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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Wasserschwätzer.
Wassers jede Eisbildung verhindert. Je rauschender der Waldbach ist, je mehr Fälle er bildet, je
ärger er braust und zischt, um so geeigneter erscheint er ihm, um so gewisser fesselt er ihn. Mehr
noch als den eigentlichen Sturz und den unter diesem sich bildenden Wirbel liebt er die Grenze der
hier gewöhnlich vorhandenen ruhigen Wasserfläche, unzweifelhaft deshalb, weil ihm der Strudel
mancherlei Nahrung zuführt. Jedes einzelne Paar nimmt etwa eine Viertelmeile des Baches in
Besitz, streicht innerhalb dieser Strecke auf und nieder und verläßt den Wasserfaden niemals. Da,
wo das Gebiet des einen Paares endet, beginnt das eines zweiten, und so kann ein Gebirgsbach
besetzt sein von seiner Quelle bis zur Mündung in ein größeres Gewässer.

Wer den Wasserschwätzer kennen gelernt hat, muß ihn liebgewinnen. Er gehört nicht blos zu
den auffallendsten, sondern auch zu den anziehendsten aller Vögel. Seine Begabungen sind eigen-
thümlicher Art. Er läuft mit der Gewandtheit und Behendigkeit einer Bachstelze über die Steine des
Flußbettes dahin, nach Art der Stelzen oder Uferläufer Schwanz und Hinterleib auf und nieder
bewegend; er wadet von den Steinen herab bis in das Wasser hinein, tiefer und tiefer, bis zur halben
Oberbrust, bis zu den Augen, noch tiefer, bis das Waffer über ihm zusammenschlägt, und lustwandelt
sodann auf dem Grunde weiter fort, unter den Wellen oder im Winter unter der Eisdecke dahin, gegen
die Strömung oder mit ihr, als ging er auf ebenem Boden. Es ist behauptet worden, daß er
minutenlang unter dem Wasser aushalten könne; die Beobachtungen aber, welche A. von Homeyer
mit der Uhr in der Hand anstellte, haben als gewöhnliche Tauchzeit nur funfzehn bis zwanzig
Sekunden ergeben. Der Wasserschwätzer stürzt sich in den ärgsten Strudel, in den tollsten Wasser-
sturz; er wadet nicht blos, sondern schwimmt auch mit einem wirklichen Schwimmvogel um die Wette;
er benutzt im Nothfalle seine kurzen Flügel als Ruder und fliegt dann, so zu sagen, unter dem Wasser
dahin, wie er eine senkrecht hinabstürzende Wassermasse in Wirklichkeit fliegend durchschneidet. Kein
Vogel weiter beherrscht in derselben Weise, wie er, das Wasser: er leistet wahrhaft Unglaubliches.
Nicht immer wadet er von seinem erhöhten Sitzpunkt aus allmählich in das Wasser, sondern sehr häufig
auch stürzt er sich von seiner Warte herab jählings in die Tiefe, mehr nach Art des Frosches, als nach
Art eines Eisvogels. Sein Flug erinnert an den des Eisvogels, ähnelt aber vielleicht noch mehr dem
unseres Zaunkönigs. Der aufgescheuchte Wasserschwätzer fliegt mit schnell aufeinander folgenden
Flügelschlägen in gleicher Höhe über dem Wasser dahin, jeder Krümmung des Baches folgend. Der Flug
endet plötzlich, sowie der Vogel bei einem neu gesicherten Ruhepunkt angekommen ist; es geschieht aber
auch und gar nicht selten, daß er sich plötzlich aus der Luft herab in das Wasser stürzt, von einer
erspäheten Beute angezogen. Wenn er sich verfolgt sieht, durchfliegt er zuweilen eine Strecke von
vier- bis fünfhundert Schritten; sonst schwirrt er gewöhnlich nur von einem erhabenen Steine zum
andern. Wird die Jagd ernster, und sieht er sich gefährdet, so verläßt er zuweilen die Tiefe, in
welcher er bisher dahinzog und steigt plötzlich steil in die Luft empor, bis über die Wipfelhöhe der
Uferbäume und noch höher. Unter solchen Umständen kann es auch geschehen, daß er von der einmal
begonnenen Richtung abweicht, selbst den Lauf des Baches verläßt und in großen Bogen sich weiter
vorwärts wendet oder zu seinem früheren Sitzpunkte zurückkehrt. Wenn er sich unbehelligt sieht,
kommt es nach Homeyer's Beobachtungen vor, daß er im Fluge Halt macht, sich fast rüttelnd
über ein und derselben Stelle hält und dann mit lang herabhängenden Ständern sich zum Wasser her-
niederstürzt und in ihm verschwindet.

