sie merken, daß diese von Menschenhänden berührt wurden. Die Jungen machen sich sehr bald selb- ständig und entfernen sich vom Neste, noch ehe sie ordentlich fliegen können. Dafür bringen sie die Gewandtheit ihrer Eltern im Durchschlüpfen des Gebüsches, so zu sagen, mit auf die Welt. Unge- stört brütet das Paar nur einmal im Jahre; es hat bei der Kürze seines Aufenthalts in der Heimat zu mehreren Bruten kaum Zeit.
Jm Gebauer gewöhnt sich die Sperbergrasmücke nicht leicht ein: sie ist, wie der Vogelsteller sagt, trotzig, geht schwer an das Futter und kann überhaupt keinen Wechsel vertragen. Selbst, wenn sie schon längere Zeit in der Gefangenschaft war, frißt sie gewöhnlich mehrere Tage nicht, wenn man sie in ein anderes Zimmer brachte oder ihr einen andern Herrn gab, ja, sie verhungert zuweilen lieber, als daß sie sich den Umständen fügt. "So herrlich der Gesaug dieses Vogels ist", sagt der Graf Gourcy, dem ich auch das Vorstehende entnommen habe, "und so großen Werth ich auf einen aus- gezeichneten Sänger unter ihnen lege, so schwer wird es mir, eine Sperbergrasmücke lange zu erhalten. Die Gefangenen werden so von Läufen geplagt, daß sie durchaus nicht davon zu befreien sind und auch in kurzer Zeit alle andern Vögel anstecken. Diese Plage merkt man ihnen sehr bald an; denn alle ihre Federn werden struppig. Ohne Zweifel nistet sich so häufig Ungeziefer bei ihnen ein, weil sie sich gar nicht baden; ich wenigstens habe es noch nie gesehen: sie spritzen sich höchstens und Dies selten das Gefieder mit dem Schnabel ein."
Die zweitgrößte Grasmücke Europas ist der Meistersänger (Curruca Orphea). Jhre Länge beträgt 6 1/3 , ihre Breite 91/4, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 23/4 Zoll. Das Weibchen ist um 2 bis 3 Linien kürzer und um etwa 2 Linien schmäler, als das Männchen. Das Gefieder ist auf der Oberseite aschgrau, auf dem Rücken bräunlich überflogen, auf dem Scheitel und dem Nacken bräunlich oder grauschwarz, auf der Unterseite weiß, seitlich der Brust lichtrostfarbig; die Schwingen und die Steuerfedern sind mattschwarzbraun; die schmale Außenfahne der äußersten Schwanzfeder ist weiß, die breite Jnnenfahne zeigt an der Spitze einen weißen keilförmigen Flecken von derselben Färbung, die zweite einen weißen Spitzenflecken. Das Auge ist hellgelb, der Oberschnabel schwarz, der Unterschnabel bläulichschwarz, der Fuß röthlichgrau, ein nackter Ring ums Auge blaugrau. Das Weibchen ist blässer gefärbt als das Männchen, namentlich die Kopfplatte ist lichter.
Der Meisterfänger gehört dem Süden Europas an; in Deutschland ist er nur als Jrrling beobachtet worden. Da, wo in Spanien die Pinie ihre schirmförmige Krone ausbreitet, da, wo in den Fruchtebenen Johannisbrod-, Feigen- und Oelbäume zusammenstehen, wird man selten vergeblich nach ihm suchen. Unter gleichen Umständen lebt er in Griechenland, sicherlich aber nicht als Standvogel, wie Lindermayer behauptet, sondern gewiß nur als Sommergast, wie im übrigen Südeuropa. Dies geht auch aus Krüper's Beobachtung zur Genüge hervor; er vernahm am dritten April den Gesang der "soeben angekommenen" Meistersänger. Nach meinen Erfahrungen trifft unser Vogel ziemlich spät in Spanien ein, nicht vor Ende Aprils, zuweilen erst Anfangs Mai, und verweilt kaum länger als bis zum August im Lande. Seine Winterreise dehnt er bis Mittelafrika und Jndien aus: ich erlegte einen der wandernden in den Wäldern des blauen Flusses; Jerdon beobachtete ihn als häufigen Wintergast in ganz Südindien.
