohne mir erklären zu können, welcher Art derſelbe angehören möge. Ein glücklicher Schuß belehrte mich hier- über, und mit wahrem Frohlocken betrachtete ich den erbeuteten Graufiſcher, welcher damals in meinen Augen eine große Seltenheit war. Dieſe Anſicht änderte ſich ſehr bald; denn die nächſtfolgenden Tage ſchon überzeugten mich, daß der Graufiſcher, wenn auch nicht zu den häufigſten Vögeln des Landes, ſo doch zu denen gehört, welche man überall und zu jeder Zeit zu ſehen bekommt und ohne Mühe in beliebiger Anzahl erlegen kann. Gewöhnlich ſieht man dieſen Eisvogel auf den erwähnten Stangen der Schöpfeimer ſitzen, ſeine weiße Bruſt dem Strome zugekehrt. Steht eine Palme oder Mimoſe unmittelbar am Nilufer und iſt einer ihrer Zweige zum Aufſitzen geeignet, ſo nimmt er auch hier feinen Stand, und ebenſo gern läßt er ſich auf dem Holzwerk der Schöpfräder nieder, welche durch Ochſen bewegt werden und die allen Reiſenden wohlbekannte, verwünſchte „Nilmuſik“ hervorbringen. Der Graufiſcher theilt die Scheu ſeines zierlichen Vetters nicht. Er fühlt ſich ſicher in ſeiner Heimat: er weiß, daß er dem Egypter trauen darf und von ihm Nichts zu fürchten hat. Der Vogel hat Manches in ſeinem Weſen, welches den Neuling überraſcht; das Ueberraſchendſte aber iſt doch ſeine Vertrautheit mit dem Weſen des Menſchen. Unmittelbar über dem Knaben, welcher die das Schöpfrad bewegenden Rinder mit der Peitſche antreibt, und buchſtäblich im Bereiche der Geifel, ſitzt er ſo ruhig, als ob er von dem gedachten Knaben gezähmt und abgerichtet wäre und in ihm ſeinen Gebieter und Beſchützer zu erblicken habe; neben und über den waſſerſchöpfenden Weibern fliegt er ſo dicht vorbei, daß es ausſieht, als wolle er dieſe vom Strome vertreiben. Gegen die Gewohnheit unſeres Eisvogels iſt er ein umgänglicher, verträglicher Vogel, d. h. wenig futterneidiſch, vielmehr ſehr geſellig. Das Pärchen hält treuinnig zuſammen, und wo der eine ſitzt, pflegt auch der andere zu raſten. Gewöhnlich ſieht man die beiden Gatten dicht neben einander, auf einem und demſelben Aſte, auf einem und demſelben Baumſtamme lauernd: — hätte Swainſou Egypten bereiſt, er würde zu ſeiner Ueberraſchung erfahren haben, daß ſeine Ceryle bicincta der Ceryle rudis alle die Liebesdienſte erweiſt, welche ein rechtſchaffner Gatte ſeiner rechtmäßigen Gattin überhaupt erweiſen kann; denn er hätte ohne Schwierigkeit ſo nahe an die Vögel herangehen können, daß ihm die Merkmale beider unterſcheidbar geweſen wären. Seinen Fiſchfang betreibt unſer Vogel regelmäßig ſo, wie der Königsfiſcher, wenn deſſen gewöhn- liche Künſte nicht mehr ausreichen wollen, mit andern Worten, nicht vom hohen Sitze aus, ſondern, indem er ſich rüttelnd über dem Waſſer erhält und aus ſolcher Höhe ſich in daſſelbe hinabſtürzt. Der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/185>, abgerufen am 24.11.2024.