Wir haben neuerdings, namentlich von den Pyrenäen, wiederholt Eier des Bartgeiers erhalten. Sie sind groß, rundlich und grobkörnig, auf trübweißlichem Grunde mit kleineren und größerer, zuweilen auch sehr großen, aschgrauen oder rothgrauen Schalenflecken und ockergelben, braunrothen oder rothbraunen Tupfen und Flecken gezeichnet, welche unten oder um die Mitte des Eies dichter zusammenstehen. Der erste Naturforscher, welcher einen Horst des Geieradlers erstieg, scheint mein Bruder gewesen zu sein. Der Horst stand auf einem Felsenvorsprunge, welcher durch das etwas überhängende Gestein einigermaßen vor den Sonnenstrahlen geschützt war, kaum mehr als 50 Ellen über dem Fuße des letzten Felsenkammes. Er war verhältnißmäßig leicht zu erreichen. Seine Größe war bedeutend. Der Durchmesser des Unterbaues betrug ungefähr 5 Fuß, der Durchmesser der etwa 5 Zoll tiefen Nestmulde 2 Fuß, die Höhe 3 Fuß. Dicke und lange Aeste, von der Stärke eines Kinderarmes bis zu der eines Daumens, bildeten den Unterbau, hierauf folgte eine dünne Schicht von Zweigen und Aestchen, zwischen denen die Nestmulde eingetieft war. Diese bestand aus denselben, aber etwas feineren Bestandtheilen und war innen mit Baststricken, Kuh- und Roßhaaren sorgfältig ausgekleidet. Um den Horst herum waren alle Felsplatten mit einer schneeweißen Kothkruste über- zogen. Ein zweiter in Griechenland wurde von Simmpson bestiegen. Derselbe war, wie Krüper berichtet, aus starken Zweigen erbaut und mit verschiedenen Thierhaaren, besonders solchen von Ziegen, ganz durchwebt. Er war flach ausgepolstert. Auf ihm saß ein drei Wochen altes Junges, dessen Tafel mit Knochen, einem ganzen Eselsfuße, Schildkröten und dergleichen reich bedeckt war. "Beide Eltern nahten und stießen zuweilen ein Pfeifen aus, welches dem eines Hirten nicht unähnlich klang." Später zeigten sich die Alten noch ängstlicher, davon aber, daß sie einen Angriff versucht hätten, sagt Krüper kein Wort: -- der bewußte Sarde also wird wohl auch nicht soviel von dem "furchtbaren Räuber" zu leiden gehabt haben, wie die darüber umlaufende Erzählung mit einem gewissen Behagen berichtet. Von einem dritten Horste im Himalaya theilt Adams Folgendes mit: "Der Horst wird im Himalaya immer auf Felsen und unnahbaren Plätzen angelegt. Die Brutzeit fällt in die Monate April und Mai. Jn der Nähe von Simla fand ich einen Horst mit zwei Jungen in der Höhle einer überhängenden Klippe. Eine reiche Knochensammlung von Schafen und andern Herden- thieren lag umher. Es waren die Abfälle einer europäischen Niederlassung, einige Meilen von hier gelegen."
Das Gefangenleben der Lämmergeier ist vielfach beobachtet worden und entspricht vollständig dem Charakterbild, welches man bei Erforschung des Freilebens unseres Vogels gewinnt. Mein Bruder erhielt Anfangs März (1857) einen jungen Bartgeier im Jugendkleide, welcher von zwei Hirten aus dem beschriebenen Horste genommen und zunächst einem Fleischer zum Auffüttern über- geben, von diesem aber seinem späteren Herrn abgetreten worden war. Die beiden alten Vögel hatten, als man ihnen ihr Junges rauben wollte, die Hirten nahe umkreist, ohne jedoch auf sie zu stoßen. Sie hatten sich auch nach einigen Steinwürfen entfernt und das Geschrei des Jungen nicht weiter beachtet.