Abweichend von andern Grasmücken bevorzugt der Meistersänger höhere Bäume; in dem eigent- lichen Niederwald ist er von uns niemals beobachtet worden. Die Ebenen beherbergen ihn weit häufiger als die Gebirge; das bebaute üppige Land, welches regelmäßig bewässert wird, scheint ihm alle Erfordernisse zum Leben zu bieten. Sehr gern siedelt er sich auch in Kieferwäldern an. An der- artigen Oertlichkeiten vernimmt man überall den ausgezeichneten Gesang des Meistersängers, und hier sieht man, wenn man den Klängen vorsichtig nachgeht, das Paar in den höheren Baumkronen sein Wesen treiben. Auch der Meistersänger ist mißtrauisch und vorsichtig; deshalb hält es nicht leicht, ihn zu beobachten. Beim Herannahen des Jägers sucht er sich immer die dichtesten Zweige der Bäume aus und weiß sich hier so vortrefflich zu verstecken, daß er auf lange Zeit vollkommen unsichtbar ist.
Sperbergrasmücke. Meiſterſänger.
ſie merken, daß dieſe von Menſchenhänden berührt wurden. Die Jungen machen ſich ſehr bald ſelb- ſtändig und entfernen ſich vom Neſte, noch ehe ſie ordentlich fliegen können. Dafür bringen ſie die Gewandtheit ihrer Eltern im Durchſchlüpfen des Gebüſches, ſo zu ſagen, mit auf die Welt. Unge- ſtört brütet das Paar nur einmal im Jahre; es hat bei der Kürze ſeines Aufenthalts in der Heimat zu mehreren Bruten kaum Zeit.
Jm Gebauer gewöhnt ſich die Sperbergrasmücke nicht leicht ein: ſie iſt, wie der Vogelſteller ſagt, trotzig, geht ſchwer an das Futter und kann überhaupt keinen Wechſel vertragen. Selbſt, wenn ſie ſchon längere Zeit in der Gefangenſchaft war, frißt ſie gewöhnlich mehrere Tage nicht, wenn man ſie in ein anderes Zimmer brachte oder ihr einen andern Herrn gab, ja, ſie verhungert zuweilen lieber, als daß ſie ſich den Umſtänden fügt. „So herrlich der Geſaug dieſes Vogels iſt‟, ſagt der Graf Gourcy, dem ich auch das Vorſtehende entnommen habe, „und ſo großen Werth ich auf einen aus- gezeichneten Sänger unter ihnen lege, ſo ſchwer wird es mir, eine Sperbergrasmücke lange zu erhalten. Die Gefangenen werden ſo von Läufen geplagt, daß ſie durchaus nicht davon zu befreien ſind und auch in kurzer Zeit alle andern Vögel anſtecken. Dieſe Plage merkt man ihnen ſehr bald an; denn alle ihre Federn werden ſtruppig. Ohne Zweifel niſtet ſich ſo häufig Ungeziefer bei ihnen ein, weil ſie ſich gar nicht baden; ich wenigſtens habe es noch nie geſehen: ſie ſpritzen ſich höchſtens und Dies ſelten das Gefieder mit dem Schnabel ein.‟
Die zweitgrößte Grasmücke Europas iſt der Meiſterſänger (Curruca Orphea). Jhre Länge beträgt 6⅓, ihre Breite 9¼, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 2¾ Zoll. Das Weibchen iſt um 2 bis 3 Linien kürzer und um etwa 2 Linien ſchmäler, als das Männchen. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite aſchgrau, auf dem Rücken bräunlich überflogen, auf dem Scheitel und dem Nacken bräunlich oder grauſchwarz, auf der Unterſeite weiß, ſeitlich der Bruſt lichtroſtfarbig; die Schwingen und die Steuerfedern ſind mattſchwarzbraun; die ſchmale Außenfahne der äußerſten Schwanzfeder iſt weiß, die breite Jnnenfahne zeigt an der Spitze einen weißen keilförmigen Flecken von derſelben Färbung, die zweite einen weißen Spitzenflecken. Das Auge iſt hellgelb, der Oberſchnabel ſchwarz, der Unterſchnabel bläulichſchwarz, der Fuß röthlichgrau, ein nackter Ring ums Auge blaugrau. Das Weibchen iſt bläſſer gefärbt als das Männchen, namentlich die Kopfplatte iſt lichter.
