"Vor einer Schlange oder einem Krebs u. dgl. schlägt er die Flügel und den Schwanz und krächzt ganz wie die Raben; kommt ein Fremder ins Zimmer, so schreit er, daß man fast taub wird; ruft ihn aber ein Bekannter, so gackert er ganz freundlich. Jn der Ruhe singt er bisweilen, und ist er ausgeschlossen, so pfeift er fast wie eine Amsel; er lernt selbst einen kleinen Marsch pfeifen."
"War Jemand lang abwesend und kommt zurück, so geht er ihm mit halb geöffneten Flügeln entgegen, begrüßt ihn mit der Stimme, fliegt ihm auf den Arm und besieht ihn von allen Seiten. Findet er nach Sonnenaufgang die Thüre geschlossen, so läuft er in ein Schlafzimmer, ruft einige Mal, setzt sich unbeweglich aufs Kopfkissen und wartet, bis sein Freund aufwacht. Dann hat er keine Ruhe mehr, schreit aus allen Kräften, läuft von einem Orte zum andern und bezeugt auf alle Art sein Vergnügen an der Gesellschaft seines Herrn. Seine Zuneigung setzt wirklich in Erstau- nen; aber dennoch macht er sich nicht zum Sklaven, läßt sich nicht gern in die Hand nehmen, und er hat immer einige Personen, die er nicht leiden mag, und nach denen er pickt."
Die Raben im engsten Sinne, eine an Sippen und Arten zahlreiche Horde, kennzeichnen sich durch großen, aber verhältnißmäßig kurzen, mehr oder weniger gebogenen, an der Wurzel mit steifen Borstenhaaren überdeckten Schnabel, welcher stets eine schwarze Färbung zeigt, durch mittellange Flügel, welche zusammen gelegt ungefähr das Ende des Schwanzes erreichen, durch starke Füße, welche ebenfalls schwarz gefärbt sind, und durch ein ziemlich reiches Gefieder von vorwaltend schwarzer Farbe mit mehr oder weniger Glanz.
Unter den hierher zu zählenden Vögeln gebührt unserm Kolk- oder Edelraben (Corax nobilis) die erste Stelle. Er ist der Rabe im eigentlichen Sinne des Worts; die vielen Benennungen, welche er außerdem noch führt, sind nichts anderes als unbedeutsame Beinamen. Der Kolkrabe vertritt mit mehreren Verwandten, welche ihm sämmtlich höchst ähnlich sind, eine besondere Sippe, deren Kenn- zeichen im Folgenden liegen: Der Leib ist gestreckt, der Flügel groß, lang und spitzig, weil die dritte Schwinge alle übrigen an Länge überragt, der Schwanz mittellang, seitlich abgestuft, das Gefieder knapp und glänzend. Die Färbung des Kolkraben ist gleichmäßig schwarz. Nur das Auge ist braun oder bei den jüngern Vögeln blauschwarz und bei den Nestjungen hellgrau. Die Länge beträgt reichlich 2 Fuß, die Breite 41/4 Fuß, die Fittiglänge 17 Zoll, die Schwanzlänge 93/4 Zoll.
