Zur Zeit ist es noch nicht entschieden, ob die in Europa, Asien und Nordamerika vorkommenden Uferschwalben wirklich gleichartig sind; jedenfalls aber ist der Verbreitungskreis der Art ein sehr aus- gedehnter. Jn Europa fehlt die Uferschwalbe in keinem Lande, obwohl sie vielleicht im höheren Norden nicht Brutvogel ist. Jn günstigen Gegenden ist sie sehr gemein. Sie bestätigt ihren Namen; denn sie hält sich am liebsten da auf, wo sie steile Uferwände findet. Doch verlangt sie nicht immer ein Flußufer, sondern begnügt sich oft auch mit einer steil abfallenden Erdwand. Hier höhlt sie sich in dem harten Erdreich mit großer Mühe tiefe Löcher aus, regelmäßig in einer Höhe, daß auch die bedeutendste Ueberschwemmung nicht bis zu denselben hinaufreicht, gern aber unmittelbar unter der Ober- kante der Wand. Alle Brutplätze sind Ansiedlungen, gewöhnlich solche, welche eine namhafte Anzahl von Uferschwalben vereinigen. Aeußerst selten trifft man weniger als fünf Pärchen zusammen an, viel öfter hunderte von ihnen; zwanzig bis vierzig Pärchen mögen am häufigsten vorkommen. Jn altem Mauerwerk oder in zerklüftetem Felsgestein bezieht die Uferschwalbe wohl auch Höhlungen, welche sie vorsindet; am liebsten aber scheinen ihr diejenigen zu sein, welche sie sich selbst ausgräbt. "Es grenzt", sagt Naumann, "freilich ans Unglaubliche und muß unsere Bewunderung in hohem Grade erregen, ein so zartes Vögelchen mit so schwachen Werkzeugen ein solches Riesenwerk vollbringen zu sehen, und noch dazu in so kurzer Zeit; denn in zwei bis drei Tagen vollendet ein Pärchen die Aushöhlung einer im Durchmesser vorn zwei bis drei Zoll weiten, am hintern Ende zur Aufnahme des Nestes noch mehr erweiterten, in wagrechter oder wenig aufsteigender Richtung mindestens drei, oft aber auch bis sechs Fuß tiefen, gerade in das Ufer eindringenden Röhre. Jhr Eifer und ihre Geschäftigkeit bei einer solchen anstrengenden Arbeit grenzt ans Possirliche, besonders wenn man sieht, wie sie die losgearbeitete Erde höchst mühsam mit den Füßchen hinter sich aus dem Jnnern der Höhle hinausschaffen und hinausräumen und beide Gatten sich dabei hilfreich unterstützen. Warum sie aber öfters mitten in der Arbeit den Bau einer Röhre aufgeben, eine andere zwar fertig machen, aber dennoch nicht darin nisten und Dies vielleicht erst in einer dritten thun, bleibt uns räthselhaft; denn zu Schlafstellen benutzt die ganze Familie gewöhnlich nur eine, nämlich die, worin sich das Nest befindet. Beim Graben sind sie sehr emsig, und die ganze Gesellschaft scheint dann aus der Gegend verschwunden; denn alle stecken in den Höhlen und arbeiten darin. Stampft man mit den Füßen oben auf den Rasen über den Höhlen, so stürzen sie aus den Löchern hervor, und die Luft ist wieder belebt von ihnen. Wenn die Weibchen erst brüten, sitzen sie noch viel fester und lassen sich nur durch Störung in der Röhre selbst bewegen, herauszufliegen, daher leicht fangen. Am hintern Ende der Röhre, ungefähr drei bis vier Fuß vom Eingange, befindet sich das Nest in einer backofen- förmigen Erweiterung. Es besteht aus einer schlichten Lage feiner Hälmchen von Stroh und Heu, auch zarter Würzelchen, und seine Aushöhlung ist mit Federn und Haaren, auch wohl etwas Wolle ausgelegt, sehr weich und warm."
"Jn Höhlen, welche sie in Steinbrüchen, an Felsengestaden oder alten Mauern finden, stehen die Nester sehr oft gar nicht tief, und sie können hier auch nicht so dicht neben einander nisten, wenn nicht zufällig Ritzen und Spalten genug da sind. An solchen Brüteplätzen hat dann freilich Manches ein ganz anderes Aussehen, weil hier ein großer Theil ihres Kunsttriebs von Zufälligkeiten unter- drückt oder unnütz gemacht wird."