"Als ich diesen zum ersten Male sah", erzählt mein Bruder, "war er sehr unbeholfen und ungeschickt. Er trat noch gar nicht auf die Füße, sondern ließ sich, wenn er zum Auftreten gezwungen worden war, sofort wieder auf seine Fußwurzeln nieder, oder legte sich auch wohl gecadezu auf den Bauch. Die ihm vorgelegten Fleischstückchen ergriff er mit der Spitze des Schnabels, warf sie dann in die Höhe und fing sie geschickt wieder auf, worauf er sie begierig hinunterschlang. Knochen behagten ihm jetzt ebensowenig als später; er zog ihnen Fleisch entschieden vor und ließ die Knochen oft nieder- fallen. Stopfte ich ihm solche, welche scharfe Ecken oder Kanten hatten, bis in den Kropf hinab, so würgte er so lange, bis er sie wieder ausspie."
"Jch ließ ihn noch längere Zeit bei seinem ersten Besitzer, und von diesem verpflegen, machte ihm aber, da mich mein Beruf als Arzt wöchentlich einmal nach dem Dorfe führte, dann jedesmal meinen Besuch."
Die Fänger. Raubvögel. Geier.
Wir haben neuerdings, namentlich von den Pyrenäen, wiederholt Eier des Bartgeiers erhalten. Sie ſind groß, rundlich und grobkörnig, auf trübweißlichem Grunde mit kleineren und größerer, zuweilen auch ſehr großen, aſchgrauen oder rothgrauen Schalenflecken und ockergelben, braunrothen oder rothbraunen Tupfen und Flecken gezeichnet, welche unten oder um die Mitte des Eies dichter zuſammenſtehen. Der erſte Naturforſcher, welcher einen Horſt des Geieradlers erſtieg, ſcheint mein Bruder geweſen zu ſein. Der Horſt ſtand auf einem Felſenvorſprunge, welcher durch das etwas überhängende Geſtein einigermaßen vor den Sonnenſtrahlen geſchützt war, kaum mehr als 50 Ellen über dem Fuße des letzten Felſenkammes. Er war verhältnißmäßig leicht zu erreichen. Seine Größe war bedeutend. Der Durchmeſſer des Unterbaues betrug ungefähr 5 Fuß, der Durchmeſſer der etwa 5 Zoll tiefen Neſtmulde 2 Fuß, die Höhe 3 Fuß. Dicke und lange Aeſte, von der Stärke eines Kinderarmes bis zu der eines Daumens, bildeten den Unterbau, hierauf folgte eine dünne Schicht von Zweigen und Aeſtchen, zwiſchen denen die Neſtmulde eingetieft war. Dieſe beſtand aus denſelben, aber etwas feineren Beſtandtheilen und war innen mit Baſtſtricken, Kuh- und Roßhaaren ſorgfältig ausgekleidet. Um den Horſt herum waren alle Felsplatten mit einer ſchneeweißen Kothkruſte über- zogen. Ein zweiter in Griechenland wurde von Simmpſon beſtiegen. Derſelbe war, wie Krüper berichtet, aus ſtarken Zweigen erbaut und mit verſchiedenen Thierhaaren, beſonders ſolchen von Ziegen, ganz durchwebt. Er war flach ausgepolſtert. Auf ihm ſaß ein drei Wochen altes Junges, deſſen Tafel mit Knochen, einem ganzen Eſelsfuße, Schildkröten und dergleichen reich bedeckt war. „Beide Eltern nahten und ſtießen zuweilen ein Pfeifen aus, welches dem eines Hirten nicht unähnlich klang.‟ Später zeigten ſich die Alten noch ängſtlicher, davon aber, daß ſie einen Angriff verſucht hätten, ſagt Krüper kein Wort: — der bewußte Sarde alſo wird wohl auch nicht ſoviel von dem „furchtbaren Räuber‟ zu leiden gehabt haben, wie die darüber umlaufende Erzählung mit einem gewiſſen Behagen berichtet. Von einem dritten Horſte im Himalaya theilt Adams Folgendes mit: „Der Horſt wird im Himalaya immer auf Felſen und unnahbaren Plätzen angelegt. Die Brutzeit fällt in die Monate April und Mai. Jn der Nähe von Simla fand ich einen Horſt mit zwei Jungen in der Höhle einer überhängenden Klippe. Eine reiche Knochenſammlung von Schafen und andern Herden- thieren lag umher. Es waren die Abfälle einer europäiſchen Niederlaſſung, einige Meilen von hier gelegen.‟
Das Gefangenleben der Lämmergeier iſt vielfach beobachtet worden und entſpricht vollſtändig dem Charakterbild, welches man bei Erforſchung des Freilebens unſeres Vogels gewinnt. Mein Bruder erhielt Anfangs März (1857) einen jungen Bartgeier im Jugendkleide, welcher von zwei Hirten aus dem beſchriebenen Horſte genommen und zunächſt einem Fleiſcher zum Auffüttern über- geben, von dieſem aber ſeinem ſpäteren Herrn abgetreten worden war. Die beiden alten Vögel hatten, als man ihnen ihr Junges rauben wollte, die Hirten nahe umkreiſt, ohne jedoch auf ſie zu ſtoßen. Sie hatten ſich auch nach einigen Steinwürfen entfernt und das Geſchrei des Jungen nicht weiter beachtet.
