Das Brutgeschäft des Eisvogels ist erst durch die Beobachtungen Leisler's und meines Vaters bekannt geworden; Bechstein war hierüber noch nicht unterrichtet. "Sobald sich der Eis- vogel zu Ende März oder Anfangs April gepaart hat", fährt mein Vater fort, "sucht er sich einen Platz für das Nest aus. Dieser ist allemal ein trockenes, schroffes, vom Grase ganz entblößtes Ufer, an welchem keine Wasserratte, kein Wiesel und kein anderes Raubthier hinauf klettern kann. Jn dieses, einer senkrechten Wand ähnelnde Ufer hacken die Eisvögel einen oder zwei Fuß vom obern Rande ein rundes Loch, welches gewöhnlich zwei Zoll im Durchmesser hat, zwei bis drei Fuß tief ist, etwas aufwärts steigt und am Ausgange unten zwei Furchen zeigt. Am hintern Ende erweitert sich dieses Loch zu einer rundlichen, backofenähnlichen Höhle, die drei bis vier Zoll in der Höhe und vier bis fünf Zoll in der Breite hat. Diese Höhlung ist unten mit Fischgräten ausgelegt, wie gepflastert, wenig vertieft, trocken und oben glatt, wie an ihrem Ausgange. Auf den Fischgräten liegen die sechs bis sieben, sehr großen, fast rundlichen, glänzend weißen, wegen des durch- schimmernden Dotters rothgelb aussehenden Eier. Sie sind die schönsten unter allen, welche ich kenne, von einer Glätte, von einem Glanze und, ausgeblasen, von einer Weiße, wie die schönste Emaille. An Größe kommen sie fast einem Singdrosselei gleich, sodaß es mir unbegreiflich ist, wie sie der Eis- vogel mit seinen kurzen und harten Federn alle bedecken und erwärmen kann."
"Wenn der Eisvogel beim Aushacken des Loches, wozu er zwei bis drei Wochen braucht, auf Steine trifft, sucht er sie herauszuarbeiten. Gelingt Dies nicht, so läßt er sie stehen und arbeitet um sie herum, sodaß sie zuweilen halb in die Röhre vorragen. Der Steinchen wegen ist der Eingang zum Neste oft krumm. Häufen sie sich aber zu sehr, so verläßt der Vogel die Stelle und hackt sich nicht weit davon ein anderes Loch. Jn Hinsicht des Nestbaues zeigt sich der Eisvogel ganz als Specht, nur mit dem Unterschiede, daß dieser in morschen Bäumen, jener aber in der trockenen Erde sein Nest anbringt. Ein solches Loch bewohnt der Eisvogel mehrere Jahre, wenn er ungestört bleibt; wird aber der Eingang zum Neste erweitert, so legt er nie wieder seine Eier hinein Daß ein Nest mehreremal gebraucht sei, erkennt man leicht an einer Menge von Libellenköpfen und Libellenflügeln, die unter die Gräten gemischt sind, und an einer ungewöhnlichen Menge von Fisch- gräten, die in einem frischen Neste weit sparsamer liegen und, so lange die Jungen noch nicht aus- gekrochen, mit Libellenüberbleibseln nicht vermengt sind. Um zu erfahren, ob ein Eisvogelloch, das von den Höhlen der Wasserratte und anderer Säugethiere auf den ersten Blick zu unterscheiden ist, bewohnt sei oder nicht, braucht man nur hinein zu riechen: nimmt man einen Fischgeruch wahr, so kann man fest überzeugt sein, daß man ein frisches Nest vor sich habe."
"Merkwürdig ist es, wie fest ein brütender Eisvogel auf seinen Eiern oder seinen nackten Jungen sitzt. Man kann am Ufer pochen, wie man will, er kommt nicht heraus, ja, er bleibt noch ruhig, wenn man anfängt, das Loch zu erweitern, und verläßt seine Brut erst dann, wenn man ihm ganz nahe auf den Leib kommt."
"Jch fand die Eier in der Mitte des Mai und zu Anfang des Junius."
"Das Männchen hat ziemlich fern, hundert bis dreihundert Schritte von den Nestern, seinen Ruheplatz, auf welchem es die Nacht und auch einen Theil des Tages zubringt."
