ständig im Widerspruche steht, weil jeder Mensch, welcher sich mit Erziehung eines Vogels abgibt, dadurch die unbekannte Kraft, welche letzteren unbewußt leitet, beeinträchtigen würde.
Die Vögel sind Weltbürger. Soweit man die Erde kennt, hat man sie gefunden: auf den Eilanden um beide Pole wie unter dem Gleicher, auf dem Meere wie auf oder über den höchsten Spitzen der Gebirge, im fruchtbaren Lande wie in der Wüste, im Urwalde wie auf den kahlen Fels- kegeln, welche sich unmittelbar am Meere erheben. Jeder einzelne Gürtel der Erde hat seine besonderen Bewohner. Jm allgemeinen gehorchen auch die Vögel den Gesetzen der thierischen Ver- breitung, indem sie in den kalten Gürteln zwar in ungeheurer Anzahl, aber in nur wenigen Arten auftreten und mehr nach dem Gleicher hin stetig an Mauchfaltigkeit und Vielartigkeit zunehmen. Das ausgleichende Wasser übt seinen Einfluß auch auf sie aus: es beherbergt und erhält verhältniß- mäßig wenige und sich im Wesentlichen ähnelnde Arten, während das Land seinen vielfachen Wechsel auch in der Vogelwelt wiederspiegelt. Denn nicht blos in jedem Gürtel, sondern auch in jeder Oertlichkeit treten gewisse Vögel auf, in der nordischen Tundra, der Wüste des Wassers, andere als in der Wüste des Sandes, in der Ebene andere als im Gebirge, im baumlosen Gebiet andere als im Walde. Als Ergebnisse und Erzeugnisse der Bodenbeschaffenheit und des Klimas müssen die Vögel in eben demselben Grade abändern als ihre Heimat selbst. Auf dem Wasser ist der Verbreitungskreis der einzelnen Arten größer als auf dem Lande, wo schon ein breiter Strom, ein Meerestheil, ein Gebirge zur Grenze werden kann: aber Grenzen gibt es auch auf dem Meere. Nur äußerst wenige Vögel bewohnen buchstäblich alle Theile der Erde, soviel bis jetzt bekannt, kein einziger Landvogel, sondern blos Sumpf- und Wasservögel; Weltbürger ist z. B. der Steinwälzer, welcher an den Küsten aller fünf Erdtheile und auf der westlichen wie auf der östlichen Halbkugel vorkommt und vorkommen kann, weil er überall, auf der ganzen Erde die gleichen Lebensbedingungen vorfindet. Jn der Regel erstreckt sich der Verbreitungskreis weiter in der Richtung der Längengrade als in jener der Breiten- grade: im Norden der Erde leben viele Vögel, welche in allen drei Erdtheilen mehr oder weniger in gleicher Anzahl gefunden werden, während einige hundert Meilen vom Norden nach Süden hin schon eine große Veränderung bewirken können. Die Bewegungsfähigkeit des Vogels steht mit der Größe des Verbreitungskreises nicht im Einklange: sehr gute Flieger können auf einen verhältniß- mäßig geringen Umkreis beschränkt sein, minder gute sich viel weiter verbreiten als jene. Auch die regelmäßigen Reisen, der Zug und die Wanderung der Vögel tragen, wie wir später sehen werden, zur Ausdehnung gewisser Verbreitungskreise nicht bei.
Soviel uns jetzt bekannt, dürfen wir die Anzahl der beschriebenen und unterschiedenen Vögel auf etwa 8000 anschlagen. Hiervon zählt die Ordnung der Papageien 350, die der Raubvögel gegen 400, die der Tauben ungefähr 300, die der Scharrvögel ebensoviel, die der Kurzflügler 10, die der Stelzvögel und die der Schwimmvögel ungefähr je 600 Arten; die übrigen gehören den anderen Ordnungen an. Amerika ist wohl derjenige Erdtheil, welcher die meisten Arten besitzt; auf ihn folgt wahrscheinlich Asien, auf dieses Afrika, auf Afrika Oceanien und zuletzt erst unser Europa, in welchem man etwa sechshundert Arten unterschieden hat. Hinsichtlich der Ordnungen läßt sich Folgendes bemerken: Die Papageien fehlen in Europa; die Kegelschnäbler oder Sperlinge und Rabenvögel, die Raub-, Sperr-, Sing- und Klettervögel sind Weltbürger, die Schwirrvögel auf Amerika beschränkt, die Leichtschnäbler hauptsächlich in den Wendekreisländern heimisch, die Girr- und Scharrvögel in allen Welttheilen vertreten, die Kurzflügler in Afrika, Oceanien im weiteren Sinne und in Amerika ansässig, die Stelzvögel und die verschiedenen Ordnungen der Schwimmer endlich wiederum über die ganze Erde verbreitet.
Verſtand. Verbreitung.
ſtändig im Widerſpruche ſteht, weil jeder Menſch, welcher ſich mit Erziehung eines Vogels abgibt, dadurch die unbekannte Kraft, welche letzteren unbewußt leitet, beeinträchtigen würde.
