Der Segler ist ein Schreivogel, nicht aber ein Sänger. Seine Stimme ist ein schneidender, gellender Ton, welcher durch die Silben "Spi spi" oder "Kri" wiedergegeben werden kann. Bei Erregung irgend welcher Art vernimmt man diesen Laut oft zum Ueberdruß, und wenn eine zahl- reiche Gesellschaft durch die Straßen hindurchjagt, ist es manchmal kaum zum Aushalten. Jn ihren Schlaf- oder Nisthöhlen zwitschern Alte und Junge.
Ueber die höheren Fähigkeiten des Mauerseglers ist wenig Günstiges zu sagen. Unter den Sinnen steht das große Auge unzweifelhaft obenan, auch das Gehör kann vielleicht noch als ent- wickelt betrachtet werden; die übrigen Sinne scheinen ausnehmend stumpf zu sein. Das geistige Wesen stellt den Vogel tief. Er ist ein herrschsüchtiger, zänkischer, stürmischer und übermüthiger Gesell, welcher streng genommen mit keinem Geschöpf in Frieden lebt, nicht einmal mit andern seiner Art, und unter Umständen andern Thieren ohne Grund beschwerlich fällt. Um die Nistplätze zanken sich die Mauersegler unter lautem Geschrei oft tagelang. Aus Eifersucht packen sich zwei Männchen wüthend in der Luft, verkrallen sich fest in einander und wirbeln nun von oben bis zum Boden herab. Jhre Wuth ist aber so groß, daß sie hier häufig noch fortkämpfen und sich mit Händen greifen lassen. Daß ihre Waffen nicht so unbedeutend sind, hat die Erfahrung bewiesen: meinem Vater wurden Mauersegler gebracht, welche todt aus der Luft herabgefallen waren. Bei der Untersuchung zeigte sich, daß ihnen während der nebenbuhlerischen Kämpfe die Brust vollständig zerfleischt worden war. Auch andere Vögel werden von den Seglern zuweilen angegriffen. So sah Naumann, daß ein solcher ohne weitere Veranlassung einen Sperling, welcher sich Maikäferlarven vom frischen Acker auf- gesucht hatte, verfolgte, wie ein kleiner Edelfalk wiederholt nach ihm stieß und dem erschrockenen Spatz so zusetzte, daß dieser zwischen den Beinen der Feldarbeiter Schutz suchte. Nur seinen Jungen gegenüber legt der Mauersegler zärtliche Gefühle an den Tag.
Der Nistort ist je nach den Umständen sehr verschieden gewählt. Jn Deutschland sind es gewöhnlich die Kirchthürme und andere hohe Gebäude, in deren Mauerspalten unser Segler sein Nest anbringt. Gar nicht selten aber vertreibt er auch die Staaren oder Sperlinge aus den für sie auf Bäume gehängten Kübeln, und dabei ist er so rücksichtslos, daß er sich selbst von den brütenden Staaren- oder Sperlingsweibchen nicht abhalten läßt, sondern ihnen sein weniges Geniste im buchstäblichen Sinne des Worts auf den Rücken wirft und sie so lange quält, bis sie das Nest verlassen. Dann überbaut er das Gelege seiner Vorgänger ein wenig und legt hierauf seine Eier auf dieser Schicht ab. Jm Süden Europas bevorzugt er geeignete Felswände; namentlich große Höhlen werden oft von hunderten benutzt. Jn Spanien fanden wir ihn in innigstem Verein mit Thurmfalken, Steinsperlingen und Röthlingen; Homeyer traf ihn auf den Balearen unter Felsentauben und Fliegen- fängern. Wo beide europäische Seglerarten zusammen vorkommen, wie in den schweizer und spanischen Gebirgen, siedeln sie sich auch gemeinschaftlich an ein und demselben Orte an. Wenn ein Pärchen einmal eine Nisthöhle sich erworben hat, kehrt es alljährlich zu derselben zurück und verthei- digt sie hartnäckig gegen jeden andern Vogel, welcher Besitz von ihr nehmen will. Die Wiege der Jungen besteht aus Halmen, Heufaden, dürren Blättern, Zeuglappen, Haaren und Federn, welche entweder aus Sperlingsnestern weggenommen oder bei heftigem Wind aus der Luft aufgeschnappt, seltener aber vom Boden oder von den Baumästen abgerissen, ohne Auswahl zusammengelegt, dann aber gänzlich mit dem klebrigen Speichel, welcher wie bei andern Seglern an der Luft erhärtet, überzogen werden. Zwei, höchstens drei sehr lang gestreckte, fast walzenförmige und an beiden Enden ungefähr gleichmäßig zugerundete weiße Eier bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein und wird währenddem von dem Männchen gefüttert, jedoch nur, wenn das Wetter günstig ist; denn bei länger anhaltendem Regen kann dieses nicht so viel Nahrung herbeischaffen, als zwei Mauersegler bedürfen, und das Weibchen sieht sich dann genöthigt, selbst nach Nahrung auszugehen. Die Jungen werden von beiden Eltern geäzt; sie wachsen aber sehr langsam heran und brauchen mehrerer Wochen, bis sie flugbar sind. Man findet die Eier frühestens Ende Mai's, die eben ausgekrochenen Jungen Mitte Juni's oder Anfangs August, die ausgeflogenen Jungen erst zu Ende des Monats.
