Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
ihn ein zu schwerer Fisch mit sich in die Tiefe zieht und ertränkt. An den ihm abgejagten Fischen hat
man beobachtet, daß er stets zwei Zehen auf der einen, zwei Zehen auf der andern Seite des Rückens
einschlägt. Die gefangene Beute erhebt er, falls er sie mit Leichtigkeit tragen kann, und schleppt sie
weit mit sich fort, am liebsten dem Walde zu, um sie hier mit aller Sicherheit zu verspeisen.
Schwerere Fische schleift er wenigstens bis an das Ufer.

Von dieser Jagdweise, welche ein sehr schönes Schauspiel gewährt, macht er nur dann eine Aus-
nahme, wenn er in den Morgenstunden einen Aal auf festem Lande erspäht. Eines solchen bemächtigt
er sich ohne weitere Kunstgriffe. Von der glücklich gefangenen Beute verzehrt er nur die besten Stücken,
alles Uebrige läßt er liegen; von den Schuppen verschlingt er einige, die Eingeweide aber scheint er
zu verschmähen.

Alle Schwimmvögel kennen den Flußadler so genau, daß sie sich nicht im Geringsten vor ihm
fürchten. Sie betrachten ihn gewissermaßen als Jhresgleichen und dulden ihn deshalb ohne
Bedenken in ihrer Nähe. Am Mensalehsee in Egypten, wo allwinterlich Hunderte von Fischadlern
Herberge nehmen und ein sehr bequemes Leben führen, habe ich wiederholt gesehen, daß sie mitten
unter den Enten saßen, ohne von ihnen auch nur beachtet zu werden. Dagegen hat der Fischadler von
andern Raubvögeln viel auszustehen. Bei uns verfolgen ihn die Krähen, die Schwalben und
die Bachstelzen wohl mehr in der Absicht, um ihn zu necken, als um ihm zu schaden; da aber, wo
Seeadler leben, muß er oft für diese arbeiten, und namentlich der weißköpfige Amerikaner soll in
beständigem Kriege mit ihm liegen, sich auf ihn stürzen sobald er eine Beute erhoben hat und ihn so
lange peinigen, bis er diese ihm zuwirft. Auch die Schmarotzermilane jagen ihm oft den glücklich
gefangenen Fisch wieder ab.

Jn Deutschland wird der Fischadler mit vollem Rechte unablässig verfolgt. Nächst dem Fischotter
ist er der größte Feind aller Fischereibesitzer, denen er sehr empfindlichen Schaden zufügt. Jn Nord-
amerika hingegen wird er in gewissen Gegenden geschont, weil ein sonderbarer Aberglaube demjenigen
Landmann, in dessen Gebiete ein Fischadlerpaar haust, Glück verspricht. Die Jagd hat ihre Schwie-
rigkeiten, weil der Vogel stets sehr vorsichtig ist, und auch der Fang ist nicht leicht. Er gelingt eigentlich
nur, wenn man ein Tellereisen, welches mit einem Fisch gelödert wurde, unter Wasser aufstellt. Auf
diese Weise werden in Norddeutschland alljährlich mehrere Fischadler gefangen, und solche sind es,
welche dann günstigsten Falls lebend in die Hände von Liebhabern kommen. Doch gehört ein Flußadler
im Käfig überall zu den größten Seltenheiten. Der hamburger Thiergarten besaß einen über ein
Vierteljahr lang. Er war ein langweiliger Vogel, welcher im Käfig niemals eingewöhnte, den
ganzen Tag über ruhig auf seiner Stange saß, seinen Wärter nicht zu beachten schien und auch sonst
durchaus Nichts zeigte, was mir einer besondern Erwähnung werth dünkt. Obgleich er mit guten
Fischen reichlich versehen wurde, welkte er doch in auffallend kurzer Zeit dahin, magerte mehr und mehr
ab und lag eines Morgens todt in seinem Käfig, ohne daß wir den Grund seines Hinscheidens zu
erkennen vermochten.



