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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Schmuckvögel.
Rest einer sehr großen Palmennuß erkannte, von deren weicheren, bereits zersetzten Theilen ein bläu-
licher Brei in den Ecken des Magens herzurühren schien. Die Unbehilflichkeit des Vogels erklärte
sich nun durch diesen ungeheuren Bissen, den er verschlungen haben mußte; es ließ sich aber kaum
begreifen, wie selbiger durch die Speiseröhre gekommen war. Das Verschlingen einer solchen Frucht
muß den seltsamsten Anblick darbieten; denn der Körper, welchen der Vogel so zu sich nimmt, ist nur
wenig kleiner, als er selbst. Die Kinnladen der Schmuckvögel haben offenbar eine besondere Dehnbar-
keit, fast wie die gewisser Schlangen, und es ist gewiß auffallend, daß sie fähig sind, so große Samen
ohne vorhergegangenes Einweichen im Kropf oder nachherige Reibung im Magen durch den zer-
setzenden Saft des letzteren zu verdauen." Daß einzelne Schmuckvögel nebenbei auch Kerbthiere fressen,
unterliegt keinem Zweifel; Tschudi sagt von denjenigen Arten, welche er (in Peru) beobachtete, daß
sie "fortwährend auf der Jagd nach kleinen Kerbthieren sind, sich aber auch von Beeren und Sämereien
ernähren". Jnwiefern sich die Schmuckvögel im übrigen hinsichtlich ihrer Lebensweise ähneln, muß
fernere Beobachtung lehren. Einstweilen dürfte es schwer sein, ein allgemein giltiges Lebensbild von
ihnen zu entwerfen. Das Wichtigste von Dem, was uns über das Treiben der prächtigen Geschöpfe
bekannt geworden ist, wird aus dem Folgenden hervorgehen, obgleich ich mich nur auf die ausgezeich-
netsten Arten beschränkt habe.

Unter ihnen verdienen die Klippenvögel (Rupicola) unzweifelhaft an erster Stelle genannt zu
werden. Sie gehören zu den größten Mitgliedern der Familie. Der Leib ist kräftig, der Flügel
ziemlich lang, in ihm die vierte Schwinge die längste, der Schwanz kurz, breit, gerade abgestutzt und
von den langen Bürzelfedern größtentheils bedeckt; die Läufe sind stark und plump, die Zehen lang und
mit dicken, langen, ziemlich stark gekrümmten Krallen bewehrt. Das Gefieder ist voll und dicht. Die
Federn des Rückens sind breit und abgestutzt, mit vortretenden Ecken oder langen Spitzen; die Federn
der Stirn, des Scheitels und des Hinterhauptes bilden einen aufrecht stehenden kammartigen Schopf.

Unter den wenigen, bis jetzt bekannten Arten dieser Sippe ist das Klippenhuhn (Rupicola
crocea
) am genauesten beobachtet worden. Das reiche Gefieder des Männchens ist lebhaft orangenroth;
die Federn des Scheitelkammes sind dunkelpurpurroth, die großen Flügeldeckfedern, die Schwingen
und die Schwanzfedern, deren Grundfarbe braun ist, am Ende weißlich gerandet, alle Schwingen und
Schwanzfedern außerdem am Grunde breit weiß gefleckt. Die Weibchen und die jungen Vögel sind
einfarbig braun; der Stirnkamm ist kleiner; ihre Schwingen sind einfarbig; die unteren Flügeldeck-
federn sind orangenroth, die Bürzel- und Schwanzfedern lichtrothgelbbraun. Das Auge ist orangen-
roth, der Schnabel blaßhorngelb, der Fuß gelblichfleischfarben. Die Länge des Männchens beträgt
12 Zoll, die Fittiglänge 7 Zoll, die Schwanzlänge 4 Zoll. Das Weibchen ist um reichliche 2 Zoll
kleiner.

Gebirgsgegenden Guyanas und des nordöstlichen Theils von Brasilien, welche von Flüssen durch-
schnitten werden, sind die Heimat des Klippenhuhns; Bergwälder und Gebirgsthäler, welche reich an
Felsen sind, bilden seinen Aufenthalt. Jn der Ebene findet er sich nie. Besonders gern hält er sich in
der Nähe von Wasserfällen auf und je zerklüfteter ein Flußthal ist, umsomehr scheint es ihm zu behagen.
Jm Juni und Juli kommt es von seinen Felsenzinnen herunter in den Wald, um sich an den jetzt
gereiften Früchten gewisser Waldbäume zu sättigen.

