Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.Die Fänger. Singvögel. Drosseln. Das Nest der Singdrossel steht in der Regel niedriger, meist auf schwachen Bäumchen oder im Gebüsch.Es ist äußerlich aus ähnlichen Stoffen zusammengebaut, aber zierlicher, dünnwandiger und innen glatt und fest ausgelegt mit klar gebissenem, faulen Holze, welches mit dem Speichel zusammengeklebt, mit dem Schnabel durchknetet und sehr glatt gestrichen wird. Anfangs April ist das Gelege vollzählig; es besteht aus vier bis sechs glattschaligen und glänzenden, auf meergrünem Grunde mit feinen oder größeren Flecken von schwarzer oder schwarzbrauner Farbe gezeichneten Eiern. Jm Vorsommer findet eine zweite Brut statt. Die Wachholderdrossel nistet, wie bereits oben bemerkt, ausnahmsweise auch in Deutschland, wie es scheint, namentlich seit neuerer Zeit; ihre eigentlichen Brutplätze aber sind die Birkenwaldungen des Nordens, diejenigen, welche die rasenbedachten Blockhäuser umgeben, wie die einsamen, stillen, fern von den Wohnungen des Menschen. Hier sieht man beinahe auf jedem Stamme ein Nest stehen, neue neben den alten. Einzelne Bäume tragen nach meinen eigenen Beob- achtungen fünf bis zehn solcher Nester, von denen jedoch in den meisten Fällen zur Zeit nur ein einziges benutzt wird. Deshalb unterliegt es auch für mich keinem Zweifel, daß ein und derselbe Waldestheil alljährlich zum Brüten wieder aufgesucht wird. Betritt man ihn, während die Vögel Eier oder Junge haben, so herrscht hier ein überaus reges Leben. Der ganze Wald hallt wieder von dem Gesang und dem ängstlichen Geschrei unserer Vögel; denn die Anzahl der brütenden Pärchen läßt sich nur nach Hunderten abschätzen. Die Nester stehen selten niedriger als sechs Fuß über dem Boden, gewöhnlich näher dem Wipfel der übrigens immer niedrigen und buschartigen Birken. Jedes einzelne Pärchen behauptet ein eigenes Gebiet; der Umfang desselben ist aber so gering, daß man behaupten darf, jeder passende Baum sei Mittelpunkt eines solchen Gebietes. Das Nest selbst ist ein sehr schöner Napf von ziemlicher Größe, welcher aus einigen Reisern, groben Halmen und Gräsern besteht und innen mit zarteren Gräsern ausgefüllt ist; der Unterbau ist mit Erde vermischt, welche bei einzelnen Nestern eine dicke Schicht bildet und gewissermaßen zur Grundlage des Ganzen wird. Die fünf bis sechs Eier des Geleges sind auf matt- oder lebhaftgrünem Grunde mit größeren und verwaschenen oder schärfer gezeichneten kleineren Flecken und Punkten von rothbrauner Farbe gezeichnet, am dickeren Ende gewöhnlich dichter als übrigens, zuweilen kranzartig. Von den in Deutschland brütenden Wachholderdrosseln hat man beobachtet, daß auch sie sich in kleinen Gesell- schaften halten. Die Rothdrossel brütet ungefähr in denselben Gegenden, wie die Wachholderdrossel, scheint aber sehr sumpfige Wälder zu bevorzugen. Jn Deutschland ist sie ebenfalls, jedoch sehr selten als Brutvogel gefunden worden. Die Nester stehen niedrig über dem Boden, ähneln denen der Sing- drossel, sind innen ebenfalls mit zerbissenem Holze, Erde und Lehm überkleistert. Die Eier gleichen denen der Singdrosseln bis auf die etwas geringere Größe. Die Ringdrossel baut da, wo sie während des Sommers in Mitteleuropa lebt, nur im Hochgebirge und nicht unter 3000 Fuß über dem Meere, in Skandinavien hingegen an allen geeigneten Plätzen, von der Meeresküste an bis zu einer unbe- dingten Höhe von etwa 4000 Fuß hinauf. Jn unseren Gebirgen oder in der Schweiz wählt sie sich zu ihren Brutplätzen die kümmerlichen Baumgruppen, welche man nur