Vergnügens theilhaftig machen könnte, welches ich empfunden habe bei der Beobachtung einzelner Pärchen dieser lieblichen Geschöpfe, während sie sich gegenseitig ihre Liebe erklären: -- wie das Männchen sein Gefieder und seine Kehle sträubt, wie es auf den Schwingen dahintanzt und um sein geliebtes Weibchen sich bewegt, wie rasch es sich zu den Blumen herabsenkt und mit beladenem Schnabel wieder zurückkehrt, um diesen der geliebten Gattin zu reichen, wie beseligt es zu sein scheint, wenn seine Zärtlichkeiten erwiedert werden, wie es mit seinen kleinen Schwingen sie fächelt, als ob sie eine Blume wäre, und wie es sie mit Kerbthieren äzt, welche es ihr zu Gefallen gesucht hat, wie diese Aufmerksamkeit ihrerseits mit Genugthuung empfangen wird und wie kurz darauf die wonnevolle Vereinigung besiegelt wird, und dann, wie sich der Muth und die Sorgfalt des Männchens verdoppelt, wie es selbst den Kampf mit dem Tyrannen aufnimmt, wie es den Blauvogel und die Purpurschwalbe bis zu ihren Nistkasten verfolgt und hierauf mit summenden Flügelspitzen freudig zurückkehrt an der Seite der geliebten Gattin. Doch diese Proben der Zärtlichkeit, Treue und des Muthes, welche das Männchen vor den Augen der geliebten Gattin an den Tag legt, die Sorgfalt, welche es ihr beweist, während es auf dem Neste sitzt, kann man wohl sehen, nicht aber beschreiben!"
Alle Arten von Kolibris bauen ähnliche Nester, und alle Arten legen nur zwei weißliche, läng- liche, im Verhältniß sehr große Eier. "Die Uebereinstimmung dieser kleinen zierlichen Nester", sagt Burmeister, "ist so groß, daß ich eine ausführliche Beschreibung derselben für überflüssig erachten muß, obgleich das jeder einzelnen Art wegen der zu ihnen verwendeten Stoffe gewisse Unterschiede besitzt. Diese werden aber füglich nur als örtliche angesehen werden können, da sie zunächst wohl von den besonderen, hier oder dort gerade vorhandenen Baustoffen herrühren möchten."
"Jm allgemeinen gilt von diesen Nestern: daß ihre Grundlage ein weicher baumwollähnlicher Stoff ist, aber gerade keine echte Baumwolle, und daß mit demselben andere feste Pflanzentheile, namentlich Baumflechten, trockene, zartere Pflanzenstoffe und die braunen Schuppen der Farrenkraut- wedel verwebt sind. Solche Lagen kommen mitunter an einem und demselben Neste zugleich vor, bei andern dagegen nur diese oder jene. Die Flechten sind sehr verschiedener Art; nur scheint eben jede Art von Kolibris eine besondere Art derselben und keine andere bei ihrem Bau zu verwenden."
"Das merkwürdigste Nest in dieser Beziehung ist wohl das eines Sonnenkolibris(Phae- tornis Eurynome), welcher zum Einflechten in seinem lediglich aus zarten Mosstengeln mit den Blättern ohne alle Baumwolle gebildeten und nach unten hin in eine lange Spitze ausgezogenen Bau die Rothflechte Brasiliens verwendet. Das Nest erhält dadurch nicht blos ein sehr schönes Ausehen, sondern unter der Brutwärme des Vogels entwickelt sich aus der Flechte auch der ihr eigen- thümliche Farbestoff und färbt die Eier lebhaft karminroth, was dem Kenner eine sehr sonderbare Ueberraschung verursacht. Es bleibt nämlich merkwürdig zu sehen, wie gleichmäßig und schön dieser Farbestoff sich über die Eier verbreitet. Weder ein Wölkchen, noch ein dunkler Fleck läßt sich bemerken, und doch liegt die Flechte nicht als gleichmäßige Auskleidung auf der Oberfläche der Nest- mulde; sie steckt vielmehr ebenso wie bei den andern Arten blos mitten in dem Mosgewebe und liegt wagrecht in demselben, sodaß die eine Seite der Fläche freibleibt, indem sie einen schuppenförmigen Lappen, die Außenfläche des Nestes, bedeckt."
