hältnißmäßig wenig Feinde unter den Menschen, wenn auch die Bubenjäger sie ebenso wenig ver- schonen, wie alle anderen Vögel, welche sich ihnen zur Zielscheibe bieten. Nächstdem stellt das gesammte Heer der kleinen Räuber den Alten und noch mehr den Jungen nach, und außerdem wird das Wasser der Brut oft verderblich. Jn der Gefangenschaft sieht man die Stelzen selten; ihr Gesang ist nicht ausgezeichnet genug, als daß es die Mühe lohne, welche man aufwenden muß, um ein so zärtliches Geschöpf an den Verlust seiner Freiheit zu gewöhnen. Der Liebhaber aber, welcher sich am blosen Beschauen begnügt, wird an Stelzen, welche in einem größeren Gesellschaftsbauer leben, seine wahre Freude haben; denn die außerordentliche Anmuth und Zierlichkeit der Bewegungen muß Jedermann fesseln.
Die bekannteste Art und gewissermaßen das Urbild der Familie ist die Bachstelze ohne jede andere Nebenbezeichnung (Motacilla alba), welche sonst auch noch weiße, blaue, oder gemeine, Haus-, Stein- oder Wasserstelze, Wege-, Wasser-, Quäk- und Wippsterz, Bebe-, Wedel- und Wippschwanz, Klosterfräulein oder Nonne, Ackermännchen etc. genannt wird. Sie ist auf der Oberseite grau, auf Hinterhals und Nacken sammtschwarz, an der Kehle, Gurgel und Oberbrust schwarz, auf der übrigen Unterseite weiß; ebenso gefärbt sind die Stirn, die Zügel, Backen und die Halsseiten; die Schwingen sind schwärzlich, weißgrau gesäumt, wegen der weiß zugespitzten Deckfedern zweimal licht gebändert; die mittelsten Steuerfedern sind schwarz, die übrigen weiß. Das Weibchen ähnelt dem Männchen; doch ist sein schwarzer Kehlfleck gewöhnlich nicht so groß. Das Herbstkleid beider Geschlechter unterscheidet sich von der Frühlingstracht haupt- sächlich durch die weiße Kehle, welche mit einem hufeisenförmigen, schwarzen Bande ein- gefaßt ist. Die Jungen sind auf der Oberseite schmuzig aschgrau, auf der Unterseite mit Ausnahme des dunkeln Kehlbandes grau oder schmuzigweiß. Das Auge ist dunkelbraun, Schnabel und Füße sind schwarz. Die Länge beträgt 71/2, die Breite 10 2/3 , die Fittiglänge 31/4, die Schwanz- länge 33/4 Zoll.
Jn ganz Europa gibt es kein Land, ja keinen Gau und keine Gegend, in welcher die Stelze nicht beobachtet worden wäre. Sundewall versichert, daß sie in Finnmarken nicht mehr vorkomme: ich darf nach eigener Erfahrung das Gegentheil behaupten; denn ich habe sie noch am Warangerfjord gesehen. Aber ich habe sie auch außerhalb Europas beobachtet, in Nordostafrika nämlich, bis zum 11. Grad nördl. Breite, und in Westasien bis nach Aden hin. Durch diejenigen Forscher, welche Sibirien bereisten, wissen wir, daß sie in ganz Nord- und Mittelasien gefunden wird, und durch die indischen Vogelkundigen erfahren wir, daß sie in Südasien regelmäßiger Wintergast ist. Jn Großbritannien lebt eine nahe verwandte Art oder, wie viele Naturforscher wollen, eine Spielart von ihr (Motacilla Yarellii), welche im Süden dieses Landes überwintert; aber die eigentliche Bachstelze wird neben ihr ebenfalls gefunden. Bei uns zu Lande ist die Stelze ein Zugvogel, welcher regel- mäßig zu Anfang des März, bei günstiger Witterung bereits in den letzten Tagen des Februars eintrifft und uns erst im Oktober und zuweilen noch später wieder verläßt. Schon in Südeuropa wintern viele von denen, welche der Norden vertreibt; die Hauptmasse aber wandert bis Afrika hinüber und hier, wie es scheint, mehr streichend als ziehend, bis zu den angegebenen Breitegraden hinab.