„Als ich dieſen zum erſten Male ſah‟, erzählt mein Bruder, „war er ſehr unbeholfen und ungeſchickt. Er trat noch gar nicht auf die Füße, ſondern ließ ſich, wenn er zum Auftreten gezwungen worden war, ſofort wieder auf ſeine Fußwurzeln nieder, oder legte ſich auch wohl gecadezu auf den Bauch. Die ihm vorgelegten Fleiſchſtückchen ergriff er mit der Spitze des Schnabels, warf ſie dann in die Höhe und fing ſie geſchickt wieder auf, worauf er ſie begierig hinunterſchlang. Knochen behagten ihm jetzt ebenſowenig als ſpäter; er zog ihnen Fleiſch entſchieden vor und ließ die Knochen oft nieder- fallen. Stopfte ich ihm ſolche, welche ſcharfe Ecken oder Kanten hatten, bis in den Kropf hinab, ſo würgte er ſo lange, bis er ſie wieder ausſpie.‟
„Jch ließ ihn noch längere Zeit bei ſeinem erſten Beſitzer, und von dieſem verpflegen, machte ihm aber, da mich mein Beruf als Arzt wöchentlich einmal nach dem Dorfe führte, dann jedesmal meinen Beſuch.‟
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[550/0582]
Die Fänger. Raubvögel. Geier.
Wir haben neuerdings, namentlich von den Pyrenäen, wiederholt Eier des Bartgeiers erhalten.
Sie ſind groß, rundlich und grobkörnig, auf trübweißlichem Grunde mit kleineren und größerer,
zuweilen auch ſehr großen, aſchgrauen oder rothgrauen Schalenflecken und ockergelben, braunrothen
oder rothbraunen Tupfen und Flecken gezeichnet, welche unten oder um die Mitte des Eies dichter
zuſammenſtehen. Der erſte Naturforſcher, welcher einen Horſt des Geieradlers erſtieg, ſcheint mein
Bruder geweſen zu ſein. Der Horſt ſtand auf einem Felſenvorſprunge, welcher durch das etwas
überhängende Geſtein einigermaßen vor den Sonnenſtrahlen geſchützt war, kaum mehr als 50 Ellen
über dem Fuße des letzten Felſenkammes. Er war verhältnißmäßig leicht zu erreichen. Seine Größe
war bedeutend. Der Durchmeſſer des Unterbaues betrug ungefähr 5 Fuß, der Durchmeſſer der etwa
5 Zoll tiefen Neſtmulde 2 Fuß, die Höhe 3 Fuß. Dicke und lange Aeſte, von der Stärke eines
Kinderarmes bis zu der eines Daumens, bildeten den Unterbau, hierauf folgte eine dünne Schicht von
Zweigen und Aeſtchen, zwiſchen denen die Neſtmulde eingetieft war. Dieſe beſtand aus denſelben,
aber etwas feineren Beſtandtheilen und war innen mit Baſtſtricken, Kuh- und Roßhaaren ſorgfältig
ausgekleidet. Um den Horſt herum waren alle Felsplatten mit einer ſchneeweißen Kothkruſte über-
zogen. Ein zweiter in Griechenland wurde von Simmpſon beſtiegen. Derſelbe war, wie Krüper
berichtet, aus ſtarken Zweigen erbaut und mit verſchiedenen Thierhaaren, beſonders ſolchen von Ziegen,
ganz durchwebt. Er war flach ausgepolſtert. Auf ihm ſaß ein drei Wochen altes Junges, deſſen
