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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Geier.
ihm nahete, die Kopffedern, später that er dieses nur noch gegen Fremde. Nur einmal innerhalb
beinahe zwei Jahren fuhr er mit seinem Schnabel einer Person, die er nicht kannte, und die allzu
zutraulich, um einem Kinde die Furcht zu vertreiben, mit ihm spielen wollte, über die Hand und
verwundete diese. Alles Neue sah er mit weit aufgesperrten Augen an. Man sagt, er könne die
rothe Farbe nicht leiden. Gewiß ist, daß er die Farben überhaupt erkennt. Nahte sich ihm sein
Meister in einem andern Kleide, als dem gewöhnlichen Hausrocke, so that er auch gegen ihn fremd,
sodaß er zuerst sich ihm durch Sprechen kenntlich machen mußte, wodurch er dann beruhigt wurde. Er
konnte ihn beliebig streicheln, an beiden Flügeln in die Höhe halten und ausbreiten, um seine Flug-
weite zu zeigen. Jm Zimmer gehaltene Murmelthiere beachtete er nicht, wenn sie vor seinen
Augen herumliefen; gegen Hunde machte er große Augen, doch fuhr er auf keinen, weder großen, noch
kleinen. Keiner fürchtete ihn, aber Katzen fürchteten ihn so, daß sie wüthend in der Kammer wie
herumflogen und durchs geöffnete Fenster mit Einem Satze heraus auf die Straße entsprangen.
Tauben, Krähen, Elstern, ihm zwischen die Füße gestellt, blieben sitzen. Keine machte nur
Miene, wegzufliegen, sie sahen aber auch nicht erschrocken oder ängstlich, sondern völlig gleichgiltig aus
und ließen sich von ihm langsam mit einer Kralle anpacken; sodann legte er sie auf die Stange nieder
und riß ihnen, ganz langsam, bedächtlich, ohne eine Spur von Raublust noch Hunger -- den Kopf
ab. Erst dann, und ebenso langsam, zerrte er ihnen den Bauch auf von hinten nach vorne und schälte
dann, die Füße und Flügel abkneipend, den ganzen Rumpf aus dem Kleide heraus. Dann fraß er
vorzugsweise die Knochen. Er liebte alles rohe Fleisch. An irgend etwas Anderes konnte man ihn
nicht gewöhnen. Sehr träg, faul, saß er den ganzen Tag, Jahr aus, Jahr ein, auf seiner Stange und
kam nie herunter; stellte man ihn auf den Boden, so sah er empor und konnte sich lange nicht zum
Hinauffliegen entschließen. Der Aufflug geschah schwerfällig. Steckte man ihm eine Tabakspfeife
in den Schnabel, so behielt er sie immer darin, sich für sie nicht interessirend. Töne irgend einer Art
erregten ihn nicht. Nur sein Auge verrieth viel, d. h. viel Leben. Es ist so schön, als ein Auge
sein kann, und kein irdisches Wesen hat ein schöneres, beinahe keins ein so schönes. Dennoch verräth
es wenig Verstand, vielleicht mehr in der Wildheit. Er trank gerne Wasser und Milch. Von Läusen
geplagt, ließ er sich gerne mit sie vertreibendem Oele bestreichen, den Liebesdienst wohl erkennend.
Alle Kühlung verdankte er mit Ruhe und Gelassenheit."

"Ein zweiter erkrankte. Er seufzte oft vollkommen wie ein Mensch. Allen Rath ließ er sich
gerne anthun. Als er nicht mehr die Flügel, die zuerst erlahmten, tragen konnte und sie immer
unanständig herunterhängen lassen mußte, senkte er sich auf der Stange, beinahe auf dem Bauche
sitzend; noch schwächer geworden, flog er auf den Boden, und endlich legte er sich auf die Seite, immer
seufzend, nie wimmernd, bis er, mit völliger Ergebung, schön und ruhig, wie ein Mensch, einschlief,
wie wir selbst gesehen haben. Kein Mensch stirbt ruhiger, stiller; denn sein Seufzen hatte kurz vorher
aufgehört."