Es ist leichter, zu sagen, wo man die Stelze nicht findet, als die Orte anzugeben, wo sie vor- kommt. Sie meidet den Hochwald und das Gebirge über der Holzgrenze; übrigens findet sie sich buchstäblich allerorten, vorausgesetzt, daß ein Gewässer, es sei groß oder klein, wenigstens in nicht allzugroßer Ferne ist. Sie befreundet sich mit dem Menschen und siedelt sich gern in der Nähe seiner Wohnung an; sie ist deshalb auch in großen Städten eine sehr regelmäßige Erscheinung.
Wie andere Arten ihrer Familie ist sie vom frühen Morgen bis zum späten Abend ununter- brochen in Thätigkeit. Sie ist beweglich, unruhig und munter im höchsten Grade. Nur wenn sie
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Bachſtelze.
hältnißmäßig wenig Feinde unter den Menſchen, wenn auch die Bubenjäger ſie ebenſo wenig ver- ſchonen, wie alle anderen Vögel, welche ſich ihnen zur Zielſcheibe bieten. Nächſtdem ſtellt das geſammte Heer der kleinen Räuber den Alten und noch mehr den Jungen nach, und außerdem wird das Waſſer der Brut oft verderblich. Jn der Gefangenſchaft ſieht man die Stelzen ſelten; ihr Geſang iſt nicht ausgezeichnet genug, als daß es die Mühe lohne, welche man aufwenden muß, um ein ſo zärtliches Geſchöpf an den Verluſt ſeiner Freiheit zu gewöhnen. Der Liebhaber aber, welcher ſich am bloſen Beſchauen begnügt, wird an Stelzen, welche in einem größeren Geſellſchaftsbauer leben, ſeine wahre Freude haben; denn die außerordentliche Anmuth und Zierlichkeit der Bewegungen muß Jedermann feſſeln.
Die bekannteſte Art und gewiſſermaßen das Urbild der Familie iſt die Bachſtelze ohne jede andere Nebenbezeichnung (Motacilla alba), welche ſonſt auch noch weiße, blaue, oder gemeine, Haus-, Stein- oder Waſſerſtelze, Wege-, Waſſer-, Quäk- und Wippſterz, Bebe-, Wedel- und Wippſchwanz, Kloſterfräulein oder Nonne, Ackermännchen ꝛc. genannt wird. Sie iſt auf der Oberſeite grau, auf Hinterhals und Nacken ſammtſchwarz, an der Kehle, Gurgel und Oberbruſt ſchwarz, auf der übrigen Unterſeite weiß; ebenſo gefärbt ſind die Stirn, die Zügel, Backen und die Halsſeiten; die Schwingen ſind ſchwärzlich, weißgrau geſäumt, wegen der weiß zugeſpitzten Deckfedern zweimal licht gebändert; die mittelſten Steuerfedern ſind ſchwarz, die übrigen weiß. Das Weibchen ähnelt dem Männchen; doch iſt ſein ſchwarzer Kehlfleck gewöhnlich nicht ſo groß. Das Herbſtkleid beider Geſchlechter unterſcheidet ſich von der Frühlingstracht haupt- ſächlich durch die weiße Kehle, welche mit einem hufeiſenförmigen, ſchwarzen Bande ein- gefaßt iſt. Die Jungen ſind auf der Oberſeite ſchmuzig aſchgrau, auf der Unterſeite mit Ausnahme des dunkeln Kehlbandes grau oder ſchmuzigweiß. Das Auge iſt dunkelbraun, Schnabel und Füße ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 7½, die Breite 10⅔, die Fittiglänge 3¼, die Schwanz- länge 3¾ Zoll.