Unter allen Raben scheint der Kolkrabe, welcher überhaupt in jeder Hinsicht als das Ur- und Vorbild der ganzen Familie zu betrachten ist, am weitesten verbreitet zu sein. Er bewohnt ganz Europa vom Nordkap an bis zum Kap Tarifa und vom Vorgebirge Finisterre an bis zum Altai. Er findet sich aber auch im größten Theile Asiens vom Eismeer bis zum Punjab und vom Altai bis nach Japan, und es ist noch sehr fraglich, ob der im Norden Amerikas lebende Rabe von dem unsrigen verschieden ist oder nicht. Die bedeutendere Größe, welche der nordamerikanische Rabe erreicht, scheint für ersteres zu sprechen, die Verschiedenheiten in der Größe, welche bei den unsrigen beobachtet wer- den, für letzteres. Bei uns zu Lande ist der stattliche, stolze Vogel nur in gewissen Gegenden häufig, in andern bereits ausgerottet. "Der Kolkrabe liebt", wie ich früher (in meinem "Leben der Vögel") schon einmal gesagt habe, "ein inniges Verhältniß mit dem Menschen gar nicht und sucht jeder Ver- traulichkeit von seiten des letzteren auszuweichen. Man sindet ihn daher nur an spärlich bewohn- ten Orten unseres Vaterlandes: in Gebirgen, in zusammenhängenden, hochständigen Waldungen, an felsigen Meeresküsten und in andern Gegenden, wo er möglichst ungestört sein kann. Gegen die Grenzen unseres Erdtheils hin lebt er mit dem Herrn der Erde in besseren Verhältnissen; namentlich ist Das im Süden, Osten und Norden Europas der Fall, höchst wahrscheinlich deshalb, weil der Mensch in den bezüglichen Ländern jener Himmelsstriche nicht so ausgesucht boshaft jede seiner Vergnügungen und Handlungen bemäkelt und richtet, wie er in Mittel- und Westeuropa zu thun sich erlaubt. Hier
Alpendohle. Kolkrabe.
„Vor einer Schlange oder einem Krebs u. dgl. ſchlägt er die Flügel und den Schwanz und krächzt ganz wie die Raben; kommt ein Fremder ins Zimmer, ſo ſchreit er, daß man faſt taub wird; ruft ihn aber ein Bekannter, ſo gackert er ganz freundlich. Jn der Ruhe ſingt er bisweilen, und iſt er ausgeſchloſſen, ſo pfeift er faſt wie eine Amſel; er lernt ſelbſt einen kleinen Marſch pfeifen.‟
„War Jemand lang abweſend und kommt zurück, ſo geht er ihm mit halb geöffneten Flügeln entgegen, begrüßt ihn mit der Stimme, fliegt ihm auf den Arm und beſieht ihn von allen Seiten. Findet er nach Sonnenaufgang die Thüre geſchloſſen, ſo läuft er in ein Schlafzimmer, ruft einige Mal, ſetzt ſich unbeweglich aufs Kopfkiſſen und wartet, bis ſein Freund aufwacht. Dann hat er keine Ruhe mehr, ſchreit aus allen Kräften, läuft von einem Orte zum andern und bezeugt auf alle Art ſein Vergnügen an der Geſellſchaft ſeines Herrn. Seine Zuneigung ſetzt wirklich in Erſtau- nen; aber dennoch macht er ſich nicht zum Sklaven, läßt ſich nicht gern in die Hand nehmen, und er hat immer einige Perſonen, die er nicht leiden mag, und nach denen er pickt.‟
Die Raben im engſten Sinne, eine an Sippen und Arten zahlreiche Horde, kennzeichnen ſich durch großen, aber verhältnißmäßig kurzen, mehr oder weniger gebogenen, an der Wurzel mit ſteifen Borſtenhaaren überdeckten Schnabel, welcher ſtets eine ſchwarze Färbung zeigt, durch mittellange Flügel, welche zuſammen gelegt ungefähr das Ende des Schwanzes erreichen, durch ſtarke Füße, welche ebenfalls ſchwarz gefärbt ſind, und durch ein ziemlich reiches Gefieder von vorwaltend ſchwarzer Farbe mit mehr oder weniger Glanz.
Unter den hierher zu zählenden Vögeln gebührt unſerm Kolk- oder Edelraben (Corax nobilis) die erſte Stelle. Er iſt der Rabe im eigentlichen Sinne des Worts; die vielen Benennungen, welche er außerdem noch führt, ſind nichts anderes als unbedeutſame Beinamen. Der Kolkrabe vertritt mit mehreren Verwandten, welche ihm ſämmtlich höchſt ähnlich ſind, eine beſondere Sippe, deren Kenn- zeichen im Folgenden liegen: Der Leib iſt geſtreckt, der Flügel groß, lang und ſpitzig, weil die dritte Schwinge alle übrigen an Länge überragt, der Schwanz mittellang, ſeitlich abgeſtuft, das Gefieder knapp und glänzend. Die Färbung des Kolkraben iſt gleichmäßig ſchwarz. Nur das Auge iſt braun oder bei den jüngern Vögeln blauſchwarz und bei den Neſtjungen hellgrau. Die Länge beträgt reichlich 2 Fuß, die Breite 4¼ Fuß, die Fittiglänge 17 Zoll, die Schwanzlänge 9¾ Zoll.