"Jn dieser Hinsicht ist ferner das Nest des weißhälsigen Kolibri(Agyrtria albicollis) besonders ausgezeichnet. Es enthält stets eine hellgrünlichgraue Baumflechte, welche die Oberfläche wie mit einem Ziegeldache umgibt. Auch die Farrenkrautschuppen sind gewöhnlich so eingesetzt, daß sie zur Hälfte frei über die äußere Fläche des Ganzen herabhängen und so demselben ein zottiges, kastanienbraunes Ansehen geben. So dicht wie die Flechtenlappen pflegen sie aber das Nest blos an seinem oberen Rande rings um die Mündung zu bekleiden."
"Außer diesen beiden Hauptsorten fand ich noch mancherlei feine, vertrocknete und verwitterte Pflanzentriebe: feinblättrige, kleine Stengel in die Baumwolle eingesetzt, doch in der Regel nicht so viel und nicht so regelmäßig, wie Baumflechten und Farrenkrautschuppen."
Lebensweiſe der Schwirrvögel.
Vergnügens theilhaftig machen könnte, welches ich empfunden habe bei der Beobachtung einzelner Pärchen dieſer lieblichen Geſchöpfe, während ſie ſich gegenſeitig ihre Liebe erklären: — wie das Männchen ſein Gefieder und ſeine Kehle ſträubt, wie es auf den Schwingen dahintanzt und um ſein geliebtes Weibchen ſich bewegt, wie raſch es ſich zu den Blumen herabſenkt und mit beladenem Schnabel wieder zurückkehrt, um dieſen der geliebten Gattin zu reichen, wie beſeligt es zu ſein ſcheint, wenn ſeine Zärtlichkeiten erwiedert werden, wie es mit ſeinen kleinen Schwingen ſie fächelt, als ob ſie eine Blume wäre, und wie es ſie mit Kerbthieren äzt, welche es ihr zu Gefallen geſucht hat, wie dieſe Aufmerkſamkeit ihrerſeits mit Genugthuung empfangen wird und wie kurz darauf die wonnevolle Vereinigung beſiegelt wird, und dann, wie ſich der Muth und die Sorgfalt des Männchens verdoppelt, wie es ſelbſt den Kampf mit dem Tyrannen aufnimmt, wie es den Blauvogel und die Purpurſchwalbe bis zu ihren Niſtkaſten verfolgt und hierauf mit ſummenden Flügelſpitzen freudig zurückkehrt an der Seite der geliebten Gattin. Doch dieſe Proben der Zärtlichkeit, Treue und des Muthes, welche das Männchen vor den Augen der geliebten Gattin an den Tag legt, die Sorgfalt, welche es ihr beweiſt, während es auf dem Neſte ſitzt, kann man wohl ſehen, nicht aber beſchreiben!“
Alle Arten von Kolibris bauen ähnliche Neſter, und alle Arten legen nur zwei weißliche, läng- liche, im Verhältniß ſehr große Eier. „Die Uebereinſtimmung dieſer kleinen zierlichen Neſter“, ſagt Burmeiſter, „iſt ſo groß, daß ich eine ausführliche Beſchreibung derſelben für überflüſſig erachten muß, obgleich das jeder einzelnen Art wegen der zu ihnen verwendeten Stoffe gewiſſe Unterſchiede beſitzt. Dieſe werden aber füglich nur als örtliche angeſehen werden können, da ſie zunächſt wohl von den beſonderen, hier oder dort gerade vorhandenen Bauſtoffen herrühren möchten.“
„Jm allgemeinen gilt von dieſen Neſtern: daß ihre Grundlage ein weicher baumwollähnlicher Stoff iſt, aber gerade keine echte Baumwolle, und daß mit demſelben andere feſte Pflanzentheile, namentlich Baumflechten, trockene, zartere Pflanzenſtoffe und die braunen Schuppen der Farrenkraut- wedel verwebt ſind. Solche Lagen kommen mitunter an einem und demſelben Neſte zugleich vor, bei andern dagegen nur dieſe oder jene. Die Flechten ſind ſehr verſchiedener Art; nur ſcheint eben jede Art von Kolibris eine beſondere Art derſelben und keine andere bei ihrem Bau zu verwenden.“
