Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Hakenbussard. Urubitinga.
sind braunschwarz, die Nackenfedern an ihrer Wurzel weiß, die Rückenfedern aschbläulich schimmernd,
die Federn der Jnnenschenkel durch einige fein punktirte lichte Querstreifen gezeichnet, die dunkel-
bräunlichschwarzen Schwingen mit schwachen aschbläulichen schmalen Querbinden, die Schwanzfedern
an ihrer Wurzel schwarzbraun, in ihrer Mitte reinweiß mit schwarzbraunen Spitzenbinden und einem
schmalen schmuzigweißen Außensaum. Das Auge ist bräunlichgelb, die Wachshaut und die Wurzel
des Unterkiefers sind gelb, der übrige Schnabel ist hornschwarz, der Fuß hellgelb. Der junge Vogel
ist gelb oder gelbbraun, das Rumpfgefieder durch breite schwarzbraune Spitzenflecken gezeichnet; die
Schwingen und Schwanzfedern sind gelb und braun gebändert, mit breiteren Endsäumen.

Unter allen Bussarden scheint der Urubitinga der kühnste und edelste zu sein. Er bewohnt
ausschließlich die Wälder, am liebsten die Waldränder in der Nähe von Pflanzungen oder solche, welche
an Sümpfe stoßen; doch hat ihn der Prinz von Wied auch in offenen Gegenden beobachtet. "Oft
sahen wir ihn", sagt er, "in einer dichtbelaubten Baumkrone sitzen, wo eine Menge verschiedener
Vögel, als Pfefferfresser, Schwarzvögel und andere um ihn her versammelt waren, um ihn
unter lautem Geschrei zu necken. Gewöhnlich erträgt er ruhig diese Schmähungen, fängt sich aber
meistens doch einen oder den andern seiner Verfolger. Die Brasilianer behaupten, daß er besonders
den Affen nachstelle, sowie Dies überhaupt von den Eingebornen allen größeren und stärkeren Raub-
vögeln nachgesagt wird. Jn seinem Magen findet man Ueberreste von kleinen Säugethieren und
Vögeln, von Eidechsen, Schlangen, Schnecken, Heuschrecken und anderen." Nach Tschudi verschmäht
der Urubitinga todte Thiere nicht und sammelt sich zuweilen in großer Anzahl auf denselben. Er
frißt aber nur einmal davon und zwar, wenn das Fleisch noch nicht in Verwesung übergegangen ist;
nachdem er sich gesättigt hat, fliegt er weg und kehrt nicht wieder zu dem Aase zurück: faules Fleisch
berührt er nicht. Kleine Nager scheinen seine Hauptnahrung auszumachen. Er fliegt oft auf den
Boden herab und betreibt hier laufend seine Jagd. Der Flug ist stolz und anhaltend, die Stimme
ein höchst feiner, hoher Laut, welcher oft zweitönig ausgestoßen wird. Beim Aufbäumen wählt er
sich meist die unteren starken Aeste der Baumkronen.

Den Horst hat Schomburgk häufig an Flußufern, immer aber auf unersteiglichen Bäumen
gesehen. Er enthält nach Burmeister zwei längliche, auf weißem Grunde heller und dunkler
rostbraun gefleckte und getüpfelte Eier. Vor dem Menschen nimmt sich der Urubitinga wohl in Acht.
Er ist schwerer zu beschleichen, als die meisten übrigen Raubvögel Brasiliens. Jn der Gefangenschaft
gehört er zu den größten Seltenheiten.



Jn der Südhälfte Amerikas leben Raubvögel, welche in ihrem Wesen ebensoviel von den Falken,
wie von den Geiern an sich haben und deshalb bezeichnend Geierfalken (Polybori) genannt werden.
