Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Fänger. Raubvögel. Adler.
röthlichen, braunen und dunkelbraunen Flecken bedeckt sind. Wie lange die Brutzeit währt, ist zur Zeit
noch nicht mit Sicherheit bestimmt; wohl aber weiß man, daß der männliche Adler dem Weibchen
beim Brüten hilft. Die Jungen brauchen zehn bis vierzehn Wochen, bevor sie den Horst verlassen,
und auch nach dem Ausfliegen kehren sie noch längere Zeit zu ihm zurück, um auf ihm zu übernachten.
Erst gegen den Herbst hin trennen sie sich von ihren Eltern.

Der Seeadler ist immer scheu und deshalb schwer zu erlegen; er wird aber, da er aufs Aas fällt,
in Tellereisen leicht gefangen. Jn Norwegen führt man aus Steinen kleine Hütten auf, legt in
einiger Entfernung von denselben ein Fleischstück auf den Boden und befestigt dasselbe an einem langen
Stricke, dessen anderes Ende der in der Hütte sitzende Fänger in der Hand hält. Sobald der Seeadler
auf die Beute niederstürzt, zieht Jener das Fleischstück zu der Hütte heran, der Vogel will das einmal
gefaßte nicht loslassen und wird schließlich von dem Manne entweder ergriffen oder erschlagen. Daß
Ersteres mit einiger Vorsicht zu geschehen hat, ist selbstverständlich; denn ein Seeadler ist sich seiner
Kraft wohl bewußt und weiß sich im Nothfall seiner Fänge in gefährlicher Weise zu bedienen. Er
weicht dem Menschen aus, so lange wie möglich, greift nicht einmal Denjenigen an, welcher ihm seine
Brut raubt, vertheidigt sich aber, wenn er gepackt wird, mit der größten Wuth und ist dann gewiß
ebenso gefährlich als die "Bangen und Grausen einflößende" Harpyie.

Jm Käfig benimmt sich der Seeadler anfänglich höchst ungestüm und geht selbst seinem Wärter zu
Leibe; er wird aber bald zahm und tritt dann mit dem Menschen in ein wahres Freundschaftsverhältniß.
Den Vorstehern aller Thiergärten sind diese Vögel aus diesem Grunde lieb und werth. Sie begrüßen
ihren Gebieter, so oft sie ihn sehen, mit hellem, frohen Geschrei und erfreuen ihn besonders dadurch,
daß sie ihn so genau von allen übrigen Menschen zu unterscheiden wissen. Die Seeadler unseres
Thiergartens verfehlen niemals, mich zu grüßen: sie entdecken mich im dichtesten Menschengedränge.
Mit der Zeit gewöhnt sich dieser Raubvogel so an die Gefangenschaft, daß er die glücklich wieder
erlangte Freiheit kaum mehr zu schätzen weiß. Jn unserm Thiergarten entfloh einer der Seeadler
und trieb sich tagelang in der Umgegend umher, kehrte täglich zum Garten zurück, wahrscheinlich wohl
angelockt durch den Ruf seiner Genossen, und wurde schließlich auf deren Gebauer wieder gefangen.

Ostasien beherbergt den größten aller Seeadler (Thalassaetus pelagica), Afrika den pracht-
vollsten (Haliaetus vocifer). Er ist einer der schönsten aller Raubvögel überhaupt, eine wahre Zierde
der Gegenden, welche er bewohnt. Beim alten Vogel sind Kopf, Hals, Nacken und Oberbrust,
sowie der Schwanz blendend weiß, der Mantel und die Schwingen bläulichschwarz, der Flügelrand, d. h.