Jn ganz Europa gibt es kein Land, ja keinen Gau und keine Gegend, in welcher die Stelze nicht beobachtet worden wäre. Sundewall verſichert, daß ſie in Finnmarken nicht mehr vorkomme: ich darf nach eigener Erfahrung das Gegentheil behaupten; denn ich habe ſie noch am Warangerfjord geſehen. Aber ich habe ſie auch außerhalb Europas beobachtet, in Nordoſtafrika nämlich, bis zum 11. Grad nördl. Breite, und in Weſtaſien bis nach Aden hin. Durch diejenigen Forſcher, welche Sibirien bereiſten, wiſſen wir, daß ſie in ganz Nord- und Mittelaſien gefunden wird, und durch die indiſchen Vogelkundigen erfahren wir, daß ſie in Südaſien regelmäßiger Wintergaſt iſt. Jn Großbritannien lebt eine nahe verwandte Art oder, wie viele Naturforſcher wollen, eine Spielart von ihr (Motacilla Yarellii), welche im Süden dieſes Landes überwintert; aber die eigentliche Bachſtelze wird neben ihr ebenfalls gefunden. Bei uns zu Lande iſt die Stelze ein Zugvogel, welcher regel- mäßig zu Anfang des März, bei günſtiger Witterung bereits in den letzten Tagen des Februars eintrifft und uns erſt im Oktober und zuweilen noch ſpäter wieder verläßt. Schon in Südeuropa wintern viele von denen, welche der Norden vertreibt; die Hauptmaſſe aber wandert bis Afrika hinüber und hier, wie es ſcheint, mehr ſtreichend als ziehend, bis zu den angegebenen Breitegraden hinab.
Es iſt leichter, zu ſagen, wo man die Stelze nicht findet, als die Orte anzugeben, wo ſie vor- kommt. Sie meidet den Hochwald und das Gebirge über der Holzgrenze; übrigens findet ſie ſich buchſtäblich allerorten, vorausgeſetzt, daß ein Gewäſſer, es ſei groß oder klein, wenigſtens in nicht allzugroßer Ferne iſt. Sie befreundet ſich mit dem Menſchen und ſiedelt ſich gern in der Nähe ſeiner Wohnung an; ſie iſt deshalb auch in großen Städten eine ſehr regelmäßige Erſcheinung.
Wie andere Arten ihrer Familie iſt ſie vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend ununter- brochen in Thätigkeit. Sie iſt beweglich, unruhig und munter im höchſten Grade. Nur wenn ſie
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Bachſtelze.
hältnißmäßig wenig Feinde unter den Menſchen, wenn auch die Bubenjäger ſie ebenſo wenig ver-
ſchonen, wie alle anderen Vögel, welche ſich ihnen zur Zielſcheibe bieten. Nächſtdem ſtellt das
geſammte Heer der kleinen Räuber den Alten und noch mehr den Jungen nach, und außerdem wird
das Waſſer der Brut oft verderblich. Jn der Gefangenſchaft ſieht man die Stelzen ſelten; ihr Geſang
iſt nicht ausgezeichnet genug, als daß es die Mühe lohne, welche man aufwenden muß, um ein ſo
zärtliches Geſchöpf an den Verluſt ſeiner Freiheit zu gewöhnen. Der Liebhaber aber, welcher ſich am
bloſen Beſchauen begnügt, wird an Stelzen, welche in einem größeren Geſellſchaftsbauer leben, ſeine
wahre Freude haben; denn die außerordentliche Anmuth und Zierlichkeit der Bewegungen muß
Jedermann feſſeln.