Brehm, Thierleben. III. 42
Mauerſegler.
Der Segler iſt ein Schreivogel, nicht aber ein Sänger. Seine Stimme iſt ein ſchneidender, gellender Ton, welcher durch die Silben „Spi ſpi‟ oder „Kri‟ wiedergegeben werden kann. Bei Erregung irgend welcher Art vernimmt man dieſen Laut oft zum Ueberdruß, und wenn eine zahl- reiche Geſellſchaft durch die Straßen hindurchjagt, iſt es manchmal kaum zum Aushalten. Jn ihren Schlaf- oder Niſthöhlen zwitſchern Alte und Junge.
Ueber die höheren Fähigkeiten des Mauerſeglers iſt wenig Günſtiges zu ſagen. Unter den Sinnen ſteht das große Auge unzweifelhaft obenan, auch das Gehör kann vielleicht noch als ent- wickelt betrachtet werden; die übrigen Sinne ſcheinen ausnehmend ſtumpf zu ſein. Das geiſtige Weſen ſtellt den Vogel tief. Er iſt ein herrſchſüchtiger, zänkiſcher, ſtürmiſcher und übermüthiger Geſell, welcher ſtreng genommen mit keinem Geſchöpf in Frieden lebt, nicht einmal mit andern ſeiner Art, und unter Umſtänden andern Thieren ohne Grund beſchwerlich fällt. Um die Niſtplätze zanken ſich die Mauerſegler unter lautem Geſchrei oft tagelang. Aus Eiferſucht packen ſich zwei Männchen wüthend in der Luft, verkrallen ſich feſt in einander und wirbeln nun von oben bis zum Boden herab. Jhre Wuth iſt aber ſo groß, daß ſie hier häufig noch fortkämpfen und ſich mit Händen greifen laſſen. Daß ihre Waffen nicht ſo unbedeutend ſind, hat die Erfahrung bewieſen: meinem Vater wurden Mauerſegler gebracht, welche todt aus der Luft herabgefallen waren. Bei der Unterſuchung zeigte ſich, daß ihnen während der nebenbuhleriſchen Kämpfe die Bruſt vollſtändig zerfleiſcht worden war. Auch andere Vögel werden von den Seglern zuweilen angegriffen. So ſah Naumann, daß ein ſolcher ohne weitere Veranlaſſung einen Sperling, welcher ſich Maikäferlarven vom friſchen Acker auf- geſucht hatte, verfolgte, wie ein kleiner Edelfalk wiederholt nach ihm ſtieß und dem erſchrockenen Spatz ſo zuſetzte, daß dieſer zwiſchen den Beinen der Feldarbeiter Schutz ſuchte. Nur ſeinen Jungen gegenüber legt der Mauerſegler zärtliche Gefühle an den Tag.
