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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Uferschilfsänger.
wiederholt wird, ausgezeichnet. Er erinnert an das Lied anderer Rohrsänger; einzelne Töne ähneln
aber auch wieder denen der Bachstelze oder der Rauchschwalbe. Seine Abwechslung ist so groß, daß
er mit dem Gesange einzelner Grasmücken verglichen werden darf.

Jn der Regel hält sich der Schilfsänger so viel als möglich verborgen; während der Begattungs-
zeit aber kommt er auf die Spitzen hoher Pflanzen oder auf freie Zweige empor, um zu singen oder
auch, um einen Nebenbuhler zu erspähen, dessen Lied seine Eifersucht reizte. Neugier ver-
anlaßt ihn zu gleichem Thun. Wenn man den Hühnerhund das Gestrüpp durchsuchen läßt, und
dieser sich ihm nähert, sieht man ihn oft an einem Binsen- oder Rohrhalme in die Höhe kommen, sich

[Abbildung] Der Uferschilfsänger (Calamodus phragmitis).
umschauen und dann blitzschnell wieder in die Tiefe verbergen. Erschreckt erhebt er sich; aber er fliegt
nie weit und immer sehr niedrig über dem Boden oder über dem Wasser dahin: zu höheren Luft-
schichten steigt er blos während seiner Wanderung umher. Den ganzen Tag über ist er ununter-
brochen in Bewegung; nur das Männchen hält sich, so lange es singt, minutenlang ruhig auf ein
und derselben Stelle. Es wählt sich bestimmte Halme oder Zweige, zu denen es oft zurückkehrt, fliegt auch
wohl von ihnen aus, immer singend, noch ein Stück in die Luft empor. Andere Vögel, welche sich
auf denselben Sitzplätzen niederlassen wollen, werden von ihm mit Heftigkeit angegriffen und in der
Regel vertrieben. Wenn das Weibchen brütet, singt der Schilfsänger zu allen Tageszeiten sehr eifrig,
am meisten in der Morgendämmerung, aber auch in hellen Nächten, und dann belebt er in anmuthiger

Uferſchilfſänger.
wiederholt wird, ausgezeichnet. Er erinnert an das Lied anderer Rohrſänger; einzelne Töne ähneln
aber auch wieder denen der Bachſtelze oder der Rauchſchwalbe. Seine Abwechslung iſt ſo groß, daß
er mit dem Geſange einzelner Grasmücken verglichen werden darf.

Jn der Regel hält ſich der Schilfſänger ſo viel als möglich verborgen; während der Begattungs-
zeit aber kommt er auf die Spitzen hoher Pflanzen oder auf freie Zweige empor, um zu ſingen oder
auch, um einen Nebenbuhler zu erſpähen, deſſen Lied ſeine Eiferſucht reizte. Neugier ver-
anlaßt ihn zu gleichem Thun. Wenn man den Hühnerhund das Geſtrüpp durchſuchen läßt, und
dieſer ſich ihm nähert, ſieht man ihn oft an einem Binſen- oder Rohrhalme in die Höhe kommen, ſich

[Abbildung] Der Uferſchilfſänger (Calamodus phragmitis).
umſchauen und dann blitzſchnell wieder in die Tiefe verbergen. Erſchreckt erhebt er ſich; aber er fliegt
nie weit und immer ſehr niedrig über dem Boden oder über dem Waſſer dahin: zu höheren Luft-
ſchichten ſteigt er blos während ſeiner Wanderung umher. Den ganzen Tag über iſt er ununter-
brochen in Bewegung; nur das Männchen hält ſich, ſo lange es ſingt, minutenlang ruhig auf ein
und derſelben Stelle. Es wählt ſich beſtimmte Halme oder Zweige, zu denen es oft zurückkehrt, fliegt auch
wohl von ihnen aus, immer ſingend, noch ein Stück in die Luft empor. Andere Vögel, welche ſich
auf denſelben Sitzplätzen niederlaſſen wollen, werden von ihm mit Heftigkeit angegriffen und in der
Regel vertrieben. Wenn das Weibchen brütet, ſingt der Schilfſänger zu allen Tageszeiten ſehr eifrig,
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[871/0919] Uferſchilfſänger. wiederholt wird, ausgezeichnet. Er erinnert an das Lied anderer Rohrſänger; einzelne Töne ähneln aber auch wieder denen der Bachſtelze oder der Rauchſchwalbe. Seine Abwechslung iſt ſo groß, daß er mit dem Geſange einzelner Grasmücken verglichen werden darf. Jn der Regel hält ſich der Schilfſänger ſo viel als möglich verborgen; während der Begattungs- zeit aber kommt er auf die Spitzen hoher Pflanzen oder auf freie Zweige empor, um zu ſingen oder auch, um einen Nebenbuhler zu erſpähen, deſſen Lied ſeine Eiferſucht reizte. Neugier ver- anlaßt ihn zu gleichem Thun. Wenn man den Hühnerhund das Geſtrüpp durchſuchen läßt, und dieſer ſich ihm nähert, ſieht man ihn oft an einem Binſen- oder Rohrhalme in die Höhe kommen, ſich [Abbildung Der Uferſchilfſänger (Calamodus phragmitis).] umſchauen und dann blitzſchnell wieder in die Tiefe verbergen. Erſchreckt erhebt er ſich; aber er fliegt nie weit und immer ſehr niedrig über dem Boden oder über dem Waſſer dahin: zu höheren Luft- ſchichten ſteigt er blos während ſeiner Wanderung umher. Den ganzen Tag über iſt er ununter- brochen in Bewegung; nur das Männchen hält ſich, ſo lange es ſingt, minutenlang ruhig auf ein und derſelben Stelle. Es wählt ſich beſtimmte Halme oder Zweige, zu denen es oft zurückkehrt, fliegt auch wohl von ihnen aus, immer ſingend, noch ein Stück in die Luft empor. Andere Vögel, welche ſich auf denſelben Sitzplätzen niederlaſſen wollen, werden von ihm mit Heftigkeit angegriffen und in der Regel vertrieben. Wenn das Weibchen brütet, ſingt der Schilfſänger zu allen Tageszeiten ſehr eifrig, am meiſten in der Morgendämmerung, aber auch in hellen Nächten, und dann belebt er in anmuthiger

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 871. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/919>, abgerufen am 22.11.2024.