Viele Reisende haben über die Lebensweise dieses sonderbaren Vogels berichtet. Am ausführ-
lichsten beschreiben Humboldt und die beiden Schomburgk sein Treiben. Humboldt beobachtete
ihn an den Ufern des Orinoko, die beiden Schomburgk fanden ihn an zwei Oertlichkeiten von bri-
tisch Guiana, auf dem felsenreichen Canukugebirge und an den Sandsteinfelsen des Wenamu, an bei-
den Orten häufig und gesellschaftlich lebend, aber eine nähere Verbindung mit andern Vögeln entschie-
den meidend. Jch will die Letzteren selbst reden lassen. "Nachdem wir abermals eine steile Anhöhe
erstiegen hatten", sagt Richard Schomburgk, "welche durch die riesigen, mit Mos und Farren-
kräutern überwachsenen Granitblöcke fast unwegsam gemacht wurde, trafen wir auf einen kleinen, fast

Die Fänger. Singvögel. Schmuckvögel.
Reſt einer ſehr großen Palmennuß erkannte, von deren weicheren, bereits zerſetzten Theilen ein bläu-
licher Brei in den Ecken des Magens herzurühren ſchien. Die Unbehilflichkeit des Vogels erklärte
ſich nun durch dieſen ungeheuren Biſſen, den er verſchlungen haben mußte; es ließ ſich aber kaum
begreifen, wie ſelbiger durch die Speiſeröhre gekommen war. Das Verſchlingen einer ſolchen Frucht
muß den ſeltſamſten Anblick darbieten; denn der Körper, welchen der Vogel ſo zu ſich nimmt, iſt nur
wenig kleiner, als er ſelbſt. Die Kinnladen der Schmuckvögel haben offenbar eine beſondere Dehnbar-
keit, faſt wie die gewiſſer Schlangen, und es iſt gewiß auffallend, daß ſie fähig ſind, ſo große Samen
ohne vorhergegangenes Einweichen im Kropf oder nachherige Reibung im Magen durch den zer-
ſetzenden Saft des letzteren zu verdauen.‟ Daß einzelne Schmuckvögel nebenbei auch Kerbthiere freſſen,
unterliegt keinem Zweifel; Tſchudi ſagt von denjenigen Arten, welche er (in Peru) beobachtete, daß
ſie „fortwährend auf der Jagd nach kleinen Kerbthieren ſind, ſich aber auch von Beeren und Sämereien
ernähren‟. Jnwiefern ſich die Schmuckvögel im übrigen hinſichtlich ihrer Lebensweiſe ähneln, muß
fernere Beobachtung lehren. Einſtweilen dürfte es ſchwer ſein, ein allgemein giltiges Lebensbild von
ihnen zu entwerfen. Das Wichtigſte von Dem, was uns über das Treiben der prächtigen Geſchöpfe
bekannt geworden iſt, wird aus dem Folgenden hervorgehen, obgleich ich mich nur auf die ausgezeich-
netſten Arten beſchränkt habe.

Unter ihnen verdienen die Klippenvögel (Rupicola) unzweifelhaft an erſter Stelle genannt zu
werden. Sie gehören zu den größten Mitgliedern der Familie. Der Leib iſt kräftig, der Flügel
ziemlich lang, in ihm die vierte Schwinge die längſte, der Schwanz kurz, breit, gerade abgeſtutzt und
von den langen Bürzelfedern größtentheils bedeckt; die Läufe ſind ſtark und plump, die Zehen lang und
mit dicken, langen, ziemlich ſtark gekrümmten Krallen bewehrt. Das Gefieder iſt voll und dicht. Die
Federn des Rückens ſind breit und abgeſtutzt, mit vortretenden Ecken oder langen Spitzen; die Federn
der Stirn, des Scheitels und des Hinterhauptes bilden einen aufrecht ſtehenden kammartigen Schopf.