„Das merkwürdigſte Neſt in dieſer Beziehung iſt wohl das eines Sonnenkolibris(Phaë- tornis Eurynome), welcher zum Einflechten in ſeinem lediglich aus zarten Mosſtengeln mit den Blättern ohne alle Baumwolle gebildeten und nach unten hin in eine lange Spitze ausgezogenen Bau die Rothflechte Braſiliens verwendet. Das Neſt erhält dadurch nicht blos ein ſehr ſchönes Auſehen, ſondern unter der Brutwärme des Vogels entwickelt ſich aus der Flechte auch der ihr eigen- thümliche Farbeſtoff und färbt die Eier lebhaft karminroth, was dem Kenner eine ſehr ſonderbare Ueberraſchung verurſacht. Es bleibt nämlich merkwürdig zu ſehen, wie gleichmäßig und ſchön dieſer Farbeſtoff ſich über die Eier verbreitet. Weder ein Wölkchen, noch ein dunkler Fleck läßt ſich bemerken, und doch liegt die Flechte nicht als gleichmäßige Auskleidung auf der Oberfläche der Neſt- mulde; ſie ſteckt vielmehr ebenſo wie bei den andern Arten blos mitten in dem Mosgewebe und liegt wagrecht in demſelben, ſodaß die eine Seite der Fläche freibleibt, indem ſie einen ſchuppenförmigen Lappen, die Außenfläche des Neſtes, bedeckt.“
„Jn dieſer Hinſicht iſt ferner das Neſt des weißhälſigen Kolibri(Agyrtria albicollis) beſonders ausgezeichnet. Es enthält ſtets eine hellgrünlichgraue Baumflechte, welche die Oberfläche wie mit einem Ziegeldache umgibt. Auch die Farrenkrautſchuppen ſind gewöhnlich ſo eingeſetzt, daß ſie zur Hälfte frei über die äußere Fläche des Ganzen herabhängen und ſo demſelben ein zottiges, kaſtanienbraunes Anſehen geben. So dicht wie die Flechtenlappen pflegen ſie aber das Neſt blos an ſeinem oberen Rande rings um die Mündung zu bekleiden.“
„Außer dieſen beiden Hauptſorten fand ich noch mancherlei feine, vertrocknete und verwitterte Pflanzentriebe: feinblättrige, kleine Stengel in die Baumwolle eingeſetzt, doch in der Regel nicht ſo viel und nicht ſo regelmäßig, wie Baumflechten und Farrenkrautſchuppen.“
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Lebensweiſe der Schwirrvögel.
Vergnügens theilhaftig machen könnte, welches ich empfunden habe bei der Beobachtung einzelner
Pärchen dieſer lieblichen Geſchöpfe, während ſie ſich gegenſeitig ihre Liebe erklären: — wie das
Männchen ſein Gefieder und ſeine Kehle ſträubt, wie es auf den Schwingen dahintanzt und um
ſein geliebtes Weibchen ſich bewegt, wie raſch es ſich zu den Blumen herabſenkt und mit beladenem
Schnabel wieder zurückkehrt, um dieſen der geliebten Gattin zu reichen, wie beſeligt es zu ſein
ſcheint, wenn ſeine Zärtlichkeiten erwiedert werden, wie es mit ſeinen kleinen Schwingen ſie fächelt,
als ob ſie eine Blume wäre, und wie es ſie mit Kerbthieren äzt, welche es ihr zu Gefallen geſucht
hat, wie dieſe Aufmerkſamkeit ihrerſeits mit Genugthuung empfangen wird und wie kurz darauf die
wonnevolle Vereinigung beſiegelt wird, und dann, wie ſich der Muth und die Sorgfalt des
Männchens verdoppelt, wie es ſelbſt den Kampf mit dem Tyrannen aufnimmt, wie es den Blauvogel
und die Purpurſchwalbe bis zu ihren Niſtkaſten verfolgt und hierauf mit ſummenden Flügelſpitzen
freudig zurückkehrt an der Seite der geliebten Gattin. Doch dieſe Proben der Zärtlichkeit, Treue
und des Muthes, welche das Männchen vor den Augen der geliebten Gattin an den Tag legt, die