Von einem andern Geieradler, welcher in Athen gefangen gehalten wird, sagt Krüper, daß
derselbe mit Behagen die abgebälgten Körper von Vögeln verschlingt, ja selbst dargereichtes Weißbrod
nicht verschmäht. Er lernte Krüper sehr bald kennen und ließ sich dann gern von ihm streicheln,
was er von fremden Leuten nicht zu dulden schien. --

Außer dem Menschen hat der Bartgeier wenig Feinde, vielleicht keinen einzigen, welcher ihm
schaden kann; geneckt aber wird auch er. Jch zwar habe niemals gesehen, daß andere Vögel auf ihn
stießen, mein Bruder aber beobachtete, daß ein Geieradler sehr heftig von andern Adlern, namentlich
von den Habichtsadlern, verfolgt wurde. Adams nennt die Govinda und die Glanzkrähe
Quälgeister des Bartgeiers; und Simmpson fügt hinzu, daß auch die kleineren Falken sehr oft auf
den großen Raubvogel herabstoßen und ihn empfindlich plagen.

Die Jagd hat selbstverständlich ihre großen Schwierigkeiten. Wen der Zufall nicht begünstigt,
bleibt nur der Anstand am Horste oder in der Nähe eines ausgeworfenen Aases übrig. Jn der
Schweiz reizt man während des Winters den Vogel durch Blut, welches man auf den Schnee schüttet.

Die Fänger. Raubvögel. Geier.
ihm nahete, die Kopffedern, ſpäter that er dieſes nur noch gegen Fremde. Nur einmal innerhalb
beinahe zwei Jahren fuhr er mit ſeinem Schnabel einer Perſon, die er nicht kannte, und die allzu
zutraulich, um einem Kinde die Furcht zu vertreiben, mit ihm ſpielen wollte, über die Hand und
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rothe Farbe nicht leiden. Gewiß iſt, daß er die Farben überhaupt erkennt. Nahte ſich ihm ſein
Meiſter in einem andern Kleide, als dem gewöhnlichen Hausrocke, ſo that er auch gegen ihn fremd,
ſodaß er zuerſt ſich ihm durch Sprechen kenntlich machen mußte, wodurch er dann beruhigt wurde. Er
konnte ihn beliebig ſtreicheln, an beiden Flügeln in die Höhe halten und ausbreiten, um ſeine Flug-
weite zu zeigen. Jm Zimmer gehaltene Murmelthiere beachtete er nicht, wenn ſie vor ſeinen
Augen herumliefen; gegen Hunde machte er große Augen, doch fuhr er auf keinen, weder großen, noch
kleinen. Keiner fürchtete ihn, aber Katzen fürchteten ihn ſo, daß ſie wüthend in der Kammer wie
herumflogen und durchs geöffnete Fenſter mit Einem Satze heraus auf die Straße entſprangen.
Tauben, Krähen, Elſtern, ihm zwiſchen die Füße geſtellt, blieben ſitzen. Keine machte nur
Miene, wegzufliegen, ſie ſahen aber auch nicht erſchrocken oder ängſtlich, ſondern völlig gleichgiltig aus
und ließen ſich von ihm langſam mit einer Kralle anpacken; ſodann legte er ſie auf die Stange nieder
und riß ihnen, ganz langſam, bedächtlich, ohne eine Spur von Raubluſt noch Hunger — den Kopf
ab. Erſt dann, und ebenſo langſam, zerrte er ihnen den Bauch auf von hinten nach vorne und ſchälte
dann, die Füße und Flügel abkneipend, den ganzen Rumpf aus dem Kleide heraus. Dann fraß er
vorzugsweiſe die Knochen. Er liebte alles rohe Fleiſch. An irgend etwas Anderes konnte man ihn
nicht gewöhnen. Sehr träg, faul, ſaß er den ganzen Tag, Jahr aus, Jahr ein, auf ſeiner Stange und
kam nie herunter; ſtellte man ihn auf den Boden, ſo ſah er empor und konnte ſich lange nicht zum
Hinauffliegen entſchließen. Der Aufflug geſchah ſchwerfällig. Steckte man ihm eine Tabakspfeife
in den Schnabel, ſo behielt er ſie immer darin, ſich für ſie nicht intereſſirend. Töne irgend einer Art
erregten ihn nicht. Nur ſein Auge verrieth viel, d. h. viel Leben. Es iſt ſo ſchön, als ein Auge
ſein kann, und kein irdiſches Weſen hat ein ſchöneres, beinahe keins ein ſo ſchönes. Dennoch verräth
es wenig Verſtand, vielleicht mehr in der Wildheit. Er trank gerne Waſſer und Milch. Von Läuſen
geplagt, ließ er ſich gerne mit ſie vertreibendem Oele beſtreichen, den Liebesdienſt wohl erkennend.
Alle Kühlung verdankte er mit Ruhe und Gelaſſenheit.‟

