Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite
Weißschopfige Lachdrossel. Wasserschwätzer.

Ueber das Gefangenleben einer nahe verwandten Art, der chinesischen Lachdrossel (Garrulax
chinensis
), theilt Frith Einiges mit. Dieser Vogel war außerordentlich zahm und zuthunlich, liebte
es geschmeichelt zu werden und breitete seine Flügel aus oder nahm andere sonderbare Stellungen an,
wenn man ihn mit der Hand krauete.

Er war von Haus ein guter Sänger und besaß die Gabe der Nachahmung in hohem Grade.

Eigenthümlich war die Art und Weise, wie er seine Mahlzeiten zu sich nahm. Die Bissen des
gekochten Fleisches, welches man ihm reichte, oder auch andere größere Futterbrocken klemmte er einen
nach dem andern zwischen die Stäbe seines Käfigs. Gab man ihm eine Wespe oder Biene, so stürzte
er sich sofort auf sie, ließ sich

[Abbildung] Die weißschopfige Lachdrossel (Garrulax leucolophus).
aber erst einige Male nach
einander von dem giftstache-
lichen Kerbthier in seinen aus-
gebreiteten Schwanz stechen,
bevor er es fraß. Einen großen
Käfer stieß er mit heftigen
Schnabelhieben gegen den
Boden; eine etwa fußlange
Schlange brachte er auf die-
selbe Weise vom Leben zum
Tode, da er ihr sofort den
Kopfdurchbohrt hatte. Hierauf
verzehrte er etwa die Hälfte
der Schlange, indem er sie,
wie seine übrige Nahrung
auch, mit dem einen Fuße
festhielt und sie mit dem
Schnabel in Stücke zerriß.



Jn klaren Bächen unserer
Hoch- und Mittelgebirge ge-
wahrt der aufmerksame Beob-
achter, wenn auch nicht über-
all, so doch an bevorzugten
Stellen, einen der anmu-
thigsten Vögel unseres Vater-
landes: den Wasserschwätzer
oder Wasserstaar, die Bach-,
Strom-, See-
und Wasser-
amsel
oder Wasserdrossel (Cinclus aquaticus). Das Volk hat, wie aus den verschiedenen
Namen hervorgeht, von jeher seine Familienähnlichkeit mit den Drosseln erkannt, und der Forscher
muß der volksthümlichen Anschauung beipflichten. Ein Drosselvogel ist der Wasserschwätzer aller-
dings, obgleich er der Drosselfamilie im engeren Sinne wahrscheinlich nicht zugezählt werden darf,
vielmehr erhoben werden muß zum Vertreter einer eigenen Vogelgruppe, welcher man einen höheren
Rang als den einer Sippe zugestehen und welche man also ebensogut Sippe wie Familie nennen darf.
So groß die äußere Aehnlichkeit zwischen den Wasserschwätzern und den Drosseln ist: die sorgfältige
Prüfung ergibt, daß, so zu sagen, jedes Glied der Letzteren sein Eigenthümliches hat. Der Leib ist
schlank, erscheint aber wegen der sehr dichten Befiederung auffallend dick; der Schnabel ist schwach,

Brehm, Thierleben. III. 52
Weißſchopfige Lachdroſſel. Waſſerſchwätzer.

Ueber das Gefangenleben einer nahe verwandten Art, der chineſiſchen Lachdroſſel (Garrulax
chinensis
), theilt Frith Einiges mit. Dieſer Vogel war außerordentlich zahm und zuthunlich, liebte
es geſchmeichelt zu werden und breitete ſeine Flügel aus oder nahm andere ſonderbare Stellungen an,
wenn man ihn mit der Hand krauete.

Er war von Haus ein guter Sänger und beſaß die Gabe der Nachahmung in hohem Grade.

Eigenthümlich war die Art und Weiſe, wie er ſeine Mahlzeiten zu ſich nahm. Die Biſſen des
gekochten Fleiſches, welches man ihm reichte, oder auch andere größere Futterbrocken klemmte er einen
nach dem andern zwiſchen die Stäbe ſeines Käfigs. Gab man ihm eine Weſpe oder Biene, ſo ſtürzte
er ſich ſofort auf ſie, ließ ſich

[Abbildung] Die weißſchopfige Lachdroſſel (Garrulax leucolophus).
aber erſt einige Male nach
einander von dem giftſtache-
lichen Kerbthier in ſeinen aus-
gebreiteten Schwanz ſtechen,
bevor er es fraß. Einen großen
Käfer ſtieß er mit heftigen
Schnabelhieben gegen den
Boden; eine etwa fußlange
Schlange brachte er auf die-
ſelbe Weiſe vom Leben zum
Tode, da er ihr ſofort den
Kopfdurchbohrt hatte. Hierauf
verzehrte er etwa die Hälfte
der Schlange, indem er ſie,
wie ſeine übrige Nahrung
auch, mit dem einen Fuße
feſthielt und ſie mit dem
Schnabel in Stücke zerriß.