Unter allen Raben ſcheint der Kolkrabe, welcher überhaupt in jeder Hinſicht als das Ur- und Vorbild der ganzen Familie zu betrachten iſt, am weiteſten verbreitet zu ſein. Er bewohnt ganz Europa vom Nordkap an bis zum Kap Tarifa und vom Vorgebirge Finisterre an bis zum Altaï. Er findet ſich aber auch im größten Theile Aſiens vom Eismeer bis zum Punjab und vom Altaï bis nach Japan, und es iſt noch ſehr fraglich, ob der im Norden Amerikas lebende Rabe von dem unſrigen verſchieden iſt oder nicht. Die bedeutendere Größe, welche der nordamerikaniſche Rabe erreicht, ſcheint für erſteres zu ſprechen, die Verſchiedenheiten in der Größe, welche bei den unſrigen beobachtet wer- den, für letzteres. Bei uns zu Lande iſt der ſtattliche, ſtolze Vogel nur in gewiſſen Gegenden häufig, in andern bereits ausgerottet. „Der Kolkrabe liebt‟, wie ich früher (in meinem „Leben der Vögel‟) ſchon einmal geſagt habe, „ein inniges Verhältniß mit dem Menſchen gar nicht und ſucht jeder Ver- traulichkeit von ſeiten des letzteren auszuweichen. Man ſindet ihn daher nur an ſpärlich bewohn- ten Orten unſeres Vaterlandes: in Gebirgen, in zuſammenhängenden, hochſtändigen Waldungen, an felſigen Meeresküſten und in andern Gegenden, wo er möglichſt ungeſtört ſein kann. Gegen die Grenzen unſeres Erdtheils hin lebt er mit dem Herrn der Erde in beſſeren Verhältniſſen; namentlich iſt Das im Süden, Oſten und Norden Europas der Fall, höchſt wahrſcheinlich deshalb, weil der Menſch in den bezüglichen Ländern jener Himmelsſtriche nicht ſo ausgeſucht boshaft jede ſeiner Vergnügungen und Handlungen bemäkelt und richtet, wie er in Mittel- und Weſteuropa zu thun ſich erlaubt. Hier
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[343/0369]
Alpendohle. Kolkrabe.
„Vor einer Schlange oder einem Krebs u. dgl. ſchlägt er die Flügel und den Schwanz und
krächzt ganz wie die Raben; kommt ein Fremder ins Zimmer, ſo ſchreit er, daß man faſt taub wird;
ruft ihn aber ein Bekannter, ſo gackert er ganz freundlich. Jn der Ruhe ſingt er bisweilen, und iſt
er ausgeſchloſſen, ſo pfeift er faſt wie eine Amſel; er lernt ſelbſt einen kleinen Marſch pfeifen.‟
„War Jemand lang abweſend und kommt zurück, ſo geht er ihm mit halb geöffneten Flügeln
entgegen, begrüßt ihn mit der Stimme, fliegt ihm auf den Arm und beſieht ihn von allen Seiten.
Findet er nach Sonnenaufgang die Thüre geſchloſſen, ſo läuft er in ein Schlafzimmer, ruft einige
Mal, ſetzt ſich unbeweglich aufs Kopfkiſſen und wartet, bis ſein Freund aufwacht. Dann hat er
keine Ruhe mehr, ſchreit aus allen Kräften, läuft von einem Orte zum andern und bezeugt auf
alle Art ſein Vergnügen an der Geſellſchaft ſeines Herrn. Seine Zuneigung ſetzt wirklich in Erſtau-
nen; aber dennoch macht er ſich nicht zum Sklaven, läßt ſich nicht gern in die Hand nehmen, und er
hat immer einige Perſonen, die er nicht leiden mag, und nach denen er pickt.‟
Die Raben im engſten Sinne, eine an Sippen und Arten zahlreiche Horde, kennzeichnen ſich
durch großen, aber verhältnißmäßig kurzen, mehr oder weniger gebogenen, an der Wurzel mit ſteifen
Borſtenhaaren überdeckten Schnabel, welcher ſtets eine ſchwarze Färbung zeigt, durch mittellange
Flügel, welche zuſammen gelegt ungefähr das Ende des Schwanzes erreichen, durch ſtarke Füße,
welche ebenfalls ſchwarz gefärbt ſind, und durch ein ziemlich reiches Gefieder von vorwaltend ſchwarzer
Farbe mit mehr oder weniger Glanz.
