Jm Ost-Sudahn gehört der Schlangensperber durchaus nicht zu den häufigen Vögeln. Man begegnet ihm nur zuweilen im lichteren Walde, jedoch nie weit von Gewässern. Der große Vogel fällt augenblicklich auf. Wenn er fliegt, kann man ihn leicht für einen Adler halten; denn er besitzt Flugwerkzeuge, welche einen solchen bequem durch die Lüfte tragen können. Mit langsamen, trägen Flügelschlägen sieht man ihn von einem Baume zum andern fliegen. Er ist scheu und vorsichtig, lebt einsam und scheint das mürrische Wesen anderer Lurchfresser zu theilen. Jch fand in dem Kropfe des von mir erlegten ein paar Eidechsen; andere Beobachter erfuhren, daß er auch auf Frösche Jagd macht. Nach Jules Verreaux zeigt der Schlangensperber eine Gelenkigkeit in seinen Fängen, welche ohne Beispiel dasteht. Die Fußwurzel ist nämlich in ihrem Knie- oder richtiger Fersengelenke nicht blos nach vorn, sondern auch nach hinten beweglich, und diese Begabung wird von dem sonderbaren Vogel bei seiner Jagd auf Lurche in der ausgiebigsten Weise benutzt. Er steckt seine Läufe in Sumpflöcher und dreht und wendet sie hier nach allen Richtungen mit überraschender Geschicklichkeit, bis es ihm glückt, seine Beute zu fassen. Die kurzen Zehen machen es ihm möglich, den Fuß auch in die schmalsten Erdspalten einzuführen und aus ihnen sich Frösche oder Eidechsen hervor- zuholen, welche in ihren Schlupflöchern vor andern Raubvögeln vollständig geschützt sind. Daß der Schlangensperber übrigens kleine Vögel und Säugethiere, Spitzmäuse z. B., welche auf sumpfigem Boden leben, auch nicht verschmäht, hat Verreaux ebenfalls beobachtet. Weiteres über das Leben dieses höchst eigenthümlichen Vogels weiß ich leider nicht mitzutheilen.
Die größten Raubvögel, welche selbst erworbene Beute genießen und nur ausnahmsweife Aas angehen, werden Adler genannt. Man begreift unter diesem Namen übrigens sehr verschiedenartige Vögel und würde deshalb keinen Fehler begehen, wenn man sie in mehrere Familien zertheilen wollte. Andrerseits freilich läßt sich nicht verkennen, daß auch die am weitesten aus einander stehenden Formen durch Uebergangsglieder vermittelt werden, wodurch also eine Zusammengehörigkeit der gedachten Raubvögel gewissermaßen bewiesen ist.
Die Adler (Aquilae) sind große oder sehr große Vögel von gedrungenem Leibesbau mit mittelgroßem, durchaus befiederten Kopf und starkem, an der Wurzel geraden, erst gegen die Spitze hin gekrümmten Schnabel, dessen Oberkiefer keinen Zahn besitzt, dafür aber an der betreffenden Stelle ausgebuchtet ist, und dessen Wachshaut nicht vom Gefieder verdeckt ist. Die Fußwurzeln sind mittellang, stets kraftvoll, oft nur wenig, oft wiederum bis zu den Zehen herab befiedert. Diese selbst sind stark, von mittelmäßiger oder bedeutender Länge und immer mit großen, sehr gekrümmten, spitzigen Nägeln bewehrt. Die Flügel erreichen bei einigen das Ende des Schwanzes, bei andern nur dessen Wurzeltheil. Sie erscheinen stets abgerundet, weil die vierten oder fünften Schwingen fast ohne Ausnahme die längsten sind. Der Schwanz ist groß, lang und breit, entweder gerade abge- schnitten oder zugerundet. Das Gefieder besteht aus großen, gewöhnlich zugespitzten Federn; es ist deshalb immer reich, zuweilen sehr weich, ausnahmsweise nur derb und hart. Bezeichnend für den Adler ist, daß die Federn des Hinterkopfs und Nackens sich entweder zuspitzen oder aber zu einer Holle verlängern. Das Auge ist groß, feurig; es erhält einen sehr kühnen Ausdruck dadurch, daß das Augenbrauenbein gewöhnlich weit hervortritt, wodurch das Auge tiefer zu liegen kommt.
