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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Saalkrähe. Dohle.
durch andere Saatkrähen, sondern auch durch Dohlen. "Jn dem ungünstigen Frühling 1818", sagt
mein Vater, "sah ich einen Schwarm dieser Krähen an der Kante eines Waldes. Er bedeckte im
Umkreis einer halben Geviert-Meile alle Bäume und einen großen Theil der Felder und Wiesen.
Gegen Abend erhob sich der ganze Schwarm und verfinsterte da, wo er am dichtesten zusammen-
gedrängt war, im eigentlichen Sinne die Luft. Die Bäume des nahen Fichtenwalds reichten kaum
hin, den unzähligen Vögeln Schlafftellen abzugeben." Dabei entfalten die ziehenden Saatkrähen
gleichzeitig alle Künste des Fluges. Es scheint ihnen gar nicht darauf anzukommen, gelegentlich
halbe Stunden lang über ein und derselben Stelle spielend sich zu bewegen. Ueber die Berge zieht der
Schwarm gewöhnlich niedrig, über die Thäler oft in großer Höhe dahin. Plötzlich fällt es Einer
ein, einen bis zweihundert Fuß herabzusteigen; Dies geschieht aber nicht langsam und gemächlich,
sondern jäh, sausend, so wie ein lebloser Körper aus großer Höhe zu Boden stürzt. Der
einen folgen sofort eine Menge andere, zuweilen der ganze Flug, und dann erfüllt die Luft ein auf
weithin hörbares Brausen. Unten, hart über dem Boden angekommen, fliegen die Saatkrähen
gemächlich weiter; hierauf erheben sie sich allgemach wieder in die Höhe, schrauben sich nach und nach
mehr empor und ziehen kaum eine Viertelstunde später, dem Auge als kleines Pünktchen erscheinend,
in den höchsten Luftschichten weiter.

Jm Süden Europas oder in Nordafrika sieht man selten so große Flüge der Saatkrähe, wie bei
uns. Das gewaltige Heer, welches sich allgemach sammelte, hat sich nach und nach wieder in einzelne
Haufen zertheilt, und diese suchen nun die verschiedenen Oertlichkeiten bestmöglichst auszubeuten.
Aber es geht ihnen oft recht schlimm in der Fremde, namentlich in Afrika. Das fruchtbare Nilthal
scheint für alle eingewanderten Saatkrähen nicht Raum und Nahrung genug zu haben. Sie suchen
dann in den umliegenden Wüsten nach Futter, finden es nicht und erliegen zu Hunderten dem Mangel.
Die bekannten Mosesquellen in der Nähe von Sues werden von einem Palmenhaine umgeben,
welcher von den schwarzen Wintergästen zum Schlafplatze gewählt wird. Hier fand ich einmal den
Boden bedeckt von todten Saatkrähen, buchstäblich Hunderte von Leichen neben einander. Sie alle
waren verhungert.

Jn der Gefangenschaft benimmt sich die Saatkrähe ähnlich, wie ihre Verwandten; sie ist jedoch
weniger unterhaltend, als diese, namentlich minder anziehend, als der Rabe oder die Dohle. Dies ist
denn auch der Grund, daß man sie nur sehr selten als Genossen des Menschen zu sehen bekommt.



Der Zwerg unter unsern deutschen Raben ist die Dohle oder Thurmkrähe, der Thalk, die
Dachlücke, Geile, Kaike, Elke und Tschokerle (Monedula turrium). Mein Vater hat sie von
den andern Raben getrennt und zum Vertreter einer besondern Sippe erhoben, hauptsächlich des kurzen
und starken, oben wenig gebogenen Schnabels wegen; denn Flügel, Schwanz und Füße sind wie bei
den Krähen gebildet. Die Dohle wird 12 bis 123/4 Zoll lang und 24 bis 25 Zoll breit; die Fittig-
länge beträgt 81/2 Zoll, die Schwanzlänge 5 Zoll. Das Gefieder ist auf Stirn und Scheitel dunkel-
schwarz, auf Hinterkopf und Nacken aschgrau, auf dem übrigen Oberkörper blauschwarz, auf der
Unterseite schiefer- oder grauschwarz. Das Auge ist silberweiß, der Schnabel und die Füße sind
schwarz. Die Jungen unterscheiden sich durch schmuzige Farben und ein graues Auge.

