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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Knacker. Die Papageien. Der Jako.

"Fremde liebte er nicht, und diejenigen, welche seinetwegen kamen und ihn sprechen hören woll-
ten, erreichten ihren Wunsch gewöhnlich nur dann, wenn sie sich vor ihm verbargen. Jn ihrer Gegen-
wart blieb er mäuschenstill. Um so lebhafter schwatzte er, wenn sie sich versteckt oder wirklich empfoh-
len hatten: es schien, als wolle er sich für den sich selbst angethanen Zwang entschädigen. Doch
konnte man sich seine Zuneigung erwerben, und mit solchen Leuten, welche oft zu uns kamen, sprach er
gern, machte wohl auch, sie betreffend, einen seiner Witze. Ein dicker Major, welchen er gut kannte,
machte eines Tages Versuche, ihm Kunststücke zu lehren. "Geh auf den Stock, Papchen, auf den
Stock!" befahl der Krieger. Papchen war entschieden verdrossen. Da plötzlich lacht er laut und
sagt: "Major auf den Stock, Major!"

"Ein anderer seiner Freunde war längere Zeit nicht im Hause zu Besuch gewesen. Es wurde
darüber gesprochen und erwartet, daß Roth, so hieß der Ersehnte, heute sich einstellen werde. "Da
kommt Roth", sagte plötzlich Papchen: -- er hatte zum Fenster hinaus gesehen und den Erwarteten
von fern erkannt."

"Ein Sohn des Hauses, George, wurde nach längerer Abwesenheit erwartet und darüber
natürlich in der Familie gesprochen. George kam erst spät abends an, als Papchen bereits im
Dunkel seines verdeckten Käfigs schlief. Nach der ersten Begrüßung wandte sich der Heimgekehrte
zu Aller Liebling und lüftete die Decke: "Ah, George, bist du da? Das ist schön, sehr schön",
sagte der Vogel."

"Er hatte bemerkt, daß sein Herr, wenn er aus Fenster ging, oft den Verwalter oder Voigt
aus dem Hofe heraufrief. Sah er nun, daß sein Gebieter wiederum dem Fenster rasch zuging,
so rief er jedesmal die Namen, aber die der Beiden, weil er ja doch nicht wissen konnte, welchen
der Herr rufen wollte."

"Was der Vogel sonst noch Alles gesprochen und gethan, vermag ich nicht aufzuzählen: er war
ein halber Mensch!"

"Papchen endete auf klägliche Weise. Er wurde einem alten Verwandten des Hauses, welcher
kindisch geworden war und den Vogel kindisch lieb gewonnen hatte, geschenkt. Alle weinten, als das
herrliche Thier weggetragen wurde; Papchen weinte zwar nicht, die Trennung von seinen Lieben
konnte er aber doch nicht ertragen: wenige Tage später war er todt."

Jch könnte noch von mehreren grauen Papageien berichten, welche es ebenfalls weit brachten in der
Kunst zu sprechen; doch schließt Vorstehendes eigentlich Alles in sich ein, was ein Vogel dieser
Art hierin leisten kann. Nur erwähnen will ich noch, daß das wundervolle Gedächtniß und die
Nachahmungsgabe des geistvollen Thieres auch ihre Schattenseiten hat. Die ersten Lehrmeister des
grauen Papageis pflegen die Matrosen zu sein, welche später oft in den Bedienten des Hauses
entsprechende Hilfe finden. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß in solcher Schule der
Wortschatz des Papageis nicht immer mit den edelsten und feinsten bereichert wird. Leider kommen
später auch dem wohlgezogensten Vogel oft genug alte Worte wieder in Erinnerung, und mitten
unter seine hübschen Sätze und Nedensarten mischt er die rohesten und gemeinsten Worte. Zudem
findet der Papagei die absonderlichsten Töne, Laute und Geräusche oft äußerst nachahmungswerth,
lernt mit derselben Fertigkeit wie Worte, das Knarren einer Thüre in seiner Nähe, das Bellen
des Hundes, das Miauen der Katzen, das Husten eines alten Menschen nachahmen und stört
durch alles Dies oft wesentlich sein im übrigen liebenswürdiges Geplauder.

Unnöthig würde es sein, über die geistigen Fähigkeiten dieser Vögel noch ein Wort zu sagen.
Das Vorstehende spricht für sich selbst, und soviel leuchtet auch wohl dem Befangensten ein, daß
hier nicht von sogenanntem unbewußten Jnstinkt, sondern nur von klarem Verstand die Rede
sein kann.

Aber nicht blos über den Verstand, sondern auch über das Gemüth des grauen Papageis
sind hübsche Beobachtungen bekannt geworden. "Ein Freund von mir", erzählt Wood, "besaß
einen Vogel dieser Art, welcher die zierlichste und liebenswürdigste Pflegemutter anderer kleiner

Knacker. Die Papageien. Der Jako.