Naumann bestätigt diese Beschreibung vollständig und weiß nur wenig hinzuzufügen. Er gibt an, daß man in einzelnen Nestern zuweilen bis elf Eier findet, und berichtet dann noch Einiges über das Jugendleben der Vögel. "Das Weibchen", sagt er, "brütet allein, und das Männchen bringt ihm, während jenes fast unausgesetzt vierzehn bis sechszehn Tage lang über den Eiern sitzt, nicht nur Fische zur Nahrung, sondern trägt auch beiläufig dessen Unrath aus dem Neste weg, was beide Gatten nachher auch mit dem der Jungen thun. Die unlängst aus den Eiern geschlüpften Jungen sind häßliche Geschöpfe. Sie sind ganz nackt, mehrere Tage blind und von so ungleicher Größe, daß ich sogenannte Nestküchlein gefunden habe, welche kaum halb so groß als die andern waren. Jhr Kopf ist groß, der Schnabel aber noch sehr kurz und der Unterschnabel meistens zwei Linien länger als der Oberkiefer. Sie sind höchst unbehilflich, zittern öfters mit den Köpfen,
Die Späher. Leichtſchnäbler. Eisvögel.
Das Brutgeſchäft des Eisvogels iſt erſt durch die Beobachtungen Leisler’s und meines Vaters bekannt geworden; Bechſtein war hierüber noch nicht unterrichtet. „Sobald ſich der Eis- vogel zu Ende März oder Anfangs April gepaart hat“, fährt mein Vater fort, „ſucht er ſich einen Platz für das Neſt aus. Dieſer iſt allemal ein trockenes, ſchroffes, vom Graſe ganz entblößtes Ufer, an welchem keine Waſſerratte, kein Wieſel und kein anderes Raubthier hinauf klettern kann. Jn dieſes, einer ſenkrechten Wand ähnelnde Ufer hacken die Eisvögel einen oder zwei Fuß vom obern Rande ein rundes Loch, welches gewöhnlich zwei Zoll im Durchmeſſer hat, zwei bis drei Fuß tief iſt, etwas aufwärts ſteigt und am Ausgange unten zwei Furchen zeigt. Am hintern Ende erweitert ſich dieſes Loch zu einer rundlichen, backofenähnlichen Höhle, die drei bis vier Zoll in der Höhe und vier bis fünf Zoll in der Breite hat. Dieſe Höhlung iſt unten mit Fiſchgräten ausgelegt, wie gepflaſtert, wenig vertieft, trocken und oben glatt, wie an ihrem Ausgange. Auf den Fiſchgräten liegen die ſechs bis ſieben, ſehr großen, faſt rundlichen, glänzend weißen, wegen des durch- ſchimmernden Dotters rothgelb ausſehenden Eier. Sie ſind die ſchönſten unter allen, welche ich kenne, von einer Glätte, von einem Glanze und, ausgeblaſen, von einer Weiße, wie die ſchönſte Emaille. An Größe kommen ſie faſt einem Singdroſſelei gleich, ſodaß es mir unbegreiflich iſt, wie ſie der Eis- vogel mit ſeinen kurzen und harten Federn alle bedecken und erwärmen kann.“
„Wenn der Eisvogel beim Aushacken des Loches, wozu er zwei bis drei Wochen braucht, auf Steine trifft, ſucht er ſie herauszuarbeiten. Gelingt Dies nicht, ſo läßt er ſie ſtehen und arbeitet um ſie herum, ſodaß ſie zuweilen halb in die Röhre vorragen. Der Steinchen wegen iſt der Eingang zum Neſte oft krumm. Häufen ſie ſich aber zu ſehr, ſo verläßt der Vogel die Stelle und hackt ſich nicht weit davon ein anderes Loch. Jn Hinſicht des Neſtbaues zeigt ſich der Eisvogel ganz als Specht, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſer in morſchen Bäumen, jener aber in der trockenen Erde ſein Neſt anbringt. Ein ſolches Loch bewohnt der Eisvogel mehrere Jahre, wenn er ungeſtört bleibt; wird aber der Eingang zum Neſte erweitert, ſo legt er nie wieder ſeine Eier hinein Daß ein Neſt mehreremal gebraucht ſei, erkennt man leicht an einer Menge von Libellenköpfen und Libellenflügeln, die unter die Gräten gemiſcht ſind, und an einer ungewöhnlichen Menge von Fiſch- gräten, die in einem friſchen Neſte weit ſparſamer liegen und, ſo lange die Jungen noch nicht aus- gekrochen, mit Libellenüberbleibſeln nicht vermengt ſind. Um zu erfahren, ob ein Eisvogelloch, das von den Höhlen der Waſſerratte und anderer Säugethiere auf den erſten Blick zu unterſcheiden iſt, bewohnt ſei oder nicht, braucht man nur hinein zu riechen: nimmt man einen Fiſchgeruch wahr, ſo kann man feſt überzeugt ſein, daß man ein friſches Neſt vor ſich habe.“