Auch die Dohle ist weit verbreitet; sie findet sich nicht blos im größten Theile Europas, sondern
auch in vielen Ländern Asiens. Jn Taurien wird sie durch eine ihr sehr nahe verwandte Art ver-
treten. Wo sie vorkommt, ist sie häufig; sie fehlt aber vielen Gegenden gänzlich, scheint also hinsicht-
lich ihres Aufenthalts sehr wählerisch zu sein. Bei uns zu Lande bewohnt sie hauptsächlich die alten
Thürme der Städte oder andere hohe Gebäude, deren Mauern ihr passende Nistplätze gewähren.
Außerdem findet man sie in Laubwäldern, namentlich in Feldgehölzen, welche hohle Bäume haben.
Jn Spanien trafen wir nur wenige Flüge von ihr, aber unter eigenthümlichen Umständen, an. Un-

Saalkrähe. Dohle.
durch andere Saatkrähen, ſondern auch durch Dohlen. „Jn dem ungünſtigen Frühling 1818‟, ſagt
mein Vater, „ſah ich einen Schwarm dieſer Krähen an der Kante eines Waldes. Er bedeckte im
Umkreis einer halben Geviert-Meile alle Bäume und einen großen Theil der Felder und Wieſen.
Gegen Abend erhob ſich der ganze Schwarm und verfinſterte da, wo er am dichteſten zuſammen-
gedrängt war, im eigentlichen Sinne die Luft. Die Bäume des nahen Fichtenwalds reichten kaum
hin, den unzähligen Vögeln Schlafftellen abzugeben.‟ Dabei entfalten die ziehenden Saatkrähen
gleichzeitig alle Künſte des Fluges. Es ſcheint ihnen gar nicht darauf anzukommen, gelegentlich
halbe Stunden lang über ein und derſelben Stelle ſpielend ſich zu bewegen. Ueber die Berge zieht der
Schwarm gewöhnlich niedrig, über die Thäler oft in großer Höhe dahin. Plötzlich fällt es Einer
ein, einen bis zweihundert Fuß herabzuſteigen; Dies geſchieht aber nicht langſam und gemächlich,
ſondern jäh, ſauſend, ſo wie ein lebloſer Körper aus großer Höhe zu Boden ſtürzt. Der
einen folgen ſofort eine Menge andere, zuweilen der ganze Flug, und dann erfüllt die Luft ein auf
weithin hörbares Brauſen. Unten, hart über dem Boden angekommen, fliegen die Saatkrähen
gemächlich weiter; hierauf erheben ſie ſich allgemach wieder in die Höhe, ſchrauben ſich nach und nach
mehr empor und ziehen kaum eine Viertelſtunde ſpäter, dem Auge als kleines Pünktchen erſcheinend,
in den höchſten Luftſchichten weiter.

Jm Süden Europas oder in Nordafrika ſieht man ſelten ſo große Flüge der Saatkrähe, wie bei
uns. Das gewaltige Heer, welches ſich allgemach ſammelte, hat ſich nach und nach wieder in einzelne
Haufen zertheilt, und dieſe ſuchen nun die verſchiedenen Oertlichkeiten beſtmöglichſt auszubeuten.
Aber es geht ihnen oft recht ſchlimm in der Fremde, namentlich in Afrika. Das fruchtbare Nilthal
ſcheint für alle eingewanderten Saatkrähen nicht Raum und Nahrung genug zu haben. Sie ſuchen
dann in den umliegenden Wüſten nach Futter, finden es nicht und erliegen zu Hunderten dem Mangel.
Die bekannten Moſesquellen in der Nähe von Sues werden von einem Palmenhaine umgeben,
welcher von den ſchwarzen Wintergäſten zum Schlafplatze gewählt wird. Hier fand ich einmal den
Boden bedeckt von todten Saatkrähen, buchſtäblich Hunderte von Leichen neben einander. Sie alle
waren verhungert.