„Fremde liebte er nicht, und diejenigen, welche ſeinetwegen kamen und ihn ſprechen hören woll-
ten, erreichten ihren Wunſch gewöhnlich nur dann, wenn ſie ſich vor ihm verbargen. Jn ihrer Gegen-
wart blieb er mäuschenſtill. Um ſo lebhafter ſchwatzte er, wenn ſie ſich verſteckt oder wirklich empfoh-
len hatten: es ſchien, als wolle er ſich für den ſich ſelbſt angethanen Zwang entſchädigen. Doch
konnte man ſich ſeine Zuneigung erwerben, und mit ſolchen Leuten, welche oft zu uns kamen, ſprach er
gern, machte wohl auch, ſie betreffend, einen ſeiner Witze. Ein dicker Major, welchen er gut kannte,
machte eines Tages Verſuche, ihm Kunſtſtücke zu lehren. „Geh auf den Stock, Papchen, auf den
Stock!‟ befahl der Krieger. Papchen war entſchieden verdroſſen. Da plötzlich lacht er laut und
ſagt: „Major auf den Stock, Major!‟

„Ein anderer ſeiner Freunde war längere Zeit nicht im Hauſe zu Beſuch geweſen. Es wurde
darüber geſprochen und erwartet, daß Roth, ſo hieß der Erſehnte, heute ſich einſtellen werde. „Da
kommt Roth‟, ſagte plötzlich Papchen: — er hatte zum Fenſter hinaus geſehen und den Erwarteten
von fern erkannt.‟

„Ein Sohn des Hauſes, George, wurde nach längerer Abweſenheit erwartet und darüber
natürlich in der Familie geſprochen. George kam erſt ſpät abends an, als Papchen bereits im
Dunkel ſeines verdeckten Käfigs ſchlief. Nach der erſten Begrüßung wandte ſich der Heimgekehrte
zu Aller Liebling und lüftete die Decke: „Ah, George, biſt du da? Das iſt ſchön, ſehr ſchön‟,
ſagte der Vogel.‟

„Er hatte bemerkt, daß ſein Herr, wenn er aus Fenſter ging, oft den Verwalter oder Voigt
aus dem Hofe heraufrief. Sah er nun, daß ſein Gebieter wiederum dem Fenſter raſch zuging,
ſo rief er jedesmal die Namen, aber die der Beiden, weil er ja doch nicht wiſſen konnte, welchen
der Herr rufen wollte.‟

„Was der Vogel ſonſt noch Alles geſprochen und gethan, vermag ich nicht aufzuzählen: er war
ein halber Menſch!‟

„Papchen endete auf klägliche Weiſe. Er wurde einem alten Verwandten des Hauſes, welcher
kindiſch geworden war und den Vogel kindiſch lieb gewonnen hatte, geſchenkt. Alle weinten, als das
herrliche Thier weggetragen wurde; Papchen weinte zwar nicht, die Trennung von ſeinen Lieben
konnte er aber doch nicht ertragen: wenige Tage ſpäter war er todt.‟

Jch könnte noch von mehreren grauen Papageien berichten, welche es ebenfalls weit brachten in der
Kunſt zu ſprechen; doch ſchließt Vorſtehendes eigentlich Alles in ſich ein, was ein Vogel dieſer
Art hierin leiſten kann. Nur erwähnen will ich noch, daß das wundervolle Gedächtniß und die
Nachahmungsgabe des geiſtvollen Thieres auch ihre Schattenſeiten hat. Die erſten Lehrmeiſter des
grauen Papageis pflegen die Matroſen zu ſein, welche ſpäter oft in den Bedienten des Hauſes
entſprechende Hilfe finden. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß in ſolcher Schule der
Wortſchatz des Papageis nicht immer mit den edelſten und feinſten bereichert wird. Leider kommen
ſpäter auch dem wohlgezogenſten Vogel oft genug alte Worte wieder in Erinnerung, und mitten
unter ſeine hübſchen Sätze und Nedensarten miſcht er die roheſten und gemeinſten Worte. Zudem
findet der Papagei die abſonderlichſten Töne, Laute und Geräuſche oft äußerſt nachahmungswerth,
lernt mit derſelben Fertigkeit wie Worte, das Knarren einer Thüre in ſeiner Nähe, das Bellen
des Hundes, das Miauen der Katzen, das Huſten eines alten Menſchen nachahmen und ſtört
durch alles Dies oft weſentlich ſein im übrigen liebenswürdiges Geplauder.

Unnöthig würde es ſein, über die geiſtigen Fähigkeiten dieſer Vögel noch ein Wort zu ſagen.
Das Vorſtehende ſpricht für ſich ſelbſt, und ſoviel leuchtet auch wohl dem Befangenſten ein, daß
hier nicht von ſogenanntem unbewußten Jnſtinkt, ſondern nur von klarem Verſtand die Rede
ſein kann.

