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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Lebensweise der Schwirrvögel.
Pflanzen dicht über dem Boden und erhebt sich blos ausnahmsweise in bedeutende Höhen, während
der Riesenkolibri sich sehr oft in diesen umhertreibt. Ein blühender Baum lockt sehr verschiedene
Arten herbei, und wenn man unter einem solchen verweilt, kann man im Laufe einer Stunde den
größten Theil derjenigen, welche eine Gegend bewohnen, erscheinen und verschwinden sehen.
Einige Reisende, und unter ihnen Spix und Martius, haben von Schwärmen von Kolibris
gesprochen, Andere behaupteten, daß die Vögel nur einzeln erscheinen. "Jch muß", sagt der Prinz,
"aus eigener Erfahrung erwiedern, daß Beide die Wahrheit sagen; denn öfters haben wir sehr viele
Kolibris ein und derselben Art an einem mit Blüthen bedeckten Baum innerhalb weniger Minuten
erlegt, obgleich sie sonst gewöhnlich vereinzelt fliegen." Stedmann erzählt, daß er um gewisse
Bäume oft so viele Kolibris zugleich habe schwärmen sehen, daß ein Gesumme entstanden sei, wie
von einem Wespenschwarm. Dasselbe hat mir Röhl, der hamburgische Konsul in Caracas, erzählt,
welcher länger als zwanzig Jahre in Venezuela verlebt hat. Er bemerkte jedoch ausdrücklich, daß
eine solche massenhafte Ansammlung von Schwirrvögeln nur dann stattfinde, wenn im Anfang der
Blüthezeit ein Baum plötzlich viele seiner Blüthen geöffnet habe. Gewöhnlich erscheint einer nach
dem andern und jeder verweilt nur kurze Zeit an demselben Orte. "Jhre Ungeduld ist", wie
Azara sagt, "viel zu groß, als daß sie einen und denselben Baum absuchen sollten." Sie
erinnern, meint der Beobachter, von welchem ich weiter oben Einiges mittheilte, an die Bienen; aber
es stellt sich zwischen beiden Geschöpfen doch ein sehr bemerkenswerther Gegensatz heraus. "Die
Biene ist das Bild der Emsigkeit und des bedachtsamen Fleißes. Sie fliegt, auch wenn sie nicht
schwer beladen ist, langsam zwischen den Blumen herum und untersucht dieselben vorsichtig, ver-
kriecht sich mühselig tief in ihre Kelche und kommt bestaubt wie ein Müller wieder daraus hervor:
man sieht es ihr an, daß sie ein Arbeiter und Künstler ist. Der Kolibri dagegen erscheint blos als
ein nasch- und flatterhafter Gesell." Fast Dasselbe sagt Bates. --

"Jn den Monaten März, April und Mai", theilt uns Gosse mit, "ist der Kappenkolibri
außerordentlich häufig. Jch darf annehmen, daß ich manchmal nicht weniger als hundert nach und
nach auf einem geringen Raume und im Laufe eines Vormittags gesehen habe. Sie sind aber
durchaus nicht gesellig; denn wenn auch ihrer drei oder vier zu gleicher Zeit die Blüthen desselben
Busches umschweben mögen, so bemerkt man doch keine Vereinigung. Jeder einzelne wird geleitet
durch seinen eigenen Willen und beschäftigt sich nur mit seinen eigenen Geschäften. Zuweilen sieht
man fast nur Männchen, zuweilen beide Geschlechter in ziemlich gleicher Menge erscheinen; eine
eigentliche Vereinigung derselben findet aber auch nur in der Nähe des Nestes statt. Zwei
Männchen ein und derselben Art halten niemals Frieden, sondern gerathen augenblicklich in Kampf
und Streit mit einander; ja, einzelne zanken sich mit jedem Kolibri überhaupt, der in ihre Nähe
kommt, und sogar mit vielen andern Vögeln... Von ihrer Kampflust ist oft gesprochen worden, und
in der That scheint es unmöglich zu sein, daß zwei derselben Art die Blüthen ein und desselben
Busches gleichzeitig absuchen können. Der Mango verjagt außerdem alle übrigen Kolibris, welche
in seiner Nähe sich zeigen. Einst war ich Zeuge eines Zweikampfes zwischen diesen Vögeln, welcher
mit größerer Heftigkeit ausgeführt und mehr in die Länge gezogen wurde, als gewöhnlich. Es
war in einem Garten, in welchem zwei Bäume in Blüthe standen. Einen dieser Bäume hatte ein
Mango seit mehreren Tagen regelmäßig besucht. An dem Morgen nun, welchen ich im Sinn habe,
erschien ein anderer, und nun begann ein Schauspiel, welches mich auf das höchste anzog. Die
Beiden jagten sich durch das Wirrsal von Zweigen und Blüthen, und der eine stieß ab und zu mit
anscheinender Wuth auf den andern. Dann vernahm man ein lautes Rauschen von ihren Flügeln
und beide drehten sich wirbelnd um und um, bis sie fast zum Boden herabkamen. Dies geschah so
schnell, daß man den Kampf kaum verfolgen konnte. Schließlich packte einer in meiner unmittel-
baren Nähe den andern beim Schnabel, und beide wirbelten nun senkrecht hernieder. Hier ließen
sie von einander ab; der eine jagte den andern ungefähr hundert Schritte weit weg und kehrte dann
siegesfreudig zu seinem alten Platze zurück, setzte sich auf einen hervorragenden Zweig und ließ seine

Lebensweiſe der Schwirrvögel.