Der Meiſterfänger gehört dem Süden Europas an; in Deutſchland iſt er nur als Jrrling beobachtet worden. Da, wo in Spanien die Pinie ihre ſchirmförmige Krone ausbreitet, da, wo in den Fruchtebenen Johannisbrod-, Feigen- und Oelbäume zuſammenſtehen, wird man ſelten vergeblich nach ihm ſuchen. Unter gleichen Umſtänden lebt er in Griechenland, ſicherlich aber nicht als Standvogel, wie Lindermayer behauptet, ſondern gewiß nur als Sommergaſt, wie im übrigen Südeuropa. Dies geht auch aus Krüper’s Beobachtung zur Genüge hervor; er vernahm am dritten April den Geſang der „ſoeben angekommenen‟ Meiſterſänger. Nach meinen Erfahrungen trifft unſer Vogel ziemlich ſpät in Spanien ein, nicht vor Ende Aprils, zuweilen erſt Anfangs Mai, und verweilt kaum länger als bis zum Auguſt im Lande. Seine Winterreiſe dehnt er bis Mittelafrika und Jndien aus: ich erlegte einen der wandernden in den Wäldern des blauen Fluſſes; Jerdon beobachtete ihn als häufigen Wintergaſt in ganz Südindien.
Abweichend von andern Grasmücken bevorzugt der Meiſterſänger höhere Bäume; in dem eigent- lichen Niederwald iſt er von uns niemals beobachtet worden. Die Ebenen beherbergen ihn weit häufiger als die Gebirge; das bebaute üppige Land, welches regelmäßig bewäſſert wird, ſcheint ihm alle Erforderniſſe zum Leben zu bieten. Sehr gern ſiedelt er ſich auch in Kieferwäldern an. An der- artigen Oertlichkeiten vernimmt man überall den ausgezeichneten Geſang des Meiſterſängers, und hier ſieht man, wenn man den Klängen vorſichtig nachgeht, das Paar in den höheren Baumkronen ſein Weſen treiben. Auch der Meiſterſänger iſt mißtrauiſch und vorſichtig; deshalb hält es nicht leicht, ihn zu beobachten. Beim Herannahen des Jägers ſucht er ſich immer die dichteſten Zweige der Bäume aus und weiß ſich hier ſo vortrefflich zu verſtecken, daß er auf lange Zeit vollkommen unſichtbar iſt.
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[839/0887]
Sperbergrasmücke. Meiſterſänger.
ſie merken, daß dieſe von Menſchenhänden berührt wurden. Die Jungen machen ſich ſehr bald ſelb-
ſtändig und entfernen ſich vom Neſte, noch ehe ſie ordentlich fliegen können. Dafür bringen ſie die
Gewandtheit ihrer Eltern im Durchſchlüpfen des Gebüſches, ſo zu ſagen, mit auf die Welt. Unge-
ſtört brütet das Paar nur einmal im Jahre; es hat bei der Kürze ſeines Aufenthalts in der Heimat
zu mehreren Bruten kaum Zeit.
Jm Gebauer gewöhnt ſich die Sperbergrasmücke nicht leicht ein: ſie iſt, wie der Vogelſteller ſagt,
trotzig, geht ſchwer an das Futter und kann überhaupt keinen Wechſel vertragen. Selbſt, wenn ſie
ſchon längere Zeit in der Gefangenſchaft war, frißt ſie gewöhnlich mehrere Tage nicht, wenn man ſie
in ein anderes Zimmer brachte oder ihr einen andern Herrn gab, ja, ſie verhungert zuweilen lieber,
als daß ſie ſich den Umſtänden fügt. „So herrlich der Geſaug dieſes Vogels iſt‟, ſagt der Graf
Gourcy, dem ich auch das Vorſtehende entnommen habe, „und ſo großen Werth ich auf einen aus-
gezeichneten Sänger unter ihnen lege, ſo ſchwer wird es mir, eine Sperbergrasmücke lange zu erhalten.