Jn klaren Bächen unſerer
Hoch- und Mittelgebirge ge-
wahrt der aufmerkſame Beob-
achter, wenn auch nicht über-
all, ſo doch an bevorzugten
Stellen, einen der anmu-
thigſten Vögel unſeres Vater-
landes: den Waſſerſchwätzer
oder Waſſerſtaar, die Bach-,
Strom-, See-
und Waſſer-
amſel
oder Waſſerdroſſel (Cinclus aquaticus). Das Volk hat, wie aus den verſchiedenen
Namen hervorgeht, von jeher ſeine Familienähnlichkeit mit den Droſſeln erkannt, und der Forſcher
muß der volksthümlichen Anſchauung beipflichten. Ein Droſſelvogel iſt der Waſſerſchwätzer aller-
dings, obgleich er der Droſſelfamilie im engeren Sinne wahrſcheinlich nicht zugezählt werden darf,
vielmehr erhoben werden muß zum Vertreter einer eigenen Vogelgruppe, welcher man einen höheren
Rang als den einer Sippe zugeſtehen und welche man alſo ebenſogut Sippe wie Familie nennen darf.
So groß die äußere Aehnlichkeit zwiſchen den Waſſerſchwätzern und den Droſſeln iſt: die ſorgfältige
Prüfung ergibt, daß, ſo zu ſagen, jedes Glied der Letzteren ſein Eigenthümliches hat. Der Leib iſt
ſchlank, erſcheint aber wegen der ſehr dichten Befiederung auffallend dick; der Schnabel iſt ſchwach,