„Ein zweiter erkrankte. Er ſeufzte oft vollkommen wie ein Menſch. Allen Rath ließ er ſich
gerne anthun. Als er nicht mehr die Flügel, die zuerſt erlahmten, tragen konnte und ſie immer
unanſtändig herunterhängen laſſen mußte, ſenkte er ſich auf der Stange, beinahe auf dem Bauche
ſitzend; noch ſchwächer geworden, flog er auf den Boden, und endlich legte er ſich auf die Seite, immer
ſeufzend, nie wimmernd, bis er, mit völliger Ergebung, ſchön und ruhig, wie ein Menſch, einſchlief,
wie wir ſelbſt geſehen haben. Kein Menſch ſtirbt ruhiger, ſtiller; denn ſein Seufzen hatte kurz vorher
aufgehört.‟

Von einem andern Geieradler, welcher in Athen gefangen gehalten wird, ſagt Krüper, daß
derſelbe mit Behagen die abgebälgten Körper von Vögeln verſchlingt, ja ſelbſt dargereichtes Weißbrod
nicht verſchmäht. Er lernte Krüper ſehr bald kennen und ließ ſich dann gern von ihm ſtreicheln,
was er von fremden Leuten nicht zu dulden ſchien. —

Außer dem Menſchen hat der Bartgeier wenig Feinde, vielleicht keinen einzigen, welcher ihm
ſchaden kann; geneckt aber wird auch er. Jch zwar habe niemals geſehen, daß andere Vögel auf ihn
ſtießen, mein Bruder aber beobachtete, daß ein Geieradler ſehr heftig von andern Adlern, namentlich
von den Habichtsadlern, verfolgt wurde. Adams nennt die Govinda und die Glanzkrähe
Quälgeiſter des Bartgeiers; und Simmpſon fügt hinzu, daß auch die kleineren Falken ſehr oft auf
den großen Raubvogel herabſtoßen und ihn empfindlich plagen.

Die Jagd hat ſelbſtverſtändlich ihre großen Schwierigkeiten. Wen der Zufall nicht begünſtigt,
bleibt nur der Anſtand am Horſte oder in der Nähe eines ausgeworfenen Aaſes übrig. Jn der
Schweiz reizt man während des Winters den Vogel durch Blut, welches man auf den Schnee ſchüttet.

