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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Adler.
röthlichen, braunen und dunkelbraunen Flecken bedeckt sind. Wie lange die Brutzeit währt, ist zur Zeit
noch nicht mit Sicherheit bestimmt; wohl aber weiß man, daß der männliche Adler dem Weibchen
beim Brüten hilft. Die Jungen brauchen zehn bis vierzehn Wochen, bevor sie den Horst verlassen,
und auch nach dem Ausfliegen kehren sie noch längere Zeit zu ihm zurück, um auf ihm zu übernachten.
Erst gegen den Herbst hin trennen sie sich von ihren Eltern.

Der Seeadler ist immer scheu und deshalb schwer zu erlegen; er wird aber, da er aufs Aas fällt,
in Tellereisen leicht gefangen. Jn Norwegen führt man aus Steinen kleine Hütten auf, legt in
einiger Entfernung von denselben ein Fleischstück auf den Boden und befestigt dasselbe an einem langen
Stricke, dessen anderes Ende der in der Hütte sitzende Fänger in der Hand hält. Sobald der Seeadler
auf die Beute niederstürzt, zieht Jener das Fleischstück zu der Hütte heran, der Vogel will das einmal
gefaßte nicht loslassen und wird schließlich von dem Manne entweder ergriffen oder erschlagen. Daß
Ersteres mit einiger Vorsicht zu geschehen hat, ist selbstverständlich; denn ein Seeadler ist sich seiner
Kraft wohl bewußt und weiß sich im Nothfall seiner Fänge in gefährlicher Weise zu bedienen. Er
weicht dem Menschen aus, so lange wie möglich, greift nicht einmal Denjenigen an, welcher ihm seine
Brut raubt, vertheidigt sich aber, wenn er gepackt wird, mit der größten Wuth und ist dann gewiß
ebenso gefährlich als die "Bangen und Grausen einflößende" Harpyie.

Jm Käfig benimmt sich der Seeadler anfänglich höchst ungestüm und geht selbst seinem Wärter zu
Leibe; er wird aber bald zahm und tritt dann mit dem Menschen in ein wahres Freundschaftsverhältniß.
Den Vorstehern aller Thiergärten sind diese Vögel aus diesem Grunde lieb und werth. Sie begrüßen
ihren Gebieter, so oft sie ihn sehen, mit hellem, frohen Geschrei und erfreuen ihn besonders dadurch,
daß sie ihn so genau von allen übrigen Menschen zu unterscheiden wissen. Die Seeadler unseres
Thiergartens verfehlen niemals, mich zu grüßen: sie entdecken mich im dichtesten Menschengedränge.
Mit der Zeit gewöhnt sich dieser Raubvogel so an die Gefangenschaft, daß er die glücklich wieder
erlangte Freiheit kaum mehr zu schätzen weiß. Jn unserm Thiergarten entfloh einer der Seeadler
und trieb sich tagelang in der Umgegend umher, kehrte täglich zum Garten zurück, wahrscheinlich wohl
angelockt durch den Ruf seiner Genossen, und wurde schließlich auf deren Gebauer wieder gefangen.

Ostasien beherbergt den größten aller Seeadler (Thalassaetus pelagica), Afrika den pracht-
vollsten (Haliaetus vocifer). Er ist einer der schönsten aller Raubvögel überhaupt, eine wahre Zierde
der Gegenden, welche er bewohnt. Beim alten Vogel sind Kopf, Hals, Nacken und Oberbrust,
sowie der Schwanz blendend weiß, der Mantel und die Schwingen bläulichschwarz, der Flügelrand, d. h.
alle Oberflügeldeckfedern vom Ellbogengelenk an bis zum Handgelenk und die Unterseite prächtig braun-
roth. Augenring, Wachshaut und Füße sind lichtgelb; der Schnabel ist blauschwarz. Bei dem jungen
Vogel ist das Gefieder des Oberkopfes schwarzgraubraun, mit Weiß gemischt; der Nacken und Hinter-
hals sind weiß, mit Braungrau gemischt; der Mantel ist schwarzbraun; der Obertheil der Schultern
und der Unterrücken sind weiß, die Federn mit braunschwarzen Spitzenflecken gezeichnet; der Vorder-
hals bis auf die Oberbrust ist auf weißem Grunde oft braun in die Länge gefleckt; der übrige Unter-
körper ist weiß, auf der Oberbrust hier und da durch bräunliche Schaftstreifen oder durch braune
Spitzenflecken gezeichnet; die Schwungfedern sind braun, an der Wurzel weiß, die Steuerfedern
weißlich, braun besprenkelt und braun zugespitzt. Erst nach mehrfacher Mauser und wahrscheinlich
nach theilweiser Verfärbung, wie solche bei den nordamerikanischen Seeadlern stattfindet, geht das
Jugendkleid in das des ausgefärbten Vogels über. Die Länge beträgt ungefähr 28 Zoll, die Fittig-
länge 19 Zoll, die Schwanzlänge 6 Zoll.