Unter den wenigen, bis jetzt bekannten Arten dieſer Sippe iſt das Klippenhuhn (Rupicola
crocea
) am genaueſten beobachtet worden. Das reiche Gefieder des Männchens iſt lebhaft orangenroth;
die Federn des Scheitelkammes ſind dunkelpurpurroth, die großen Flügeldeckfedern, die Schwingen
und die Schwanzfedern, deren Grundfarbe braun iſt, am Ende weißlich gerandet, alle Schwingen und
Schwanzfedern außerdem am Grunde breit weiß gefleckt. Die Weibchen und die jungen Vögel ſind
einfarbig braun; der Stirnkamm iſt kleiner; ihre Schwingen ſind einfarbig; die unteren Flügeldeck-
federn ſind orangenroth, die Bürzel- und Schwanzfedern lichtrothgelbbraun. Das Auge iſt orangen-
roth, der Schnabel blaßhorngelb, der Fuß gelblichfleiſchfarben. Die Länge des Männchens beträgt
12 Zoll, die Fittiglänge 7 Zoll, die Schwanzlänge 4 Zoll. Das Weibchen iſt um reichliche 2 Zoll
kleiner.

Gebirgsgegenden Guyanas und des nordöſtlichen Theils von Braſilien, welche von Flüſſen durch-
ſchnitten werden, ſind die Heimat des Klippenhuhns; Bergwälder und Gebirgsthäler, welche reich an
Felſen ſind, bilden ſeinen Aufenthalt. Jn der Ebene findet er ſich nie. Beſonders gern hält er ſich in
der Nähe von Waſſerfällen auf und je zerklüfteter ein Flußthal iſt, umſomehr ſcheint es ihm zu behagen.
Jm Juni und Juli kommt es von ſeinen Felſenzinnen herunter in den Wald, um ſich an den jetzt
gereiften Früchten gewiſſer Waldbäume zu ſättigen.

Viele Reiſende haben über die Lebensweiſe dieſes ſonderbaren Vogels berichtet. Am ausführ-
lichſten beſchreiben Humboldt und die beiden Schomburgk ſein Treiben. Humboldt beobachtete
ihn an den Ufern des Orinoko, die beiden Schomburgk fanden ihn an zwei Oertlichkeiten von bri-
tiſch Guiana, auf dem felſenreichen Canukugebirge und an den Sandſteinfelſen des Wenamu, an bei-
den Orten häufig und geſellſchaftlich lebend, aber eine nähere Verbindung mit andern Vögeln entſchie-
den meidend. Jch will die Letzteren ſelbſt reden laſſen. „Nachdem wir abermals eine ſteile Anhöhe
erſtiegen hatten‟, ſagt Richard Schomburgk, „welche durch die rieſigen, mit Mos und Farren-
kräutern überwachſenen Granitblöcke faſt unwegſam gemacht wurde, trafen wir auf einen kleinen, faſt