Sie sind schlank gebaut; ihr Flügel ist verhältnißmäßig kurz, der Schwanz lang und breit, etwas
zugerundet, ihr Lauf hoch und dünn, die Zehen sind mittellang und schwach, die Krallen wenig
gebogen, an der Spitze aber schlank zugespitzt; der Schnabel ist verhältnißmäßig lang, am Grunde
grade, an der Spitze schwach gebogen mit kurzem Haken und geraden Schneiden. Das Gefieder ist
hart; die Federn sind groß, die des Kopfes zugespitzt, aber nicht besonders verschmälert. Die Zügel
bleiben regelmäßig, die Kehle und Vorderstirn ausnahmsweise nackt. Das Auge wird von starken
Wimpern umgeben.

Ueber Heimat, Aufenthalt, Lebensweise und Betragen dieser merkwürdigen Vögel liegen zahl-
reiche und sehr ausführliche Beobachtungen vor. Wir verdanken namentlich dem Prinzen von Wied,
d'Orbiguy, Darwin, Schomburgk, Tschudi, Audubon
und Burmeister eingehendere
Schilderungen der Geierfalken, "welche", wie Darwin sagt, "durch ihre Zahl, geringe Scheu und

Hakenbuſſard. Urubitinga.
ſind braunſchwarz, die Nackenfedern an ihrer Wurzel weiß, die Rückenfedern aſchbläulich ſchimmernd,
die Federn der Jnnenſchenkel durch einige fein punktirte lichte Querſtreifen gezeichnet, die dunkel-
bräunlichſchwarzen Schwingen mit ſchwachen aſchbläulichen ſchmalen Querbinden, die Schwanzfedern
an ihrer Wurzel ſchwarzbraun, in ihrer Mitte reinweiß mit ſchwarzbraunen Spitzenbinden und einem
ſchmalen ſchmuzigweißen Außenſaum. Das Auge iſt bräunlichgelb, die Wachshaut und die Wurzel
des Unterkiefers ſind gelb, der übrige Schnabel iſt hornſchwarz, der Fuß hellgelb. Der junge Vogel
iſt gelb oder gelbbraun, das Rumpfgefieder durch breite ſchwarzbraune Spitzenflecken gezeichnet; die
Schwingen und Schwanzfedern ſind gelb und braun gebändert, mit breiteren Endſäumen.

Unter allen Buſſarden ſcheint der Urubitinga der kühnſte und edelſte zu ſein. Er bewohnt
ausſchließlich die Wälder, am liebſten die Waldränder in der Nähe von Pflanzungen oder ſolche, welche
an Sümpfe ſtoßen; doch hat ihn der Prinz von Wied auch in offenen Gegenden beobachtet. „Oft
ſahen wir ihn‟, ſagt er, „in einer dichtbelaubten Baumkrone ſitzen, wo eine Menge verſchiedener
Vögel, als Pfefferfreſſer, Schwarzvögel und andere um ihn her verſammelt waren, um ihn
unter lautem Geſchrei zu necken. Gewöhnlich erträgt er ruhig dieſe Schmähungen, fängt ſich aber
meiſtens doch einen oder den andern ſeiner Verfolger. Die Braſilianer behaupten, daß er beſonders
den Affen nachſtelle, ſowie Dies überhaupt von den Eingebornen allen größeren und ſtärkeren Raub-
vögeln nachgeſagt wird. Jn ſeinem Magen findet man Ueberreſte von kleinen Säugethieren und
Vögeln, von Eidechſen, Schlangen, Schnecken, Heuſchrecken und anderen.‟ Nach Tſchudi verſchmäht
der Urubitinga todte Thiere nicht und ſammelt ſich zuweilen in großer Anzahl auf denſelben. Er
frißt aber nur einmal davon und zwar, wenn das Fleiſch noch nicht in Verweſung übergegangen iſt;
nachdem er ſich geſättigt hat, fliegt er weg und kehrt nicht wieder zu dem Aaſe zurück: faules Fleiſch
berührt er nicht. Kleine Nager ſcheinen ſeine Hauptnahrung auszumachen. Er fliegt oft auf den
Boden herab und betreibt hier laufend ſeine Jagd. Der Flug iſt ſtolz und anhaltend, die Stimme
ein höchſt feiner, hoher Laut, welcher oft zweitönig ausgeſtoßen wird. Beim Aufbäumen wählt er
ſich meiſt die unteren ſtarken Aeſte der Baumkronen.