alle Oberflügeldeckfedern vom Ellbogengelenk an bis zum Handgelenk und die Unterseite prächtig braun-
roth. Augenring, Wachshaut und Füße sind lichtgelb; der Schnabel ist blauschwarz. Bei dem jungen
Vogel ist das Gefieder des Oberkopfes schwarzgraubraun, mit Weiß gemischt; der Nacken und Hinter-
hals sind weiß, mit Braungrau gemischt; der Mantel ist schwarzbraun; der Obertheil der Schultern
und der Unterrücken sind weiß, die Federn mit braunschwarzen Spitzenflecken gezeichnet; der Vorder-
hals bis auf die Oberbrust ist auf weißem Grunde oft braun in die Länge gefleckt; der übrige Unter-
körper ist weiß, auf der Oberbrust hier und da durch bräunliche Schaftstreifen oder durch braune
Spitzenflecken gezeichnet; die Schwungfedern sind braun, an der Wurzel weiß, die Steuerfedern
weißlich, braun besprenkelt und braun zugespitzt. Erst nach mehrfacher Mauser und wahrscheinlich
nach theilweiser Verfärbung, wie solche bei den nordamerikanischen Seeadlern stattfindet, geht das
Jugendkleid in das des ausgefärbten Vogels über. Die Länge beträgt ungefähr 28 Zoll, die Fittig-
länge 19 Zoll, die Schwanzlänge 6 Zoll.

Der Schreiseeadler, wie wir den Vogel nennen können, wurde zuerst von Vaillant in Südafrika,
von Andern später in Westafrika aufgefunden, und von mir und früheren Reisenden häufig im Jnnern
Afrikas beobachtet; der Vogel scheint also über die ganze Erdhälfte Afrikas verbreitet zu sein. Nach
Vaillant trifft man ihn an der Seeküste und nur ausnahmsweise an großen Flüssen;
ich aber fand ihn ausschließlich an dem blauen und weißen Nil auf und sah ihn niemals an der

Die Fänger. Raubvögel. Adler.
röthlichen, braunen und dunkelbraunen Flecken bedeckt ſind. Wie lange die Brutzeit währt, iſt zur Zeit
noch nicht mit Sicherheit beſtimmt; wohl aber weiß man, daß der männliche Adler dem Weibchen
beim Brüten hilft. Die Jungen brauchen zehn bis vierzehn Wochen, bevor ſie den Horſt verlaſſen,
und auch nach dem Ausfliegen kehren ſie noch längere Zeit zu ihm zurück, um auf ihm zu übernachten.
Erſt gegen den Herbſt hin trennen ſie ſich von ihren Eltern.

Der Seeadler iſt immer ſcheu und deshalb ſchwer zu erlegen; er wird aber, da er aufs Aas fällt,
in Tellereiſen leicht gefangen. Jn Norwegen führt man aus Steinen kleine Hütten auf, legt in
einiger Entfernung von denſelben ein Fleiſchſtück auf den Boden und befeſtigt daſſelbe an einem langen
Stricke, deſſen anderes Ende der in der Hütte ſitzende Fänger in der Hand hält. Sobald der Seeadler
auf die Beute niederſtürzt, zieht Jener das Fleiſchſtück zu der Hütte heran, der Vogel will das einmal
gefaßte nicht loslaſſen und wird ſchließlich von dem Manne entweder ergriffen oder erſchlagen. Daß
Erſteres mit einiger Vorſicht zu geſchehen hat, iſt ſelbſtverſtändlich; denn ein Seeadler iſt ſich ſeiner
Kraft wohl bewußt und weiß ſich im Nothfall ſeiner Fänge in gefährlicher Weiſe zu bedienen. Er
weicht dem Menſchen aus, ſo lange wie möglich, greift nicht einmal Denjenigen an, welcher ihm ſeine
Brut raubt, vertheidigt ſich aber, wenn er gepackt wird, mit der größten Wuth und iſt dann gewiß
ebenſo gefährlich als die „Bangen und Grauſen einflößende‟ Harpyie.

Jm Käfig benimmt ſich der Seeadler anfänglich höchſt ungeſtüm und geht ſelbſt ſeinem Wärter zu
Leibe; er wird aber bald zahm und tritt dann mit dem Menſchen in ein wahres Freundſchaftsverhältniß.
Den Vorſtehern aller Thiergärten ſind dieſe Vögel aus dieſem Grunde lieb und werth. Sie begrüßen
ihren Gebieter, ſo oft ſie ihn ſehen, mit hellem, frohen Geſchrei und erfreuen ihn beſonders dadurch,
daß ſie ihn ſo genau von allen übrigen Menſchen zu unterſcheiden wiſſen. Die Seeadler unſeres
Thiergartens verfehlen niemals, mich zu grüßen: ſie entdecken mich im dichteſten Menſchengedränge.
