und wahrscheinlich auch in allen südlicheren Gebirgsländern findet das Gegentheil statt. Hier ist die Alpenkrähe Stand- oder höchstens Strichvogel, denn es mag wohl möglich sein, daß sie im Winter das Hochgebirge verläßt und in tiefere Thäler herabgeht.
Nach unseren Beobachtungen erinnert die Alpenkrähe lebhaft an die Thurmdohle; sie fliegt aber leichter und zierlicher als diese und ist auch viel klüger und vorsichtiger. Wenn man durch die Gebirge Murcias oder Andalusiens reist, hört man zuweilen von einer Felsenwand tausendstimmiges Geschrei herniederschallen und glaubt, es zunächst mit unserer Thurmdohle zu thun zu haben, bis
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Die Alpenkrähe (Freglius gracnius).
die Masse der Vögel sich in Bewegung setzt und man nun leicht an dem zierlicheren und rascheren Fluge, bei günstiger Beleuchtung wohl auch bei der weithin sichtbaren Korallenfarbe des Schnabels, die Alpenkrähe erkennt. Beobachtet man die Thiere länger, so bemerkt man, daß sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf den bestimmten Plätzen erscheinen und sie mit derselben Regelmäßigkeit wieder verlassen. Jn den frühesten Morgenstunden fliegen sie auf Nahrung aus, kehren gegen neun Uhr vormittags auf ihre Wohnplätze zurück, verweilen hier kürzere Zeit bis zur Tränke, suchen von neuem Nahrung und erscheinen erst in den heißen Mittagsstunden wiederum auf ihrer Felsenwand. Während der Mittagshitze halten sie sich in schattigen Felsenlöchern verborgen, beobachten aber genau die nächste
Alpenkrähe.
und wahrſcheinlich auch in allen ſüdlicheren Gebirgsländern findet das Gegentheil ſtatt. Hier iſt die Alpenkrähe Stand- oder höchſtens Strichvogel, denn es mag wohl möglich ſein, daß ſie im Winter das Hochgebirge verläßt und in tiefere Thäler herabgeht.
Nach unſeren Beobachtungen erinnert die Alpenkrähe lebhaft an die Thurmdohle; ſie fliegt aber leichter und zierlicher als dieſe und iſt auch viel klüger und vorſichtiger. Wenn man durch die Gebirge Murcias oder Andaluſiens reiſt, hört man zuweilen von einer Felſenwand tauſendſtimmiges Geſchrei herniederſchallen und glaubt, es zunächſt mit unſerer Thurmdohle zu thun zu haben, bis
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Die Alpenkrähe (Freglius gracnius).
die Maſſe der Vögel ſich in Bewegung ſetzt und man nun leicht an dem zierlicheren und raſcheren Fluge, bei günſtiger Beleuchtung wohl auch bei der weithin ſichtbaren Korallenfarbe des Schnabels, die Alpenkrähe erkennt. Beobachtet man die Thiere länger, ſo bemerkt man, daß ſie mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit auf den beſtimmten Plätzen erſcheinen und ſie mit derſelben Regelmäßigkeit wieder verlaſſen. Jn den früheſten Morgenſtunden fliegen ſie auf Nahrung aus, kehren gegen neun Uhr vormittags auf ihre Wohnplätze zurück, verweilen hier kürzere Zeit bis zur Tränke, ſuchen von neuem Nahrung und erſcheinen erſt in den heißen Mittagsſtunden wiederum auf ihrer Felſenwand. Während der Mittagshitze halten ſie ſich in ſchattigen Felſenlöchern verborgen, beobachten aber genau die nächſte
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Alpenkrähe.
und wahrſcheinlich auch in allen ſüdlicheren Gebirgsländern findet das Gegentheil ſtatt. Hier iſt die
Alpenkrähe Stand- oder höchſtens Strichvogel, denn es mag wohl möglich ſein, daß ſie im Winter das
Hochgebirge verläßt und in tiefere Thäler herabgeht.
Nach unſeren Beobachtungen erinnert die Alpenkrähe lebhaft an die Thurmdohle; ſie fliegt
aber leichter und zierlicher als dieſe und iſt auch viel klüger und vorſichtiger. Wenn man durch die
Gebirge Murcias oder Andaluſiens reiſt, hört man zuweilen von einer Felſenwand tauſendſtimmiges
Geſchrei herniederſchallen und glaubt, es zunächſt mit unſerer Thurmdohle zu thun zu haben, bis
[Abbildung Die Alpenkrähe (Freglius gracnius).]
die Maſſe der Vögel ſich in Bewegung ſetzt und man nun leicht an dem zierlicheren und raſcheren
Fluge, bei günſtiger Beleuchtung wohl auch bei der weithin ſichtbaren Korallenfarbe des Schnabels, die
Alpenkrähe erkennt. Beobachtet man die Thiere länger, ſo bemerkt man, daß ſie mit einer gewiſſen
Regelmäßigkeit auf den beſtimmten Plätzen erſcheinen und ſie mit derſelben Regelmäßigkeit wieder
verlaſſen. Jn den früheſten Morgenſtunden fliegen ſie auf Nahrung aus, kehren gegen neun Uhr
vormittags auf ihre Wohnplätze zurück, verweilen hier kürzere Zeit bis zur Tränke, ſuchen von neuem
Nahrung und erſcheinen erſt in den heißen Mittagsſtunden wiederum auf ihrer Felſenwand. Während
der Mittagshitze halten ſie ſich in ſchattigen Felſenlöchern verborgen, beobachten aber genau die nächſte
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/361>, abgerufen am 24.11.2024.
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