Obgleich wir mit Bestimmtheit nur behaupten können, daß die höheren Sinne und namentlich
Gesicht und Gehör des Wasserschwätzers auf sehr hoher Stufe stehen, dürfen wir doch annehmen, daß
auch die übrigen nicht verkümmert sind. Die geistigen Fähigkeiten sind unzweifelhaft als sehr ent-
wickelte zu bezeichnen. Der Wasserschwätzer ist klug, vorsichtig und verschlagen. Er kennt seine
Freunde genau und nicht minder gut seine Feinde. Jn der Regel ist er allerorten, wenn auch nicht
scheu, so doch höchst aufmerksam auf Alles, was rings um ihn vorgeht. Den Menschen, welcher seinen
stillen Wohnsitz einmal betritt, flieht er von Weitem, gleichviel, ob derselbe Miene macht, ihn zu ver-
folgen oder theilnahmlos am Ufer dahingeht. Vor Raubthieren aller Art nimmt er sich nicht weniger

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Waſſerſchwätzer.
Waſſers jede Eisbildung verhindert. Je rauſchender der Waldbach iſt, je mehr Fälle er bildet, je
ärger er brauſt und ziſcht, um ſo geeigneter erſcheint er ihm, um ſo gewiſſer feſſelt er ihn. Mehr
noch als den eigentlichen Sturz und den unter dieſem ſich bildenden Wirbel liebt er die Grenze der
hier gewöhnlich vorhandenen ruhigen Waſſerfläche, unzweifelhaft deshalb, weil ihm der Strudel
mancherlei Nahrung zuführt. Jedes einzelne Paar nimmt etwa eine Viertelmeile des Baches in
Beſitz, ſtreicht innerhalb dieſer Strecke auf und nieder und verläßt den Waſſerfaden niemals. Da,
wo das Gebiet des einen Paares endet, beginnt das eines zweiten, und ſo kann ein Gebirgsbach
beſetzt ſein von ſeiner Quelle bis zur Mündung in ein größeres Gewäſſer.

Wer den Waſſerſchwätzer kennen gelernt hat, muß ihn liebgewinnen. Er gehört nicht blos zu
den auffallendſten, ſondern auch zu den anziehendſten aller Vögel. Seine Begabungen ſind eigen-
thümlicher Art. Er läuft mit der Gewandtheit und Behendigkeit einer Bachſtelze über die Steine des
Flußbettes dahin, nach Art der Stelzen oder Uferläufer Schwanz und Hinterleib auf und nieder
bewegend; er wadet von den Steinen herab bis in das Waſſer hinein, tiefer und tiefer, bis zur halben
Oberbruſt, bis zu den Augen, noch tiefer, bis das Waffer über ihm zuſammenſchlägt, und luſtwandelt
ſodann auf dem Grunde weiter fort, unter den Wellen oder im Winter unter der Eisdecke dahin, gegen
die Strömung oder mit ihr, als ging er auf ebenem Boden. Es iſt behauptet worden, daß er
minutenlang unter dem Waſſer aushalten könne; die Beobachtungen aber, welche A. von Homeyer
mit der Uhr in der Hand anſtellte, haben als gewöhnliche Tauchzeit nur funfzehn bis zwanzig
Sekunden ergeben. Der Waſſerſchwätzer ſtürzt ſich in den ärgſten Strudel, in den tollſten Waſſer-
ſturz; er wadet nicht blos, ſondern ſchwimmt auch mit einem wirklichen Schwimmvogel um die Wette;
er benutzt im Nothfalle ſeine kurzen Flügel als Ruder und fliegt dann, ſo zu ſagen, unter dem Waſſer
dahin, wie er eine ſenkrecht hinabſtürzende Waſſermaſſe in Wirklichkeit fliegend durchſchneidet. Kein
Vogel weiter beherrſcht in derſelben Weiſe, wie er, das Waſſer: er leiſtet wahrhaft Unglaubliches.