Sorgfalt, welche es ihr beweiſt, während es auf dem Neſte ſitzt, kann man wohl ſehen, nicht aber
beſchreiben!“
Alle Arten von Kolibris bauen ähnliche Neſter, und alle Arten legen nur zwei weißliche, läng-
liche, im Verhältniß ſehr große Eier. „Die Uebereinſtimmung dieſer kleinen zierlichen Neſter“,
ſagt Burmeiſter, „iſt ſo groß, daß ich eine ausführliche Beſchreibung derſelben für überflüſſig
erachten muß, obgleich das jeder einzelnen Art wegen der zu ihnen verwendeten Stoffe gewiſſe
Unterſchiede beſitzt. Dieſe werden aber füglich nur als örtliche angeſehen werden können, da ſie
zunächſt wohl von den beſonderen, hier oder dort gerade vorhandenen Bauſtoffen herrühren möchten.“
„Jm allgemeinen gilt von dieſen Neſtern: daß ihre Grundlage ein weicher baumwollähnlicher
Stoff iſt, aber gerade keine echte Baumwolle, und daß mit demſelben andere feſte Pflanzentheile,
namentlich Baumflechten, trockene, zartere Pflanzenſtoffe und die braunen Schuppen der Farrenkraut-
wedel verwebt ſind. Solche Lagen kommen mitunter an einem und demſelben Neſte zugleich vor,
bei andern dagegen nur dieſe oder jene. Die Flechten ſind ſehr verſchiedener Art; nur ſcheint eben
jede Art von Kolibris eine beſondere Art derſelben und keine andere bei ihrem Bau zu verwenden.“
„Das merkwürdigſte Neſt in dieſer Beziehung iſt wohl das eines Sonnenkolibris (Phaë-
tornis Eurynome), welcher zum Einflechten in ſeinem lediglich aus zarten Mosſtengeln mit den
Blättern ohne alle Baumwolle gebildeten und nach unten hin in eine lange Spitze ausgezogenen
Bau die Rothflechte Braſiliens verwendet. Das Neſt erhält dadurch nicht blos ein ſehr ſchönes
Auſehen, ſondern unter der Brutwärme des Vogels entwickelt ſich aus der Flechte auch der ihr eigen-
thümliche Farbeſtoff und färbt die Eier lebhaft karminroth, was dem Kenner eine ſehr ſonderbare
Ueberraſchung verurſacht. Es bleibt nämlich merkwürdig zu ſehen, wie gleichmäßig und ſchön dieſer
Farbeſtoff ſich über die Eier verbreitet. Weder ein Wölkchen, noch ein dunkler Fleck läßt ſich
bemerken, und doch liegt die Flechte nicht als gleichmäßige Auskleidung auf der Oberfläche der Neſt-
mulde; ſie ſteckt vielmehr ebenſo wie bei den andern Arten blos mitten in dem Mosgewebe und liegt
wagrecht in demſelben, ſodaß die eine Seite der Fläche freibleibt, indem ſie einen ſchuppenförmigen
Lappen, die Außenfläche des Neſtes, bedeckt.“
„Jn dieſer Hinſicht iſt ferner das Neſt des weißhälſigen Kolibri (Agyrtria albicollis)
beſonders ausgezeichnet. Es enthält ſtets eine hellgrünlichgraue Baumflechte, welche die Oberfläche
wie mit einem Ziegeldache umgibt. Auch die Farrenkrautſchuppen ſind gewöhnlich ſo eingeſetzt, daß
ſie zur Hälfte frei über die äußere Fläche des Ganzen herabhängen und ſo demſelben ein zottiges,
kaſtanienbraunes Anſehen geben. So dicht wie die Flechtenlappen pflegen ſie aber das Neſt blos
an ſeinem oberen Rande rings um die Mündung zu bekleiden.“
„Außer dieſen beiden Hauptſorten fand ich noch mancherlei feine, vertrocknete und verwitterte
Pflanzentriebe: feinblättrige, kleine Stengel in die Baumwolle eingeſetzt, doch in der Regel nicht ſo
viel und nicht ſo regelmäßig, wie Baumflechten und Farrenkrautſchuppen.“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/139>, abgerufen am 23.11.2024.
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