Der Schreiseeadler, wie wir den Vogel nennen können, wurde zuerst von Vaillant in Südafrika,
von Andern später in Westafrika aufgefunden, und von mir und früheren Reisenden häufig im Jnnern
Afrikas beobachtet; der Vogel scheint also über die ganze Erdhälfte Afrikas verbreitet zu sein. Nach
Vaillant trifft man ihn an der Seeküste und nur ausnahmsweise an großen Flüssen;
ich aber fand ihn ausschließlich an dem blauen und weißen Nil auf und sah ihn niemals an der

Die Fänger. Raubvögel. Adler.
röthlichen, braunen und dunkelbraunen Flecken bedeckt ſind. Wie lange die Brutzeit währt, iſt zur Zeit
noch nicht mit Sicherheit beſtimmt; wohl aber weiß man, daß der männliche Adler dem Weibchen
beim Brüten hilft. Die Jungen brauchen zehn bis vierzehn Wochen, bevor ſie den Horſt verlaſſen,
und auch nach dem Ausfliegen kehren ſie noch längere Zeit zu ihm zurück, um auf ihm zu übernachten.
Erſt gegen den Herbſt hin trennen ſie ſich von ihren Eltern.

Der Seeadler iſt immer ſcheu und deshalb ſchwer zu erlegen; er wird aber, da er aufs Aas fällt,
in Tellereiſen leicht gefangen. Jn Norwegen führt man aus Steinen kleine Hütten auf, legt in
einiger Entfernung von denſelben ein Fleiſchſtück auf den Boden und befeſtigt daſſelbe an einem langen
Stricke, deſſen anderes Ende der in der Hütte ſitzende Fänger in der Hand hält. Sobald der Seeadler
auf die Beute niederſtürzt, zieht Jener das Fleiſchſtück zu der Hütte heran, der Vogel will das einmal
gefaßte nicht loslaſſen und wird ſchließlich von dem Manne entweder ergriffen oder erſchlagen. Daß
Erſteres mit einiger Vorſicht zu geſchehen hat, iſt ſelbſtverſtändlich; denn ein Seeadler iſt ſich ſeiner
Kraft wohl bewußt und weiß ſich im Nothfall ſeiner Fänge in gefährlicher Weiſe zu bedienen. Er
weicht dem Menſchen aus, ſo lange wie möglich, greift nicht einmal Denjenigen an, welcher ihm ſeine
Brut raubt, vertheidigt ſich aber, wenn er gepackt wird, mit der größten Wuth und iſt dann gewiß
ebenſo gefährlich als die „Bangen und Grauſen einflößende‟ Harpyie.

Jm Käfig benimmt ſich der Seeadler anfänglich höchſt ungeſtüm und geht ſelbſt ſeinem Wärter zu
Leibe; er wird aber bald zahm und tritt dann mit dem Menſchen in ein wahres Freundſchaftsverhältniß.
Den Vorſtehern aller Thiergärten ſind dieſe Vögel aus dieſem Grunde lieb und werth. Sie begrüßen
ihren Gebieter, ſo oft ſie ihn ſehen, mit hellem, frohen Geſchrei und erfreuen ihn beſonders dadurch,
daß ſie ihn ſo genau von allen übrigen Menſchen zu unterſcheiden wiſſen. Die Seeadler unſeres
Thiergartens verfehlen niemals, mich zu grüßen: ſie entdecken mich im dichteſten Menſchengedränge.
Mit der Zeit gewöhnt ſich dieſer Raubvogel ſo an die Gefangenſchaft, daß er die glücklich wieder
erlangte Freiheit kaum mehr zu ſchätzen weiß. Jn unſerm Thiergarten entfloh einer der Seeadler
und trieb ſich tagelang in der Umgegend umher, kehrte täglich zum Garten zurück, wahrſcheinlich wohl
angelockt durch den Ruf ſeiner Genoſſen, und wurde ſchließlich auf deren Gebauer wieder gefangen.