Jn der Gefangenſchaft benimmt ſich die Saatkrähe ähnlich, wie ihre Verwandten; ſie iſt jedoch
weniger unterhaltend, als dieſe, namentlich minder anziehend, als der Rabe oder die Dohle. Dies iſt
denn auch der Grund, daß man ſie nur ſehr ſelten als Genoſſen des Menſchen zu ſehen bekommt.



Der Zwerg unter unſern deutſchen Raben iſt die Dohle oder Thurmkrähe, der Thalk, die
Dachlücke, Geile, Kaike, Elke und Tſchokerle (Monedula turrium). Mein Vater hat ſie von
den andern Raben getrennt und zum Vertreter einer beſondern Sippe erhoben, hauptſächlich des kurzen
und ſtarken, oben wenig gebogenen Schnabels wegen; denn Flügel, Schwanz und Füße ſind wie bei
den Krähen gebildet. Die Dohle wird 12 bis 12¾ Zoll lang und 24 bis 25 Zoll breit; die Fittig-
länge beträgt 8½ Zoll, die Schwanzlänge 5 Zoll. Das Gefieder iſt auf Stirn und Scheitel dunkel-
ſchwarz, auf Hinterkopf und Nacken aſchgrau, auf dem übrigen Oberkörper blauſchwarz, auf der
Unterſeite ſchiefer- oder grauſchwarz. Das Auge iſt ſilberweiß, der Schnabel und die Füße ſind
ſchwarz. Die Jungen unterſcheiden ſich durch ſchmuzige Farben und ein graues Auge.

Auch die Dohle iſt weit verbreitet; ſie findet ſich nicht blos im größten Theile Europas, ſondern
auch in vielen Ländern Aſiens. Jn Taurien wird ſie durch eine ihr ſehr nahe verwandte Art ver-
treten. Wo ſie vorkommt, iſt ſie häufig; ſie fehlt aber vielen Gegenden gänzlich, ſcheint alſo hinſicht-
lich ihres Aufenthalts ſehr wähleriſch zu ſein. Bei uns zu Lande bewohnt ſie hauptſächlich die alten
Thürme der Städte oder andere hohe Gebäude, deren Mauern ihr paſſende Niſtplätze gewähren.
Außerdem findet man ſie in Laubwäldern, namentlich in Feldgehölzen, welche hohle Bäume haben.
Jn Spanien trafen wir nur wenige Flüge von ihr, aber unter eigenthümlichen Umſtänden, an. Un-