Die Uferschwalbe ist ein sehr angenehmer, munterer, vielbeweglicher Vogel, welcher in seinem Wesen manchfach an die Hausschwalbe erinnert. Dieser ähnelt sie namentlich wegen ihres sanften und schwebenden Fluges. Gewöhnlich hält sie sich in niedern Luftschichten auf, meist dicht über dem Spiegel der Gewässer hin- und herfliegend; selten erhebt sie sich zu bedeutenden Höhen. Jhr Flug ist so schwankend, daß man ihn mit dem der Schmetterlinge verglichen hat, unsicher ist er aber durch- aus nicht, und auch am Wechsel fehlt es ihm nicht. Die Stimme ist ein zartes, schwaches "Scherr" oder "Zerr", der Gesang eine Aufeinanderfolge dieser Laute, welche durch andere verbunden werden. An Geselligkeit übertrifft die Uferschwalbe womöglich ihre Verwandten noch: ein einzelnes Pärchen gehört zu den größten Seltenheiten. Nicht einmal bei der Jagd trennen sich die Vereinten.
Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.
Zur Zeit iſt es noch nicht entſchieden, ob die in Europa, Aſien und Nordamerika vorkommenden Uferſchwalben wirklich gleichartig ſind; jedenfalls aber iſt der Verbreitungskreis der Art ein ſehr aus- gedehnter. Jn Europa fehlt die Uferſchwalbe in keinem Lande, obwohl ſie vielleicht im höheren Norden nicht Brutvogel iſt. Jn günſtigen Gegenden iſt ſie ſehr gemein. Sie beſtätigt ihren Namen; denn ſie hält ſich am liebſten da auf, wo ſie ſteile Uferwände findet. Doch verlangt ſie nicht immer ein Flußufer, ſondern begnügt ſich oft auch mit einer ſteil abfallenden Erdwand. Hier höhlt ſie ſich in dem harten Erdreich mit großer Mühe tiefe Löcher aus, regelmäßig in einer Höhe, daß auch die bedeutendſte Ueberſchwemmung nicht bis zu denſelben hinaufreicht, gern aber unmittelbar unter der Ober- kante der Wand. Alle Brutplätze ſind Anſiedlungen, gewöhnlich ſolche, welche eine namhafte Anzahl von Uferſchwalben vereinigen. Aeußerſt ſelten trifft man weniger als fünf Pärchen zuſammen an, viel öfter hunderte von ihnen; zwanzig bis vierzig Pärchen mögen am häufigſten vorkommen. Jn altem Mauerwerk oder in zerklüftetem Felsgeſtein bezieht die Uferſchwalbe wohl auch Höhlungen, welche ſie vorſindet; am liebſten aber ſcheinen ihr diejenigen zu ſein, welche ſie ſich ſelbſt ausgräbt. „Es grenzt‟, ſagt Naumann, „freilich ans Unglaubliche und muß unſere Bewunderung in hohem Grade erregen, ein ſo zartes Vögelchen mit ſo ſchwachen Werkzeugen ein ſolches Rieſenwerk vollbringen zu ſehen, und noch dazu in ſo kurzer Zeit; denn in zwei bis drei Tagen vollendet ein Pärchen die Aushöhlung einer im Durchmeſſer vorn zwei bis drei Zoll weiten, am hintern Ende zur Aufnahme des Neſtes noch mehr erweiterten, in wagrechter oder wenig aufſteigender Richtung mindeſtens drei, oft aber auch bis ſechs Fuß tiefen, gerade in das Ufer eindringenden Röhre. Jhr Eifer und ihre Geſchäftigkeit bei einer ſolchen anſtrengenden Arbeit grenzt ans Poſſirliche, beſonders wenn man ſieht, wie ſie die losgearbeitete Erde höchſt mühſam mit den Füßchen hinter ſich aus dem Jnnern der Höhle hinausſchaffen und hinausräumen und beide Gatten ſich dabei hilfreich unterſtützen. Warum ſie aber öfters mitten in der Arbeit den Bau einer Röhre aufgeben, eine andere zwar fertig machen, aber dennoch nicht darin niſten und Dies vielleicht erſt in einer dritten thun, bleibt uns räthſelhaft; denn zu Schlafſtellen benutzt die ganze Familie gewöhnlich nur eine, nämlich die, worin ſich das Neſt befindet. Beim Graben ſind ſie ſehr emſig, und die