Die Weihen (Milvi) bilden eine arteureiche Falkenfamilie, welche in allen Erdtheilen vertreten
ist und sich durch Manchfaltigkeit der Gestalt auszeichnet. Es hält schwer, für die Gesammtheit
allgemein giltige Kennzeichen aufzustellen, weil große Unterschiede im Leibesbau bemerklich werden;
doch finden sich so viele Uebergangsglieder zwischen den verschiedenen Arten, daß deren Zusammen-
gehörigkeit kaum in Frage gestellt werden darf.

Die Weihen sind meist gestreckt gebaut; der Hals ist kurz, der Kopf klein oder mittelgroß, der
Flügel regelmäßig lang, mehr oder minder schmal und immer spitzig, der Schwanz ausnahmsweise
sehr kurz, häufiger mittellang, gewöhnlich sehr lang und bei vielen tief gegabelt, der Fuß entweder
lang und schwach oder kurz und derb, stets aber kurzzehig. Der Schnabel ist regelmäßig schwach,

Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
ihn ein zu ſchwerer Fiſch mit ſich in die Tiefe zieht und ertränkt. An den ihm abgejagten Fiſchen hat
man beobachtet, daß er ſtets zwei Zehen auf der einen, zwei Zehen auf der andern Seite des Rückens
einſchlägt. Die gefangene Beute erhebt er, falls er ſie mit Leichtigkeit tragen kann, und ſchleppt ſie
weit mit ſich fort, am liebſten dem Walde zu, um ſie hier mit aller Sicherheit zu verſpeiſen.
Schwerere Fiſche ſchleift er wenigſtens bis an das Ufer.

Von dieſer Jagdweiſe, welche ein ſehr ſchönes Schauſpiel gewährt, macht er nur dann eine Aus-
nahme, wenn er in den Morgenſtunden einen Aal auf feſtem Lande erſpäht. Eines ſolchen bemächtigt
er ſich ohne weitere Kunſtgriffe. Von der glücklich gefangenen Beute verzehrt er nur die beſten Stücken,
alles Uebrige läßt er liegen; von den Schuppen verſchlingt er einige, die Eingeweide aber ſcheint er
zu verſchmähen.

Alle Schwimmvögel kennen den Flußadler ſo genau, daß ſie ſich nicht im Geringſten vor ihm
fürchten. Sie betrachten ihn gewiſſermaßen als Jhresgleichen und dulden ihn deshalb ohne
Bedenken in ihrer Nähe. Am Menſalehſee in Egypten, wo allwinterlich Hunderte von Fiſchadlern
Herberge nehmen und ein ſehr bequemes Leben führen, habe ich wiederholt geſehen, daß ſie mitten
unter den Enten ſaßen, ohne von ihnen auch nur beachtet zu werden. Dagegen hat der Fiſchadler von
andern Raubvögeln viel auszuſtehen. Bei uns verfolgen ihn die Krähen, die Schwalben und
die Bachſtelzen wohl mehr in der Abſicht, um ihn zu necken, als um ihm zu ſchaden; da aber, wo
Seeadler leben, muß er oft für dieſe arbeiten, und namentlich der weißköpfige Amerikaner ſoll in
beſtändigem Kriege mit ihm liegen, ſich auf ihn ſtürzen ſobald er eine Beute erhoben hat und ihn ſo
lange peinigen, bis er dieſe ihm zuwirft. Auch die Schmarotzermilane jagen ihm oft den glücklich
gefangenen Fiſch wieder ab.