Mit der Zeit gewöhnt ſich dieſer Raubvogel ſo an die Gefangenſchaft, daß er die glücklich wieder
erlangte Freiheit kaum mehr zu ſchätzen weiß. Jn unſerm Thiergarten entfloh einer der Seeadler
und trieb ſich tagelang in der Umgegend umher, kehrte täglich zum Garten zurück, wahrſcheinlich wohl
angelockt durch den Ruf ſeiner Genoſſen, und wurde ſchließlich auf deren Gebauer wieder gefangen.

Oſtaſien beherbergt den größten aller Seeadler (Thalassaëtus pelagica), Afrika den pracht-
vollſten (Haliaëtus vocifer). Er iſt einer der ſchönſten aller Raubvögel überhaupt, eine wahre Zierde
der Gegenden, welche er bewohnt. Beim alten Vogel ſind Kopf, Hals, Nacken und Oberbruſt,
ſowie der Schwanz blendend weiß, der Mantel und die Schwingen bläulichſchwarz, der Flügelrand, d. h.
alle Oberflügeldeckfedern vom Ellbogengelenk an bis zum Handgelenk und die Unterſeite prächtig braun-
roth. Augenring, Wachshaut und Füße ſind lichtgelb; der Schnabel iſt blauſchwarz. Bei dem jungen
Vogel iſt das Gefieder des Oberkopfes ſchwarzgraubraun, mit Weiß gemiſcht; der Nacken und Hinter-
hals ſind weiß, mit Braungrau gemiſcht; der Mantel iſt ſchwarzbraun; der Obertheil der Schultern
und der Unterrücken ſind weiß, die Federn mit braunſchwarzen Spitzenflecken gezeichnet; der Vorder-
hals bis auf die Oberbruſt iſt auf weißem Grunde oft braun in die Länge gefleckt; der übrige Unter-
körper iſt weiß, auf der Oberbruſt hier und da durch bräunliche Schaftſtreifen oder durch braune
Spitzenflecken gezeichnet; die Schwungfedern ſind braun, an der Wurzel weiß, die Steuerfedern
weißlich, braun beſprenkelt und braun zugeſpitzt. Erſt nach mehrfacher Mauſer und wahrſcheinlich
nach theilweiſer Verfärbung, wie ſolche bei den nordamerikaniſchen Seeadlern ſtattfindet, geht das
Jugendkleid in das des ausgefärbten Vogels über. Die Länge beträgt ungefähr 28 Zoll, die Fittig-
länge 19 Zoll, die Schwanzlänge 6 Zoll.

Der Schreiſeeadler, wie wir den Vogel nennen können, wurde zuerſt von Vaillant in Südafrika,
von Andern ſpäter in Weſtafrika aufgefunden, und von mir und früheren Reiſenden häufig im Jnnern
Afrikas beobachtet; der Vogel ſcheint alſo über die ganze Erdhälfte Afrikas verbreitet zu ſein. Nach
Vaillant trifft man ihn an der Seeküſte und nur ausnahmsweiſe an großen Flüſſen;
ich aber fand ihn ausſchließlich an dem blauen und weißen Nil auf und ſah ihn niemals an der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0510" n="478"/><fw place="top" type="header">Die Fänger. Raubvögel. Adler.</fw><lb/>
röthlichen, braunen und dunkelbraunen Flecken bedeckt &#x017F;ind. Wie lange die Brutzeit währt, i&#x017F;t zur Zeit<lb/>
noch nicht mit Sicherheit be&#x017F;timmt; wohl aber weiß man, daß der männliche Adler dem Weibchen<lb/>
beim Brüten hilft. Die Jungen brauchen zehn bis vierzehn Wochen, bevor &#x017F;ie den Hor&#x017F;t verla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und auch nach dem Ausfliegen kehren &#x017F;ie noch längere Zeit zu ihm zurück, um auf ihm zu übernachten.<lb/>
Er&#x017F;t gegen den Herb&#x017F;t hin trennen &#x017F;ie &#x017F;ich von ihren Eltern.</p><lb/>
          <p>Der Seeadler i&#x017F;t immer &#x017F;cheu und deshalb &#x017F;chwer zu erlegen; er wird aber, da er aufs Aas fällt,<lb/>
in Tellerei&#x017F;en leicht gefangen. Jn Norwegen führt man aus Steinen kleine Hütten auf, legt in<lb/>