Pflanzen dicht über dem Boden und erhebt ſich blos ausnahmsweiſe in bedeutende Höhen, während
der Rieſenkolibri ſich ſehr oft in dieſen umhertreibt. Ein blühender Baum lockt ſehr verſchiedene
Arten herbei, und wenn man unter einem ſolchen verweilt, kann man im Laufe einer Stunde den
größten Theil derjenigen, welche eine Gegend bewohnen, erſcheinen und verſchwinden ſehen.
Einige Reiſende, und unter ihnen Spix und Martius, haben von Schwärmen von Kolibris
geſprochen, Andere behaupteten, daß die Vögel nur einzeln erſcheinen. „Jch muß“, ſagt der Prinz,
„aus eigener Erfahrung erwiedern, daß Beide die Wahrheit ſagen; denn öfters haben wir ſehr viele
Kolibris ein und derſelben Art an einem mit Blüthen bedeckten Baum innerhalb weniger Minuten
erlegt, obgleich ſie ſonſt gewöhnlich vereinzelt fliegen.“ Stedmann erzählt, daß er um gewiſſe
Bäume oft ſo viele Kolibris zugleich habe ſchwärmen ſehen, daß ein Geſumme entſtanden ſei, wie
von einem Weſpenſchwarm. Daſſelbe hat mir Röhl, der hamburgiſche Konſul in Caracas, erzählt,
welcher länger als zwanzig Jahre in Venezuela verlebt hat. Er bemerkte jedoch ausdrücklich, daß
eine ſolche maſſenhafte Anſammlung von Schwirrvögeln nur dann ſtattfinde, wenn im Anfang der
Blüthezeit ein Baum plötzlich viele ſeiner Blüthen geöffnet habe. Gewöhnlich erſcheint einer nach
dem andern und jeder verweilt nur kurze Zeit an demſelben Orte. „Jhre Ungeduld iſt“, wie
Azara ſagt, „viel zu groß, als daß ſie einen und denſelben Baum abſuchen ſollten.“ Sie
erinnern, meint der Beobachter, von welchem ich weiter oben Einiges mittheilte, an die Bienen; aber
es ſtellt ſich zwiſchen beiden Geſchöpfen doch ein ſehr bemerkenswerther Gegenſatz heraus. „Die
Biene iſt das Bild der Emſigkeit und des bedachtſamen Fleißes. Sie fliegt, auch wenn ſie nicht
ſchwer beladen iſt, langſam zwiſchen den Blumen herum und unterſucht dieſelben vorſichtig, ver-
kriecht ſich mühſelig tief in ihre Kelche und kommt beſtaubt wie ein Müller wieder daraus hervor:
man ſieht es ihr an, daß ſie ein Arbeiter und Künſtler iſt. Der Kolibri dagegen erſcheint blos als
ein naſch- und flatterhafter Geſell.“ Faſt Daſſelbe ſagt Bates.