Jn Deutſchland wird der Fiſchadler mit vollem Rechte unabläſſig verfolgt. Nächſt dem Fiſchotter
iſt er der größte Feind aller Fiſchereibeſitzer, denen er ſehr empfindlichen Schaden zufügt. Jn Nord-
amerika hingegen wird er in gewiſſen Gegenden geſchont, weil ein ſonderbarer Aberglaube demjenigen
Landmann, in deſſen Gebiete ein Fiſchadlerpaar hauſt, Glück verſpricht. Die Jagd hat ihre Schwie-
rigkeiten, weil der Vogel ſtets ſehr vorſichtig iſt, und auch der Fang iſt nicht leicht. Er gelingt eigentlich
nur, wenn man ein Tellereiſen, welches mit einem Fiſch gelödert wurde, unter Waſſer aufſtellt. Auf
dieſe Weiſe werden in Norddeutſchland alljährlich mehrere Fiſchadler gefangen, und ſolche ſind es,
welche dann günſtigſten Falls lebend in die Hände von Liebhabern kommen. Doch gehört ein Flußadler
im Käfig überall zu den größten Seltenheiten. Der hamburger Thiergarten beſaß einen über ein
Vierteljahr lang. Er war ein langweiliger Vogel, welcher im Käfig niemals eingewöhnte, den
ganzen Tag über ruhig auf ſeiner Stange ſaß, ſeinen Wärter nicht zu beachten ſchien und auch ſonſt
durchaus Nichts zeigte, was mir einer beſondern Erwähnung werth dünkt. Obgleich er mit guten
Fiſchen reichlich verſehen wurde, welkte er doch in auffallend kurzer Zeit dahin, magerte mehr und mehr
ab und lag eines Morgens todt in ſeinem Käfig, ohne daß wir den Grund ſeines Hinſcheidens zu
erkennen vermochten.



Die Weihen (Milvi) bilden eine arteureiche Falkenfamilie, welche in allen Erdtheilen vertreten
iſt und ſich durch Manchfaltigkeit der Geſtalt auszeichnet. Es hält ſchwer, für die Geſammtheit
allgemein giltige Kennzeichen aufzuſtellen, weil große Unterſchiede im Leibesbau bemerklich werden;
doch finden ſich ſo viele Uebergangsglieder zwiſchen den verſchiedenen Arten, daß deren Zuſammen-
gehörigkeit kaum in Frage geſtellt werden darf.