einiger Entfernung von den&#x017F;elben ein Flei&#x017F;ch&#x017F;tück auf den Boden und befe&#x017F;tigt da&#x017F;&#x017F;elbe an einem langen<lb/>
Stricke, de&#x017F;&#x017F;en anderes Ende der in der Hütte &#x017F;itzende Fänger in der Hand hält. Sobald der Seeadler<lb/>
auf die Beute nieder&#x017F;türzt, zieht Jener das Flei&#x017F;ch&#x017F;tück zu der Hütte heran, der Vogel will das einmal<lb/>
gefaßte nicht losla&#x017F;&#x017F;en und wird &#x017F;chließlich von dem Manne entweder ergriffen oder er&#x017F;chlagen. Daß<lb/>
Er&#x017F;teres mit einiger Vor&#x017F;icht zu ge&#x017F;chehen hat, i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich; denn ein Seeadler i&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;einer<lb/>
Kraft wohl bewußt und weiß &#x017F;ich im Nothfall &#x017F;einer Fänge in gefährlicher Wei&#x017F;e zu bedienen. Er<lb/>
weicht dem Men&#x017F;chen aus, &#x017F;o lange wie möglich, greift nicht einmal Denjenigen an, welcher ihm &#x017F;eine<lb/>
Brut raubt, vertheidigt &#x017F;ich aber, wenn er gepackt wird, mit der größten Wuth und i&#x017F;t dann gewiß<lb/>
eben&#x017F;o gefährlich als die &#x201E;Bangen und Grau&#x017F;en einflößende&#x201F; Harpyie.</p><lb/>
          <p>Jm Käfig benimmt &#x017F;ich der Seeadler anfänglich höch&#x017F;t unge&#x017F;tüm und geht &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einem Wärter zu<lb/>
Leibe; er wird aber bald zahm und tritt dann mit dem Men&#x017F;chen in ein wahres Freund&#x017F;chaftsverhältniß.<lb/>
Den Vor&#x017F;tehern aller Thiergärten &#x017F;ind die&#x017F;e Vögel aus die&#x017F;em Grunde lieb und werth. Sie begrüßen<lb/>
ihren Gebieter, &#x017F;o oft &#x017F;ie ihn &#x017F;ehen, mit hellem, frohen Ge&#x017F;chrei und erfreuen ihn be&#x017F;onders dadurch,<lb/>
daß &#x017F;ie ihn &#x017F;o genau von allen übrigen Men&#x017F;chen zu unter&#x017F;cheiden wi&#x017F;&#x017F;en. Die Seeadler un&#x017F;eres<lb/>
Thiergartens verfehlen niemals, mich zu grüßen: &#x017F;ie entdecken mich im dichte&#x017F;ten Men&#x017F;chengedränge.<lb/>
Mit der Zeit gewöhnt &#x017F;ich die&#x017F;er Raubvogel &#x017F;o an die Gefangen&#x017F;chaft, daß er die glücklich wieder<lb/>
erlangte Freiheit kaum mehr zu &#x017F;chätzen weiß. Jn un&#x017F;erm Thiergarten entfloh einer der Seeadler<lb/>
und trieb &#x017F;ich tagelang in der Umgegend umher, kehrte täglich zum Garten zurück, wahr&#x017F;cheinlich wohl<lb/>
angelockt durch den Ruf &#x017F;einer Geno&#x017F;&#x017F;en, und wurde &#x017F;chließlich auf deren Gebauer wieder gefangen.</p><lb/>
          <p>O&#x017F;ta&#x017F;ien beherbergt den größten aller Seeadler (<hi rendition="#aq">Thalassaëtus pelagica</hi>), Afrika den pracht-<lb/>
voll&#x017F;ten (<hi rendition="#aq">Haliaëtus vocifer</hi>). Er i&#x017F;t einer der &#x017F;chön&#x017F;ten aller Raubvögel überhaupt, eine wahre Zierde<lb/>
der Gegenden, welche er bewohnt. Beim alten Vogel &#x017F;ind Kopf, Hals, Nacken und Oberbru&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;owie der Schwanz blendend weiß, der Mantel und die Schwingen bläulich&#x017F;chwarz, der Flügelrand, d. h.<lb/>
alle Oberflügeldeckfedern vom Ellbogengelenk an bis zum Handgelenk und die Unter&#x017F;eite prächtig braun-<lb/>