im beschränkten Sinne Wälder nennen kann oder diejenigen Stellen, wo Knieholz und Halden abwechseln. Gloger fand im Riesen- gebirge die Nester noch in einer Höhe von 4600 Fuß über dem Meere, auf verkrüppelten Fichten und im Knieholz, nicht höher als fünf Fuß, gewöhnlich drei bis vier Fuß über dem Boden, und zwar in der Nähe bewohnter "Bauden" ebensowohl, wie fernab vom Getreibe der Menschen. Jedes Pärchen bewohnt hier ein kleines Gebiet und lebt in Frieden mit benachbarten Pärchen; denn Neid und Eifer- sucht sind der Ringamsel auch während ihrer Brutzeit fremd. Die Nester werden zwischen die auf den Zweigen wachsenden Flechten gleichsam festgekittet und etwa vorhandene dürre Rüthchen der Zweige selbst theilweise mit in das Nest verarbeitet. Grobe Pflanzenstengel, feine Reiserchen, Grasstoppeln, dürre Halme und grünes Mos, welche im Jnnern mit Moorerde durchknetet und auf diese Art sehr fest verbunden sind, bilden die Grundlage; die Mulde wird mit feinen Grashalmen und Stengeln dick ausgelegt. Vier, höchstens fünf Eier, welche denen der Amsel ebenso ähneln, wie denen der Wachholderdrossel, also auf blaßgrünem Grunde mit vielen feinen Punkten, Flecken und Die Fänger. Singvögel. Droſſeln. Das Neſt der Singdroſſel ſteht in der Regel niedriger, meiſt auf ſchwachen Bäumchen oder im Gebüſch.Es iſt äußerlich aus ähnlichen Stoffen zuſammengebaut, aber zierlicher, dünnwandiger und innen glatt und feſt ausgelegt mit klar gebiſſenem, faulen Holze, welches mit dem Speichel zuſammengeklebt, mit dem Schnabel durchknetet und ſehr glatt geſtrichen wird. Anfangs April iſt das Gelege vollzählig; es beſteht aus vier bis ſechs glattſchaligen und glänzenden, auf meergrünem Grunde mit feinen oder größeren Flecken von ſchwarzer oder ſchwarzbrauner Farbe gezeichneten Eiern. Jm Vorſommer findet eine zweite Brut ſtatt. Die Wachholderdroſſel niſtet, wie bereits oben bemerkt, ausnahmsweiſe auch in Deutſchland, wie es ſcheint, namentlich ſeit neuerer Zeit; ihre eigentlichen Brutplätze aber ſind die Birkenwaldungen des Nordens, diejenigen, welche die raſenbedachten Blockhäuſer umgeben, wie die einſamen, ſtillen, fern von den Wohnungen des Menſchen. Hier ſieht man beinahe auf jedem Stamme ein Neſt ſtehen, neue neben den alten. Einzelne Bäume tragen nach meinen eigenen Beob- achtungen fünf bis zehn ſolcher Neſter, von denen jedoch in den meiſten Fällen zur Zeit nur ein einziges benutzt wird. Deshalb unterliegt es auch für mich keinem Zweifel, daß ein und derſelbe Waldestheil alljährlich zum Brüten wieder aufgeſucht wird. Betritt man ihn, während die Vögel Eier oder Junge haben, ſo herrſcht hier ein überaus reges Leben. Der ganze Wald hallt wieder von dem Geſang und dem ängſtlichen Geſchrei unſerer Vögel; denn die Anzahl der brütenden Pärchen läßt ſich nur nach Hunderten abſchätzen. Die Neſter ſtehen ſelten niedriger als ſechs Fuß über dem Boden, gewöhnlich näher dem Wipfel der übrigens immer niedrigen und buſchartigen Birken. Jedes einzelne Pärchen behauptet ein eigenes Gebiet; der Umfang deſſelben iſt aber ſo gering, daß man behaupten darf, jeder paſſende Baum ſei Mittelpunkt eines ſolchen Gebietes. Das Neſt ſelbſt iſt ein ſehr ſchöner Napf von ziemlicher Größe, welcher aus einigen Reiſern, groben Halmen und Gräſern beſteht und innen mit zarteren Gräſern ausgefüllt iſt; der Unterbau iſt mit Erde vermiſcht, welche bei einzelnen Neſtern eine dicke Schicht bildet und gewiſſermaßen zur Grundlage des Ganzen wird. Die fünf bis ſechs Eier des Geleges ſind auf matt- oder lebhaftgrünem Grunde mit größeren und verwaſchenen