Die Weihen ſind meiſt geſtreckt gebaut; der Hals iſt kurz, der Kopf klein oder mittelgroß, der
Flügel regelmäßig lang, mehr oder minder ſchmal und immer ſpitzig, der Schwanz ausnahmsweiſe
ſehr kurz, häufiger mittellang, gewöhnlich ſehr lang und bei vielen tief gegabelt, der Fuß entweder
lang und ſchwach oder kurz und derb, ſtets aber kurzzehig. Der Schnabel iſt regelmäßig ſchwach,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0514" n="482"/><fw place="top" type="header">Die Fänger. Raubvögel. Weihen.</fw><lb/>
ihn ein zu &#x017F;chwerer Fi&#x017F;ch mit &#x017F;ich in die Tiefe zieht und ertränkt. An den ihm abgejagten Fi&#x017F;chen hat<lb/>
man beobachtet, daß er &#x017F;tets zwei Zehen auf der einen, zwei Zehen auf der andern Seite des Rückens<lb/>
ein&#x017F;chlägt. Die gefangene Beute erhebt er, falls er &#x017F;ie mit Leichtigkeit tragen kann, und &#x017F;chleppt &#x017F;ie<lb/>
weit mit &#x017F;ich fort, am lieb&#x017F;ten dem Walde zu, um &#x017F;ie hier mit aller Sicherheit zu ver&#x017F;pei&#x017F;en.<lb/>
Schwerere Fi&#x017F;che &#x017F;chleift er wenig&#x017F;tens bis an das Ufer.</p><lb/>
          <p>Von die&#x017F;er Jagdwei&#x017F;e, welche ein &#x017F;ehr &#x017F;chönes Schau&#x017F;piel gewährt, macht er nur dann eine Aus-<lb/>
nahme, wenn er in den Morgen&#x017F;tunden einen Aal auf fe&#x017F;tem Lande er&#x017F;päht. Eines &#x017F;olchen bemächtigt<lb/>
er &#x017F;ich ohne weitere Kun&#x017F;tgriffe. Von der glücklich gefangenen Beute verzehrt er nur die be&#x017F;ten Stücken,<lb/>
alles Uebrige läßt er liegen; von den Schuppen ver&#x017F;chlingt er einige, die Eingeweide aber &#x017F;cheint er<lb/>
zu ver&#x017F;chmähen.</p><lb/>
          <p>Alle Schwimmvögel kennen den Flußadler &#x017F;o genau, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht im Gering&#x017F;ten vor ihm<lb/>
fürchten. Sie betrachten ihn gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen als Jhresgleichen und dulden ihn deshalb ohne<lb/>
Bedenken in ihrer Nähe. Am Men&#x017F;aleh&#x017F;ee in Egypten, wo allwinterlich Hunderte von Fi&#x017F;chadlern<lb/>
Herberge nehmen und ein &#x017F;ehr bequemes Leben führen, habe ich wiederholt ge&#x017F;ehen, daß &#x017F;ie mitten<lb/>
unter den Enten &#x017F;aßen, ohne von ihnen auch nur beachtet zu werden. Dagegen hat der Fi&#x017F;chadler von<lb/>
andern Raubvögeln viel auszu&#x017F;tehen. Bei uns verfolgen ihn die Krähen, die Schwalben und<lb/>
die Bach&#x017F;telzen wohl mehr in der Ab&#x017F;icht, um ihn zu necken, als um ihm zu &#x017F;chaden; da aber, wo<lb/>
Seeadler leben, muß er oft für die&#x017F;e arbeiten, und namentlich der weißköpfige Amerikaner &#x017F;oll in<lb/>
be&#x017F;tändigem Kriege mit ihm liegen, &#x017F;ich auf ihn &#x017F;türzen &#x017F;obald er eine Beute erhoben hat und ihn &#x017F;o<lb/>
lange peinigen, bis er die&#x017F;e ihm zuwirft. Auch die Schmarotzermilane jagen ihm oft den glücklich<lb/>
gefangenen Fi&#x017F;ch wieder ab.</p><lb/>
          <p>Jn Deut&#x017F;chland wird der Fi&#x017F;chadler mit vollem Rechte unablä&#x017F;&#x017F;ig verfolgt. Näch&#x017F;t dem Fi&#x017F;chotter<lb/>
i&#x017F;t er der größte Feind aller Fi&#x017F;chereibe&#x017F;itzer, denen er &#x017F;ehr empfindlichen Schaden zufügt. Jn Nord-<lb/>
amerika hingegen wird er in gewi&#x017F;&#x017F;en Gegenden ge&#x017F;chont, weil ein &#x017F;onderbarer Aberglaube demjenigen<lb/>