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[554/0586] Die Fänger. Raubvögel. Geier. ihm nahete, die Kopffedern, ſpäter that er dieſes nur noch gegen Fremde. Nur einmal innerhalb beinahe zwei Jahren fuhr er mit ſeinem Schnabel einer Perſon, die er nicht kannte, und die allzu zutraulich, um einem Kinde die Furcht zu vertreiben, mit ihm ſpielen wollte, über die Hand und verwundete dieſe. Alles Neue ſah er mit weit aufgeſperrten Augen an. Man ſagt, er könne die rothe Farbe nicht leiden. Gewiß iſt, daß er die Farben überhaupt erkennt. Nahte ſich ihm ſein Meiſter in einem andern Kleide, als dem gewöhnlichen Hausrocke, ſo that er auch gegen ihn fremd, ſodaß er zuerſt ſich ihm durch Sprechen kenntlich machen mußte, wodurch er dann beruhigt wurde. Er konnte ihn beliebig ſtreicheln, an beiden Flügeln in die Höhe halten und ausbreiten, um ſeine Flug- weite zu zeigen. Jm Zimmer gehaltene Murmelthiere beachtete er nicht, wenn ſie vor ſeinen Augen herumliefen; gegen Hunde machte er große Augen, doch fuhr er auf keinen, weder großen, noch kleinen. Keiner fürchtete ihn, aber Katzen fürchteten ihn ſo, daß ſie wüthend in der Kammer wie herumflogen und durchs geöffnete Fenſter mit Einem Satze heraus auf die Straße entſprangen. Tauben, Krähen, Elſtern, ihm zwiſchen die Füße geſtellt, blieben ſitzen. Keine machte nur Miene, wegzufliegen, ſie ſahen aber auch nicht erſchrocken oder ängſtlich, ſondern völlig gleichgiltig aus und ließen ſich von ihm langſam mit einer Kralle anpacken; ſodann legte er ſie auf die Stange nieder und riß ihnen, ganz langſam, bedächtlich, ohne eine Spur von Raubluſt noch Hunger — den Kopf ab. Erſt dann, und ebenſo langſam, zerrte er ihnen den Bauch auf von hinten nach vorne und ſchälte dann, die Füße und Flügel abkneipend, den ganzen Rumpf aus dem Kleide heraus. Dann fraß er vorzugsweiſe die Knochen. Er liebte alles rohe Fleiſch. An irgend etwas Anderes konnte man ihn nicht gewöhnen. Sehr träg, faul, ſaß er den ganzen Tag, Jahr aus, Jahr ein, auf ſeiner Stange und kam nie herunter; ſtellte man ihn auf den Boden, ſo ſah er empor und konnte ſich lange nicht zum Hinauffliegen entſchließen. Der Aufflug geſchah ſchwerfällig. Steckte man ihm eine Tabakspfeife in den Schnabel, ſo behielt er ſie immer darin, ſich für ſie nicht intereſſirend. Töne irgend einer Art erregten ihn nicht. Nur ſein Auge verrieth viel, d. h. viel Leben. Es iſt ſo ſchön, als ein Auge ſein kann, und kein irdiſches Weſen hat ein ſchöneres, beinahe keins ein ſo ſchönes. Dennoch verräth es wenig Verſtand, vielleicht mehr in der Wildheit. Er trank gerne Waſſer und Milch. Von Läuſen geplagt, ließ er ſich gerne mit ſie vertreibendem Oele beſtreichen, den Liebesdienſt wohl erkennend. Alle Kühlung verdankte er mit Ruhe und Gelaſſenheit.‟ „Ein zweiter erkrankte. Er ſeufzte oft vollkommen wie ein Menſch. Allen Rath ließ er ſich gerne anthun. Als er nicht mehr die Flügel, die zuerſt erlahmten, tragen konnte und ſie immer unanſtändig herunterhängen laſſen mußte, ſenkte er ſich auf der Stange, beinahe auf dem Bauche ſitzend; noch ſchwächer geworden, flog er auf den Boden, und endlich legte er ſich auf die Seite, immer ſeufzend, nie wimmernd, bis er, mit völliger Ergebung, ſchön und ruhig, wie ein Menſch, einſchlief, wie wir ſelbſt geſehen haben. Kein Menſch ſtirbt ruhiger, ſtiller; denn ſein Seufzen hatte kurz vorher aufgehört.‟ Von einem andern Geieradler, welcher in Athen gefangen gehalten wird, ſagt Krüper, daß derſelbe mit Behagen die abgebälgten Körper von Vögeln verſchlingt, ja ſelbſt dargereichtes Weißbrod nicht verſchmäht. Er lernte Krüper ſehr bald kennen und ließ ſich dann gern von ihm ſtreicheln, was er von fremden Leuten nicht zu dulden ſchien. — Außer dem Menſchen hat der Bartgeier wenig Feinde, vielleicht keinen einzigen, welcher ihm ſchaden kann; geneckt aber wird auch er. Jch zwar habe niemals geſehen, daß andere Vögel auf ihn ſtießen, mein Bruder aber beobachtete, daß ein Geieradler ſehr heftig von andern Adlern, namentlich von den Habichtsadlern, verfolgt wurde. Adams nennt die Govinda und die Glanzkrähe Quälgeiſter des Bartgeiers; und Simmpſon fügt hinzu, daß auch die kleineren Falken ſehr oft auf den großen Raubvogel herabſtoßen und ihn empfindlich plagen. Die Jagd hat ſelbſtverſtändlich ihre großen Schwierigkeiten. Wen der Zufall nicht begünſtigt, bleibt nur der Anſtand am Horſte oder in der Nähe eines ausgeworfenen Aaſes übrig. Jn der Schweiz reizt man während des Winters den Vogel durch Blut, welches man auf den Schnee ſchüttet.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/586>, abgerufen am 22.11.2024.