Unter den hierher zu zählenden Vögeln gebührt unſerm Kolk- oder Edelraben (Corax nobilis)
die erſte Stelle. Er iſt der Rabe im eigentlichen Sinne des Worts; die vielen Benennungen, welche
er außerdem noch führt, ſind nichts anderes als unbedeutſame Beinamen. Der Kolkrabe vertritt mit
mehreren Verwandten, welche ihm ſämmtlich höchſt ähnlich ſind, eine beſondere Sippe, deren Kenn-
zeichen im Folgenden liegen: Der Leib iſt geſtreckt, der Flügel groß, lang und ſpitzig, weil die dritte
Schwinge alle übrigen an Länge überragt, der Schwanz mittellang, ſeitlich abgeſtuft, das Gefieder
knapp und glänzend. Die Färbung des Kolkraben iſt gleichmäßig ſchwarz. Nur das Auge iſt braun
oder bei den jüngern Vögeln blauſchwarz und bei den Neſtjungen hellgrau. Die Länge beträgt
reichlich 2 Fuß, die Breite 4¼ Fuß, die Fittiglänge 17 Zoll, die Schwanzlänge 9¾ Zoll.
Unter allen Raben ſcheint der Kolkrabe, welcher überhaupt in jeder Hinſicht als das Ur- und
Vorbild der ganzen Familie zu betrachten iſt, am weiteſten verbreitet zu ſein. Er bewohnt ganz
Europa vom Nordkap an bis zum Kap Tarifa und vom Vorgebirge Finisterre an bis zum Altaï.
Er findet ſich aber auch im größten Theile Aſiens vom Eismeer bis zum Punjab und vom Altaï bis
nach Japan, und es iſt noch ſehr fraglich, ob der im Norden Amerikas lebende Rabe von dem unſrigen
verſchieden iſt oder nicht. Die bedeutendere Größe, welche der nordamerikaniſche Rabe erreicht, ſcheint
für erſteres zu ſprechen, die Verſchiedenheiten in der Größe, welche bei den unſrigen beobachtet wer-
den, für letzteres. Bei uns zu Lande iſt der ſtattliche, ſtolze Vogel nur in gewiſſen Gegenden häufig,
in andern bereits ausgerottet. „Der Kolkrabe liebt‟, wie ich früher (in meinem „Leben der Vögel‟)
ſchon einmal geſagt habe, „ein inniges Verhältniß mit dem Menſchen gar nicht und ſucht jeder Ver-
traulichkeit von ſeiten des letzteren auszuweichen. Man ſindet ihn daher nur an ſpärlich bewohn-
ten Orten unſeres Vaterlandes: in Gebirgen, in zuſammenhängenden, hochſtändigen Waldungen, an
felſigen Meeresküſten und in andern Gegenden, wo er möglichſt ungeſtört ſein kann. Gegen die Grenzen
unſeres Erdtheils hin lebt er mit dem Herrn der Erde in beſſeren Verhältniſſen; namentlich iſt Das im
Süden, Oſten und Norden Europas der Fall, höchſt wahrſcheinlich deshalb, weil der Menſch in den
bezüglichen Ländern jener Himmelsſtriche nicht ſo ausgeſucht boshaft jede ſeiner Vergnügungen und
Handlungen bemäkelt und richtet, wie er in Mittel- und Weſteuropa zu thun ſich erlaubt. Hier
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/369>, abgerufen am 24.11.2024.
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