Landmann, in de&#x017F;&#x017F;en Gebiete ein Fi&#x017F;chadlerpaar hau&#x017F;t, Glück ver&#x017F;pricht. Die Jagd hat ihre Schwie-<lb/>
rigkeiten, weil der Vogel &#x017F;tets &#x017F;ehr vor&#x017F;ichtig i&#x017F;t, und auch der Fang i&#x017F;t nicht leicht. Er gelingt eigentlich<lb/>
nur, wenn man ein Tellerei&#x017F;en, welches mit einem Fi&#x017F;ch gelödert wurde, unter Wa&#x017F;&#x017F;er auf&#x017F;tellt. Auf<lb/>
die&#x017F;e Wei&#x017F;e werden in Norddeut&#x017F;chland alljährlich mehrere Fi&#x017F;chadler gefangen, und &#x017F;olche &#x017F;ind es,<lb/>
welche dann gün&#x017F;tig&#x017F;ten Falls lebend in die Hände von Liebhabern kommen. Doch gehört ein Flußadler<lb/>
im Käfig überall zu den größten Seltenheiten. Der hamburger Thiergarten be&#x017F;aß einen über ein<lb/>
Vierteljahr lang. Er war ein langweiliger Vogel, welcher im Käfig niemals eingewöhnte, den<lb/>
ganzen Tag über ruhig auf &#x017F;einer Stange &#x017F;aß, &#x017F;einen Wärter nicht zu beachten &#x017F;chien und auch &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
durchaus Nichts zeigte, was mir einer be&#x017F;ondern Erwähnung werth dünkt. Obgleich er mit guten<lb/>
Fi&#x017F;chen reichlich ver&#x017F;ehen wurde, welkte er doch in auffallend kurzer Zeit dahin, magerte mehr und mehr<lb/>
ab und lag eines Morgens todt in &#x017F;einem Käfig, ohne daß wir den Grund &#x017F;eines Hin&#x017F;cheidens zu<lb/>
erkennen vermochten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Weihen</hi> (<hi rendition="#aq">Milvi</hi>) bilden eine arteureiche Falkenfamilie, welche in allen Erdtheilen vertreten<lb/>
i&#x017F;t und &#x017F;ich durch Manchfaltigkeit der Ge&#x017F;talt auszeichnet. Es hält &#x017F;chwer, für die Ge&#x017F;ammtheit<lb/>
allgemein giltige Kennzeichen aufzu&#x017F;tellen, weil große Unter&#x017F;chiede im Leibesbau bemerklich werden;<lb/>
doch finden &#x017F;ich &#x017F;o viele Uebergangsglieder zwi&#x017F;chen den ver&#x017F;chiedenen Arten, daß deren Zu&#x017F;ammen-<lb/>
gehörigkeit kaum in Frage ge&#x017F;tellt werden darf.</p><lb/>
          <p>Die Weihen &#x017F;ind mei&#x017F;t ge&#x017F;treckt gebaut; der Hals i&#x017F;t kurz, der Kopf klein oder mittelgroß, der<lb/>
Flügel regelmäßig lang, mehr oder minder &#x017F;chmal und immer &#x017F;pitzig, der Schwanz ausnahmswei&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ehr kurz, häufiger mittellang, gewöhnlich &#x017F;ehr lang und bei vielen tief gegabelt, der Fuß entweder<lb/>
lang und &#x017F;chwach oder kurz und derb, &#x017F;tets aber kurzzehig. Der Schnabel i&#x017F;t regelmäßig &#x017F;chwach,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[482/0514] Die Fänger. Raubvögel. Weihen. ihn ein zu ſchwerer Fiſch mit ſich in die Tiefe zieht und ertränkt. An den ihm abgejagten Fiſchen hat man beobachtet, daß er ſtets zwei Zehen auf der einen, zwei Zehen auf der andern Seite des Rückens einſchlägt. Die gefangene Beute erhebt er, falls er ſie mit Leichtigkeit tragen kann, und ſchleppt ſie weit mit ſich fort, am liebſten dem Walde zu, um ſie hier mit aller Sicherheit zu verſpeiſen. Schwerere Fiſche ſchleift er wenigſtens bis an das Ufer. Von dieſer Jagdweiſe, welche ein ſehr ſchönes Schauſpiel gewährt, macht er nur dann eine Aus- nahme, wenn er in den Morgenſtunden einen Aal auf feſtem Lande erſpäht. Eines ſolchen bemächtigt er ſich ohne weitere Kunſtgriffe. Von der glücklich gefangenen Beute verzehrt er nur die beſten Stücken, alles Uebrige läßt