Die Adler bewohnen die ganze Erde; gewisse Theile derselben beherbergen jedoch eigene Sippen der Familie, welche in andern Gegenden nicht gefunden werden. Die Verschiedenheit der Gestalt läßt erwarten, daß nicht alle Arten dieselben Wohnorte haben. Auch die Mehrzahl der Adler lebt und jagt im Walde; einzelne Arten sind Gebirgs- und bezüglich Felsenbewohner; andere sind an das Wasser gebunden und leben entweder an der Küste des Meeres oder an Seen und Flüssen; einige finden selbst in freien Steppen ihre Heimat. Jn der Nähe des Menschen siedeln sich die Adler nur selten an: ihr eigentlicher Wohnsitz muß möglichst unbehelligt sein. Von ihm aus unternehmen sie aber weite
Die Fänger. Raubvögel. Adler.
Jm Oſt-Sudahn gehört der Schlangenſperber durchaus nicht zu den häufigen Vögeln. Man begegnet ihm nur zuweilen im lichteren Walde, jedoch nie weit von Gewäſſern. Der große Vogel fällt augenblicklich auf. Wenn er fliegt, kann man ihn leicht für einen Adler halten; denn er beſitzt Flugwerkzeuge, welche einen ſolchen bequem durch die Lüfte tragen können. Mit langſamen, trägen Flügelſchlägen ſieht man ihn von einem Baume zum andern fliegen. Er iſt ſcheu und vorſichtig, lebt einſam und ſcheint das mürriſche Weſen anderer Lurchfreſſer zu theilen. Jch fand in dem Kropfe des von mir erlegten ein paar Eidechſen; andere Beobachter erfuhren, daß er auch auf Fröſche Jagd macht. Nach Jules Verreaux zeigt der Schlangenſperber eine Gelenkigkeit in ſeinen Fängen, welche ohne Beiſpiel daſteht. Die Fußwurzel iſt nämlich in ihrem Knie- oder richtiger Ferſengelenke nicht blos nach vorn, ſondern auch nach hinten beweglich, und dieſe Begabung wird von dem ſonderbaren Vogel bei ſeiner Jagd auf Lurche in der ausgiebigſten Weiſe benutzt. Er ſteckt ſeine Läufe in Sumpflöcher und dreht und wendet ſie hier nach allen Richtungen mit überraſchender Geſchicklichkeit, bis es ihm glückt, ſeine Beute zu faſſen. Die kurzen Zehen machen es ihm möglich, den Fuß auch in die ſchmalſten Erdſpalten einzuführen und aus ihnen ſich Fröſche oder Eidechſen hervor- zuholen, welche in ihren Schlupflöchern vor andern Raubvögeln vollſtändig geſchützt ſind. Daß der Schlangenſperber übrigens kleine Vögel und Säugethiere, Spitzmäuſe z. B., welche auf ſumpfigem Boden leben, auch nicht verſchmäht, hat Verreaux ebenfalls beobachtet. Weiteres über das Leben dieſes höchſt eigenthümlichen Vogels weiß ich leider nicht mitzutheilen.
Die größten Raubvögel, welche ſelbſt erworbene Beute genießen und nur ausnahmsweife Aas angehen, werden Adler genannt. Man begreift unter dieſem Namen übrigens ſehr verſchiedenartige Vögel und würde deshalb keinen Fehler begehen, wenn man ſie in mehrere Familien zertheilen wollte. Andrerſeits freilich läßt ſich nicht verkennen, daß auch die am weiteſten aus einander ſtehenden Formen durch Uebergangsglieder vermittelt werden, wodurch alſo eine Zuſammengehörigkeit der gedachten Raubvögel gewiſſermaßen bewieſen iſt.