Aber nicht blos über den Verſtand, ſondern auch über das Gemüth des grauen Papageis
ſind hübſche Beobachtungen bekannt geworden. „Ein Freund von mir‟, erzählt Wood, „beſaß
einen Vogel dieſer Art, welcher die zierlichſte und liebenswürdigſte Pflegemutter anderer kleiner

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[26/0038] Knacker. Die Papageien. Der Jako. „Fremde liebte er nicht, und diejenigen, welche ſeinetwegen kamen und ihn ſprechen hören woll- ten, erreichten ihren Wunſch gewöhnlich nur dann, wenn ſie ſich vor ihm verbargen. Jn ihrer Gegen- wart blieb er mäuschenſtill. Um ſo lebhafter ſchwatzte er, wenn ſie ſich verſteckt oder wirklich empfoh- len hatten: es ſchien, als wolle er ſich für den ſich ſelbſt angethanen Zwang entſchädigen. Doch konnte man ſich ſeine Zuneigung erwerben, und mit ſolchen Leuten, welche oft zu uns kamen, ſprach er gern, machte wohl auch, ſie betreffend, einen ſeiner Witze. Ein dicker Major, welchen er gut kannte, machte eines Tages Verſuche, ihm Kunſtſtücke zu lehren. „Geh auf den Stock, Papchen, auf den Stock!‟ befahl der Krieger. Papchen war entſchieden verdroſſen. Da plötzlich lacht er laut und ſagt: „Major auf den Stock, Major!‟ „Ein anderer ſeiner Freunde war längere Zeit nicht im Hauſe zu Beſuch geweſen. Es wurde darüber geſprochen und erwartet, daß Roth, ſo hieß der Erſehnte, heute ſich einſtellen werde. „Da kommt Roth‟, ſagte plötzlich Papchen: — er hatte zum Fenſter hinaus geſehen und den Erwarteten von fern erkannt.‟ „Ein Sohn des Hauſes, George, wurde nach längerer Abweſenheit erwartet und darüber natürlich in der Familie geſprochen. George kam erſt ſpät abends an, als Papchen bereits im Dunkel ſeines verdeckten Käfigs ſchlief. Nach der erſten Begrüßung wandte ſich der Heimgekehrte zu Aller Liebling und lüftete die Decke: „Ah, George, biſt du da? Das iſt ſchön, ſehr ſchön‟, ſagte der Vogel.‟ „Er hatte bemerkt, daß ſein Herr, wenn er aus Fenſter ging, oft den Verwalter oder Voigt aus dem Hofe heraufrief. Sah er nun, daß ſein Gebieter wiederum dem Fenſter raſch zuging, ſo rief er jedesmal die Namen, aber die der Beiden, weil er ja doch nicht wiſſen konnte, welchen der Herr rufen wollte.‟ „Was der Vogel ſonſt noch Alles geſprochen und gethan, vermag ich nicht aufzuzählen: er war ein halber Menſch!‟ „Papchen endete auf klägliche Weiſe. Er wurde einem alten Verwandten des Hauſes, welcher kindiſch geworden war und den Vogel kindiſch lieb gewonnen hatte, geſchenkt. Alle weinten, als das herrliche Thier weggetragen wurde; Papchen weinte zwar nicht, die Trennung von ſeinen Lieben konnte er aber doch nicht ertragen: wenige Tage ſpäter war er todt.‟ Jch könnte noch von mehreren grauen Papageien berichten, welche es ebenfalls weit brachten in der Kunſt zu ſprechen; doch ſchließt Vorſtehendes eigentlich Alles in ſich ein, was ein Vogel dieſer Art hierin leiſten kann. Nur erwähnen will ich noch, daß das wundervolle Gedächtniß und die Nachahmungsgabe des geiſtvollen Thieres auch ihre Schattenſeiten hat. Die erſten Lehrmeiſter des grauen Papageis pflegen die Matroſen zu ſein, welche ſpäter oft in den Bedienten des Hauſes entſprechende Hilfe finden. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß in ſolcher Schule der Wortſchatz des Papageis nicht immer mit den edelſten und feinſten bereichert wird. Leider kommen ſpäter auch dem wohlgezogenſten Vogel oft genug alte Worte wieder in Erinnerung, und mitten unter ſeine hübſchen Sätze und Nedensarten miſcht er die roheſten und gemeinſten Worte. Zudem findet der Papagei die abſonderlichſten Töne, Laute und Geräuſche oft äußerſt nachahmungswerth, lernt mit derſelben Fertigkeit wie Worte, das Knarren einer Thüre in ſeiner Nähe, das Bellen des Hundes, das Miauen der Katzen, das Huſten eines alten Menſchen nachahmen und ſtört durch alles Dies oft weſentlich ſein im übrigen liebenswürdiges Geplauder. Unnöthig würde es ſein, über die geiſtigen Fähigkeiten dieſer Vögel noch ein Wort zu ſagen. Das Vorſtehende ſpricht für ſich ſelbſt, und ſoviel leuchtet auch wohl dem Befangenſten ein, daß hier nicht von ſogenanntem unbewußten Jnſtinkt, ſondern nur von klarem Verſtand die Rede ſein kann. Aber nicht blos über den Verſtand, ſondern auch über das Gemüth des grauen Papageis ſind hübſche Beobachtungen bekannt geworden. „Ein Freund von mir‟, erzählt Wood, „beſaß einen Vogel dieſer Art, welcher die zierlichſte und liebenswürdigſte Pflegemutter anderer kleiner

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/38>, abgerufen am 24.04.2024.