Die Vögel ſind Weltbürger. Soweit man die Erde kennt, hat man ſie gefunden: auf den Eilanden um beide Pole wie unter dem Gleicher, auf dem Meere wie auf oder über den höchſten Spitzen der Gebirge, im fruchtbaren Lande wie in der Wüſte, im Urwalde wie auf den kahlen Fels- kegeln, welche ſich unmittelbar am Meere erheben. Jeder einzelne Gürtel der Erde hat ſeine beſonderen Bewohner. Jm allgemeinen gehorchen auch die Vögel den Geſetzen der thieriſchen Ver- breitung, indem ſie in den kalten Gürteln zwar in ungeheurer Anzahl, aber in nur wenigen Arten auftreten und mehr nach dem Gleicher hin ſtetig an Mauchfaltigkeit und Vielartigkeit zunehmen. Das ausgleichende Waſſer übt ſeinen Einfluß auch auf ſie aus: es beherbergt und erhält verhältniß- mäßig wenige und ſich im Weſentlichen ähnelnde Arten, während das Land ſeinen vielfachen Wechſel auch in der Vogelwelt wiederſpiegelt. Denn nicht blos in jedem Gürtel, ſondern auch in jeder Oertlichkeit treten gewiſſe Vögel auf, in der nordiſchen Tundra, der Wüſte des Waſſers, andere als in der Wüſte des Sandes, in der Ebene andere als im Gebirge, im baumloſen Gebiet andere als im Walde. Als Ergebniſſe und Erzeugniſſe der Bodenbeſchaffenheit und des Klimas müſſen die Vögel in eben demſelben Grade abändern als ihre Heimat ſelbſt. Auf dem Waſſer iſt der Verbreitungskreis der einzelnen Arten größer als auf dem Lande, wo ſchon ein breiter Strom, ein Meerestheil, ein Gebirge zur Grenze werden kann: aber Grenzen gibt es auch auf dem Meere. Nur äußerſt wenige Vögel bewohnen buchſtäblich alle Theile der Erde, ſoviel bis jetzt bekannt, kein einziger Landvogel, ſondern blos Sumpf- und Waſſervögel; Weltbürger iſt z. B. der Steinwälzer, welcher an den Küſten aller fünf Erdtheile und auf der weſtlichen wie auf der öſtlichen Halbkugel vorkommt und vorkommen kann, weil er überall, auf der ganzen Erde die gleichen Lebensbedingungen vorfindet. Jn der Regel erſtreckt ſich der Verbreitungskreis weiter in der Richtung der Längengrade als in jener der Breiten- grade: im Norden der Erde leben viele Vögel, welche in allen drei Erdtheilen mehr oder weniger in gleicher Anzahl gefunden werden, während einige hundert Meilen vom Norden nach Süden hin ſchon eine große Veränderung bewirken können. Die Bewegungsfähigkeit des Vogels ſteht mit der Größe des Verbreitungskreiſes nicht im Einklange: ſehr gute Flieger können auf einen verhältniß- mäßig geringen Umkreis beſchränkt ſein, minder gute ſich viel weiter verbreiten als jene. Auch die regelmäßigen Reiſen, der Zug und die Wanderung der Vögel tragen, wie wir ſpäter ſehen werden, zur Ausdehnung gewiſſer Verbreitungskreiſe nicht bei.
Soviel uns jetzt bekannt, dürfen wir die Anzahl der beſchriebenen und unterſchiedenen Vögel auf etwa 8000 anſchlagen. Hiervon zählt die Ordnung der Papageien 350, die der Raubvögel gegen 400, die der Tauben ungefähr 300, die der Scharrvögel ebenſoviel, die der Kurzflügler 10, die der Stelzvögel und die der Schwimmvögel ungefähr je 600 Arten; die übrigen gehören den anderen Ordnungen an. Amerika iſt wohl derjenige Erdtheil, welcher die meiſten Arten beſitzt; auf ihn folgt wahrſcheinlich Aſien, auf dieſes Afrika, auf Afrika Oceanien und zuletzt erſt unſer Europa, in welchem man etwa ſechshundert Arten unterſchieden hat. Hinſichtlich der Ordnungen läßt ſich Folgendes bemerken: Die Papageien fehlen in Europa; die Kegelſchnäbler oder Sperlinge und Rabenvögel, die Raub-, Sperr-, Sing- und Klettervögel ſind Weltbürger, die Schwirrvögel auf Amerika beſchränkt, die Leichtſchnäbler hauptſächlich in den Wendekreisländern heimiſch, die Girr- und Scharrvögel in allen Welttheilen vertreten, die Kurzflügler in Afrika, Oceanien im weiteren Sinne und in Amerika anſäſſig, die Stelzvögel und die verſchiedenen Ordnungen der Schwimmer endlich wiederum über die ganze Erde verbreitet.
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[983/1037]
Verſtand. Verbreitung.
ſtändig im Widerſpruche ſteht, weil jeder Menſch, welcher ſich mit Erziehung eines Vogels abgibt,
dadurch die unbekannte Kraft, welche letzteren unbewußt leitet, beeinträchtigen würde.