Den Horſt hat Schomburgk häufig an Flußufern, immer aber auf unerſteiglichen Bäumen
geſehen. Er enthält nach Burmeiſter zwei längliche, auf weißem Grunde heller und dunkler
roſtbraun gefleckte und getüpfelte Eier. Vor dem Menſchen nimmt ſich der Urubitinga wohl in Acht.
Er iſt ſchwerer zu beſchleichen, als die meiſten übrigen Raubvögel Braſiliens. Jn der Gefangenſchaft
gehört er zu den größten Seltenheiten.



Jn der Südhälfte Amerikas leben Raubvögel, welche in ihrem Weſen ebenſoviel von den Falken,
wie von den Geiern an ſich haben und deshalb bezeichnend Geierfalken (Polybori) genannt werden.
Sie ſind ſchlank gebaut; ihr Flügel iſt verhältnißmäßig kurz, der Schwanz lang und breit, etwas
zugerundet, ihr Lauf hoch und dünn, die Zehen ſind mittellang und ſchwach, die Krallen wenig
gebogen, an der Spitze aber ſchlank zugeſpitzt; der Schnabel iſt verhältnißmäßig lang, am Grunde
grade, an der Spitze ſchwach gebogen mit kurzem Haken und geraden Schneiden. Das Gefieder iſt
hart; die Federn ſind groß, die des Kopfes zugeſpitzt, aber nicht beſonders verſchmälert. Die Zügel
bleiben regelmäßig, die Kehle und Vorderſtirn ausnahmsweiſe nackt. Das Auge wird von ſtarken
Wimpern umgeben.

Ueber Heimat, Aufenthalt, Lebensweiſe und Betragen dieſer merkwürdigen Vögel liegen zahl-
reiche und ſehr ausführliche Beobachtungen vor. Wir verdanken namentlich dem Prinzen von Wied,
d’Orbiguy, Darwin, Schomburgk, Tſchudi, Audubon
und Burmeiſter eingehendere
Schilderungen der Geierfalken, „welche‟, wie Darwin ſagt, „durch ihre Zahl, geringe Scheu und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0553" n="521"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hakenbu&#x017F;&#x017F;ard. Urubitinga.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ind braun&#x017F;chwarz, die Nackenfedern an ihrer Wurzel weiß, die Rückenfedern a&#x017F;chbläulich &#x017F;chimmernd,<lb/>
die Federn der Jnnen&#x017F;chenkel durch einige fein punktirte lichte Quer&#x017F;treifen gezeichnet, die dunkel-<lb/>
bräunlich&#x017F;chwarzen Schwingen mit &#x017F;chwachen a&#x017F;chbläulichen &#x017F;chmalen Querbinden, die Schwanzfedern<lb/>
an ihrer Wurzel &#x017F;chwarzbraun, in ihrer Mitte reinweiß mit &#x017F;chwarzbraunen Spitzenbinden und einem<lb/>
&#x017F;chmalen &#x017F;chmuzigweißen Außen&#x017F;aum. Das Auge i&#x017F;t bräunlichgelb, die Wachshaut und die Wurzel<lb/>
des Unterkiefers &#x017F;ind gelb, der übrige Schnabel i&#x017F;t horn&#x017F;chwarz, der Fuß hellgelb. Der junge Vogel<lb/>
i&#x017F;t gelb oder gelbbraun, das Rumpfgefieder durch breite &#x017F;chwarzbraune Spitzenflecken gezeichnet; die<lb/>
Schwingen und Schwanzfedern &#x017F;ind gelb und braun gebändert, mit breiteren End&#x017F;äumen.</p><lb/>
          <p>Unter allen Bu&#x017F;&#x017F;arden &#x017F;cheint der Urubitinga der kühn&#x017F;te und edel&#x017F;te zu &#x017F;ein. Er bewohnt<lb/>