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[744/0788] Die Fänger. Singvögel. Schmuckvögel. Reſt einer ſehr großen Palmennuß erkannte, von deren weicheren, bereits zerſetzten Theilen ein bläu- licher Brei in den Ecken des Magens herzurühren ſchien. Die Unbehilflichkeit des Vogels erklärte ſich nun durch dieſen ungeheuren Biſſen, den er verſchlungen haben mußte; es ließ ſich aber kaum begreifen, wie ſelbiger durch die Speiſeröhre gekommen war. Das Verſchlingen einer ſolchen Frucht muß den ſeltſamſten Anblick darbieten; denn der Körper, welchen der Vogel ſo zu ſich nimmt, iſt nur wenig kleiner, als er ſelbſt. Die Kinnladen der Schmuckvögel haben offenbar eine beſondere Dehnbar- keit, faſt wie die gewiſſer Schlangen, und es iſt gewiß auffallend, daß ſie fähig ſind, ſo große Samen ohne vorhergegangenes Einweichen im Kropf oder nachherige Reibung im Magen durch den zer- ſetzenden Saft des letzteren zu verdauen.‟ Daß einzelne Schmuckvögel nebenbei auch Kerbthiere freſſen, unterliegt keinem Zweifel; Tſchudi ſagt von denjenigen Arten, welche er (in Peru) beobachtete, daß ſie „fortwährend auf der Jagd nach kleinen Kerbthieren ſind, ſich aber auch von Beeren und Sämereien ernähren‟. Jnwiefern ſich die Schmuckvögel im übrigen hinſichtlich ihrer Lebensweiſe ähneln, muß fernere Beobachtung lehren. Einſtweilen dürfte es ſchwer ſein, ein allgemein giltiges Lebensbild von ihnen zu entwerfen. Das Wichtigſte von Dem, was uns über das Treiben der prächtigen Geſchöpfe bekannt geworden iſt, wird aus dem Folgenden hervorgehen, obgleich ich mich nur auf die ausgezeich- netſten Arten beſchränkt habe. Unter ihnen verdienen die Klippenvögel (Rupicola) unzweifelhaft an erſter Stelle genannt zu werden. Sie gehören zu den größten Mitgliedern der Familie. Der Leib iſt kräftig, der Flügel ziemlich lang, in ihm die vierte Schwinge die längſte, der Schwanz kurz, breit, gerade abgeſtutzt und von den langen Bürzelfedern größtentheils bedeckt; die Läufe ſind ſtark und plump, die Zehen lang und mit dicken, langen, ziemlich ſtark gekrümmten Krallen bewehrt. Das Gefieder iſt voll und dicht. Die Federn des Rückens ſind breit und abgeſtutzt, mit vortretenden Ecken oder langen Spitzen; die Federn der Stirn, des Scheitels und des Hinterhauptes bilden einen aufrecht ſtehenden kammartigen Schopf. Unter den wenigen, bis jetzt bekannten Arten dieſer Sippe iſt das Klippenhuhn (Rupicola crocea) am genaueſten beobachtet worden. Das reiche Gefieder des Männchens iſt lebhaft orangenroth; die Federn des Scheitelkammes ſind dunkelpurpurroth, die großen Flügeldeckfedern, die Schwingen und die Schwanzfedern, deren Grundfarbe braun iſt, am Ende weißlich gerandet, alle Schwingen und Schwanzfedern außerdem am Grunde breit weiß gefleckt. Die Weibchen und die jungen Vögel ſind einfarbig braun; der Stirnkamm iſt kleiner; ihre Schwingen ſind einfarbig; die unteren Flügeldeck- federn ſind orangenroth, die Bürzel- und Schwanzfedern lichtrothgelbbraun. Das Auge iſt orangen- roth, der Schnabel blaßhorngelb, der Fuß gelblichfleiſchfarben. Die Länge des Männchens beträgt 12 Zoll, die Fittiglänge 7 Zoll, die Schwanzlänge 4 Zoll. Das Weibchen iſt um reichliche 2 Zoll kleiner. Gebirgsgegenden Guyanas und des nordöſtlichen Theils von Braſilien, welche von Flüſſen durch- ſchnitten werden, ſind die Heimat des Klippenhuhns; Bergwälder und Gebirgsthäler, welche reich an Felſen ſind, bilden ſeinen Aufenthalt. Jn der Ebene findet er ſich nie. Beſonders gern hält er ſich in der Nähe von Waſſerfällen auf und je zerklüfteter ein Flußthal iſt, umſomehr ſcheint es ihm zu behagen. Jm Juni und Juli kommt es von ſeinen Felſenzinnen herunter in den Wald, um ſich an den jetzt gereiften Früchten gewiſſer Waldbäume zu ſättigen. Viele Reiſende haben über die Lebensweiſe dieſes ſonderbaren Vogels berichtet. Am ausführ- lichſten beſchreiben Humboldt und die beiden Schomburgk ſein Treiben. Humboldt beobachtete ihn an den Ufern des Orinoko, die beiden Schomburgk fanden ihn an zwei Oertlichkeiten von bri- tiſch Guiana, auf dem felſenreichen Canukugebirge und an den Sandſteinfelſen des Wenamu, an bei- den Orten häufig und geſellſchaftlich lebend, aber eine nähere Verbindung mit andern Vögeln entſchie- den meidend. Jch will die Letzteren ſelbſt reden laſſen. „Nachdem wir abermals eine ſteile Anhöhe erſtiegen hatten‟, ſagt Richard Schomburgk, „welche durch die rieſigen, mit Mos und Farren- kräutern überwachſenen Granitblöcke faſt unwegſam gemacht wurde, trafen wir auf einen kleinen, faſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/788>, abgerufen am 22.11.2024.