„Jn den Monaten März, April und Mai“, theilt uns Goſſe mit, „iſt der Kappenkolibri
außerordentlich häufig. Jch darf annehmen, daß ich manchmal nicht weniger als hundert nach und
nach auf einem geringen Raume und im Laufe eines Vormittags geſehen habe. Sie ſind aber
durchaus nicht geſellig; denn wenn auch ihrer drei oder vier zu gleicher Zeit die Blüthen deſſelben
Buſches umſchweben mögen, ſo bemerkt man doch keine Vereinigung. Jeder einzelne wird geleitet
durch ſeinen eigenen Willen und beſchäftigt ſich nur mit ſeinen eigenen Geſchäften. Zuweilen ſieht
man faſt nur Männchen, zuweilen beide Geſchlechter in ziemlich gleicher Menge erſcheinen; eine
eigentliche Vereinigung derſelben findet aber auch nur in der Nähe des Neſtes ſtatt. Zwei
Männchen ein und derſelben Art halten niemals Frieden, ſondern gerathen augenblicklich in Kampf
und Streit mit einander; ja, einzelne zanken ſich mit jedem Kolibri überhaupt, der in ihre Nähe
kommt, und ſogar mit vielen andern Vögeln... Von ihrer Kampfluſt iſt oft geſprochen worden, und
in der That ſcheint es unmöglich zu ſein, daß zwei derſelben Art die Blüthen ein und deſſelben
Buſches gleichzeitig abſuchen können. Der Mango verjagt außerdem alle übrigen Kolibris, welche
in ſeiner Nähe ſich zeigen. Einſt war ich Zeuge eines Zweikampfes zwiſchen dieſen Vögeln, welcher
mit größerer Heftigkeit ausgeführt und mehr in die Länge gezogen wurde, als gewöhnlich. Es
war in einem Garten, in welchem zwei Bäume in Blüthe ſtanden. Einen dieſer Bäume hatte ein
Mango ſeit mehreren Tagen regelmäßig beſucht. An dem Morgen nun, welchen ich im Sinn habe,
erſchien ein anderer, und nun begann ein Schauſpiel, welches mich auf das höchſte anzog. Die
Beiden jagten ſich durch das Wirrſal von Zweigen und Blüthen, und der eine ſtieß ab und zu mit
anſcheinender Wuth auf den andern. Dann vernahm man ein lautes Rauſchen von ihren Flügeln
und beide drehten ſich wirbelnd um und um, bis ſie faſt zum Boden herabkamen. Dies geſchah ſo
ſchnell, daß man den Kampf kaum verfolgen konnte. Schließlich packte einer in meiner unmittel-
baren Nähe den andern beim Schnabel, und beide wirbelten nun ſenkrecht hernieder. Hier ließen
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ſiegesfreudig zu ſeinem alten Platze zurück, ſetzte ſich auf einen hervorragenden Zweig und ließ ſeine

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[123/0137] Lebensweiſe der Schwirrvögel. Pflanzen dicht über dem Boden und erhebt ſich blos ausnahmsweiſe in bedeutende Höhen, während der Rieſenkolibri ſich ſehr oft in dieſen umhertreibt. Ein blühender Baum lockt ſehr verſchiedene Arten herbei, und wenn man unter einem ſolchen verweilt, kann man im Laufe einer Stunde den größten Theil derjenigen, welche eine Gegend bewohnen, erſcheinen und verſchwinden ſehen. Einige Reiſende, und unter ihnen Spix und Martius, haben von Schwärmen von Kolibris geſprochen, Andere behaupteten, daß die Vögel nur einzeln erſcheinen. „Jch muß“, ſagt der Prinz, „aus eigener Erfahrung erwiedern, daß Beide die Wahrheit ſagen; denn öfters haben wir ſehr viele Kolibris ein und derſelben Art an einem mit Blüthen bedeckten Baum innerhalb weniger Minuten erlegt, obgleich ſie ſonſt gewöhnlich vereinzelt fliegen.