aus&#x017F;chließlich die Wälder, am lieb&#x017F;ten die Waldränder in der Nähe von Pflanzungen oder &#x017F;olche, welche<lb/>
an Sümpfe &#x017F;toßen; doch hat ihn der <hi rendition="#g">Prinz von Wied</hi> auch in offenen Gegenden beobachtet. &#x201E;Oft<lb/>
&#x017F;ahen wir ihn&#x201F;, &#x017F;agt er, &#x201E;in einer dichtbelaubten Baumkrone &#x017F;itzen, wo eine Menge ver&#x017F;chiedener<lb/>
Vögel, als <hi rendition="#g">Pfefferfre&#x017F;&#x017F;er, Schwarzvögel</hi> und andere um ihn her ver&#x017F;ammelt waren, um ihn<lb/>
unter lautem Ge&#x017F;chrei zu necken. Gewöhnlich erträgt er ruhig die&#x017F;e Schmähungen, fängt &#x017F;ich aber<lb/>
mei&#x017F;tens doch einen oder den andern &#x017F;einer Verfolger. Die Bra&#x017F;ilianer behaupten, daß er be&#x017F;onders<lb/>
den <hi rendition="#g">Affen</hi> nach&#x017F;telle, &#x017F;owie Dies überhaupt von den Eingebornen allen größeren und &#x017F;tärkeren Raub-<lb/>
vögeln nachge&#x017F;agt wird. Jn &#x017F;einem Magen findet man Ueberre&#x017F;te von kleinen Säugethieren und<lb/>
Vögeln, von Eidech&#x017F;en, Schlangen, Schnecken, Heu&#x017F;chrecken und anderen.&#x201F; Nach <hi rendition="#g">T&#x017F;chudi</hi> ver&#x017F;chmäht<lb/>
der Urubitinga todte Thiere nicht und &#x017F;ammelt &#x017F;ich zuweilen in großer Anzahl auf den&#x017F;elben. Er<lb/>
frißt aber nur einmal davon und zwar, wenn das Flei&#x017F;ch noch nicht in Verwe&#x017F;ung übergegangen i&#x017F;t;<lb/>
nachdem er &#x017F;ich ge&#x017F;ättigt hat, fliegt er weg und kehrt nicht wieder zu dem Aa&#x017F;e zurück: faules Flei&#x017F;ch<lb/>
berührt er nicht. Kleine Nager &#x017F;cheinen &#x017F;eine Hauptnahrung auszumachen. Er fliegt oft auf den<lb/>
Boden herab und betreibt hier laufend &#x017F;eine Jagd. Der Flug i&#x017F;t &#x017F;tolz und anhaltend, die Stimme<lb/>
ein höch&#x017F;t feiner, hoher Laut, welcher oft zweitönig ausge&#x017F;toßen wird. Beim Aufbäumen wählt er<lb/>
&#x017F;ich mei&#x017F;t die unteren &#x017F;tarken Ae&#x017F;te der Baumkronen.</p><lb/>
          <p>Den Hor&#x017F;t hat <hi rendition="#g">Schomburgk</hi> häufig an Flußufern, immer aber auf uner&#x017F;teiglichen Bäumen<lb/>
ge&#x017F;ehen. Er enthält nach <hi rendition="#g">Burmei&#x017F;ter</hi> zwei längliche, auf weißem Grunde heller und dunkler<lb/>
ro&#x017F;tbraun gefleckte und getüpfelte Eier. Vor dem Men&#x017F;chen nimmt &#x017F;ich der Urubitinga wohl in Acht.<lb/>
Er i&#x017F;t &#x017F;chwerer zu be&#x017F;chleichen, als die mei&#x017F;ten übrigen Raubvögel Bra&#x017F;iliens. Jn der Gefangen&#x017F;chaft<lb/>
gehört er zu den größten Seltenheiten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jn der Südhälfte Amerikas leben Raubvögel, welche in ihrem We&#x017F;en eben&#x017F;oviel von den Falken,<lb/>