Die Adler (Aquilae) ſind große oder ſehr große Vögel von gedrungenem Leibesbau mit mittelgroßem, durchaus befiederten Kopf und ſtarkem, an der Wurzel geraden, erſt gegen die Spitze hin gekrümmten Schnabel, deſſen Oberkiefer keinen Zahn beſitzt, dafür aber an der betreffenden Stelle ausgebuchtet iſt, und deſſen Wachshaut nicht vom Gefieder verdeckt iſt. Die Fußwurzeln ſind mittellang, ſtets kraftvoll, oft nur wenig, oft wiederum bis zu den Zehen herab befiedert. Dieſe ſelbſt ſind ſtark, von mittelmäßiger oder bedeutender Länge und immer mit großen, ſehr gekrümmten, ſpitzigen Nägeln bewehrt. Die Flügel erreichen bei einigen das Ende des Schwanzes, bei andern nur deſſen Wurzeltheil. Sie erſcheinen ſtets abgerundet, weil die vierten oder fünften Schwingen faſt ohne Ausnahme die längſten ſind. Der Schwanz iſt groß, lang und breit, entweder gerade abge- ſchnitten oder zugerundet. Das Gefieder beſteht aus großen, gewöhnlich zugeſpitzten Federn; es iſt deshalb immer reich, zuweilen ſehr weich, ausnahmsweiſe nur derb und hart. Bezeichnend für den Adler iſt, daß die Federn des Hinterkopfs und Nackens ſich entweder zuſpitzen oder aber zu einer Holle verlängern. Das Auge iſt groß, feurig; es erhält einen ſehr kühnen Ausdruck dadurch, daß das Augenbrauenbein gewöhnlich weit hervortritt, wodurch das Auge tiefer zu liegen kommt.
Die Adler bewohnen die ganze Erde; gewiſſe Theile derſelben beherbergen jedoch eigene Sippen der Familie, welche in andern Gegenden nicht gefunden werden. Die Verſchiedenheit der Geſtalt läßt erwarten, daß nicht alle Arten dieſelben Wohnorte haben. Auch die Mehrzahl der Adler lebt und jagt im Walde; einzelne Arten ſind Gebirgs- und bezüglich Felſenbewohner; andere ſind an das Waſſer gebunden und leben entweder an der Küſte des Meeres oder an Seen und Flüſſen; einige finden ſelbſt in freien Steppen ihre Heimat. Jn der Nähe des Menſchen ſiedeln ſich die Adler nur ſelten an: ihr eigentlicher Wohnſitz muß möglichſt unbehelligt ſein. Von ihm aus unternehmen ſie aber weite
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Die Fänger. Raubvögel. Adler.
Jm Oſt-Sudahn gehört der Schlangenſperber durchaus nicht zu den häufigen Vögeln. Man
begegnet ihm nur zuweilen im lichteren Walde, jedoch nie weit von Gewäſſern. Der große Vogel
fällt augenblicklich auf. Wenn er fliegt, kann man ihn leicht für einen Adler halten; denn er beſitzt
Flugwerkzeuge, welche einen ſolchen bequem durch die Lüfte tragen können. Mit langſamen, trägen
Flügelſchlägen ſieht man ihn von einem Baume zum andern fliegen. Er iſt ſcheu und vorſichtig, lebt
einſam und ſcheint das mürriſche Weſen anderer Lurchfreſſer zu theilen. Jch fand in dem Kropfe des
von mir erlegten ein paar Eidechſen; andere Beobachter erfuhren, daß er auch auf Fröſche Jagd
macht. Nach Jules Verreaux zeigt der Schlangenſperber eine Gelenkigkeit in ſeinen Fängen,
welche ohne Beiſpiel daſteht. Die Fußwurzel iſt nämlich in ihrem Knie- oder richtiger Ferſengelenke
nicht blos nach vorn, ſondern auch nach hinten beweglich, und dieſe Begabung wird von dem
ſonderbaren Vogel bei ſeiner Jagd auf Lurche in der ausgiebigſten Weiſe benutzt. Er ſteckt ſeine
Läufe in Sumpflöcher und dreht und wendet ſie hier nach allen Richtungen mit überraſchender
Geſchicklichkeit, bis es ihm glückt, ſeine Beute zu faſſen. Die kurzen Zehen machen es ihm möglich, den
Fuß auch in die ſchmalſten Erdſpalten einzuführen und aus ihnen ſich Fröſche oder Eidechſen hervor-
zuholen, welche in ihren Schlupflöchern vor andern Raubvögeln vollſtändig geſchützt ſind. Daß der
Schlangenſperber übrigens kleine Vögel und Säugethiere, Spitzmäuſe z. B., welche auf ſumpfigem
Boden leben, auch nicht verſchmäht, hat Verreaux ebenfalls beobachtet. Weiteres über das Leben
dieſes höchſt eigenthümlichen Vogels weiß ich leider nicht mitzutheilen.