Die Gefangenen werden ſo von Läufen geplagt, daß ſie durchaus nicht davon zu befreien ſind und auch
in kurzer Zeit alle andern Vögel anſtecken. Dieſe Plage merkt man ihnen ſehr bald an; denn alle
ihre Federn werden ſtruppig. Ohne Zweifel niſtet ſich ſo häufig Ungeziefer bei ihnen ein, weil ſie ſich
gar nicht baden; ich wenigſtens habe es noch nie geſehen: ſie ſpritzen ſich höchſtens und Dies ſelten
das Gefieder mit dem Schnabel ein.‟
Die zweitgrößte Grasmücke Europas iſt der Meiſterſänger (Curruca Orphea). Jhre
Länge beträgt 6⅓, ihre Breite 9¼, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 2¾ Zoll. Das Weibchen
iſt um 2 bis 3 Linien kürzer und um etwa 2 Linien ſchmäler, als das Männchen. Das Gefieder iſt
auf der Oberſeite aſchgrau, auf dem Rücken bräunlich überflogen, auf dem Scheitel und dem Nacken
bräunlich oder grauſchwarz, auf der Unterſeite weiß, ſeitlich der Bruſt lichtroſtfarbig; die Schwingen
und die Steuerfedern ſind mattſchwarzbraun; die ſchmale Außenfahne der äußerſten Schwanzfeder iſt
weiß, die breite Jnnenfahne zeigt an der Spitze einen weißen keilförmigen Flecken von derſelben
Färbung, die zweite einen weißen Spitzenflecken. Das Auge iſt hellgelb, der Oberſchnabel ſchwarz,
der Unterſchnabel bläulichſchwarz, der Fuß röthlichgrau, ein nackter Ring ums Auge blaugrau. Das
Weibchen iſt bläſſer gefärbt als das Männchen, namentlich die Kopfplatte iſt lichter.
Der Meiſterfänger gehört dem Süden Europas an; in Deutſchland iſt er nur als Jrrling
beobachtet worden. Da, wo in Spanien die Pinie ihre ſchirmförmige Krone ausbreitet, da, wo in den
Fruchtebenen Johannisbrod-, Feigen- und Oelbäume zuſammenſtehen, wird man ſelten vergeblich nach
ihm ſuchen. Unter gleichen Umſtänden lebt er in Griechenland, ſicherlich aber nicht als Standvogel,
wie Lindermayer behauptet, ſondern gewiß nur als Sommergaſt, wie im übrigen Südeuropa.
Dies geht auch aus Krüper’s Beobachtung zur Genüge hervor; er vernahm am dritten April
den Geſang der „ſoeben angekommenen‟ Meiſterſänger. Nach meinen Erfahrungen trifft unſer
Vogel ziemlich ſpät in Spanien ein, nicht vor Ende Aprils, zuweilen erſt Anfangs Mai, und
verweilt kaum länger als bis zum Auguſt im Lande. Seine Winterreiſe dehnt er bis Mittelafrika
und Jndien aus: ich erlegte einen der wandernden in den Wäldern des blauen Fluſſes; Jerdon
beobachtete ihn als häufigen Wintergaſt in ganz Südindien.
Abweichend von andern Grasmücken bevorzugt der Meiſterſänger höhere Bäume; in dem eigent-
lichen Niederwald iſt er von uns niemals beobachtet worden. Die Ebenen beherbergen ihn weit
häufiger als die Gebirge; das bebaute üppige Land, welches regelmäßig bewäſſert wird, ſcheint ihm
alle Erforderniſſe zum Leben zu bieten. Sehr gern ſiedelt er ſich auch in Kieferwäldern an. An der-
artigen Oertlichkeiten vernimmt man überall den ausgezeichneten Geſang des Meiſterſängers, und hier
ſieht man, wenn man den Klängen vorſichtig nachgeht, das Paar in den höheren Baumkronen ſein
Weſen treiben. Auch der Meiſterſänger iſt mißtrauiſch und vorſichtig; deshalb hält es nicht leicht, ihn
zu beobachten. Beim Herannahen des Jägers ſucht er ſich immer die dichteſten Zweige der Bäume aus
und weiß ſich hier ſo vortrefflich zu verſtecken, daß er auf lange Zeit vollkommen unſichtbar iſt.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 839. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/887>, abgerufen am 25.11.2024.
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