oder ſchärfer gezeichneten kleineren Flecken und Punkten von rothbrauner Farbe gezeichnet, am dickeren Ende gewöhnlich dichter als übrigens, zuweilen kranzartig. Von den in Deutſchland brütenden Wachholderdroſſeln hat man beobachtet, daß auch ſie ſich in kleinen Geſell- ſchaften halten. Die Rothdroſſel brütet ungefähr in denſelben Gegenden, wie die Wachholderdroſſel, ſcheint aber ſehr ſumpfige Wälder zu bevorzugen. Jn Deutſchland iſt ſie ebenfalls, jedoch ſehr ſelten als Brutvogel gefunden worden. Die Neſter ſtehen niedrig über dem Boden, ähneln denen der Sing- droſſel, ſind innen ebenfalls mit zerbiſſenem Holze, Erde und Lehm überkleiſtert. Die Eier gleichen denen der Singdroſſeln bis auf die etwas geringere Größe. Die Ringdroſſel baut da, wo ſie während des Sommers in Mitteleuropa lebt, nur im Hochgebirge und nicht unter 3000 Fuß über dem Meere, in Skandinavien hingegen an allen geeigneten Plätzen, von der Meeresküſte an bis zu einer unbe- dingten Höhe von etwa 4000 Fuß hinauf. Jn unſeren Gebirgen oder in der Schweiz wählt ſie ſich zu ihren Brutplätzen die kümmerlichen Baumgruppen, welche man nur im beſchränkten Sinne Wälder nennen kann oder diejenigen Stellen, wo Knieholz und Halden abwechſeln. Gloger fand im Rieſen- gebirge die Neſter noch in einer Höhe von 4600 Fuß über dem Meere, auf verkrüppelten Fichten und im Knieholz, nicht höher als fünf Fuß, gewöhnlich drei bis vier Fuß über dem Boden, und zwar in der Nähe bewohnter „Bauden‟ ebenſowohl, wie fernab vom Getreibe der Menſchen. Jedes Pärchen bewohnt hier ein kleines Gebiet und lebt in Frieden mit benachbarten Pärchen; denn Neid und Eifer- ſucht ſind der Ringamſel auch während ihrer Brutzeit fremd. Die Neſter werden zwiſchen die auf den Zweigen wachſenden Flechten gleichſam feſtgekittet und etwa vorhandene dürre Rüthchen der Zweige ſelbſt theilweiſe mit in das Neſt verarbeitet. Grobe Pflanzenſtengel, feine Reiſerchen, Grasſtoppeln, dürre Halme und grünes Mos, welche im Jnnern mit Moorerde durchknetet und auf dieſe Art ſehr feſt verbunden ſind, bilden die Grundlage; die Mulde wird mit feinen Grashalmen und Stengeln dick ausgelegt. Vier, höchſtens fünf Eier, welche denen der Amſel ebenſo ähneln, wie denen der Wachholderdroſſel, alſo auf blaßgrünem Grunde mit vielen feinen Punkten, Flecken und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0850" n="804"/><fw place="top" type="header">Die Fänger. Singvögel. 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Der ganze Wald hallt wieder von<lb/> dem Geſang und dem ängſtlichen Geſchrei unſerer Vögel; denn die Anzahl der brütenden Pärchen<lb/> läßt ſich nur nach Hunderten abſchätzen. Die Neſter ſtehen ſelten niedriger als ſechs Fuß über dem<lb/> Boden, gewöhnlich näher dem Wipfel der übrigens immer niedrigen und buſchartigen Birken. Jedes<lb/> einzelne Pärchen behauptet ein eigenes Gebiet; der Umfang deſſelben iſt aber ſo gering, daß man<lb/> behaupten darf, jeder paſſende Baum ſei Mittelpunkt eines ſolchen Gebietes. Das Neſt ſelbſt iſt ein<lb/> ſehr ſchöner Napf von ziemlicher Größe, welcher aus einigen Reiſern, groben Halmen und Gräſern<lb/> beſteht und innen mit zarteren Gräſern ausgefüllt iſt; der Unterbau iſt mit Erde vermiſcht,<lb/> welche bei einzelnen Neſtern eine dicke Schicht bildet und gewiſſermaßen zur Grundlage des Ganzen<lb/> wird. Die fünf bis ſechs Eier des Geleges ſind auf matt- oder lebhaftgrünem Grunde mit größeren<lb/> und verwaſchenen oder ſchärfer gezeichneten kleineren Flecken und Punkten von rothbrauner Farbe<lb/> gezeichnet, am dickeren Ende