Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.Madenhacker. Berichten der südafrikanischen Reisenden erfahren wir, daß sie, in gleicher Weise wie den Herdenthieren,den Elefanten und Nashörnern ihre Dienste widmen. Jch habe im zweiten Bande dieses Wer- kes das Freundschaftsverhältniß zwischen ihnen und dem Nashorn bereits erwähnt. Nach Le Vail- lant besuchen sie auch Antilopen, also wahrscheinlich alle größeren Säugethiere überhaupt. Sie widmen ihre Thätigkeit namentlich solchen Herdenthieren, welche wunde Stellen haben und deshalb die Fliegen herbeilocken. Daher hassen sie die Abissinier, welche glauben, daß sie durch ihr Picken die aufgeriebene Stelle reizen und die Heilung verhindern; es sind aber die Larven verschiedener Bies- fliegen, die sich unter der Haut der Thiere eingebohrt haben und die vollgesogenen Zecken, welche sie herbeiführen. Erstere wissen sie aus ihren Schlupfwinkeln hervorzuziehen, letztere von allen Stellen des Leibes abzulesen. Säugethiere, welche sie von Jugend auf kennen, verrathen niemals, daß die [Abbildung]
Der rothschnäbelige Madenhacker (Buphaga erythrorhyncha). Schmarotzerei der Vögel ihnen lästig werde; sie behandeln die Madenhacker vielmehr mit wirklicherFreundschaft und lassen sie gewähren, gleichviel wie sie es treiben, ohne auch nur mit dem Schwanze nach ihnen zu schlagen: Thiere hingegen, welche sie nicht kennen, geberden sich wie unsinnig, wenn sie plötzlich den Besuch der in bester Absicht erscheinenden Vögel erhalten. So erzählt Anderson, daß eines Mor- gens die Ochsen seines Gespanns in den lächerlichsten Sätzen und in der wildesten Unordnung davon rasten, weil ein Schwarm Madenhacker sich auf ihnen niederließ. Jn meinen "Ergebnissen u. s. w." habe ich das Treiben der Vögel mit folgenden Worten zu schildern versucht: "Ein mit Madenhackern bedecktes Pferd oder Kamel gewährt einen lustigen Anblick. Ehrenberg sagt sehr richtig, daß die Vögel an den Thieren herumklettern, wie die Spechte an den Bäumen. Der Madenhacker weiß jede Stelle an dem Körper auszunutzen. Er hängt sich unten am Bauche zwischen den Beinen an, steigt an diesen herab, kopfunterst und kopfoberst, klammert sich sogar an den Geschlechtstheilen fest, setzt sich Brehm, Thierleben. III. 20
Madenhacker. Berichten der ſüdafrikaniſchen Reiſenden erfahren wir, daß ſie, in gleicher Weiſe wie den Herdenthieren,den Elefanten und Nashörnern ihre Dienſte widmen. Jch habe im zweiten Bande dieſes Wer- kes das Freundſchaftsverhältniß zwiſchen ihnen und dem Nashorn bereits erwähnt. Nach Le Vail- lant beſuchen ſie auch Antilopen, alſo wahrſcheinlich alle größeren Säugethiere überhaupt. Sie widmen ihre Thätigkeit namentlich ſolchen Herdenthieren, welche wunde Stellen haben und deshalb die Fliegen herbeilocken. Daher haſſen ſie die Abiſſinier, welche glauben, daß ſie durch ihr Picken die aufgeriebene Stelle reizen und die Heilung verhindern; es ſind aber die Larven verſchiedener Bies- fliegen, die ſich unter der Haut der Thiere eingebohrt haben und die vollgeſogenen Zecken, welche ſie herbeiführen. Erſtere wiſſen ſie aus ihren Schlupfwinkeln hervorzuziehen, letztere von allen Stellen des Leibes abzuleſen. Säugethiere, welche ſie von Jugend auf kennen, verrathen niemals, daß die [Abbildung]