“ Stedmann erzählt, daß er um gewiſſe Bäume oft ſo viele Kolibris zugleich habe ſchwärmen ſehen, daß ein Geſumme entſtanden ſei, wie von einem Weſpenſchwarm. Daſſelbe hat mir Röhl, der hamburgiſche Konſul in Caracas, erzählt, welcher länger als zwanzig Jahre in Venezuela verlebt hat. Er bemerkte jedoch ausdrücklich, daß eine ſolche maſſenhafte Anſammlung von Schwirrvögeln nur dann ſtattfinde, wenn im Anfang der Blüthezeit ein Baum plötzlich viele ſeiner Blüthen geöffnet habe. Gewöhnlich erſcheint einer nach dem andern und jeder verweilt nur kurze Zeit an demſelben Orte. „Jhre Ungeduld iſt“, wie Azara ſagt, „viel zu groß, als daß ſie einen und denſelben Baum abſuchen ſollten.“ Sie erinnern, meint der Beobachter, von welchem ich weiter oben Einiges mittheilte, an die Bienen; aber es ſtellt ſich zwiſchen beiden Geſchöpfen doch ein ſehr bemerkenswerther Gegenſatz heraus. „Die Biene iſt das Bild der Emſigkeit und des bedachtſamen Fleißes. Sie fliegt, auch wenn ſie nicht ſchwer beladen iſt, langſam zwiſchen den Blumen herum und unterſucht dieſelben vorſichtig, ver- kriecht ſich mühſelig tief in ihre Kelche und kommt beſtaubt wie ein Müller wieder daraus hervor: man ſieht es ihr an, daß ſie ein Arbeiter und Künſtler iſt. Der Kolibri dagegen erſcheint blos als ein naſch- und flatterhafter Geſell.“ Faſt Daſſelbe ſagt Bates. — „Jn den Monaten März, April und Mai“, theilt uns Goſſe mit, „iſt der Kappenkolibri außerordentlich häufig. Jch darf annehmen, daß ich manchmal nicht weniger als hundert nach und nach auf einem geringen Raume und im Laufe eines Vormittags geſehen habe. Sie ſind aber durchaus nicht geſellig; denn wenn auch ihrer drei oder vier zu gleicher Zeit die Blüthen deſſelben Buſches umſchweben mögen, ſo bemerkt man doch keine Vereinigung. Jeder einzelne wird geleitet durch ſeinen eigenen Willen und beſchäftigt ſich nur mit ſeinen eigenen Geſchäften. Zuweilen ſieht man faſt nur Männchen, zuweilen beide Geſchlechter in ziemlich gleicher Menge erſcheinen; eine eigentliche Vereinigung derſelben findet aber auch nur in der Nähe des Neſtes ſtatt. Zwei Männchen ein und derſelben Art halten niemals Frieden, ſondern gerathen augenblicklich in Kampf und Streit mit einander; ja, einzelne zanken ſich mit jedem Kolibri überhaupt, der in ihre Nähe kommt, und ſogar mit vielen andern Vögeln... Von ihrer Kampfluſt iſt oft geſprochen worden, und in der That ſcheint es unmöglich zu ſein, daß zwei derſelben Art die Blüthen ein und deſſelben Buſches gleichzeitig abſuchen können. Der Mango verjagt außerdem alle übrigen Kolibris, welche in ſeiner Nähe ſich zeigen. Einſt war ich Zeuge eines Zweikampfes zwiſchen dieſen Vögeln, welcher mit größerer Heftigkeit ausgeführt und mehr in die Länge gezogen wurde, als gewöhnlich. Es war in einem Garten, in welchem zwei Bäume in Blüthe ſtanden. Einen dieſer Bäume hatte ein Mango ſeit mehreren Tagen regelmäßig beſucht. An dem Morgen nun, welchen ich im Sinn habe, erſchien ein anderer, und nun begann ein Schauſpiel, welches mich auf das höchſte anzog. Die Beiden jagten ſich durch das Wirrſal von Zweigen und Blüthen, und der eine ſtieß ab und zu mit anſcheinender Wuth auf den andern. Dann vernahm man ein lautes Rauſchen von ihren Flügeln und beide drehten ſich wirbelnd um und um, bis ſie faſt zum Boden herabkamen. Dies geſchah ſo ſchnell, daß man den Kampf kaum verfolgen konnte. Schließlich packte einer in meiner unmittel- baren Nähe den andern beim Schnabel, und beide wirbelten nun ſenkrecht hernieder. Hier ließen ſie von einander ab; der eine jagte den andern ungefähr hundert Schritte weit weg und kehrte dann ſiegesfreudig zu ſeinem alten Platze zurück, ſetzte ſich auf einen hervorragenden Zweig und ließ ſeine

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/137>, abgerufen am 23.11.2024.