Die bekannteſte Art und gewiſſermaßen das Urbild der Familie iſt die Bachſtelze ohne
jede andere Nebenbezeichnung (Motacilla alba), welche ſonſt auch noch weiße, blaue, oder
gemeine, Haus-, Stein- oder Waſſerſtelze, Wege-, Waſſer-, Quäk- und Wippſterz,
Bebe-, Wedel- und Wippſchwanz, Kloſterfräulein oder Nonne, Ackermännchen ꝛc.
genannt wird. Sie iſt auf der Oberſeite grau, auf Hinterhals und Nacken ſammtſchwarz, an der
Kehle, Gurgel und Oberbruſt ſchwarz, auf der übrigen Unterſeite weiß; ebenſo gefärbt ſind die Stirn,
die Zügel, Backen und die Halsſeiten; die Schwingen ſind ſchwärzlich, weißgrau geſäumt, wegen der
weiß zugeſpitzten Deckfedern zweimal licht gebändert; die mittelſten Steuerfedern ſind ſchwarz, die
übrigen weiß. Das Weibchen ähnelt dem Männchen; doch iſt ſein ſchwarzer Kehlfleck gewöhnlich
nicht ſo groß. Das Herbſtkleid beider Geſchlechter unterſcheidet ſich von der Frühlingstracht haupt-
ſächlich durch die weiße Kehle, welche mit einem hufeiſenförmigen, ſchwarzen Bande ein-
gefaßt iſt. Die Jungen ſind auf der Oberſeite ſchmuzig aſchgrau, auf der Unterſeite mit Ausnahme
des dunkeln Kehlbandes grau oder ſchmuzigweiß. Das Auge iſt dunkelbraun, Schnabel und Füße
ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 7½, die Breite 10⅔, die Fittiglänge 3¼, die Schwanz-
länge 3¾ Zoll.
Jn ganz Europa gibt es kein Land, ja keinen Gau und keine Gegend, in welcher die Stelze
nicht beobachtet worden wäre. Sundewall verſichert, daß ſie in Finnmarken nicht mehr vorkomme:
ich darf nach eigener Erfahrung das Gegentheil behaupten; denn ich habe ſie noch am Warangerfjord
geſehen. Aber ich habe ſie auch außerhalb Europas beobachtet, in Nordoſtafrika nämlich, bis
zum 11. Grad nördl. Breite, und in Weſtaſien bis nach Aden hin. Durch diejenigen Forſcher, welche
Sibirien bereiſten, wiſſen wir, daß ſie in ganz Nord- und Mittelaſien gefunden wird, und durch die
indiſchen Vogelkundigen erfahren wir, daß ſie in Südaſien regelmäßiger Wintergaſt iſt. Jn
Großbritannien lebt eine nahe verwandte Art oder, wie viele Naturforſcher wollen, eine Spielart von
ihr (Motacilla Yarellii), welche im Süden dieſes Landes überwintert; aber die eigentliche Bachſtelze
wird neben ihr ebenfalls gefunden. Bei uns zu Lande iſt die Stelze ein Zugvogel, welcher regel-
mäßig zu Anfang des März, bei günſtiger Witterung bereits in den letzten Tagen des Februars
eintrifft und uns erſt im Oktober und zuweilen noch ſpäter wieder verläßt. Schon in Südeuropa
wintern viele von denen, welche der Norden vertreibt; die Hauptmaſſe aber wandert bis Afrika hinüber
und hier, wie es ſcheint, mehr ſtreichend als ziehend, bis zu den angegebenen Breitegraden hinab.
Es iſt leichter, zu ſagen, wo man die Stelze nicht findet, als die Orte anzugeben, wo ſie vor-
kommt. Sie meidet den Hochwald und das Gebirge über der Holzgrenze; übrigens findet ſie ſich
buchſtäblich allerorten, vorausgeſetzt, daß ein Gewäſſer, es ſei groß oder klein, wenigſtens in nicht
allzugroßer Ferne iſt. Sie befreundet ſich mit dem Menſchen und ſiedelt ſich gern in der Nähe ſeiner
Wohnung an; ſie iſt deshalb auch in großen Städten eine ſehr regelmäßige Erſcheinung.
Wie andere Arten ihrer Familie iſt ſie vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend ununter-
brochen in Thätigkeit. Sie iſt beweglich, unruhig und munter im höchſten Grade. Nur wenn ſie
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 899. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/947>, abgerufen am 22.11.2024.
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