er liegen; von den Schuppen verſchlingt er einige, die Eingeweide aber ſcheint er zu verſchmähen. Alle Schwimmvögel kennen den Flußadler ſo genau, daß ſie ſich nicht im Geringſten vor ihm fürchten. Sie betrachten ihn gewiſſermaßen als Jhresgleichen und dulden ihn deshalb ohne Bedenken in ihrer Nähe. Am Menſalehſee in Egypten, wo allwinterlich Hunderte von Fiſchadlern Herberge nehmen und ein ſehr bequemes Leben führen, habe ich wiederholt geſehen, daß ſie mitten unter den Enten ſaßen, ohne von ihnen auch nur beachtet zu werden. Dagegen hat der Fiſchadler von andern Raubvögeln viel auszuſtehen. Bei uns verfolgen ihn die Krähen, die Schwalben und die Bachſtelzen wohl mehr in der Abſicht, um ihn zu necken, als um ihm zu ſchaden; da aber, wo Seeadler leben, muß er oft für dieſe arbeiten, und namentlich der weißköpfige Amerikaner ſoll in beſtändigem Kriege mit ihm liegen, ſich auf ihn ſtürzen ſobald er eine Beute erhoben hat und ihn ſo lange peinigen, bis er dieſe ihm zuwirft. Auch die Schmarotzermilane jagen ihm oft den glücklich gefangenen Fiſch wieder ab. Jn Deutſchland wird der Fiſchadler mit vollem Rechte unabläſſig verfolgt. Nächſt dem Fiſchotter iſt er der größte Feind aller Fiſchereibeſitzer, denen er ſehr empfindlichen Schaden zufügt. Jn Nord- amerika hingegen wird er in gewiſſen Gegenden geſchont, weil ein ſonderbarer Aberglaube demjenigen Landmann, in deſſen Gebiete ein Fiſchadlerpaar hauſt, Glück verſpricht. Die Jagd hat ihre Schwie- rigkeiten, weil der Vogel ſtets ſehr vorſichtig iſt, und auch der Fang iſt nicht leicht. Er gelingt eigentlich nur, wenn man ein Tellereiſen, welches mit einem Fiſch gelödert wurde, unter Waſſer aufſtellt. Auf dieſe Weiſe werden in Norddeutſchland alljährlich mehrere Fiſchadler gefangen, und ſolche ſind es, welche dann günſtigſten Falls lebend in die Hände von Liebhabern kommen. Doch gehört ein Flußadler im Käfig überall zu den größten Seltenheiten. Der hamburger Thiergarten beſaß einen über ein Vierteljahr lang. Er war ein langweiliger Vogel, welcher im Käfig niemals eingewöhnte, den ganzen Tag über ruhig auf ſeiner Stange ſaß, ſeinen Wärter nicht zu beachten ſchien und auch ſonſt durchaus Nichts zeigte, was mir einer beſondern Erwähnung werth dünkt. Obgleich er mit guten Fiſchen reichlich verſehen wurde, welkte er doch in auffallend kurzer Zeit dahin, magerte mehr und mehr ab und lag eines Morgens todt in ſeinem Käfig, ohne daß wir den Grund ſeines Hinſcheidens zu erkennen vermochten. Die Weihen (Milvi) bilden eine arteureiche Falkenfamilie, welche in allen Erdtheilen vertreten iſt und ſich durch Manchfaltigkeit der Geſtalt auszeichnet. Es hält ſchwer, für die Geſammtheit allgemein giltige Kennzeichen aufzuſtellen, weil große Unterſchiede im Leibesbau bemerklich werden; doch finden ſich ſo viele Uebergangsglieder zwiſchen den verſchiedenen Arten, daß deren Zuſammen- gehörigkeit kaum in Frage geſtellt werden darf. Die Weihen ſind meiſt geſtreckt gebaut; der Hals iſt kurz, der Kopf klein oder mittelgroß, der Flügel regelmäßig lang, mehr oder minder ſchmal und immer ſpitzig, der Schwanz ausnahmsweiſe ſehr kurz, häufiger mittellang, gewöhnlich ſehr lang und bei vielen tief gegabelt, der Fuß entweder lang und ſchwach oder kurz und derb, ſtets aber kurzzehig. Der Schnabel iſt regelmäßig ſchwach,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/514
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/514>, abgerufen am 20.05.2024.