roth. Augenring, Wachshaut und Füße &#x017F;ind lichtgelb; der Schnabel i&#x017F;t blau&#x017F;chwarz. Bei dem jungen<lb/>
Vogel i&#x017F;t das Gefieder des Oberkopfes &#x017F;chwarzgraubraun, mit Weiß gemi&#x017F;cht; der Nacken und Hinter-<lb/>
hals &#x017F;ind weiß, mit Braungrau gemi&#x017F;cht; der Mantel i&#x017F;t &#x017F;chwarzbraun; der Obertheil der Schultern<lb/>
und der Unterrücken &#x017F;ind weiß, die Federn mit braun&#x017F;chwarzen Spitzenflecken gezeichnet; der Vorder-<lb/>
hals bis auf die Oberbru&#x017F;t i&#x017F;t auf weißem Grunde oft braun in die Länge gefleckt; der übrige Unter-<lb/>
körper i&#x017F;t weiß, auf der Oberbru&#x017F;t hier und da durch bräunliche Schaft&#x017F;treifen oder durch braune<lb/>
Spitzenflecken gezeichnet; die Schwungfedern &#x017F;ind braun, an der Wurzel weiß, die Steuerfedern<lb/>
weißlich, braun be&#x017F;prenkelt und braun zuge&#x017F;pitzt. Er&#x017F;t nach mehrfacher Mau&#x017F;er und wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
nach theilwei&#x017F;er Verfärbung, wie &#x017F;olche bei den nordamerikani&#x017F;chen Seeadlern &#x017F;tattfindet, geht das<lb/>
Jugendkleid in das des ausgefärbten Vogels über. Die Länge beträgt ungefähr 28 Zoll, die Fittig-<lb/>
länge 19 Zoll, die Schwanzlänge 6 Zoll.</p><lb/>
          <p>Der Schrei&#x017F;eeadler, wie wir den Vogel nennen können, wurde zuer&#x017F;t von <hi rendition="#g">Vaillant</hi> in Südafrika,<lb/>
von Andern &#x017F;päter in We&#x017F;tafrika aufgefunden, und von mir und früheren Rei&#x017F;enden häufig im Jnnern<lb/>
Afrikas beobachtet; der Vogel &#x017F;cheint al&#x017F;o über die ganze Erdhälfte Afrikas verbreitet zu &#x017F;ein. Nach<lb/><hi rendition="#g">Vaillant</hi> trifft man ihn an der Seekü&#x017F;te und nur ausnahmswei&#x017F;e an großen Flü&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
ich aber fand ihn aus&#x017F;chließlich an dem blauen und weißen Nil auf und &#x017F;ah ihn niemals an der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0510] Die Fänger. Raubvögel. Adler. röthlichen, braunen und dunkelbraunen Flecken bedeckt ſind. Wie lange die Brutzeit währt, iſt zur Zeit noch nicht mit Sicherheit beſtimmt; wohl aber weiß man, daß der männliche Adler dem Weibchen beim Brüten hilft. Die Jungen brauchen zehn bis vierzehn Wochen, bevor ſie den Horſt verlaſſen, und auch nach dem Ausfliegen kehren ſie noch längere Zeit zu ihm zurück, um auf ihm zu übernachten. Erſt gegen den Herbſt hin trennen ſie ſich von ihren Eltern. Der Seeadler iſt immer ſcheu und deshalb ſchwer zu erlegen; er wird aber, da er aufs Aas fällt, in Tellereiſen leicht gefangen. Jn Norwegen führt man aus Steinen kleine Hütten auf, legt in einiger Entfernung von denſelben ein Fleiſchſtück auf den Boden und befeſtigt daſſelbe an einem langen Stricke, deſſen anderes Ende der in der Hütte ſitzende Fänger in der Hand hält. Sobald der Seeadler auf die Beute niederſtürzt, zieht Jener das Fleiſchſtück zu der Hütte heran, der Vogel will das einmal gefaßte nicht loslaſſen und wird ſchließlich von dem Manne entweder ergriffen oder erſchlagen. Daß Erſteres mit einiger Vorſicht zu geſchehen hat, iſt ſelbſtverſtändlich; denn ein Seeadler iſt ſich ſeiner Kraft wohl bewußt und weiß ſich im Nothfall ſeiner Fänge in gefährlicher Weiſe zu bedienen. Er weicht dem Menſchen aus, ſo lange wie