Die größten Raubvögel, welche ſelbſt erworbene Beute genießen und nur ausnahmsweife Aas
angehen, werden Adler genannt. Man begreift unter dieſem Namen übrigens ſehr verſchiedenartige
Vögel und würde deshalb keinen Fehler begehen, wenn man ſie in mehrere Familien zertheilen wollte.
Andrerſeits freilich läßt ſich nicht verkennen, daß auch die am weiteſten aus einander ſtehenden Formen
durch Uebergangsglieder vermittelt werden, wodurch alſo eine Zuſammengehörigkeit der gedachten
Raubvögel gewiſſermaßen bewieſen iſt.
Die Adler (Aquilae) ſind große oder ſehr große Vögel von gedrungenem Leibesbau mit
mittelgroßem, durchaus befiederten Kopf und ſtarkem, an der Wurzel geraden, erſt gegen die Spitze
hin gekrümmten Schnabel, deſſen Oberkiefer keinen Zahn beſitzt, dafür aber an der betreffenden Stelle
ausgebuchtet iſt, und deſſen Wachshaut nicht vom Gefieder verdeckt iſt. Die Fußwurzeln ſind
mittellang, ſtets kraftvoll, oft nur wenig, oft wiederum bis zu den Zehen herab befiedert. Dieſe
ſelbſt ſind ſtark, von mittelmäßiger oder bedeutender Länge und immer mit großen, ſehr gekrümmten,
ſpitzigen Nägeln bewehrt. Die Flügel erreichen bei einigen das Ende des Schwanzes, bei andern
nur deſſen Wurzeltheil. Sie erſcheinen ſtets abgerundet, weil die vierten oder fünften Schwingen faſt
ohne Ausnahme die längſten ſind. Der Schwanz iſt groß, lang und breit, entweder gerade abge-
ſchnitten oder zugerundet. Das Gefieder beſteht aus großen, gewöhnlich zugeſpitzten Federn;
es iſt deshalb immer reich, zuweilen ſehr weich, ausnahmsweiſe nur derb und hart. Bezeichnend
für den Adler iſt, daß die Federn des Hinterkopfs und Nackens ſich entweder zuſpitzen oder aber zu
einer Holle verlängern. Das Auge iſt groß, feurig; es erhält einen ſehr kühnen Ausdruck dadurch,
daß das Augenbrauenbein gewöhnlich weit hervortritt, wodurch das Auge tiefer zu liegen kommt.
Die Adler bewohnen die ganze Erde; gewiſſe Theile derſelben beherbergen jedoch eigene Sippen
der Familie, welche in andern Gegenden nicht gefunden werden. Die Verſchiedenheit der Geſtalt läßt
erwarten, daß nicht alle Arten dieſelben Wohnorte haben. Auch die Mehrzahl der Adler lebt und jagt
im Walde; einzelne Arten ſind Gebirgs- und bezüglich Felſenbewohner; andere ſind an das Waſſer
gebunden und leben entweder an der Küſte des Meeres oder an Seen und Flüſſen; einige finden ſelbſt
in freien Steppen ihre Heimat. Jn der Nähe des Menſchen ſiedeln ſich die Adler nur ſelten an: ihr
eigentlicher Wohnſitz muß möglichſt unbehelligt ſein. Von ihm aus unternehmen ſie aber weite
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/474>, abgerufen am 22.11.2024.
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