ganze Geſellſchaft ſcheint dann aus der Gegend verſchwunden; denn alle ſtecken in den Höhlen und arbeiten darin. Stampft man mit den Füßen oben auf den Raſen über den Höhlen, ſo ſtürzen ſie aus den Löchern hervor, und die Luft iſt wieder belebt von ihnen. Wenn die Weibchen erſt brüten, ſitzen ſie noch viel feſter und laſſen ſich nur durch Störung in der Röhre ſelbſt bewegen, herauszufliegen, daher leicht fangen. Am hintern Ende der Röhre, ungefähr drei bis vier Fuß vom Eingange, befindet ſich das Neſt in einer backofen- förmigen Erweiterung. Es beſteht aus einer ſchlichten Lage feiner Hälmchen von Stroh und Heu, auch zarter Würzelchen, und ſeine Aushöhlung iſt mit Federn und Haaren, auch wohl etwas Wolle ausgelegt, ſehr weich und warm.‟
„Jn Höhlen, welche ſie in Steinbrüchen, an Felſengeſtaden oder alten Mauern finden, ſtehen die Neſter ſehr oft gar nicht tief, und ſie können hier auch nicht ſo dicht neben einander niſten, wenn nicht zufällig Ritzen und Spalten genug da ſind. An ſolchen Brüteplätzen hat dann freilich Manches ein ganz anderes Ausſehen, weil hier ein großer Theil ihres Kunſttriebs von Zufälligkeiten unter- drückt oder unnütz gemacht wird.‟
Die Uferſchwalbe iſt ein ſehr angenehmer, munterer, vielbeweglicher Vogel, welcher in ſeinem Weſen manchfach an die Hausſchwalbe erinnert. Dieſer ähnelt ſie namentlich wegen ihres ſanften und ſchwebenden Fluges. Gewöhnlich hält ſie ſich in niedern Luftſchichten auf, meiſt dicht über dem Spiegel der Gewäſſer hin- und herfliegend; ſelten erhebt ſie ſich zu bedeutenden Höhen. Jhr Flug iſt ſo ſchwankend, daß man ihn mit dem der Schmetterlinge verglichen hat, unſicher iſt er aber durch- aus nicht, und auch am Wechſel fehlt es ihm nicht. Die Stimme iſt ein zartes, ſchwaches „Scherr‟ oder „Zerr‟, der Geſang eine Aufeinanderfolge dieſer Laute, welche durch andere verbunden werden. An Geſelligkeit übertrifft die Uferſchwalbe womöglich ihre Verwandten noch: ein einzelnes Pärchen gehört zu den größten Seltenheiten. Nicht einmal bei der Jagd trennen ſich die Vereinten.
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Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.
Zur Zeit iſt es noch nicht entſchieden, ob die in Europa, Aſien und Nordamerika vorkommenden
Uferſchwalben wirklich gleichartig ſind; jedenfalls aber iſt der Verbreitungskreis der Art ein ſehr aus-
gedehnter. Jn Europa fehlt die Uferſchwalbe in keinem Lande, obwohl ſie vielleicht im höheren
Norden nicht Brutvogel iſt. Jn günſtigen Gegenden iſt ſie ſehr gemein. Sie beſtätigt ihren
Namen; denn ſie hält ſich am liebſten da auf, wo ſie ſteile Uferwände findet. Doch verlangt ſie nicht
immer ein Flußufer, ſondern begnügt ſich oft auch mit einer ſteil abfallenden Erdwand. Hier höhlt
ſie ſich in dem harten Erdreich mit großer Mühe tiefe Löcher aus, regelmäßig in einer Höhe, daß auch die
bedeutendſte Ueberſchwemmung nicht bis zu denſelben hinaufreicht, gern aber unmittelbar unter der Ober-
kante der Wand. Alle Brutplätze ſind Anſiedlungen, gewöhnlich ſolche, welche eine namhafte Anzahl
von Uferſchwalben vereinigen. Aeußerſt ſelten trifft man weniger als fünf Pärchen zuſammen an,
viel öfter hunderte von ihnen; zwanzig bis vierzig Pärchen mögen am häufigſten vorkommen. Jn
altem Mauerwerk oder in zerklüftetem Felsgeſtein bezieht die Uferſchwalbe wohl auch Höhlungen,
welche ſie vorſindet; am liebſten aber ſcheinen ihr diejenigen zu ſein, welche ſie ſich ſelbſt ausgräbt.