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[359/0387] Saalkrähe. Dohle. durch andere Saatkrähen, ſondern auch durch Dohlen. „Jn dem ungünſtigen Frühling 1818‟, ſagt mein Vater, „ſah ich einen Schwarm dieſer Krähen an der Kante eines Waldes. Er bedeckte im Umkreis einer halben Geviert-Meile alle Bäume und einen großen Theil der Felder und Wieſen. Gegen Abend erhob ſich der ganze Schwarm und verfinſterte da, wo er am dichteſten zuſammen- gedrängt war, im eigentlichen Sinne die Luft. Die Bäume des nahen Fichtenwalds reichten kaum hin, den unzähligen Vögeln Schlafftellen abzugeben.‟ Dabei entfalten die ziehenden Saatkrähen gleichzeitig alle Künſte des Fluges. Es ſcheint ihnen gar nicht darauf anzukommen, gelegentlich halbe Stunden lang über ein und derſelben Stelle ſpielend ſich zu bewegen. Ueber die Berge zieht der Schwarm gewöhnlich niedrig, über die Thäler oft in großer Höhe dahin. Plötzlich fällt es Einer ein, einen bis zweihundert Fuß herabzuſteigen; Dies geſchieht aber nicht langſam und gemächlich, ſondern jäh, ſauſend, ſo wie ein lebloſer Körper aus großer Höhe zu Boden ſtürzt. Der einen folgen ſofort eine Menge andere, zuweilen der ganze Flug, und dann erfüllt die Luft ein auf weithin hörbares Brauſen. Unten, hart über dem Boden angekommen, fliegen die Saatkrähen gemächlich weiter; hierauf erheben ſie ſich allgemach wieder in die Höhe, ſchrauben ſich nach und nach mehr empor und ziehen kaum eine Viertelſtunde ſpäter, dem Auge als kleines Pünktchen erſcheinend, in den höchſten Luftſchichten weiter. Jm Süden Europas oder in Nordafrika ſieht man ſelten ſo große Flüge der Saatkrähe, wie bei uns. Das gewaltige Heer, welches ſich allgemach ſammelte, hat ſich nach und nach wieder in einzelne Haufen zertheilt, und dieſe ſuchen nun die verſchiedenen Oertlichkeiten beſtmöglichſt auszubeuten. Aber es geht ihnen oft recht ſchlimm in der Fremde, namentlich in Afrika. Das fruchtbare Nilthal ſcheint für alle eingewanderten Saatkrähen nicht Raum und Nahrung genug zu haben. Sie ſuchen dann in den umliegenden Wüſten nach Futter, finden es nicht und erliegen zu Hunderten dem Mangel. Die bekannten Moſesquellen in der Nähe von Sues werden von einem Palmenhaine umgeben, welcher von den ſchwarzen Wintergäſten zum Schlafplatze gewählt wird. Hier fand ich einmal den Boden bedeckt von todten Saatkrähen, buchſtäblich Hunderte von Leichen neben einander. Sie alle waren verhungert. Jn der Gefangenſchaft benimmt ſich die Saatkrähe ähnlich, wie ihre Verwandten; ſie iſt jedoch weniger unterhaltend, als dieſe, namentlich minder anziehend, als der Rabe oder die Dohle. Dies iſt denn auch der Grund, daß man ſie nur ſehr ſelten als Genoſſen des Menſchen zu ſehen bekommt. Der Zwerg unter unſern deutſchen Raben iſt die Dohle oder Thurmkrähe, der Thalk, die Dachlücke, Geile, Kaike, Elke und Tſchokerle (Monedula turrium). Mein Vater hat ſie von den andern Raben getrennt und zum Vertreter einer beſondern Sippe erhoben, hauptſächlich des kurzen und ſtarken, oben wenig gebogenen Schnabels wegen; denn Flügel, Schwanz und Füße ſind wie bei den Krähen gebildet. Die Dohle wird 12 bis 12¾ Zoll lang und 24 bis 25 Zoll breit; die Fittig- länge beträgt 8½ Zoll, die Schwanzlänge 5 Zoll. Das Gefieder iſt auf Stirn und Scheitel dunkel- ſchwarz, auf Hinterkopf und Nacken aſchgrau, auf dem übrigen Oberkörper blauſchwarz, auf der Unterſeite ſchiefer- oder grauſchwarz. Das Auge iſt ſilberweiß, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Die Jungen unterſcheiden ſich durch ſchmuzige Farben und ein graues Auge. Auch die Dohle iſt weit verbreitet; ſie findet ſich nicht blos im größten Theile Europas, ſondern auch in vielen Ländern Aſiens. Jn Taurien wird ſie durch eine ihr ſehr nahe verwandte Art ver- treten. Wo ſie vorkommt, iſt ſie häufig; ſie fehlt aber vielen Gegenden gänzlich, ſcheint alſo hinſicht- lich ihres Aufenthalts ſehr wähleriſch zu ſein. Bei uns zu Lande bewohnt ſie hauptſächlich die alten Thürme der Städte oder andere hohe Gebäude, deren Mauern ihr paſſende Niſtplätze gewähren. Außerdem findet man ſie in Laubwäldern, namentlich in Feldgehölzen, welche hohle Bäume haben. Jn Spanien trafen wir nur wenige Flüge von ihr, aber unter eigenthümlichen Umſtänden, an. Un-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/387>, abgerufen am 24.11.2024.