wie von den Geiern an &#x017F;ich haben und deshalb bezeichnend <hi rendition="#g">Geierfalken</hi> (<hi rendition="#aq">Polybori</hi>) genannt werden.<lb/>
Sie &#x017F;ind &#x017F;chlank gebaut; ihr Flügel i&#x017F;t verhältnißmäßig kurz, der Schwanz lang und breit, etwas<lb/>
zugerundet, ihr Lauf hoch und dünn, die Zehen &#x017F;ind mittellang und &#x017F;chwach, die Krallen wenig<lb/>
gebogen, an der Spitze aber &#x017F;chlank zuge&#x017F;pitzt; der Schnabel i&#x017F;t verhältnißmäßig lang, am Grunde<lb/>
grade, an der Spitze &#x017F;chwach gebogen mit kurzem Haken und geraden Schneiden. Das Gefieder i&#x017F;t<lb/>
hart; die Federn &#x017F;ind groß, die des Kopfes zuge&#x017F;pitzt, aber nicht be&#x017F;onders ver&#x017F;chmälert. Die Zügel<lb/>
bleiben regelmäßig, die Kehle und Vorder&#x017F;tirn ausnahmswei&#x017F;e nackt. Das Auge wird von &#x017F;tarken<lb/>
Wimpern umgeben.</p><lb/>
          <p>Ueber Heimat, Aufenthalt, Lebenswei&#x017F;e und Betragen die&#x017F;er merkwürdigen Vögel liegen zahl-<lb/>
reiche und &#x017F;ehr ausführliche Beobachtungen vor. Wir verdanken namentlich dem <hi rendition="#g">Prinzen von Wied,<lb/>
d&#x2019;Orbiguy, Darwin, Schomburgk, T&#x017F;chudi, Audubon</hi> und <hi rendition="#g">Burmei&#x017F;ter</hi> eingehendere<lb/>
Schilderungen der Geierfalken, &#x201E;welche&#x201F;, wie <hi rendition="#g">Darwin</hi> &#x017F;agt, &#x201E;durch ihre Zahl, geringe Scheu und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0553] Hakenbuſſard. Urubitinga. ſind braunſchwarz, die Nackenfedern an ihrer Wurzel weiß, die Rückenfedern aſchbläulich ſchimmernd, die Federn der Jnnenſchenkel durch einige fein punktirte lichte Querſtreifen gezeichnet, die dunkel- bräunlichſchwarzen Schwingen mit ſchwachen aſchbläulichen ſchmalen Querbinden, die Schwanzfedern an ihrer Wurzel ſchwarzbraun, in ihrer Mitte reinweiß mit ſchwarzbraunen Spitzenbinden und einem ſchmalen ſchmuzigweißen Außenſaum. Das Auge iſt bräunlichgelb, die Wachshaut und die Wurzel des Unterkiefers ſind gelb, der übrige Schnabel iſt hornſchwarz, der Fuß hellgelb. Der junge Vogel iſt gelb oder gelbbraun, das Rumpfgefieder durch breite ſchwarzbraune Spitzenflecken gezeichnet; die Schwingen und Schwanzfedern ſind gelb und braun gebändert, mit breiteren Endſäumen. Unter allen Buſſarden ſcheint der Urubitinga der kühnſte und edelſte zu ſein. Er bewohnt ausſchließlich die Wälder, am liebſten die Waldränder in der Nähe von Pflanzungen oder ſolche, welche an Sümpfe ſtoßen; doch hat ihn der Prinz von Wied auch in offenen Gegenden beobachtet. „Oft ſahen wir ihn‟, ſagt er, „in einer dichtbelaubten Baumkrone ſitzen, wo eine Menge verſchiedener Vögel, als Pfefferfreſſer, Schwarzvögel und andere um ihn her verſammelt waren, um