gewöhnlich dichter als übrigens, zuweilen kranzartig. Von den in<lb/> Deutſchland brütenden Wachholderdroſſeln hat man beobachtet, daß auch ſie ſich in kleinen Geſell-<lb/> ſchaften halten. Die Rothdroſſel brütet ungefähr in denſelben Gegenden, wie die Wachholderdroſſel,<lb/> ſcheint aber ſehr ſumpfige Wälder zu bevorzugen. Jn Deutſchland iſt ſie ebenfalls, jedoch ſehr ſelten<lb/> als Brutvogel gefunden worden. Die Neſter ſtehen niedrig über dem Boden, ähneln denen der Sing-<lb/> droſſel, ſind innen ebenfalls mit zerbiſſenem Holze, Erde und Lehm überkleiſtert. Die Eier gleichen<lb/> denen der Singdroſſeln bis auf die etwas geringere Größe. Die Ringdroſſel baut da, wo ſie während<lb/> des Sommers in Mitteleuropa lebt, nur im Hochgebirge und nicht unter 3000 Fuß über dem Meere,<lb/> in Skandinavien hingegen an allen geeigneten Plätzen, von der Meeresküſte an bis zu einer unbe-<lb/> dingten Höhe von etwa 4000 Fuß hinauf. Jn unſeren Gebirgen oder in der Schweiz wählt ſie ſich<lb/> zu ihren Brutplätzen die kümmerlichen Baumgruppen, welche man nur im beſchränkten Sinne Wälder<lb/> nennen kann oder diejenigen Stellen, wo Knieholz und Halden abwechſeln. <hi rendition="#g">Gloger</hi> fand im Rieſen-<lb/> gebirge die Neſter noch in einer Höhe von 4600 Fuß über dem Meere, auf verkrüppelten Fichten und<lb/> im Knieholz, nicht höher als fünf Fuß, gewöhnlich drei bis vier Fuß über dem Boden, und zwar in<lb/> der Nähe bewohnter „Bauden‟ ebenſowohl, wie fernab vom Getreibe der Menſchen. Jedes Pärchen<lb/> bewohnt hier ein kleines Gebiet und lebt in Frieden mit benachbarten Pärchen; denn Neid und Eifer-<lb/> ſucht ſind der Ringamſel auch während ihrer Brutzeit fremd. Die Neſter werden zwiſchen die auf<lb/> den Zweigen wachſenden Flechten gleichſam feſtgekittet und etwa vorhandene dürre Rüthchen<lb/> der Zweige ſelbſt theilweiſe mit in das Neſt verarbeitet. Grobe Pflanzenſtengel, feine Reiſerchen,<lb/> Grasſtoppeln, dürre Halme und grünes Mos, welche im Jnnern mit Moorerde durchknetet und auf<lb/> dieſe Art ſehr feſt verbunden ſind, bilden die Grundlage; die Mulde wird mit feinen Grashalmen<lb/> und Stengeln dick ausgelegt. Vier, höchſtens fünf Eier, welche denen der Amſel ebenſo ähneln, wie<lb/> denen der Wachholderdroſſel, alſo auf blaßgrünem Grunde mit vielen feinen Punkten, Flecken und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [804/0850]
Die Fänger. Singvögel. Droſſeln.
Das Neſt der Singdroſſel ſteht in der Regel niedriger, meiſt auf ſchwachen Bäumchen oder im Gebüſch.
Es iſt äußerlich aus ähnlichen Stoffen zuſammengebaut, aber zierlicher, dünnwandiger und innen glatt
und feſt ausgelegt mit klar gebiſſenem, faulen Holze, welches mit dem Speichel zuſammengeklebt, mit
dem Schnabel durchknetet und ſehr glatt geſtrichen wird. Anfangs April iſt das Gelege vollzählig;
es beſteht aus vier bis ſechs glattſchaligen und glänzenden, auf meergrünem Grunde mit feinen oder
größeren Flecken von ſchwarzer oder ſchwarzbrauner Farbe gezeichneten Eiern. Jm Vorſommer findet
eine zweite Brut ſtatt. Die Wachholderdroſſel niſtet, wie bereits oben bemerkt, ausnahmsweiſe auch
in Deutſchland, wie es ſcheint, namentlich ſeit neuerer Zeit; ihre eigentlichen Brutplätze aber ſind die
Birkenwaldungen des Nordens, diejenigen, welche die raſenbedachten Blockhäuſer umgeben, wie die
einſamen, ſtillen, fern von den Wohnungen des Menſchen. Hier ſieht man beinahe auf jedem
Stamme ein Neſt ſtehen, neue neben den alten. Einzelne Bäume tragen nach meinen eigenen Beob-
achtungen fünf bis zehn ſolcher Neſter, von denen jedoch in den meiſten Fällen zur Zeit nur ein