Die Vögel ſind Weltbürger. Soweit man die Erde kennt, hat man ſie gefunden: auf den
Eilanden um beide Pole wie unter dem Gleicher, auf dem Meere wie auf oder über den höchſten
Spitzen der Gebirge, im fruchtbaren Lande wie in der Wüſte, im Urwalde wie auf den kahlen Fels-
kegeln, welche ſich unmittelbar am Meere erheben. Jeder einzelne Gürtel der Erde hat ſeine
beſonderen Bewohner. Jm allgemeinen gehorchen auch die Vögel den Geſetzen der thieriſchen Ver-
breitung, indem ſie in den kalten Gürteln zwar in ungeheurer Anzahl, aber in nur wenigen Arten
auftreten und mehr nach dem Gleicher hin ſtetig an Mauchfaltigkeit und Vielartigkeit zunehmen.
Das ausgleichende Waſſer übt ſeinen Einfluß auch auf ſie aus: es beherbergt und erhält verhältniß-
mäßig wenige und ſich im Weſentlichen ähnelnde Arten, während das Land ſeinen vielfachen Wechſel
auch in der Vogelwelt wiederſpiegelt. Denn nicht blos in jedem Gürtel, ſondern auch in jeder
Oertlichkeit treten gewiſſe Vögel auf, in der nordiſchen Tundra, der Wüſte des Waſſers, andere als
in der Wüſte des Sandes, in der Ebene andere als im Gebirge, im baumloſen Gebiet andere als im
Walde. Als Ergebniſſe und Erzeugniſſe der Bodenbeſchaffenheit und des Klimas müſſen die Vögel
in eben demſelben Grade abändern als ihre Heimat ſelbſt. Auf dem Waſſer iſt der Verbreitungskreis
der einzelnen Arten größer als auf dem Lande, wo ſchon ein breiter Strom, ein Meerestheil, ein
Gebirge zur Grenze werden kann: aber Grenzen gibt es auch auf dem Meere. Nur äußerſt wenige
Vögel bewohnen buchſtäblich alle Theile der Erde, ſoviel bis jetzt bekannt, kein einziger Landvogel,
ſondern blos Sumpf- und Waſſervögel; Weltbürger iſt z. B. der Steinwälzer, welcher an den Küſten
aller fünf Erdtheile und auf der weſtlichen wie auf der öſtlichen Halbkugel vorkommt und vorkommen
kann, weil er überall, auf der ganzen Erde die gleichen Lebensbedingungen vorfindet. Jn der Regel
erſtreckt ſich der Verbreitungskreis weiter in der Richtung der Längengrade als in jener der Breiten-
grade: im Norden der Erde leben viele Vögel, welche in allen drei Erdtheilen mehr oder weniger
in gleicher Anzahl gefunden werden, während einige hundert Meilen vom Norden nach Süden hin
ſchon eine große Veränderung bewirken können. Die Bewegungsfähigkeit des Vogels ſteht mit der
Größe des Verbreitungskreiſes nicht im Einklange: ſehr gute Flieger können auf einen verhältniß-
mäßig geringen Umkreis beſchränkt ſein, minder gute ſich viel weiter verbreiten als jene. Auch die
regelmäßigen Reiſen, der Zug und die Wanderung der Vögel tragen, wie wir ſpäter ſehen werden,
zur Ausdehnung gewiſſer Verbreitungskreiſe nicht bei.
Soviel uns jetzt bekannt, dürfen wir die Anzahl der beſchriebenen und unterſchiedenen Vögel auf
etwa 8000 anſchlagen. Hiervon zählt die Ordnung der Papageien 350, die der Raubvögel gegen
400, die der Tauben ungefähr 300, die der Scharrvögel ebenſoviel, die der Kurzflügler 10, die der
Stelzvögel und die der Schwimmvögel ungefähr je 600 Arten; die übrigen gehören den anderen
Ordnungen an. Amerika iſt wohl derjenige Erdtheil, welcher die meiſten Arten beſitzt; auf ihn folgt
wahrſcheinlich Aſien, auf dieſes Afrika, auf Afrika Oceanien und zuletzt erſt unſer Europa, in welchem
man etwa ſechshundert Arten unterſchieden hat. Hinſichtlich der Ordnungen läßt ſich Folgendes
bemerken: Die Papageien fehlen in Europa; die Kegelſchnäbler oder Sperlinge und Rabenvögel,
die Raub-, Sperr-, Sing- und Klettervögel ſind Weltbürger, die Schwirrvögel auf Amerika beſchränkt,
die Leichtſchnäbler hauptſächlich in den Wendekreisländern heimiſch, die Girr- und Scharrvögel in
allen Welttheilen vertreten, die Kurzflügler in Afrika, Oceanien im weiteren Sinne und in Amerika
anſäſſig, die Stelzvögel und die verſchiedenen Ordnungen der Schwimmer endlich wiederum über die
ganze Erde verbreitet.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 983. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1037>, abgerufen am 23.11.2024.
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