Oſtaſien beherbergt den größten aller Seeadler (Thalassaëtus pelagica), Afrika den pracht-
vollſten (Haliaëtus vocifer). Er iſt einer der ſchönſten aller Raubvögel überhaupt, eine wahre Zierde
der Gegenden, welche er bewohnt. Beim alten Vogel ſind Kopf, Hals, Nacken und Oberbruſt,
ſowie der Schwanz blendend weiß, der Mantel und die Schwingen bläulichſchwarz, der Flügelrand, d. h.
alle Oberflügeldeckfedern vom Ellbogengelenk an bis zum Handgelenk und die Unterſeite prächtig braun-
roth. Augenring, Wachshaut und Füße ſind lichtgelb; der Schnabel iſt blauſchwarz. Bei dem jungen
Vogel iſt das Gefieder des Oberkopfes ſchwarzgraubraun, mit Weiß gemiſcht; der Nacken und Hinter-
hals ſind weiß, mit Braungrau gemiſcht; der Mantel iſt ſchwarzbraun; der Obertheil der Schultern
und der Unterrücken ſind weiß, die Federn mit braunſchwarzen Spitzenflecken gezeichnet; der Vorder-
hals bis auf die Oberbruſt iſt auf weißem Grunde oft braun in die Länge gefleckt; der übrige Unter-
körper iſt weiß, auf der Oberbruſt hier und da durch bräunliche Schaftſtreifen oder durch braune
Spitzenflecken gezeichnet; die Schwungfedern ſind braun, an der Wurzel weiß, die Steuerfedern
weißlich, braun beſprenkelt und braun zugeſpitzt. Erſt nach mehrfacher Mauſer und wahrſcheinlich
nach theilweiſer Verfärbung, wie ſolche bei den nordamerikaniſchen Seeadlern ſtattfindet, geht das
Jugendkleid in das des ausgefärbten Vogels über. Die Länge beträgt ungefähr 28 Zoll, die Fittig-
länge 19 Zoll, die Schwanzlänge 6 Zoll.

Der Schreiſeeadler, wie wir den Vogel nennen können, wurde zuerſt von Vaillant in Südafrika,
von Andern ſpäter in Weſtafrika aufgefunden, und von mir und früheren Reiſenden häufig im Jnnern
Afrikas beobachtet; der Vogel ſcheint alſo über die ganze Erdhälfte Afrikas verbreitet zu ſein. Nach
Vaillant trifft man ihn an der Seeküſte und nur ausnahmsweiſe an großen Flüſſen;
ich aber fand ihn ausſchließlich an dem blauen und weißen Nil auf und ſah ihn niemals an der