Der Niſtort iſt je nach den Umſtänden ſehr verſchieden gewählt. Jn Deutſchland ſind es gewöhnlich die Kirchthürme und andere hohe Gebäude, in deren Mauerſpalten unſer Segler ſein Neſt anbringt. Gar nicht ſelten aber vertreibt er auch die Staaren oder Sperlinge aus den für ſie auf Bäume gehängten Kübeln, und dabei iſt er ſo rückſichtslos, daß er ſich ſelbſt von den brütenden Staaren- oder Sperlingsweibchen nicht abhalten läßt, ſondern ihnen ſein weniges Geniſte im buchſtäblichen Sinne des Worts auf den Rücken wirft und ſie ſo lange quält, bis ſie das Neſt verlaſſen. Dann überbaut er das Gelege ſeiner Vorgänger ein wenig und legt hierauf ſeine Eier auf dieſer Schicht ab. Jm Süden Europas bevorzugt er geeignete Felswände; namentlich große Höhlen werden oft von hunderten benutzt. Jn Spanien fanden wir ihn in innigſtem Verein mit Thurmfalken, Steinſperlingen und Röthlingen; Homeyer traf ihn auf den Balearen unter Felſentauben und Fliegen- fängern. Wo beide europäiſche Seglerarten zuſammen vorkommen, wie in den ſchweizer und ſpaniſchen Gebirgen, ſiedeln ſie ſich auch gemeinſchaftlich an ein und demſelben Orte an. Wenn ein Pärchen einmal eine Niſthöhle ſich erworben hat, kehrt es alljährlich zu derſelben zurück und verthei- digt ſie hartnäckig gegen jeden andern Vogel, welcher Beſitz von ihr nehmen will. Die Wiege der Jungen beſteht aus Halmen, Heufaden, dürren Blättern, Zeuglappen, Haaren und Federn, welche entweder aus Sperlingsneſtern weggenommen oder bei heftigem Wind aus der Luft aufgeſchnappt, ſeltener aber vom Boden oder von den Baumäſten abgeriſſen, ohne Auswahl zuſammengelegt, dann aber gänzlich mit dem klebrigen Speichel, welcher wie bei andern Seglern an der Luft erhärtet, überzogen werden. Zwei, höchſtens drei ſehr lang geſtreckte, faſt walzenförmige und an beiden Enden ungefähr gleichmäßig zugerundete weiße Eier bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein und wird währenddem von dem Männchen gefüttert, jedoch nur, wenn das Wetter günſtig iſt; denn bei länger anhaltendem Regen kann dieſes nicht ſo viel Nahrung herbeiſchaffen, als zwei Mauerſegler bedürfen, und das Weibchen ſieht ſich dann genöthigt, ſelbſt nach Nahrung auszugehen. Die Jungen werden von beiden Eltern geäzt; ſie wachſen aber ſehr langſam heran und brauchen mehrerer Wochen, bis ſie flugbar ſind. Man findet die Eier früheſtens Ende Mai’s, die eben ausgekrochenen Jungen Mitte Juni’s oder Anfangs Auguſt, die ausgeflogenen Jungen erſt zu Ende des Monats.
Brehm, Thierleben. III. 42
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[657/0695]
Mauerſegler.
Der Segler iſt ein Schreivogel, nicht aber ein Sänger. Seine Stimme iſt ein ſchneidender,
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Erregung irgend welcher Art vernimmt man dieſen Laut oft zum Ueberdruß, und wenn eine zahl-
reiche Geſellſchaft durch die Straßen hindurchjagt, iſt es manchmal kaum zum Aushalten. Jn ihren
Schlaf- oder Niſthöhlen zwitſchern Alte und Junge.
Ueber die höheren Fähigkeiten des Mauerſeglers iſt wenig Günſtiges zu ſagen. Unter den
Sinnen ſteht das große Auge unzweifelhaft obenan, auch das Gehör kann vielleicht noch als ent-
wickelt betrachtet werden; die übrigen Sinne ſcheinen ausnehmend ſtumpf zu ſein. Das geiſtige
Weſen ſtellt den Vogel tief. Er iſt ein herrſchſüchtiger, zänkiſcher, ſtürmiſcher und übermüthiger
Geſell, welcher ſtreng genommen mit keinem Geſchöpf in Frieden lebt, nicht einmal mit andern ſeiner
Art, und unter Umſtänden andern Thieren ohne Grund beſchwerlich fällt. Um die Niſtplätze zanken
ſich die Mauerſegler unter lautem Geſchrei oft tagelang. Aus Eiferſucht packen ſich zwei Männchen
wüthend in der Luft, verkrallen ſich feſt in einander und wirbeln nun von oben bis zum Boden herab.
Jhre Wuth iſt aber ſo groß, daß ſie hier häufig noch fortkämpfen und ſich mit Händen greifen laſſen.