einziges benutzt wird. Deshalb unterliegt es auch für mich keinem Zweifel, daß ein und derſelbe
Waldestheil alljährlich zum Brüten wieder aufgeſucht wird. Betritt man ihn, während die Vögel
Eier oder Junge haben, ſo herrſcht hier ein überaus reges Leben. Der ganze Wald hallt wieder von
dem Geſang und dem ängſtlichen Geſchrei unſerer Vögel; denn die Anzahl der brütenden Pärchen
läßt ſich nur nach Hunderten abſchätzen. Die Neſter ſtehen ſelten niedriger als ſechs Fuß über dem
Boden, gewöhnlich näher dem Wipfel der übrigens immer niedrigen und buſchartigen Birken. Jedes
einzelne Pärchen behauptet ein eigenes Gebiet; der Umfang deſſelben iſt aber ſo gering, daß man
behaupten darf, jeder paſſende Baum ſei Mittelpunkt eines ſolchen Gebietes. Das Neſt ſelbſt iſt ein
ſehr ſchöner Napf von ziemlicher Größe, welcher aus einigen Reiſern, groben Halmen und Gräſern
beſteht und innen mit zarteren Gräſern ausgefüllt iſt; der Unterbau iſt mit Erde vermiſcht,
welche bei einzelnen Neſtern eine dicke Schicht bildet und gewiſſermaßen zur Grundlage des Ganzen
wird. Die fünf bis ſechs Eier des Geleges ſind auf matt- oder lebhaftgrünem Grunde mit größeren
und verwaſchenen oder ſchärfer gezeichneten kleineren Flecken und Punkten von rothbrauner Farbe
gezeichnet, am dickeren Ende gewöhnlich dichter als übrigens, zuweilen kranzartig. Von den in
Deutſchland brütenden Wachholderdroſſeln hat man beobachtet, daß auch ſie ſich in kleinen Geſell-
ſchaften halten. Die Rothdroſſel brütet ungefähr in denſelben Gegenden, wie die Wachholderdroſſel,
ſcheint aber ſehr ſumpfige Wälder zu bevorzugen. Jn Deutſchland iſt ſie ebenfalls, jedoch ſehr ſelten
als Brutvogel gefunden worden. Die Neſter ſtehen niedrig über dem Boden, ähneln denen der Sing-
droſſel, ſind innen ebenfalls mit zerbiſſenem Holze, Erde und Lehm überkleiſtert. Die Eier gleichen
denen der Singdroſſeln bis auf die etwas geringere Größe. Die Ringdroſſel baut da, wo ſie während
des Sommers in Mitteleuropa lebt, nur im Hochgebirge und nicht unter 3000 Fuß über dem Meere,
in Skandinavien hingegen an allen geeigneten Plätzen, von der Meeresküſte an bis zu einer unbe-
dingten Höhe von etwa 4000 Fuß hinauf. Jn unſeren Gebirgen oder in der Schweiz wählt ſie ſich
zu ihren Brutplätzen die kümmerlichen Baumgruppen, welche man nur im beſchränkten Sinne Wälder
nennen kann oder diejenigen Stellen, wo Knieholz und Halden abwechſeln. Gloger fand im Rieſen-
gebirge die Neſter noch in einer Höhe von 4600 Fuß über dem Meere, auf verkrüppelten Fichten und
im Knieholz, nicht höher als fünf Fuß, gewöhnlich drei bis vier Fuß über dem Boden, und zwar in
der Nähe bewohnter „Bauden‟ ebenſowohl, wie fernab vom Getreibe der Menſchen. Jedes Pärchen
bewohnt hier ein kleines Gebiet und lebt in Frieden mit benachbarten Pärchen; denn Neid und Eifer-
ſucht ſind der Ringamſel auch während ihrer Brutzeit fremd. Die Neſter werden zwiſchen die auf
den Zweigen wachſenden Flechten gleichſam feſtgekittet und etwa vorhandene dürre Rüthchen
der Zweige ſelbſt theilweiſe mit in das Neſt verarbeitet. Grobe Pflanzenſtengel, feine Reiſerchen,
Grasſtoppeln, dürre Halme und grünes Mos, welche im Jnnern mit Moorerde durchknetet und auf
dieſe Art ſehr feſt verbunden ſind, bilden die Grundlage; die Mulde wird mit feinen Grashalmen
und Stengeln dick ausgelegt. Vier, höchſtens fünf Eier, welche denen der Amſel ebenſo ähneln, wie
denen der Wachholderdroſſel, alſo auf blaßgrünem Grunde mit vielen feinen Punkten, Flecken und
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