Der rothſchnäbelige Madenhacker (Buphaga erythrorhyncha). Schmarotzerei der Vögel ihnen läſtig werde; ſie behandeln die Madenhacker vielmehr mit wirklicherFreundſchaft und laſſen ſie gewähren, gleichviel wie ſie es treiben, ohne auch nur mit dem Schwanze nach ihnen zu ſchlagen: Thiere hingegen, welche ſie nicht kennen, geberden ſich wie unſinnig, wenn ſie plötzlich den Beſuch der in beſter Abſicht erſcheinenden Vögel erhalten. So erzählt Anderſon, daß eines Mor- gens die Ochſen ſeines Geſpanns in den lächerlichſten Sätzen und in der wildeſten Unordnung davon raſten, weil ein Schwarm Madenhacker ſich auf ihnen niederließ. Jn meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ habe ich das Treiben der Vögel mit folgenden Worten zu ſchildern verſucht: „Ein mit Madenhackern bedecktes Pferd oder Kamel gewährt einen luſtigen Anblick. Ehrenberg ſagt ſehr richtig, daß die Vögel an den Thieren herumklettern, wie die Spechte an den Bäumen. Der Madenhacker weiß jede Stelle an dem Körper auszunutzen. Er hängt ſich unten am Bauche zwiſchen den Beinen an, ſteigt an dieſen herab, kopfunterſt und kopfoberſt, klammert ſich ſogar an den Geſchlechtstheilen feſt, ſetzt ſich Brehm, Thierleben. III. 20
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Madenhacker.
Berichten der ſüdafrikaniſchen Reiſenden erfahren wir, daß ſie, in gleicher Weiſe wie den Herdenthieren,
den Elefanten und Nashörnern ihre Dienſte widmen. Jch habe im zweiten Bande dieſes Wer-
kes das Freundſchaftsverhältniß zwiſchen ihnen und dem Nashorn bereits erwähnt. Nach Le Vail-
lant beſuchen ſie auch Antilopen, alſo wahrſcheinlich alle größeren Säugethiere überhaupt. Sie
widmen ihre Thätigkeit namentlich ſolchen Herdenthieren, welche wunde Stellen haben und deshalb
die Fliegen herbeilocken. Daher haſſen ſie die Abiſſinier, welche glauben, daß ſie durch ihr Picken
die aufgeriebene Stelle reizen und die Heilung verhindern; es ſind aber die Larven verſchiedener Bies-
fliegen, die ſich unter der Haut der Thiere eingebohrt haben und die vollgeſogenen Zecken, welche
ſie herbeiführen. Erſtere wiſſen ſie aus ihren Schlupfwinkeln hervorzuziehen, letztere von allen Stellen
des Leibes abzuleſen. Säugethiere, welche ſie von Jugend auf kennen, verrathen niemals, daß die
[Abbildung Der rothſchnäbelige Madenhacker (Buphaga erythrorhyncha).]
Schmarotzerei der Vögel ihnen läſtig werde; ſie behandeln die Madenhacker vielmehr mit wirklicher
Freundſchaft und laſſen ſie gewähren, gleichviel wie ſie es treiben, ohne auch nur mit dem Schwanze nach
ihnen zu ſchlagen: Thiere hingegen, welche ſie nicht kennen, geberden ſich wie unſinnig, wenn ſie plötzlich
den Beſuch der in beſter Abſicht erſcheinenden Vögel erhalten. So erzählt Anderſon, daß eines Mor-
gens die Ochſen ſeines Geſpanns in den lächerlichſten Sätzen und in der wildeſten Unordnung davon
raſten, weil ein Schwarm Madenhacker ſich auf ihnen niederließ. Jn meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟
habe ich das Treiben der Vögel mit folgenden Worten zu ſchildern verſucht: „Ein mit Madenhackern
bedecktes Pferd oder Kamel gewährt einen luſtigen Anblick. Ehrenberg ſagt ſehr richtig, daß die
Vögel an den Thieren herumklettern, wie die Spechte an den Bäumen. Der Madenhacker weiß jede
Stelle an dem Körper auszunutzen. Er hängt ſich unten am Bauche zwiſchen den Beinen an, ſteigt
an dieſen herab, kopfunterſt und kopfoberſt, klammert ſich ſogar an den Geſchlechtstheilen feſt, ſetzt ſich
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