Nicht immer wadet er von ſeinem erhöhten Sitzpunkt aus allmählich in das Waſſer, ſondern ſehr häufig
auch ſtürzt er ſich von ſeiner Warte herab jählings in die Tiefe, mehr nach Art des Froſches, als nach
Art eines Eisvogels. Sein Flug erinnert an den des Eisvogels, ähnelt aber vielleicht noch mehr dem
unſeres Zaunkönigs. Der aufgeſcheuchte Waſſerſchwätzer fliegt mit ſchnell aufeinander folgenden
Flügelſchlägen in gleicher Höhe über dem Waſſer dahin, jeder Krümmung des Baches folgend. Der Flug
endet plötzlich, ſowie der Vogel bei einem neu geſicherten Ruhepunkt angekommen iſt; es geſchieht aber
auch und gar nicht ſelten, daß er ſich plötzlich aus der Luft herab in das Waſſer ſtürzt, von einer
erſpäheten Beute angezogen. Wenn er ſich verfolgt ſieht, durchfliegt er zuweilen eine Strecke von
vier- bis fünfhundert Schritten; ſonſt ſchwirrt er gewöhnlich nur von einem erhabenen Steine zum
andern. Wird die Jagd ernſter, und ſieht er ſich gefährdet, ſo verläßt er zuweilen die Tiefe, in
welcher er bisher dahinzog und ſteigt plötzlich ſteil in die Luft empor, bis über die Wipfelhöhe der
Uferbäume und noch höher. Unter ſolchen Umſtänden kann es auch geſchehen, daß er von der einmal
begonnenen Richtung abweicht, ſelbſt den Lauf des Baches verläßt und in großen Bogen ſich weiter
vorwärts wendet oder zu ſeinem früheren Sitzpunkte zurückkehrt. Wenn er ſich unbehelligt ſieht,
kommt es nach Homeyer’s Beobachtungen vor, daß er im Fluge Halt macht, ſich faſt rüttelnd
über ein und derſelben Stelle hält und dann mit lang herabhängenden Ständern ſich zum Waſſer her-
niederſtürzt und in ihm verſchwindet.

Obgleich wir mit Beſtimmtheit nur behaupten können, daß die höheren Sinne und namentlich
Geſicht und Gehör des Waſſerſchwätzers auf ſehr hoher Stufe ſtehen, dürfen wir doch annehmen, daß
auch die übrigen nicht verkümmert ſind. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind unzweifelhaft als ſehr ent-
wickelte zu bezeichnen. Der Waſſerſchwätzer iſt klug, vorſichtig und verſchlagen. Er kennt ſeine
Freunde genau und nicht minder gut ſeine Feinde. Jn der Regel iſt er allerorten, wenn auch nicht
ſcheu, ſo doch höchſt aufmerkſam auf Alles, was rings um ihn vorgeht. Den Menſchen, welcher ſeinen
ſtillen Wohnſitz einmal betritt, flieht er von Weitem, gleichviel, ob derſelbe Miene macht, ihn zu ver-
folgen oder theilnahmlos am Ufer dahingeht. Vor Raubthieren aller Art nimmt er ſich nicht weniger

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[819/0865] Waſſerſchwätzer. Waſſers jede Eisbildung verhindert. Je rauſchender der Waldbach iſt, je mehr Fälle er bildet, je ärger er brauſt und ziſcht, um ſo geeigneter erſcheint er ihm, um ſo gewiſſer feſſelt er ihn. Mehr noch als den eigentlichen Sturz und den unter dieſem ſich bildenden Wirbel liebt er die Grenze der hier gewöhnlich vorhandenen ruhigen Waſſerfläche, unzweifelhaft deshalb, weil ihm der Strudel mancherlei Nahrung zuführt. Jedes einzelne Paar nimmt etwa eine Viertelmeile des Baches in Beſitz, ſtreicht innerhalb dieſer Strecke auf und nieder und verläßt den Waſſerfaden niemals. Da, wo das Gebiet des einen Paares endet, beginnt das eines zweiten, und ſo kann ein Gebirgsbach beſetzt ſein von ſeiner Quelle bis zur Mündung in ein größeres Gewäſſer. Wer den Waſſerſchwätzer kennen gelernt hat, muß ihn liebgewinnen. Er gehört nicht blos zu den auffallendſten, ſondern auch zu den anziehendſten aller Vögel. Seine Begabungen ſind eigen- thümlicher Art. Er läuft mit der Gewandtheit und Behendigkeit einer Bachſtelze über die Steine des Flußbettes dahin, nach Art der Stelzen oder Uferläufer Schwanz und