ihn unter lautem Geſchrei zu necken. Gewöhnlich erträgt er ruhig dieſe Schmähungen, fängt ſich aber meiſtens doch einen oder den andern ſeiner Verfolger. Die Braſilianer behaupten, daß er beſonders den Affen nachſtelle, ſowie Dies überhaupt von den Eingebornen allen größeren und ſtärkeren Raub- vögeln nachgeſagt wird. Jn ſeinem Magen findet man Ueberreſte von kleinen Säugethieren und Vögeln, von Eidechſen, Schlangen, Schnecken, Heuſchrecken und anderen.‟ Nach Tſchudi verſchmäht der Urubitinga todte Thiere nicht und ſammelt ſich zuweilen in großer Anzahl auf denſelben. Er frißt aber nur einmal davon und zwar, wenn das Fleiſch noch nicht in Verweſung übergegangen iſt; nachdem er ſich geſättigt hat, fliegt er weg und kehrt nicht wieder zu dem Aaſe zurück: faules Fleiſch berührt er nicht. Kleine Nager ſcheinen ſeine Hauptnahrung auszumachen. Er fliegt oft auf den Boden herab und betreibt hier laufend ſeine Jagd. Der Flug iſt ſtolz und anhaltend, die Stimme ein höchſt feiner, hoher Laut, welcher oft zweitönig ausgeſtoßen wird. Beim Aufbäumen wählt er ſich meiſt die unteren ſtarken Aeſte der Baumkronen. Den Horſt hat Schomburgk häufig an Flußufern, immer aber auf unerſteiglichen Bäumen geſehen. Er enthält nach Burmeiſter zwei längliche, auf weißem Grunde heller und dunkler roſtbraun gefleckte und getüpfelte Eier. Vor dem Menſchen nimmt ſich der Urubitinga wohl in Acht. Er iſt ſchwerer zu beſchleichen, als die meiſten übrigen Raubvögel Braſiliens. Jn der Gefangenſchaft gehört er zu den größten Seltenheiten. Jn der Südhälfte Amerikas leben Raubvögel, welche in ihrem Weſen ebenſoviel von den Falken, wie von den Geiern an ſich haben und deshalb bezeichnend Geierfalken (Polybori) genannt werden. Sie ſind ſchlank gebaut; ihr Flügel iſt verhältnißmäßig kurz, der Schwanz lang und breit, etwas zugerundet, ihr Lauf hoch und dünn, die Zehen ſind mittellang und ſchwach, die Krallen wenig gebogen, an der Spitze aber ſchlank zugeſpitzt; der Schnabel iſt verhältnißmäßig lang, am Grunde grade, an der Spitze ſchwach gebogen mit kurzem Haken und geraden Schneiden. Das Gefieder iſt hart; die Federn ſind groß, die des Kopfes zugeſpitzt, aber nicht beſonders verſchmälert. Die Zügel bleiben regelmäßig, die Kehle und Vorderſtirn ausnahmsweiſe nackt. Das Auge wird von ſtarken Wimpern umgeben. Ueber Heimat, Aufenthalt, Lebensweiſe und Betragen dieſer merkwürdigen Vögel liegen zahl- reiche und ſehr ausführliche Beobachtungen vor. Wir verdanken namentlich dem Prinzen von Wied, d’Orbiguy, Darwin, Schomburgk, Tſchudi, Audubon und Burmeiſter eingehendere Schilderungen der Geierfalken, „welche‟, wie Darwin ſagt, „durch ihre Zahl, geringe Scheu und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/553
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/553>, abgerufen am 22.11.2024.