Brehm, Thierleben. III. 52
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0863" n="817"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Weiß&#x017F;chopfige Lachdro&#x017F;&#x017F;el. Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chwätzer.</hi> </fw><lb/>
          <p>Ueber das Gefangenleben einer nahe verwandten Art, der chine&#x017F;i&#x017F;chen Lachdro&#x017F;&#x017F;el (<hi rendition="#aq">Garrulax<lb/>
chinensis</hi>), theilt <hi rendition="#g">Frith</hi> Einiges mit. Die&#x017F;er Vogel war außerordentlich zahm und zuthunlich, liebte<lb/>
es ge&#x017F;chmeichelt zu werden und breitete &#x017F;eine Flügel aus oder nahm andere &#x017F;onderbare Stellungen an,<lb/>
wenn man ihn mit der Hand krauete.</p><lb/>
          <p>Er war von Haus ein guter Sänger und be&#x017F;aß die Gabe der Nachahmung in hohem Grade.</p><lb/>
          <p>Eigenthümlich war die Art und Wei&#x017F;e, wie er &#x017F;eine Mahlzeiten zu &#x017F;ich nahm. Die Bi&#x017F;&#x017F;en des<lb/>
gekochten Flei&#x017F;ches, welches man ihm reichte, oder auch andere größere Futterbrocken klemmte er einen<lb/>
nach dem andern zwi&#x017F;chen die Stäbe &#x017F;eines Käfigs. Gab man ihm eine We&#x017F;pe oder Biene, &#x017F;o &#x017F;türzte<lb/>
er &#x017F;ich &#x017F;ofort auf &#x017F;ie, ließ &#x017F;ich<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die weiß&#x017F;chopfige Lachdro&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Garrulax leucolophus</hi>).</hi></head></figure><lb/>
aber er&#x017F;t einige Male nach<lb/>
einander von dem gift&#x017F;tache-<lb/>
lichen Kerbthier in &#x017F;einen aus-<lb/>
gebreiteten Schwanz &#x017F;techen,<lb/>
bevor er es fraß. Einen großen<lb/>
Käfer &#x017F;tieß er mit heftigen<lb/>
Schnabelhieben gegen den<lb/>
Boden; eine etwa fußlange<lb/>
Schlange brachte er auf die-<lb/>
&#x017F;elbe Wei&#x017F;e vom Leben zum<lb/>
Tode, da er ihr &#x017F;ofort den<lb/>
Kopfdurchbohrt hatte. Hierauf<lb/>
verzehrte er etwa die Hälfte<lb/>
der Schlange, indem er &#x017F;ie,<lb/>
wie &#x017F;eine übrige Nahrung<lb/>
auch, mit dem einen Fuße<lb/>
fe&#x017F;thielt und &#x017F;ie mit dem<lb/>
Schnabel in Stücke zerriß.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jn klaren Bächen un&#x017F;erer<lb/>
Hoch- und Mittelgebirge ge-<lb/>
wahrt der aufmerk&#x017F;ame Beob-<lb/>
achter, wenn auch nicht über-<lb/>
all, &#x017F;o doch an bevorzugten<lb/>
Stellen, einen der anmu-<lb/>
thig&#x017F;ten Vögel un&#x017F;eres Vater-<lb/>
landes: den <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chwätzer</hi><lb/>
oder <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;taar,</hi> die <hi rendition="#g">Bach-,<lb/>
Strom-, See-</hi> und <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
am&#x017F;el</hi> oder <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;erdro&#x017F;&#x017F;el</hi> (<hi rendition="#aq">Cinclus aquaticus</hi>). Das Volk hat, wie aus den ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Namen hervorgeht, von jeher &#x017F;eine Familienähnlichkeit mit den Dro&#x017F;&#x017F;eln erkannt, und der For&#x017F;cher<lb/>
muß der volksthümlichen An&#x017F;chauung beipflichten. Ein Dro&#x017F;&#x017F;elvogel i&#x017F;t der Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chwätzer aller-<lb/>
dings, obgleich er der Dro&#x017F;&#x017F;elfamilie im engeren Sinne wahr&#x017F;cheinlich nicht zugezählt werden darf,<lb/>
vielmehr erhoben werden muß zum Vertreter einer eigenen Vogelgruppe, welcher man einen höheren<lb/>
Rang als den einer Sippe zuge&#x017F;tehen und welche man al&#x017F;o eben&#x017F;ogut Sippe wie Familie nennen darf.<lb/>
So groß die äußere Aehnlichkeit zwi&#x017F;chen den Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chwätzern und den Dro&#x017F;&#x017F;eln i&#x017F;t: die &#x017F;orgfältige<lb/>
Prüfung ergibt, daß, &#x017F;o zu &#x017F;agen, jedes Glied der Letzteren &#x017F;ein Eigenthümliches hat. Der Leib i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chlank, er&#x017F;cheint aber wegen der &#x017F;ehr dichten Befiederung auffallend dick; der Schnabel i&#x017F;t &#x017F;chwach,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">III.</hi> 52</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[817/0863] Weißſchopfige Lachdroſſel. Waſſerſchwätzer. Ueber das Gefangenleben einer nahe verwandten Art, der chineſiſchen Lachdroſſel (Garrulax chinensis), theilt Frith Einiges mit. Dieſer Vogel war außerordentlich zahm und zuthunlich, liebte es geſchmeichelt zu werden und breitete ſeine Flügel aus oder nahm andere ſonderbare Stellungen an, wenn man ihn mit der Hand krauete. Er war von Haus ein guter Sänger und beſaß die Gabe der Nachahmung in hohem Grade. Eigenthümlich war die Art und Weiſe, wie er ſeine Mahlzeiten zu ſich nahm. Die Biſſen des gekochten Fleiſches, welches man ihm reichte, oder auch andere größere Futterbrocken klemmte er einen nach dem andern zwiſchen die Stäbe ſeines Käfigs. Gab man ihm eine Weſpe oder Biene, ſo ſtürzte er ſich ſofort auf ſie, ließ ſich [Abbildung Die weißſchopfige Lachdroſſel (Garrulax leucolophus).] aber erſt einige Male nach einander von dem giftſtache- lichen Kerbthier in ſeinen aus- gebreiteten Schwanz ſtechen, bevor er es fraß. Einen großen Käfer ſtieß er mit heftigen Schnabelhieben gegen den Boden; eine etwa fußlange Schlange brachte er auf die- ſelbe Weiſe vom Leben zum Tode, da er ihr ſofort den Kopfdurchbohrt hatte. Hierauf verzehrte er etwa die Hälfte der Schlange, indem er ſie, wie ſeine übrige Nahrung auch, mit dem einen Fuße feſthielt und ſie mit dem Schnabel in Stücke zerriß. Jn klaren Bächen unſerer Hoch- und Mittelgebirge ge- wahrt der aufmerkſame Beob- achter, wenn auch nicht über- all, ſo doch an bevorzugten Stellen, einen der anmu- thigſten Vögel unſeres Vater- landes: den Waſſerſchwätzer oder Waſſerſtaar, die Bach-, Strom-, See- und Waſſer- amſel oder Waſſerdroſſel (Cinclus aquaticus). Das Volk hat, wie aus den verſchiedenen Namen hervorgeht, von jeher ſeine Familienähnlichkeit mit den Droſſeln erkannt, und der Forſcher muß der volksthümlichen Anſchauung beipflichten. Ein Droſſelvogel iſt der Waſſerſchwätzer aller- dings, obgleich er der Droſſelfamilie im engeren Sinne wahrſcheinlich nicht zugezählt werden darf, vielmehr erhoben werden muß zum Vertreter einer eigenen Vogelgruppe, welcher man einen höheren Rang als den einer Sippe zugeſtehen und welche man alſo ebenſogut Sippe wie Familie nennen darf. So groß die äußere Aehnlichkeit zwiſchen den Waſſerſchwätzern und den Droſſeln iſt: die ſorgfältige Prüfung ergibt, daß, ſo zu ſagen, jedes Glied der Letzteren ſein Eigenthümliches hat. Der Leib iſt ſchlank, erſcheint aber wegen der ſehr dichten Befiederung auffallend dick; der Schnabel iſt ſchwach, Brehm, Thierleben. III. 52

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/863
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/863>, abgerufen am 21.05.2024.