„Es grenzt‟, ſagt Naumann, „freilich ans Unglaubliche und muß unſere Bewunderung in
hohem Grade erregen, ein ſo zartes Vögelchen mit ſo ſchwachen Werkzeugen ein ſolches Rieſenwerk
vollbringen zu ſehen, und noch dazu in ſo kurzer Zeit; denn in zwei bis drei Tagen vollendet ein
Pärchen die Aushöhlung einer im Durchmeſſer vorn zwei bis drei Zoll weiten, am hintern Ende zur
Aufnahme des Neſtes noch mehr erweiterten, in wagrechter oder wenig aufſteigender Richtung
mindeſtens drei, oft aber auch bis ſechs Fuß tiefen, gerade in das Ufer eindringenden Röhre. Jhr Eifer
und ihre Geſchäftigkeit bei einer ſolchen anſtrengenden Arbeit grenzt ans Poſſirliche, beſonders wenn
man ſieht, wie ſie die losgearbeitete Erde höchſt mühſam mit den Füßchen hinter ſich aus dem Jnnern
der Höhle hinausſchaffen und hinausräumen und beide Gatten ſich dabei hilfreich unterſtützen.
Warum ſie aber öfters mitten in der Arbeit den Bau einer Röhre aufgeben, eine andere zwar fertig
machen, aber dennoch nicht darin niſten und Dies vielleicht erſt in einer dritten thun, bleibt uns räthſelhaft;
denn zu Schlafſtellen benutzt die ganze Familie gewöhnlich nur eine, nämlich die, worin ſich das Neſt
befindet. Beim Graben ſind ſie ſehr emſig, und die ganze Geſellſchaft ſcheint dann aus der Gegend
verſchwunden; denn alle ſtecken in den Höhlen und arbeiten darin. Stampft man mit den Füßen
oben auf den Raſen über den Höhlen, ſo ſtürzen ſie aus den Löchern hervor, und die Luft iſt wieder
belebt von ihnen. Wenn die Weibchen erſt brüten, ſitzen ſie noch viel feſter und laſſen ſich
nur durch Störung in der Röhre ſelbſt bewegen, herauszufliegen, daher leicht fangen. Am hintern
Ende der Röhre, ungefähr drei bis vier Fuß vom Eingange, befindet ſich das Neſt in einer backofen-
förmigen Erweiterung. Es beſteht aus einer ſchlichten Lage feiner Hälmchen von Stroh und Heu,
auch zarter Würzelchen, und ſeine Aushöhlung iſt mit Federn und Haaren, auch wohl etwas Wolle
ausgelegt, ſehr weich und warm.‟
„Jn Höhlen, welche ſie in Steinbrüchen, an Felſengeſtaden oder alten Mauern finden, ſtehen
die Neſter ſehr oft gar nicht tief, und ſie können hier auch nicht ſo dicht neben einander niſten, wenn
nicht zufällig Ritzen und Spalten genug da ſind. An ſolchen Brüteplätzen hat dann freilich Manches
ein ganz anderes Ausſehen, weil hier ein großer Theil ihres Kunſttriebs von Zufälligkeiten unter-
drückt oder unnütz gemacht wird.‟
Die Uferſchwalbe iſt ein ſehr angenehmer, munterer, vielbeweglicher Vogel, welcher in ſeinem
Weſen manchfach an die Hausſchwalbe erinnert. Dieſer ähnelt ſie namentlich wegen ihres ſanften
und ſchwebenden Fluges. Gewöhnlich hält ſie ſich in niedern Luftſchichten auf, meiſt dicht über dem
Spiegel der Gewäſſer hin- und herfliegend; ſelten erhebt ſie ſich zu bedeutenden Höhen. Jhr Flug
iſt ſo ſchwankend, daß man ihn mit dem der Schmetterlinge verglichen hat, unſicher iſt er aber durch-
aus nicht, und auch am Wechſel fehlt es ihm nicht. Die Stimme iſt ein zartes, ſchwaches „Scherr‟
oder „Zerr‟, der Geſang eine Aufeinanderfolge dieſer Laute, welche durch andere verbunden
werden. An Geſelligkeit übertrifft die Uferſchwalbe womöglich ihre Verwandten noch: ein einzelnes
Pärchen gehört zu den größten Seltenheiten. Nicht einmal bei der Jagd trennen ſich die Vereinten.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/676>, abgerufen am 22.11.2024.
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