möglich, greift nicht einmal Denjenigen an, welcher ihm ſeine Brut raubt, vertheidigt ſich aber, wenn er gepackt wird, mit der größten Wuth und iſt dann gewiß ebenſo gefährlich als die „Bangen und Grauſen einflößende‟ Harpyie. Jm Käfig benimmt ſich der Seeadler anfänglich höchſt ungeſtüm und geht ſelbſt ſeinem Wärter zu Leibe; er wird aber bald zahm und tritt dann mit dem Menſchen in ein wahres Freundſchaftsverhältniß. Den Vorſtehern aller Thiergärten ſind dieſe Vögel aus dieſem Grunde lieb und werth. Sie begrüßen ihren Gebieter, ſo oft ſie ihn ſehen, mit hellem, frohen Geſchrei und erfreuen ihn beſonders dadurch, daß ſie ihn ſo genau von allen übrigen Menſchen zu unterſcheiden wiſſen. Die Seeadler unſeres Thiergartens verfehlen niemals, mich zu grüßen: ſie entdecken mich im dichteſten Menſchengedränge. Mit der Zeit gewöhnt ſich dieſer Raubvogel ſo an die Gefangenſchaft, daß er die glücklich wieder erlangte Freiheit kaum mehr zu ſchätzen weiß. Jn unſerm Thiergarten entfloh einer der Seeadler und trieb ſich tagelang in der Umgegend umher, kehrte täglich zum Garten zurück, wahrſcheinlich wohl angelockt durch den Ruf ſeiner Genoſſen, und wurde ſchließlich auf deren Gebauer wieder gefangen. Oſtaſien beherbergt den größten aller Seeadler (Thalassaëtus pelagica), Afrika den pracht- vollſten (Haliaëtus vocifer). Er iſt einer der ſchönſten aller Raubvögel überhaupt, eine wahre Zierde der Gegenden, welche er bewohnt. Beim alten Vogel ſind Kopf, Hals, Nacken und Oberbruſt, ſowie der Schwanz blendend weiß, der Mantel und die Schwingen bläulichſchwarz, der Flügelrand, d. h. alle Oberflügeldeckfedern vom Ellbogengelenk an bis zum Handgelenk und die Unterſeite prächtig braun- roth. Augenring, Wachshaut und Füße ſind lichtgelb; der Schnabel iſt blauſchwarz. Bei dem jungen Vogel iſt das Gefieder des Oberkopfes ſchwarzgraubraun, mit Weiß gemiſcht; der Nacken und Hinter- hals ſind weiß, mit Braungrau gemiſcht; der Mantel iſt ſchwarzbraun; der Obertheil der Schultern und der Unterrücken ſind weiß, die Federn mit braunſchwarzen Spitzenflecken gezeichnet; der Vorder- hals bis auf die Oberbruſt iſt auf weißem Grunde oft braun in die Länge gefleckt; der übrige Unter- körper iſt weiß, auf der Oberbruſt hier und da durch bräunliche Schaftſtreifen oder durch braune Spitzenflecken gezeichnet; die Schwungfedern ſind braun, an der Wurzel weiß, die Steuerfedern weißlich, braun beſprenkelt und braun zugeſpitzt. Erſt nach mehrfacher Mauſer und wahrſcheinlich nach theilweiſer Verfärbung, wie ſolche bei den nordamerikaniſchen Seeadlern ſtattfindet, geht das Jugendkleid in das des ausgefärbten Vogels über. Die Länge beträgt ungefähr 28 Zoll, die Fittig- länge 19 Zoll, die Schwanzlänge 6 Zoll. Der Schreiſeeadler, wie wir den Vogel nennen können, wurde zuerſt von Vaillant in Südafrika, von Andern ſpäter in Weſtafrika aufgefunden, und von mir und früheren Reiſenden häufig im Jnnern Afrikas beobachtet; der Vogel ſcheint alſo über die ganze Erdhälfte Afrikas verbreitet zu ſein. Nach Vaillant trifft man ihn an der Seeküſte und nur ausnahmsweiſe an großen Flüſſen; ich aber fand ihn ausſchließlich an dem blauen und weißen Nil auf und ſah ihn niemals an der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/510
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/510>, abgerufen am 22.11.2024.