„Merkwürdig iſt es, wie feſt ein brütender Eisvogel auf ſeinen Eiern oder ſeinen nackten Jungen ſitzt. Man kann am Ufer pochen, wie man will, er kommt nicht heraus, ja, er bleibt noch ruhig, wenn man anfängt, das Loch zu erweitern, und verläßt ſeine Brut erſt dann, wenn man ihm ganz nahe auf den Leib kommt.“
„Jch fand die Eier in der Mitte des Mai und zu Anfang des Junius.“
„Das Männchen hat ziemlich fern, hundert bis dreihundert Schritte von den Neſtern, ſeinen Ruheplatz, auf welchem es die Nacht und auch einen Theil des Tages zubringt.“
Naumann beſtätigt dieſe Beſchreibung vollſtändig und weiß nur wenig hinzuzufügen. Er gibt an, daß man in einzelnen Neſtern zuweilen bis elf Eier findet, und berichtet dann noch Einiges über das Jugendleben der Vögel. „Das Weibchen“, ſagt er, „brütet allein, und das Männchen bringt ihm, während jenes faſt unausgeſetzt vierzehn bis ſechszehn Tage lang über den Eiern ſitzt, nicht nur Fiſche zur Nahrung, ſondern trägt auch beiläufig deſſen Unrath aus dem Neſte weg, was beide Gatten nachher auch mit dem der Jungen thun. Die unlängſt aus den Eiern geſchlüpften Jungen ſind häßliche Geſchöpfe. Sie ſind ganz nackt, mehrere Tage blind und von ſo ungleicher Größe, daß ich ſogenannte Neſtküchlein gefunden habe, welche kaum halb ſo groß als die andern waren. Jhr Kopf iſt groß, der Schnabel aber noch ſehr kurz und der Unterſchnabel meiſtens zwei Linien länger als der Oberkiefer. Sie ſind höchſt unbehilflich, zittern öfters mit den Köpfen,
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Die Späher. Leichtſchnäbler. Eisvögel.
Das Brutgeſchäft des Eisvogels iſt erſt durch die Beobachtungen Leisler’s und meines
Vaters bekannt geworden; Bechſtein war hierüber noch nicht unterrichtet. „Sobald ſich der Eis-
vogel zu Ende März oder Anfangs April gepaart hat“, fährt mein Vater fort, „ſucht er ſich einen
Platz für das Neſt aus. Dieſer iſt allemal ein trockenes, ſchroffes, vom Graſe ganz entblößtes Ufer,
an welchem keine Waſſerratte, kein Wieſel und kein anderes Raubthier hinauf klettern kann. Jn
dieſes, einer ſenkrechten Wand ähnelnde Ufer hacken die Eisvögel einen oder zwei Fuß vom obern
Rande ein rundes Loch, welches gewöhnlich zwei Zoll im Durchmeſſer hat, zwei bis drei Fuß tief iſt,
etwas aufwärts ſteigt und am Ausgange unten zwei Furchen zeigt. Am hintern Ende erweitert
ſich dieſes Loch zu einer rundlichen, backofenähnlichen Höhle, die drei bis vier Zoll in der Höhe und
vier bis fünf Zoll in der Breite hat. Dieſe Höhlung iſt unten mit Fiſchgräten ausgelegt, wie
gepflaſtert, wenig vertieft, trocken und oben glatt, wie an ihrem Ausgange. Auf den Fiſchgräten
liegen die ſechs bis ſieben, ſehr großen, faſt rundlichen, glänzend weißen, wegen des durch-
ſchimmernden Dotters rothgelb ausſehenden Eier. Sie ſind die ſchönſten unter allen, welche ich kenne,
von einer Glätte, von einem Glanze und, ausgeblaſen, von einer Weiße, wie die ſchönſte Emaille.