Tafel mit Knochen, einem ganzen Eſelsfuße, Schildkröten und dergleichen reich bedeckt war. „Beide
Eltern nahten und ſtießen zuweilen ein Pfeifen aus, welches dem eines Hirten nicht unähnlich klang.‟
Später zeigten ſich die Alten noch ängſtlicher, davon aber, daß ſie einen Angriff verſucht hätten, ſagt
Krüper kein Wort: — der bewußte Sarde alſo wird wohl auch nicht ſoviel von dem „furchtbaren
Räuber‟ zu leiden gehabt haben, wie die darüber umlaufende Erzählung mit einem gewiſſen Behagen
berichtet. Von einem dritten Horſte im Himalaya theilt Adams Folgendes mit: „Der Horſt wird
im Himalaya immer auf Felſen und unnahbaren Plätzen angelegt. Die Brutzeit fällt in die
Monate April und Mai. Jn der Nähe von Simla fand ich einen Horſt mit zwei Jungen in der
Höhle einer überhängenden Klippe. Eine reiche Knochenſammlung von Schafen und andern Herden-
thieren lag umher. Es waren die Abfälle einer europäiſchen Niederlaſſung, einige Meilen von
hier gelegen.‟
Das Gefangenleben der Lämmergeier iſt vielfach beobachtet worden und entſpricht vollſtändig
dem Charakterbild, welches man bei Erforſchung des Freilebens unſeres Vogels gewinnt. Mein
Bruder erhielt Anfangs März (1857) einen jungen Bartgeier im Jugendkleide, welcher von zwei
Hirten aus dem beſchriebenen Horſte genommen und zunächſt einem Fleiſcher zum Auffüttern über-
geben, von dieſem aber ſeinem ſpäteren Herrn abgetreten worden war. Die beiden alten Vögel hatten,
als man ihnen ihr Junges rauben wollte, die Hirten nahe umkreiſt, ohne jedoch auf ſie zu ſtoßen.
Sie hatten ſich auch nach einigen Steinwürfen entfernt und das Geſchrei des Jungen nicht
weiter beachtet.
„Als ich dieſen zum erſten Male ſah‟, erzählt mein Bruder, „war er ſehr unbeholfen und
ungeſchickt. Er trat noch gar nicht auf die Füße, ſondern ließ ſich, wenn er zum Auftreten gezwungen
worden war, ſofort wieder auf ſeine Fußwurzeln nieder, oder legte ſich auch wohl gecadezu auf den
Bauch. Die ihm vorgelegten Fleiſchſtückchen ergriff er mit der Spitze des Schnabels, warf ſie dann in
die Höhe und fing ſie geſchickt wieder auf, worauf er ſie begierig hinunterſchlang. Knochen behagten
ihm jetzt ebenſowenig als ſpäter; er zog ihnen Fleiſch entſchieden vor und ließ die Knochen oft nieder-
fallen. Stopfte ich ihm ſolche, welche ſcharfe Ecken oder Kanten hatten, bis in den Kropf hinab, ſo
würgte er ſo lange, bis er ſie wieder ausſpie.‟
„Jch ließ ihn noch längere Zeit bei ſeinem erſten Beſitzer, und von dieſem verpflegen, machte
ihm aber, da mich mein Beruf als Arzt wöchentlich einmal nach dem Dorfe führte, dann jedesmal
meinen Beſuch.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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