Hinterleib auf und nieder bewegend; er wadet von den Steinen herab bis in das Waſſer hinein, tiefer und tiefer, bis zur halben Oberbruſt, bis zu den Augen, noch tiefer, bis das Waffer über ihm zuſammenſchlägt, und luſtwandelt ſodann auf dem Grunde weiter fort, unter den Wellen oder im Winter unter der Eisdecke dahin, gegen die Strömung oder mit ihr, als ging er auf ebenem Boden. Es iſt behauptet worden, daß er minutenlang unter dem Waſſer aushalten könne; die Beobachtungen aber, welche A. von Homeyer mit der Uhr in der Hand anſtellte, haben als gewöhnliche Tauchzeit nur funfzehn bis zwanzig Sekunden ergeben. Der Waſſerſchwätzer ſtürzt ſich in den ärgſten Strudel, in den tollſten Waſſer- ſturz; er wadet nicht blos, ſondern ſchwimmt auch mit einem wirklichen Schwimmvogel um die Wette; er benutzt im Nothfalle ſeine kurzen Flügel als Ruder und fliegt dann, ſo zu ſagen, unter dem Waſſer dahin, wie er eine ſenkrecht hinabſtürzende Waſſermaſſe in Wirklichkeit fliegend durchſchneidet. Kein Vogel weiter beherrſcht in derſelben Weiſe, wie er, das Waſſer: er leiſtet wahrhaft Unglaubliches. Nicht immer wadet er von ſeinem erhöhten Sitzpunkt aus allmählich in das Waſſer, ſondern ſehr häufig auch ſtürzt er ſich von ſeiner Warte herab jählings in die Tiefe, mehr nach Art des Froſches, als nach Art eines Eisvogels. Sein Flug erinnert an den des Eisvogels, ähnelt aber vielleicht noch mehr dem unſeres Zaunkönigs. Der aufgeſcheuchte Waſſerſchwätzer fliegt mit ſchnell aufeinander folgenden Flügelſchlägen in gleicher Höhe über dem Waſſer dahin, jeder Krümmung des Baches folgend. Der Flug endet plötzlich, ſowie der Vogel bei einem neu geſicherten Ruhepunkt angekommen iſt; es geſchieht aber auch und gar nicht ſelten, daß er ſich plötzlich aus der Luft herab in das Waſſer ſtürzt, von einer erſpäheten Beute angezogen. Wenn er ſich verfolgt ſieht, durchfliegt er zuweilen eine Strecke von vier- bis fünfhundert Schritten; ſonſt ſchwirrt er gewöhnlich nur von einem erhabenen Steine zum andern. Wird die Jagd ernſter, und ſieht er ſich gefährdet, ſo verläßt er zuweilen die Tiefe, in welcher er bisher dahinzog und ſteigt plötzlich ſteil in die Luft empor, bis über die Wipfelhöhe der Uferbäume und noch höher. Unter ſolchen Umſtänden kann es auch geſchehen, daß er von der einmal begonnenen Richtung abweicht, ſelbſt den Lauf des Baches verläßt und in großen Bogen ſich weiter vorwärts wendet oder zu ſeinem früheren Sitzpunkte zurückkehrt. Wenn er ſich unbehelligt ſieht, kommt es nach Homeyer’s Beobachtungen vor, daß er im Fluge Halt macht, ſich faſt rüttelnd über ein und derſelben Stelle hält und dann mit lang herabhängenden Ständern ſich zum Waſſer her- niederſtürzt und in ihm verſchwindet. Obgleich wir mit Beſtimmtheit nur behaupten können, daß die höheren Sinne und namentlich Geſicht und Gehör des Waſſerſchwätzers auf ſehr hoher Stufe ſtehen, dürfen wir doch annehmen, daß auch die übrigen nicht verkümmert ſind. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind unzweifelhaft als ſehr ent- wickelte zu bezeichnen. Der Waſſerſchwätzer iſt klug, vorſichtig und verſchlagen. Er kennt ſeine Freunde genau und nicht minder gut ſeine Feinde. Jn der Regel iſt er allerorten, wenn auch nicht ſcheu, ſo doch höchſt aufmerkſam auf Alles, was rings um ihn vorgeht. Den Menſchen, welcher ſeinen ſtillen Wohnſitz einmal betritt, flieht er von Weitem, gleichviel, ob derſelbe Miene macht, ihn zu ver- folgen oder theilnahmlos am Ufer dahingeht. Vor Raubthieren aller Art nimmt er ſich nicht weniger 52*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/865>, abgerufen am 22.11.2024.