An Größe kommen ſie faſt einem Singdroſſelei gleich, ſodaß es mir unbegreiflich iſt, wie ſie der Eis-
vogel mit ſeinen kurzen und harten Federn alle bedecken und erwärmen kann.“
„Wenn der Eisvogel beim Aushacken des Loches, wozu er zwei bis drei Wochen braucht, auf
Steine trifft, ſucht er ſie herauszuarbeiten. Gelingt Dies nicht, ſo läßt er ſie ſtehen und arbeitet
um ſie herum, ſodaß ſie zuweilen halb in die Röhre vorragen. Der Steinchen wegen iſt der
Eingang zum Neſte oft krumm. Häufen ſie ſich aber zu ſehr, ſo verläßt der Vogel die Stelle und
hackt ſich nicht weit davon ein anderes Loch. Jn Hinſicht des Neſtbaues zeigt ſich der Eisvogel
ganz als Specht, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſer in morſchen Bäumen, jener aber in der
trockenen Erde ſein Neſt anbringt. Ein ſolches Loch bewohnt der Eisvogel mehrere Jahre, wenn er
ungeſtört bleibt; wird aber der Eingang zum Neſte erweitert, ſo legt er nie wieder ſeine Eier hinein
Daß ein Neſt mehreremal gebraucht ſei, erkennt man leicht an einer Menge von Libellenköpfen und
Libellenflügeln, die unter die Gräten gemiſcht ſind, und an einer ungewöhnlichen Menge von Fiſch-
gräten, die in einem friſchen Neſte weit ſparſamer liegen und, ſo lange die Jungen noch nicht aus-
gekrochen, mit Libellenüberbleibſeln nicht vermengt ſind. Um zu erfahren, ob ein Eisvogelloch, das
von den Höhlen der Waſſerratte und anderer Säugethiere auf den erſten Blick zu unterſcheiden iſt,
bewohnt ſei oder nicht, braucht man nur hinein zu riechen: nimmt man einen Fiſchgeruch wahr, ſo
kann man feſt überzeugt ſein, daß man ein friſches Neſt vor ſich habe.“
„Merkwürdig iſt es, wie feſt ein brütender Eisvogel auf ſeinen Eiern oder ſeinen nackten Jungen
ſitzt. Man kann am Ufer pochen, wie man will, er kommt nicht heraus, ja, er bleibt noch ruhig,
wenn man anfängt, das Loch zu erweitern, und verläßt ſeine Brut erſt dann, wenn man ihm ganz
nahe auf den Leib kommt.“
„Jch fand die Eier in der Mitte des Mai und zu Anfang des Junius.“
„Das Männchen hat ziemlich fern, hundert bis dreihundert Schritte von den Neſtern, ſeinen
Ruheplatz, auf welchem es die Nacht und auch einen Theil des Tages zubringt.“
Naumann beſtätigt dieſe Beſchreibung vollſtändig und weiß nur wenig hinzuzufügen. Er
gibt an, daß man in einzelnen Neſtern zuweilen bis elf Eier findet, und berichtet dann noch Einiges
über das Jugendleben der Vögel. „Das Weibchen“, ſagt er, „brütet allein, und das Männchen
bringt ihm, während jenes faſt unausgeſetzt vierzehn bis ſechszehn Tage lang über den Eiern ſitzt,
nicht nur Fiſche zur Nahrung, ſondern trägt auch beiläufig deſſen Unrath aus dem Neſte weg, was
beide Gatten nachher auch mit dem der Jungen thun. Die unlängſt aus den Eiern geſchlüpften
Jungen ſind häßliche Geſchöpfe. Sie ſind ganz nackt, mehrere Tage blind und von ſo ungleicher
Größe, daß ich ſogenannte Neſtküchlein gefunden habe, welche kaum halb ſo groß als die andern
waren. Jhr Kopf iſt groß, der Schnabel aber noch ſehr kurz und der Unterſchnabel meiſtens
zwei Linien länger als der Oberkiefer. Sie ſind höchſt unbehilflich, zittern öfters mit den Köpfen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/180>, abgerufen am 22.11.2024.
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