Daß ihre Waffen nicht ſo unbedeutend ſind, hat die Erfahrung bewieſen: meinem Vater wurden
Mauerſegler gebracht, welche todt aus der Luft herabgefallen waren. Bei der Unterſuchung zeigte ſich,
daß ihnen während der nebenbuhleriſchen Kämpfe die Bruſt vollſtändig zerfleiſcht worden war. Auch
andere Vögel werden von den Seglern zuweilen angegriffen. So ſah Naumann, daß ein ſolcher
ohne weitere Veranlaſſung einen Sperling, welcher ſich Maikäferlarven vom friſchen Acker auf-
geſucht hatte, verfolgte, wie ein kleiner Edelfalk wiederholt nach ihm ſtieß und dem erſchrockenen
Spatz ſo zuſetzte, daß dieſer zwiſchen den Beinen der Feldarbeiter Schutz ſuchte. Nur ſeinen Jungen
gegenüber legt der Mauerſegler zärtliche Gefühle an den Tag.
Der Niſtort iſt je nach den Umſtänden ſehr verſchieden gewählt. Jn Deutſchland ſind es gewöhnlich
die Kirchthürme und andere hohe Gebäude, in deren Mauerſpalten unſer Segler ſein Neſt anbringt.
Gar nicht ſelten aber vertreibt er auch die Staaren oder Sperlinge aus den für ſie auf Bäume
gehängten Kübeln, und dabei iſt er ſo rückſichtslos, daß er ſich ſelbſt von den brütenden Staaren- oder
Sperlingsweibchen nicht abhalten läßt, ſondern ihnen ſein weniges Geniſte im buchſtäblichen Sinne
des Worts auf den Rücken wirft und ſie ſo lange quält, bis ſie das Neſt verlaſſen. Dann überbaut
er das Gelege ſeiner Vorgänger ein wenig und legt hierauf ſeine Eier auf dieſer Schicht ab. Jm
Süden Europas bevorzugt er geeignete Felswände; namentlich große Höhlen werden oft von hunderten
benutzt. Jn Spanien fanden wir ihn in innigſtem Verein mit Thurmfalken, Steinſperlingen
und Röthlingen; Homeyer traf ihn auf den Balearen unter Felſentauben und Fliegen-
fängern. Wo beide europäiſche Seglerarten zuſammen vorkommen, wie in den ſchweizer und
ſpaniſchen Gebirgen, ſiedeln ſie ſich auch gemeinſchaftlich an ein und demſelben Orte an. Wenn ein
Pärchen einmal eine Niſthöhle ſich erworben hat, kehrt es alljährlich zu derſelben zurück und verthei-
digt ſie hartnäckig gegen jeden andern Vogel, welcher Beſitz von ihr nehmen will. Die Wiege der
Jungen beſteht aus Halmen, Heufaden, dürren Blättern, Zeuglappen, Haaren und Federn, welche
entweder aus Sperlingsneſtern weggenommen oder bei heftigem Wind aus der Luft aufgeſchnappt,
ſeltener aber vom Boden oder von den Baumäſten abgeriſſen, ohne Auswahl zuſammengelegt,
dann aber gänzlich mit dem klebrigen Speichel, welcher wie bei andern Seglern an der Luft erhärtet,
überzogen werden. Zwei, höchſtens drei ſehr lang geſtreckte, faſt walzenförmige und an beiden Enden
ungefähr gleichmäßig zugerundete weiße Eier bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein und
wird währenddem von dem Männchen gefüttert, jedoch nur, wenn das Wetter günſtig iſt; denn bei
länger anhaltendem Regen kann dieſes nicht ſo viel Nahrung herbeiſchaffen, als zwei Mauerſegler
bedürfen, und das Weibchen ſieht ſich dann genöthigt, ſelbſt nach Nahrung auszugehen. Die Jungen
werden von beiden Eltern geäzt; ſie wachſen aber ſehr langſam heran und brauchen mehrerer Wochen,
bis ſie flugbar ſind. Man findet die Eier früheſtens Ende Mai’s, die eben ausgekrochenen Jungen
Mitte Juni’s oder Anfangs Auguſt, die ausgeflogenen Jungen erſt zu Ende des Monats.
Brehm, Thierleben. III. 42
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/695>, abgerufen am 23.11.2024.
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