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[478/0510] Die Fänger. Raubvögel. Adler. röthlichen, braunen und dunkelbraunen Flecken bedeckt ſind. Wie lange die Brutzeit währt, iſt zur Zeit noch nicht mit Sicherheit beſtimmt; wohl aber weiß man, daß der männliche Adler dem Weibchen beim Brüten hilft. Die Jungen brauchen zehn bis vierzehn Wochen, bevor ſie den Horſt verlaſſen, und auch nach dem Ausfliegen kehren ſie noch längere Zeit zu ihm zurück, um auf ihm zu übernachten. Erſt gegen den Herbſt hin trennen ſie ſich von ihren Eltern. Der Seeadler iſt immer ſcheu und deshalb ſchwer zu erlegen; er wird aber, da er aufs Aas fällt, in Tellereiſen leicht gefangen. Jn Norwegen führt man aus Steinen kleine Hütten auf, legt in einiger Entfernung von denſelben ein Fleiſchſtück auf den Boden und befeſtigt daſſelbe an einem langen Stricke, deſſen anderes Ende der in der Hütte ſitzende Fänger in der Hand hält. Sobald der Seeadler auf die Beute niederſtürzt, zieht Jener das Fleiſchſtück zu der Hütte heran, der Vogel will das einmal gefaßte nicht loslaſſen und wird ſchließlich von dem Manne entweder ergriffen oder erſchlagen. Daß Erſteres mit einiger Vorſicht zu geſchehen hat, iſt ſelbſtverſtändlich; denn ein Seeadler iſt ſich ſeiner Kraft wohl bewußt und weiß ſich im Nothfall ſeiner Fänge in gefährlicher Weiſe zu bedienen. Er weicht dem Menſchen aus, ſo lange wie möglich, greift nicht einmal Denjenigen an, welcher ihm ſeine Brut raubt, vertheidigt ſich aber, wenn er gepackt wird, mit der größten Wuth und iſt dann gewiß ebenſo gefährlich als die „Bangen und Grauſen einflößende‟ Harpyie. Jm Käfig benimmt ſich der Seeadler anfänglich höchſt ungeſtüm und geht ſelbſt ſeinem Wärter zu Leibe; er wird aber bald zahm und tritt dann mit dem Menſchen in ein wahres Freundſchaftsverhältniß. Den Vorſtehern aller Thiergärten ſind dieſe Vögel aus dieſem Grunde lieb und werth. Sie begrüßen ihren Gebieter, ſo oft ſie ihn ſehen, mit hellem, frohen Geſchrei und erfreuen ihn beſonders dadurch, daß ſie ihn ſo genau von allen übrigen Menſchen zu unterſcheiden wiſſen. Die Seeadler unſeres Thiergartens verfehlen niemals, mich zu grüßen: ſie entdecken mich im dichteſten Menſchengedränge. Mit der Zeit gewöhnt ſich dieſer Raubvogel ſo an die Gefangenſchaft, daß er die glücklich wieder erlangte Freiheit kaum mehr zu ſchätzen weiß. Jn unſerm Thiergarten entfloh einer der Seeadler und trieb ſich tagelang in der Umgegend umher, kehrte täglich zum Garten zurück, wahrſcheinlich wohl angelockt durch den Ruf ſeiner Genoſſen, und wurde ſchließlich auf deren Gebauer wieder gefangen. Oſtaſien beherbergt den größten aller Seeadler (Thalassaëtus pelagica), Afrika den pracht- vollſten (Haliaëtus vocifer). Er iſt einer der ſchönſten aller Raubvögel überhaupt, eine wahre Zierde der Gegenden, welche er bewohnt. Beim alten Vogel ſind Kopf, Hals, Nacken und Oberbruſt, ſowie der Schwanz blendend weiß, der Mantel und die Schwingen bläulichſchwarz, der Flügelrand, d. h. alle Oberflügeldeckfedern vom Ellbogengelenk an bis zum Handgelenk und die Unterſeite prächtig braun- roth. Augenring, Wachshaut und Füße ſind lichtgelb; der Schnabel iſt blauſchwarz. Bei dem jungen Vogel iſt das Gefieder des Oberkopfes ſchwarzgraubraun, mit Weiß gemiſcht; der Nacken und Hinter- hals ſind weiß, mit Braungrau gemiſcht; der Mantel iſt ſchwarzbraun; der Obertheil der Schultern und der Unterrücken ſind weiß, die Federn mit braunſchwarzen Spitzenflecken gezeichnet; der Vorder- hals bis auf die Oberbruſt iſt auf weißem Grunde oft braun in die Länge gefleckt; der übrige Unter- körper iſt weiß, auf der Oberbruſt hier und da durch bräunliche Schaftſtreifen oder durch braune Spitzenflecken gezeichnet; die Schwungfedern ſind braun, an der Wurzel weiß, die Steuerfedern weißlich, braun beſprenkelt und braun zugeſpitzt. Erſt nach mehrfacher Mauſer und wahrſcheinlich nach theilweiſer Verfärbung, wie ſolche bei den nordamerikaniſchen Seeadlern ſtattfindet, geht das Jugendkleid in das des ausgefärbten Vogels über. Die Länge beträgt ungefähr 28 Zoll, die Fittig- länge 19 Zoll, die Schwanzlänge 6 Zoll. Der Schreiſeeadler, wie wir den Vogel nennen können, wurde zuerſt von Vaillant in Südafrika, von Andern ſpäter in Weſtafrika aufgefunden, und von mir und früheren Reiſenden häufig im Jnnern Afrikas beobachtet; der Vogel ſcheint alſo über die ganze Erdhälfte Afrikas verbreitet zu ſein. Nach Vaillant trifft man ihn an der Seeküſte und nur ausnahmsweiſe an großen Flüſſen; ich aber fand ihn ausſchließlich an dem blauen und weißen Nil auf und ſah ihn niemals an der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/510>, abgerufen am 20.05.2024.